DER STÄDTEBAU
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Die Parkfriedhöfe der Großstädte Amerikas, die in
weiser Voraussicht in ihren ersten Anfängen mehr denn
ein halbes Jahrhundert zurück, meist in Abmessungen von
Über 200 amerikanischen Morgen groß angelegt wurden,
sind häufig auf hügeligem Gelände mit weitem Ausblick
gelegen, und Begräbnisorte, wie sie schöner nicht gedacht
werden können. Hier verliert der Tod allen Schauer unter
dem lieblichen Gewände der Schönheit von Natur und
Kunst, wie es die bedeutendsten amerikanischen Architek
ten und Landschaftsgärtner, wie Olmstedt, gewoben haben.
AUSDRUCK IM STÄDTEBAU.
Von DR. HANS SCHMIDKUNZ, Berlin-Halensee.
Innerhalb der täglichen Einzelarbeit an den praktischen
Aufgaben des Städtebaues vergessen wir nur zu leicht, daß
dieser ebenso wie andere menschliche Betätigungen ein
Gegenstand nicht nur der Praxis, sondern auch der Theorie
ist, und daß beide, Praxis und Theorie, gut daran tun, sich
beizeiten mit einander zu vertragen. Sofern nun der
Städtebau als eine künstlerische Angelegenheit aufzufassen
ist, gehört eine Theorie von ihm zu demjenigen Wissens
gebiete, das längst unter dem vielberufenen Namen der
Aesthetik bekannt ist. Aesthetik, oder wie immer man
auch dieses Gebiet nennen mag, ist zuförderst lediglich
Sache der Erkenntnis, eine Befriedigung des menschlichen
Wissenstriebes, eine Theorie schlechtweg ohne irgend ein
Absehen auf praktischen Nutzen, ein Selbstzweck ebenso,
wie es im Wesen jeglicher anderen Wissenschaft liegt.
Nun weiß man aber aus Erfahrung, daß eine Theorie,
wenn sie nur für einen Selbstzweck wirklich gut ist, doch
auch häufig oder immer den Nebenerfolg hat, praktisch
förderlich zu wirken. Gerade je „reiner“ sie ist, desto
mehr kann man sich auf sie verlassen, während eine von
vornherein auf praktische Anwendung ausgehende Theorie
bereits dem Verdacht ausgesetzt ist, daß sie im Dienst
irgend welcher praktischer Rücksichten steht. Kurz, es
stellt sich das heraus, was man besonders in der Praxis
und Theorie der Pädagogik seit langem schon weiß: das
Praktischeste ist und bleibt eine gute Theorie.
Daß nun für jegliche Theorie die Wirklichkeit oder
die Praxis im weitesten Sinne der unentbehrliche Haupt
gegenstand der Forschung ist, weiß man ebenfalls schon.
In dem Maße nun, als dies richtig ist, wird für jegliche
Theorie, in unserem Fall also für die Aesthetik, eine
Materialsammlung möglichst weiten Umfanges nötig; und
zwar nicht nur historisch und geographisch, sondern auch
systematisch, zumal insofern, als allgemeine Typen aus
der Fülle des verschiedentlichen Einzelnen herausgearbeitet
werden sollen.
Nun hat sich die Aesthetik, oder die Lehre vom
Schönen oder die Lehre von der Kunst und dergleichen,
seit mehreren Jahrzehnten trotz aller Verdienste ihrer
Klassiker doch in Richtungen bewegt, welche wenig Aus
sicht geben, daß sie den einzelnen Teilen ihres Gebietes
theoretisch gerecht und praktisch förderlich werden kann.
Es ist hier nicht der Ort, Über die Einseitigkeiten einer
idealistischen und einer formalistischen und anderer
Aesthetiken zu sprechen. Nur zwei Seiten der Sache
müssen hier festgehalten werden. Erstens erschöpft sich die
bisherige Aesthetik fast immer nur in der Beobachtung und
Erklärung des Eindruckes, den ein ästhetischer Gegenstand
auf den ihm entgegentretenden Menschen macht; an die
produzierenden Mächte sowie an die Eingliederung dieses
Produzieren in größere Komplexe der Welt, kurz ge
sprochen : an den Künstler und an das Künstlertum, denkt
man hier am wenigsten. Damit steht in engem Zusammen
hang ein zweites Versäumnis, das allerdings aus der
Praxis insofern eine Bestätigung zu bekommen scheint,
als es ja viele angebliche Künstler gibt, die nichts zu
„sagen“ haben. Wir meinen die Versäumung der Erkennt
nis, daß alle Kunst Aussprache eines seelischen Inneren
ist; aber eine Aussprache freilich, die über den natura
listischen Charakter alltäglicher Vorgänge des Aussprechens
dadurch hinausgeht, daß sie mit einem besonderen Inter
esse an den Formen dieses Aussprechens geschieht. Damit
ist die Forderung aufgestellt, an die Stelle der bisherigen
Aesthetiken eine Aesthetik des Ausdruckes zu setzen und
diese Betrachtung auch auf die Erkenntnis und Förderung
von Einzelgebieten anzuwenden, bei denen es bisher noch
nicht geschehen ist.
Wenn nun jedes wirkliche Kunstwerk Ausdruck ist,
und zwar einer, der mit der höchstmöglichen Vollkommen
heit der Formensprache geschieht, so liegt darin auch
schon dies, daß jedes wahre Kunstwerk den allbekannten
Stempel des Individuellen trägt; der Künstler kann gar
nicht anders, als seine Sache zu machen, wie sie eben
aus seinem eigenen, nicht aus einem anderen Innern
kommt. Man weist auf diese Charakteristik alles Künst
lerischen besonders gerne dann hin, wenn es gilt, Kunst
einerseits und Handwerk oder Gewerbe und Industrie
andererseits von einander zu unterscheiden. Man sagt in
solchen Fällen; Ein künstlerisches Werk ist dasjenige,
das individuell gearbeitet ist. Darin liegt natürlich nichts
Unrichtiges und etwas überaus Wichtiges. Indessen ist
noch nicht alles Individuelle künstlerisch; es gibt ja auch
auf anderen als den künstlerischen Gebieten individuelle
Leistungen. Wir möchten die Unterscheidung des Künst-
lerischen und des Handwerklichen und dergleichen folgen
dermaßen machen. Es handelt sich bei diesen Unter
scheidungen um eine andere als die sogenannte reine
Kunst, um die Gebrauchskunst, oder wie man sie nennen
will; also um Architektonisches, Kunstgewerbliches und
dergleichen mehr. Alle diese Werke dienen einem Zweck
und sollen ihn eben auf eine möglichst zweckdienliche
Weise erfüllen. Kommt weiter nichts hinzu, so liegt ledig
lich ein technisches Werk vor. Nun kann aber bei der
Produktion eines solchen Werkes außerdem noch das Be
dürfnis walten, diesen Zweck und seine Erfüllung in einer
möglichst anschaulichen, sinnfälligen, reichlichen, voll
kommenen, eigenartigen Weise auszusprechen, von ihm
zu singen und zu sagen. So können wir auf dem Gebiete
der sogenannten Gebrauchskunst behaupten, daß jedes
hierhergehörige Stück eine Zweckbefriedigung ist, aber