DER STÄDTEBAU
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werden dürfen); der seitliche Abstand von der Nachbar
grenze hat (bei Gruppenhäusern) mindestens io m zu be
tragen, Gegen die Errichtung von Gruppenbauten an der
„nur“ 15 m breiten Kulmstraße wurden anfänglich, trotz der
beiderseitigen 6 m tiefen Vorgärten und obgleich die Gebäude
nur zweigeschossig werden sollten, aus § 14 des Gesetzes
obrigkeitliche Bedenken abgeleitet, die aber dann im Inter
esse des nützlichen Unternehmens fallen gelassen wurden.
Die Bebauung kann ja auch kaum weiträumiger gedacht
werden, als Abb. a, Tafel 15 sie darstellt; die schätzungs
weise Rechnung (mit 6 Köpfen auf 1 Familie) ergibt hier,
einschl. Straßenland, für die Familie durchschnittlich 829 qm,
für den Kopf 135 qm. Gewerbliche Anlagen sind in diesem
Piangebiete nur auf einer mäßig großen Baufläche (26) zu
lässig; Anlagen, die unter § 16 der Gewerbeordnung fallen,
hohe Schornsteine erfordern oder anderweitig lästig fallen,
sind aber (nach § 2 des Ortsges.) auch hier ausgeschlossen.
Der Architekturcharakter ist hier dem der Wald
schlößchenkolonie ähnlich, da die meisten Entwürfe von
demselben Architekten (Ernst Kühn) wie dort herrühren.
Mit diesen beiden Einfamilienansiedlungen hat nun
endlich auch Dresden angefangen, berechtigten Forde
rungen der Neuzeit Rechnung zu tragen. Wenn die finan
zielle Seite sich dabei auch nicht ganz so günstig heraus
stellt, wie z, B. in München, so scheint doch keiner der
Teilnehmer an dem Unternehmen bisher den Schritt bereut
zu haben; es ist zu hoffen und für die Gesundung unsrer
Wohnungsverhältnisse jedenfalls zu wünschen, daß das
Beispiel hier und anderwärts immer mehr Nachahmung
finde und aus den noch etwas zaghaften und unsicheren
Anfängen sich eine Gewöhnung im Bau des Einfamilien
hauses entwickle, wie sie z. B. Nordamerika schon längst
besitzt. Die ungesuchte Einfachheit und Natürlichkeit des
Äußern, die jetzt noch manchmal zu vermissen ist, wird
sich immer mehr von selbst einstellen, je mehr solche
Unternehmungen mit der übelangebrachten „Villentradition“
brechen, den Charakter des Luxusbaus ablegen und zu
wirklichen Bedürfnisbauten werden. Dem wird dann auch
die Baugesetzgebung in Zukunft noch mehr Rechnung
tragen müssen.
DIE GROSSSTADT ALS STÄDTEGRÜNDERIN.
Von A. ABENDROTH, Hannover.
Es entspricht den Tatsachen und klingt doch absurd,
wenn jemand behauptet, die moderne Großstadt sei eine
Städtegründerin.
Daß ringsum im Interessenbereiche jeder größeren
Stadt neue Ansiedelungen entstehen, die jede für sich ein
kräftiges Lebewesen darstellen, läßt sich nicht ableugnen.
Und daß unter diesen Ansiedlungen nicht wenige sind,
die ohne jeden geschichtlichen Vorgang plötzlich aus dem
Nichts entstanden, ist ebenso wenig zu bestreiten. Es sei
nur z. B, an Friedenau bei Berlin erinnert, einen der
schönsten und wohlhabendsten Vororte Berlins von etwa
16000 Einwohnern, der vor 30 Jahren noch häuserlose,
ländliche Feldmark ohne jeden baulichen Zusammenhang
mit den zwar angrenzenden, aber doch immerhin mehrere
Kilometer entfernten Ortschaften Schöneberg, Wilmersdorf
und Steglitz war. Und man denke ferner nur an Wannsee,
Schlachtensee, Grunewald, Birkenwärder, Spindlersfelde
usw. usw., alles Ortschaften, die durchaus Neugründungen
mitten im Felde oder im Walde sind. Es ist nicht Über
trieben, wenn man behauptet, daß in Deutschland seit 1870
durch die Einwirkung der Städte wenigstens ebenso viele
ganz neue, blühende Ortschaften entstanden, als inzwischen
Jahre vergangen sind.
Sich mit diesen Neugründungen näher zu befassen,
ist aber nicht der Zweck der vorliegenden Arbeit. Man
kann von ihnen sagen, sie sind ohne das Zutun der Städte,
ja meistens sogar geradezu gegen ihren Wunsch und Willen
entstanden und also nicht Schöplungen der Großstadt,
sondern Wucherungen, die oft genug den Charakter
solcher offen zeigen, indem sie dem Körper der Stadt
Kräfte entziehen, die für ihn sehr wichtig und notwendig
sind.
Wenn wir im Nachstehenden die Großstadt als Städte
gründerin näher ins Auge fassen wollen, so denken wir
dabei nicht an die infolge der Großstadt entstandenen
Neusiedlungen, sondern wir wollen solche betrachten, die
durch die Großstadt, aus ihrem eigenen Antriebe heraus,
ins Leben gerufen werden — können, denn noch sind ja
keine vorhanden. Wir wollen die Großstadt nicht als
unfreiwillige, sondern als bewußte, zweck- und
planmäßig vor gehende Städtegründerinansehenund
festzustellen suchen, wie weit eine solche an sich
durchaus neue Tätigkeit des Gemeindewesens mög
lich und ersprieslich ist.
* *
*
Auf dem ersten deutschen Wohnungskongresse zu Frank
furt a. M. im Oktober dieses Jahres, der leider ohne jeden
praktischen Erfolg verlaufen ist, trat zum erstenmale eine
Gesellschaft in die breitere Öffentlichkeit, die gewiß noch
recht wenigen bekannt war und darum vielleicht auf viele
den Eindruck einer sich mit Utopien abquälenden Vereini
gung unpraktischer Schwärmer machte. Diese Gesellschaft
ist die „Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft“, die
ihren Sitz in Schlachtensee (Berlin) hat und durch
Flugschriften für die Gründung neuer Städte wirbt, die
zum Teil nach kommunistischem Rezepte neu angelegt
werden sollen. Der Hauptgrundsatz und das gesundeste
an diesen Bestrebungen ist die unbedingte „Verstadt
lichung“ allen Grund und Bodens und der Aus
schluß jeglichen Privateigentums an Land. Um den
Standpunkt der Gartenstadt-Gesellschaft genau zu kenn
zeichnen, seien hierunter die „Thesen zur Wohnungs
und Ansiedlungsfrage“ wiedergegeben, welche die Ge
sellschaft zum Wohnungskongresse 1904 aufgestellt hat.
I. Eine durchgreifende Lösung der Wohnungsfrage ist nur im Zu
sammenhang mit einer methodischen Städtedezentralisation und plan
mäßigen Ansiedlungsbewegung möglich.
Das Wohnungselend ist in gleichem Maße die Folge einer volks
wirtschaftlich falschen (jedenfalls heute nicht mehr zeitgemäßen) Ver