DER STÄDTEBAU
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durch Spekulation ausschlachten zu dürfen. Doch ist auch
hier die Gelegenheit für die Stadt gegeben, diese Aus-
schlachtung zu hindern oder doch lange hinzuhalten, indem
sie einfach die Genehmigung für den Ausbau der Straßen
nicht zu erteilen und sie nicht für anbaufähig zu er
klären braucht.
In beiden Fällen wird die Möglichkeit vorliegen, die
Industrie für die Absichten der Stadt zu gewinnen und
außerdem die Bodenpreise für das innerhalb der Stadt von
Fabrikanlagen freiwerdende Land auf eine erträgliche Höhe
hinabzudrücken. Ja, häufig genug wird der Fall eintreten,
daß unter diesen besonderen Umständen der Industrielle
sein altes Land der Stadt gegen einen mäßigen Preis zur
Verfügung stellt und auf diese Weise allen Schwierigkeiten
aus dem Wege geht, zugleich aber auch das erforderliche
Kapital gewinnt, um draußen in der Kolonie auf städtischem
Grund und Boden mit städtischem Gelde neue musterhafte
Industriewerkstätten schaffen zu können. Um von vorn
herein bei dem Vorhaben, Industriekolonien anzulegen,
sicher zu gehen, empfiehlt sich für die Stadtverwaltung
noch folgender Weg. Sie beschafft sich zunächst in ge
eigneter Lage einen gehörigen Grundstock an Landbesitz,
arbeitet dann einen Ansiedlungsplan aus und erläßt an
der Hand dieses vorläufigen Planes eine vertrauliche Um
frage bei allen größeren Industriellen in der Stadt und
Umgebung, von denen anzunehmen ist, daß sie über kurz
oder lang an eine Auswanderung aufs Land gezwungen
sein werden. In dieser Rundfrage müßte auf alle die vielen
wirtschaftlichen, sozialen, hygienischen und moralischen
Vorteile der geplanten Ansiedelungsart hingewiesen werden,
es darf aber auch nicht versäumt werden, den Interessenten
in kluger Weise zu verstehen zu geben, welche Nachteile
ihnen entstehen könnten, wenn sie sich dem Plane feind
lich gegenüberstellen würden. Und dann muß alsbald eine
Art Sammelliste beigefügt werden, in die sich die freund
lich Gesinnten einzutragen haben.
Erst nachdem diese Vorarbeiten erledigt sind, kann
die Stadt an eine gesunde zweckmäßige Propaganda
gehen und den Plan eingehender bearbeiten. Wir haben
aus allen bisherigen Betrachtungen gesehen, daß beiden
Parteien, sowohl der Industrie, wie den Großstadtver
waltungen, ausschließlich Vorteile erwachsen, wenn die
letzteren die Gründungen von geeigneten Kolonien auf
städtischem Grund und Boden ohne Veräußerung und Ver-
äußerlichkeit ihres Landes bewirken. Es soll nun zuguter
letzt noch untersucht werden, wie weit der Staat bei
dieser bedeutenden wirtschaftlichen Aufgabe mitwirken
kann und wie weit er eine so neue und gesunde
Bodenpolitik der Gemeinden unterstützen und
fördern kann.
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Seitens der Regierungen in den verschiedenen Staaten
ist in neuerer Zeit wiederholt den Städten und größeren
Landgemeinden nahegelegt worden, sich einer zweckent
sprechenden Bodenpolitik zu befleißigen, um durch sie
einerseits den Staat in seiner geplanten Wohnungsreform
zu unterstützen und die Schuldenlasten der Gemeinden
anderseits erträglicher zu machen. Gewiß haben die
meisten Gemeindeverwaltungen bisher viel zu gleichgiltig
der Bodenfrage gegenübergestanden, ja sie häufig noch
verschlimmern helfen, aber die Schuld daran dürfte der
Staat nicht weniger haben als die Stadt, Wenn heute
der preußische Wohnungsgesetzentwurf in vielen Punkten
als eine unbegreifliche Härte für die Gemeinden em
pfunden wird und zum Teil empfunden werden muß, so
liegt das weniger an ihm selber, als vielmehr daran,
daß er viel zu spät erscheint. Er hätte schon ein Jahr
zehnt früher auf die Bildfläche treten und dazu etwas
bringen müssen, was er auch jetzt noch verabsäumt hat,
nämlich viel ein- und weitgehendere Bestimmungen über
das Enteignungsrecht der Städte.
Ich will hier ganz von der Anwendung des Enteignungs
rechtes auf den Bebauungsplan absehen; über diesen Punkt
läßt sich streiten; aber es gibt so viele andere Dinge, die
von ungemein wirtschaftlicher, hygienischer und sozialer
Bedeutung sein könnten, wenn ihre Verwirklichung den
Gemeinden mehr erleichtert würde. Man denke nur z. B.
an Land, das zur Errichtung von Wassergewinnungsan
lagen (Grundwasserbrunnen, Talsperren usw.) nötig ist, an
große, sonst unfruchtbare unddarum unbrauchbare Strecken,
die sich ausgezeichnet zu Rieselfeldern u. dergl, eignen;
wird hier nicht den Städten der Erwerb solchen Landes
viel zu sehr erschwert? Und wie sollen die Stadtverwal
tungen in ihren eigenen vier Pfählen gesunde Bodenpolitik
treiben, wenn alles Land innerhalb des Stadtgebietes in
festen Händen liegt und kein Recht besteht, auf Grund
dessen die Gemeinden sich genügendes Gelände gegen
angemessene Bezahlung erwerben können? Ich meine:
wenn nun einmal ein Wohnungsgesetz geschaffen, und
wenn den Gemeinden die Pflicht zu einer besseren Boden
politik auferlegt werden soll, dann muß auch zugleich
das Recht geschaffen werden, nach dem die Gemeinden
dieser, ihrer Pflicht, gerecht zu werden, die Kraft er
halten.
Legt man den Kommunen, was nach unseren obigen
Darlegungen wünschenswert erscheinen muß, durch das
Wohnungsgesetz nahe, Land zu Wohnungs- oder noch
besser Industriekolonien zu erwerben und es umsonst oder
billigst für die genannten Zwecke herzugeben, dann soll
man sich auch nicht scheuen, ihnen ein möglichst weit
gehendes Enteignungsrecht zu verleihen. Man kann sich
ja staatlicherseits das Recht Vorbehalten, die Ansied-
lungspläne auf das sorgfältigste zu prüfen und sie erst zu
bestätigen, bevor der betreffenden Gemeinde in dem Einzel
falle das Recht zugesprochen wird, nach diesem Plane im
Enteignungswege das erforderliche Land aufzukaufen und
einzurichten. Aber gerade dieser Weg, das Verfahren, muß
viel mehr, als es jetzt der Fall ist, erleichtert und gekürzt
werden und eine weitergehende Anwendbarkeit erhalten.
Ein zweiter Punkt, wo der Staat einsetzen kann, ist
die Gewährung eines größeren Kredites an die Gemeinde
und zwar gerade für den Zweck einer gesunden Boden
politik, Just für diese mit so geringer Bodenrente rech
nenden kommunalen Industriekolonien wäre es meines
Erachtens möglich, einen Fonds verwendbar zu machen,
der von den Arbeitern gesammelt wird und ihnen darum
auch in weitgehendster Weise zugute kommen muß, das
ist das Kapital der Landesversicherungsanstalten, soweit
es nicht schon anderweit in Anspruch genommen wird.
Wenn mit seiner Hilfe die Industriebevölkerung der
Städte zu kostenlosem Eigentum und zu einem gesunden
Leben ohne alle Gemeindesteuern gelangen könnte, so
würde man hierdurch der Sozialdemokratie eine weitere