DER STÄDTEBAU
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für öffentliche Bauten in Anspruch zu nehmen, möge dies
schon bei Feststellung des Bebauungsplanes, möge es erst
später bei eintretendem Bedürfnisse geschehen. Bis auf
weiteres sind die Gemeinden auch für diese Art der Ent
eignung auf landesherrliche Anordnung im Einzelfalle an
gewiesen.
Unsere Darlegungen über die Enteignungsfrage möchten
wir dahin schließen, daß die Notwendigkeit der gewöhn
lichen Eigentums-Entziehung an zukünftigen Straßen- und
Platzflächen wohl von Niemand bestritten, daß ferner die
Zonenenteignung zu Gunsten der Sanierung alter Stadtteile
und der Schaffung neuer Gartenanlagen eine große Schar
von Freunden hat, während der Ruf nach Zonenenteignung
im unbebauten Gelände, sei es für Wohnzwecke, sei es
für öffentliche Bauanlagen und nach Enteignung von Prell-
streifen zurzeit aussichtslos erscheint. Die zuletzt genannte
Enteignungsart wird übrigens durch die gesetzliche Ordnung
der Umlegung gegenstandslos.
Außer Acht geblieben sind hier die vielfach hervor
getretenen, auf Verbesserung des Enteignungs-Verfahrens
gerichteten Wünsche, die eine Beschleunigung einerseits
und eine gerechtere Bemessung der Entschädigung an
dererseits zum Ziele haben.
Umlegung.
Es ist bekannt, daß das Umlegungsbedürfnis in
manchen Fällen gesteigert oder herbeigeführt worden ist
durch eine rücksichtslose Legung der Fluchtlinien für
neue Straßen. Die wirklich guten und tadelfreien Ent
würfe sind im Städtebau vermutlich ebensosehr in der
Minderzahl wie in anderen Zweigen des Bauwesens. Gute
Bebauungspläne sind bestrebt, die neuen Straßen derart
den Grundstücksgrenzen anzupassen, daß Prellstreifen, wie
schon vorhin bemerkt, vermieden werden und möglichst
viel Eigentumsgrenzen senkrecht zu den Fluchtlinien
stehen. Dadurch wird das Umlegungsbedürfnis einge
schränkt, aber keineswegs beseitigt. Man denke nur an
die zahlreichen Landstraßen, die allmählich der städtischen
Bebauung einverleibt und oft auf langen Strecken von den
bisherigen Grundstücksgrenzen in spitzen Winkeln ge
schnitten werden; man denke an die in der Rheinprovinz
vielfach vorkommende Bildung von Landstreifen, deren
Breite von 5 m bis zu 1 m, wie schon erwähnt, hinab
geht; man denke endlich an das mitunter verwirrende
Gemenge von Eigentumsgrenzen in der Nähe dörflicher
Vororte oder im freien Ackerfelde. Der städtische Be
bauungsplan würde nicht einmal dann allen solchen
Grenzlinien sich anpassen können, wenn er sich nur dieses
Ziel steckte; er kann es um so weniger, je mehr sonstige
Gesichtspunkte von oft größerer Bedeutung in den Vorder
grund treten.
Unter „Umlegung“ versteht man nun diejenigen an
Eigentumsgrenzen vorzunehmenden Veränderungen, welche
nötig sind, um aus den zu schmalen, zu langen, mißge
stalteten oder ganz verschlossen liegenden Feldparzellen
brauchbare Baustellen zu machen oder sie in solche
einteilen zu können. Im Januarhefte des vorigen Jahr
gangs ist versucht worden, gewisse Ausschnitte aus den
Bebauungsplänen von Köln und Hannover in akade
mischer Weise so umzugestalten, daß das Umlegungs
bedürfnis verschwinde. Trotz Außerachtlassung anderer
Gesichtspunkte gelang dies nicht, wie auf Seite 38 und
Seite 128 des genannten Jahrgangs nachgewiesen wurde.
Wohl wurden die Fälle nötiger Umlegung an Zahl einge
schränkt, aber es blieben Parzellen von 100 bis 200 m
Tiefe, von 6 bis 4 m Breite und Reststücke von dreieckiger
Form übrig. Auch in dem Bebauungspläne für Marienberg
im Oktoberhefte des vorigen Jahrganges, besteht trotz der
ungewöhnlichen Größe und Regelmäßigkeit der Feldpar
zellen eine große Zahl von Fällen, wo erst durch Land
austausch benachbarter Besitzer die Bebauungsfähigkeit
hergestellt wird. Der im Dezemberheft veröffentlichte
Flensburger Plan würde, außer in den bereits genannten
Blöcken, behufs sachgemäßer Bebauung Umlegungen er
fordern in den Blöcken VII, VIII, XI, XVII u. a., obschon
die Eigentumsverhältnisse sehr wenig verwickelt sind.
Die „freiwillige“ Grenz-Umlegung ist deshalb ein bei
den meisten Stadterweiterungen sich fortwährend wieder
holender Vorgang, bei welchem der Mächtige und Rück
sichtslose das Uebergewicht hat Über den Schwachen.
Das aber ist nicht das nachteiligste; sondern der öffent
liche Schaden beruht darauf, daß ein Eigentümer, der mit
Überlegung oder gar mit böswilliger Absicht die Um
legung ablehnt, es oft in der Hand hat, eine ganze Gruppe
von Besitzern an der Verwertung und Bebauung ihrer
Grundstücke zu verhindern. Ja, wenn jemand dazu über
geht, hindernde Grundstücke in mehreren Teilen der
Stadterweiterung anzukaufen, so ist er unter Umständen
stark genug, die Entwicklung dort in großem Umfange zu
hemmen und seinem an anderer Stelle gelegenen Besitze
zuzuführen. In der Denkschrift des Verbandes deutscher
Architekten- und Ingenieurvereine vom Jahre 1897 ist auf
Seite4 bis 10 geschildert, wie in solcher und ähnlicher Weise
namentlich der kleine Besitzer von dem großen vergewaltigt
werden kann und wie der schließliche Nachteil die All
gemeinheit trifft, indem der Markt an fertigen Baustellen
verkümmert und die Wohnungsfürsorge erschwert wird.
Es ist deshalb seit Jahrzehnten die Frage erörtert
worden, ob es in sozialpolitischem Sinne zulässig ist, durch
den Einzelnen die Allgemeinheit wehrlos benachteiligen zu
lassen, ob es nicht vielmehr öffentlichrechtlich geboten er
scheint, durch ein gesetzlich geordnetes Umlegungsverfahren
den Schädigungen vorzubeugen. Schon ln R. Baumeisters
„Stadterweiterungen“ vom Jahre 1876 wurde die Notwen
digkeit gesetzlicher Umlegung hervorgehoben. Als aber
Adickes im Jahre 1893 mit seinem ersten Gesetzentwurf
an den preußischen Landtag herantrat, stieß seine Umle
gungs-Forderung bei großen politischen Parteien auf Ver
ständnislosigkeit. Der Gesetzentwurf wurde in den Kom
missionsverhandlungen des Abgeordnetenhauses begraben.
Besseren Erfolg hatte er mit seinem erneuten auf den
Bezirk der Stadtgemeinde Frankfurt a./M. beschränkten
Vorstoß im Jahre 1901, aber auch dieser Erfolg wurde aus
Mangel an Einsicht mit möglichst vielen Erschwerungen
umgeben. Inzwischen ist die Erkenntnis dessen, um was
es sich handelt, in immer weitere Kreise gedrungen, und
zahlreiche Schriftsteller wie Politiker fordern aus sozialen
und volkswirtschaftlichen Gründen die gesetzliche Ord
nung der städtischen Grundstücksumlegung. Sie können
sich mit Recht darauf berufen, daß die Umlegung (Feld
bereinigung, Verkoppelung, Separation) zu Gunsten länd
lichen Besitzes längst besteht und daß die mit dem städti
schen Baulande verknüpften Interessen mindestens ebenso
wichtig sind, wie die landwirtschaftlichen.