DER STÄDTEBAU
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mäler in Posen und in Schwaben, in Schleswig und im
bayerischen Oberland. Sie zeigen so wenig Eigenart und
Bodenständigkeit, daß sie „nach Belieben vertauscht“
werden könnten. In der Tat aber ist es mit der Bewahrung
der Stammeseigenart und dem Festhalten an schönen
heimischen Überlieferungen doch noch weit besser bestellt,
als eben die Denkmäler vermuten lassen. Und auch der
Schönheitsinn der Bürger darf nicht vorschnell nach
ihren öffentlichen Denkmälern beurteilt werden. Allein,
wo noch ein solcher, wo Eigenart und Urwüchsigkeit vor
handen, da ist Gefahr, daß sie unter dem Einflüsse der
modischen sogenannten Kunstpflege anfaulen und schließ
lich sich auflösen. Wenn das Kunst ist und schön, was
mit dem teueren Geld der Bürgerschaft bezahlt und in ihrer
Mitte aufgestellt wurde, so muß sich die naiv bemalte
Truhe und der grob geschnitzte Fuchs am Gartentore be
schämt in die Rumpelkammer zurückziehen. Und man
geht in den Bazar und kauft Faust und Gretchen aus
Papiermasse und eine Schatulle mit gestanzten Orna
menten im Jugendstil.
Obwohl es zu begrüßen ist, daß heute allgemeiner die
Verpflichtung anerkannt wird, die Kunst zu unterstützen,
und obwohl gerade den Bildhauern, die immer einen be
sonders schweren Stand haben, die günstige Gelegenheit
nur zu gönnen ist, so heißt es doch, Augen offen halten
und wachsam bleiben, ob wir mit dem herrschenden Be
triebe nicht in eine ganz falsche Richtung hineingeraten.
Was ist wichtiger, der Schmuck oder die Sache? Besteht
Wesen und Aufgabe der Kunst darin, daß neben dem Not
wendigen und Nützlichen ein Schönes geschaffen wird,
das nur außerhalb des Lebens gedeiht, im Bereiche des
Überflüssigen, des bloß Schmückenden, in den luftigen
Höhen der Unwirklichkeit, der Phantasie? Dieser Auf
fassung entspricht das Monument, daß es die Kunst ver
trete. Es ist ein Opfer an die Kunst (vielleicht auch an
die Geschichte oder an den guten Ruf der Stadt), aber
erlösenden Wert hat es nicht, so ^yenig wie ein aus Knie
beugen und Mundgebet bestehender Gottesdienst. Unsere
Denkmalpflege zeigt sonnenklar, daß die Kunst noch
keinen Eingang gefunden hat in unser persönliches Leben,
daß sie uns noch nicht mehr geworden als eine Anstand
sitte.
Was bedeutet ein schöner Ring an einem häßlichen
Körper, oder ein herrliches Gemälde in einem Raume, der
von Barbarei und Geschmacklosigkeiten strotzt? Der Ring
und das Bild, sie werden nicht aufhören, uns zu ver
spotten und anzuklagen, wenn unsere Bewegungen, unsere
Sprache, unser Tagewerk nicht mit ihnen zusammenklingen,
wenn wir, selbst aller Grazie und Geschmackes bar, ge
glaubt, durch das gekaufte Ding unsere Unkultur zu be
mänteln. Kunst läßt sich nicht kaufen, nicht einftihren;
entweder glauben wir an sie und leben ihr nach, oder sie
ist wertlos, ein Schmarotzergewächs, das uns nicht nützen
und selber nicht gedeihen kann.
Die Kunst will nicht unterstützt werden; sie geht nicht
umher und bettelt um Almosen, die ihr mehr oder weniger
willig gegeben werden, mit allerlei arglistigen Hinter
gedanken und mit dem kaum verhehlten Wunsche, durch
ein nicht zu hohes Lösegeld sich ein für allemal der Zu
dringlichen zu entledigen. Hütet euch, ihr Bürger, ein
schönes Denkmal zu errichten, wenn nicht eure Stadt bis
in die entlegenste Straße und bis in den dunkelsten Winkel
mit Ehren davor bestehen kann, hütet euch vor dem
stummen Vorwurfe gegen unser eigenes Leben, das, ach,
von Schönheit so weit entfernt. Und ein schlechtes Denk
mal, das könnt ihr euch ersparen, denn mit einem solchen
dient ihr weder der Kunst (sie nimmt es nicht als Opfer
oder Lösegeld an), noch dem großen Manne, dem es eher
zur Schande als zum Ruhme gereicht.
Freilich, wer auf die Masse der Reisenden hofft, der
rechnet nicht falsch, wenn er für sie ein Schaufutter,
ein Schaumahl auftischt, auf daß sie etwas zu begucken
und zu beschwatzen haben. Es sind dieselben, die vor
dem großartigsten Alpenpanorama nichts Besseres zu tun
wissen als festzustellen: dies Ist der Montblanc, dies die
Jungfrau, dies der Eiger, „Wir haben den Montblanc ge
sehen, das Bismarckdenkmal, den Augustusbrunnen usw.“,
erzählen die Guten dann triumphierend zu Hause, und
meinen Wunders, was sie damit — erlebt haben. Allein
die Frage ist doch berechtigt, ob die Kunst keinen höheren
Zweck hat, als Fremdenköder zu schaffen und Sterne für
den Bädeker? Unserer Zeit, die alles von dem einen Ge
sichtspunkt aus betrachtet; Was trägt es ein, was ist da
mit zu verdienen, mag allerdings diese Auffassung be
sonders nahe liegen.
Wenn wir es aber mit der Kunst ernst meinen, wenn
ein Fürst beabsichtigt, seine Residenzstadt zur schönsten
der Welt zu machen, dann hat es keinen Sinn, mit Denk
mälern zu beginnen. Wie ein Haus dadurch, daß wir in
seine Wand ein gutes Bildwerk einmauern, noch lange
nicht schön wird, so auch nicht eine Stadt durch Monu
mente. Was meine ich damit? Dieses: die Stadt als Ganzes
ist ein Organismus, eine Einheit von vielen verschieden
artigen Teilen, deren Schönheit nicht in der Vollkommen
heit irgend eines Teiles beruhen kann, sondern nur in
der Vollkommenheit des Zusammenstimmens der Einzel
glieder, in der Art, wie sie sich zum Ganzen vereinigen.
Die schönste Stadt ist also diejenige, die in Gestalt und
Lage der Bauwerke, in Führung und Maßen der Straßen
und Plätze deren Beziehungen zum Ganzen am besten
zu Ausdruck bringt. Jedes Gebäude, jede Brücke, jeder
Weg ist ja ein tätiges, bedeutungsvolles Glied am großen
Organismus der Stadt und hat als solches eine bestimmte,
für das Allgemeine notwendige Aufgabe. Wie nun in der
Natur die Teile der lebendigen Organismen, der Pflanzen
und Tiere, eine solche Form haben, daß sie nicht nur
ihren Zweck in der denkbar idealsten Weise erfüllen,
sondern das Leben, die Kräfte, die Arbeitsleistung auch
nach außen unserm Auge sichtbar und verständlich ver
künden, (die Kralle greift, der Stengel trägt) und wie sich
diese Teile zur denkbar idealsten Harmonie vereinigen
(darauf beruht dann die Schönheit der Pflanze, des Tieres
als Ganzes), so werden wir von einer Stadt dann einen
harmonischen und befriedigenden Eindruck haben, wenn
sie in ihren Teilen und als Ganzes die gleichen Eigen
schaften aufweist. Solange diese wesentliche Schönheit
nicht vorhanden, kann aller Schmuck nur falsch angebracht
und komisch wirken.
So wie die Dinge heute liegen, ist allerdings in den
meisten Fällen am Stadtbild im Großen nichts mehr zu
ändern. Es kommen nur teilweise Umgestaltungen in Neu
bauten, Straßenerweiterungen, Durchbrüchen, Park- und
Brunnenanlagen usw. in Betracht. Aber schon bei diesen
kleineren Gelegenheiten ließe sich Bedeutendes erreichen.