DER STÄDTEBAU
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Schaft gegründet) eine beiderseitig bebaute Anlage in ein
facherer Ausführung, für Mittelwohnungen, ohne Vor
gärten dar, so daß ein Wohnhof entstanden ist mit Mittel
garten und seitlichen Fahrwegen nebst Fußsteigen — Ein-
und Ausfahrt dieses Wohnhofes sind überbaut. Während
im ersten Beispiele die Bebauung noch mit der üblichen
Haustiefe durchgeführt werden konnte, bilden hier durch
gehende Seitenflügel eine Bebauung mit halben Haustiefen,
also eine aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Grün
den ungünstigere Bebauung, ohne puerlüftung und mit den
Kosten einer hohen und nur einseitig genutzten Grenz
wand belastet. Nur besondere Umstände können eine der
artige Anlage rechtfertigen, die nur der Vorzug gewährt,
daß sie in ihrer Abgeschlossenheit nicht durch die Be
bauung der Nachbargrundstücke geschädigt werden kann.
In ähnlicher Weise ist das unregelmäßig geformte Hinter
land zwischen der Hussiten- und der Strelitzer Straße
vom Vaterländischen Bauvereine für Kleinwohnungen
ausgenutzt worden — die Versöhnungsstraße geht mit
ten hindurch, versöhnt aber nicht mit den noch be
sonders flach geratenen Räumen der Seitenflügel-Bauart.
Besser ist die Aufgabe für größere und Mittel-Wohnungen
in einer älteren Anlage, in Riehmers Hofgarten, gelöst,
der von der Yorkstraße 84 bis zur Hagelsberger Straße 10
reicht und eine Abzweigung nach der Großbeerenstraße
hat. Nach der Hagelsberger Straße hin ist die Anlage
ganz offen, wie eine öffentliche Straße und mit Vorgärten
ausgestattet; nach der Großbeerenstraße und nach der
Yorkstraße hin sind die Öffnungen als hohe Einfahrten
überbaut und die Hofstraßen mit Grünanlagen in der Mitte
geschmückt. Die seitliche Bebauung ist eine zum Teil
hufeisenförmige mit gärtnerisch behandelten Vorhöfen.
Im Ganzen eine großzügige Anlage, in der die Zusammen
legung der Höfe zur einheitlichen Wirkung gebracht ist.
Ein weiteres Beispiel bildet die wieder einseitige Bebauung
mit kleinen zweistöckigen Wohnhäusern (Abb. auf Tafel 76)
auf dem Grundstücke Prinzenalle 46 a, die durch größere
Vorgärten von dem an der gegenüberliegenden Grenze ent
lang geführten Fahrwege von nur 2,3 m Breite nebst dem
Fußsteige getrennt sind. Diese Straße endet als Sackgasse
mit einem Wendeplatz. (Architekten Salinger & Breslauer,
deren Gefälligkeit die Abbildung zu verdanken ist).
Eine der ersten in Berlin entstandenen Privatstraßen
war die Hildebrandtstraße, zwischen Tiergarten- und Kö-
nigin-Augustastraße mit etwa 5 m Dammbreite und je 1 m
breiten Fußsteigen an den Vorgärten, die anfangs nur eine
niedrige Bebauung mit z. T. freistehenden bescheidenen
Häuschen gezeigt hat. Diese Straße war in der Absicht
angelegt, sie später der Stadt als Öffentliche Straße zu über
eignen. Aus welchem Grunde es dazu nicht gekommen
ist, mag ebenso dahin gestellt bleiben, wie die Beantwor
tung der Frage, ob nicht die auffällige Tatsache, daß sie in
den letzten Jahren eine höhere Bebauung erhalten hat, damit
im Zusammenhänge steht?! Zur Unterhaltung dieser Straße
ist jeder der darin wohnenden Eigentümer mit verpflichtet.
Das Bedürfnis nach einer weitergehenden Aufteilung, hat
aber auch zu anderen Lösungen geführt, die nicht ohne Reiz
sind, zu Wohnhöfen mit nur einer Zufahrt, z. B, dem in der
Potsdamerstr. 113 und noch besser inderGenthinerstr.11 an
fangs der siebziger Jahre vorigen Jahrhunderts von E. Klin
genberg mit Wendeplatz und Hausgärten angelegten, in
ruhiger Zurückgezogenheit mit Einfamilienhäusern, die
Vor- und z. T. auch Hintergärten haben (siehe Tafel 75»
Abb. a u. b). In neuerer Zeit ferner z. 6. zu der Sackgasse
mit Wendeplatz, von der Tiergartenstr. 7/8 ausgehend, in den
großen Gärten wohlhabender Grundbesitzer, die aber noch
nicht reich genug zu sein scheinen, um sich ihre Gärten unge
schmälert zu erhalten. Landhausartige Wohnhäuser besetzen
hier das Blockinnere. Die Entwicklung der Bebauung
in der Tiergartenstraße bietet übrigens ein lehrreiches Bei
spiel für die Unsicherheit in der Lösung städtebaulicher
Aufgaben. Die Straße schneidet mit einer sanften Krüm
mung schief über die Grundstücke. Die älteren Land
häuser waren aber, wie im ganzen älteren Städtebau über
haupt, senkrecht zu den Grundstücksgrenzen errichtet*
stehen also schief zur Straßenflucht. Anstelle der alten
Landhäuser oder dawischen sind nun später auch höhere
Wohnhäuser eingedrungen, die bis an die Nachbargrenze
gerückt, die sägeförmige Bauflucht mit den sich vorschie
benden Brandmauern verunzieren.
Wohnhöfe waren im Mittelalter sehr beliebt, beson
ders für Kleinwohnungen. Berlin hat noch ein Beispiel
im sogenannten „Großen Jüdenhofe“ mit offener Einfahrt
von der Jüdenstraße her.
Damit könnten wir die Privatstraßen und die straßen-
ähnlichen oder mit den öffentlichen Straßen nur einseitig
verbundenen eigentlichen Wohnhöfe verlassen, um noch
den geschlossenen, zu Wohnzwecken angelegten Hinter
höfen eine kurze Betrachtung zu widmen. Doch kann die
allgemeine Schlußbemerkung nicht unterdrückt werden,
daß die Anlage von Privatstraßen mehr Förderung verdiente.
Dabei wäre zu unterscheiden, ob es sich um ein einziges
zusammenhängendes Grundstück handelt, das in einer
Hand liegt und bleiben soll, oder, ob mehrere selbstän
dige Grundstücke geschaffen werden sollen, denen eine
gemeinsame Verbindung mit der öffentlichen Straße sicher
zustellen ist, Im ersten Falle trifft in der Tat die polizei
liche Auffassung vom Hofe zu, immerhin wäre es er
wünscht, da die Privatstraße gegenüber der Üblichen Be
bauung mit geschlossen umbauten Hinterhöfen eine bessere
Verteilung der Bebauung an offenen Wohnhöfen mit sich
bringt, die aber jetzt nur unter besonders günstigen Um
ständen, bei passenden Grundstücksformen, bei weiträu
miger Bauweise usw., möglich ist, daß irgend welche Er
leichterungen dieser Bebauungsart Vorschub zu leisten ver
möchten. Im zweiten Falle erscheint jedoch eine andere
Auffassung vom Wesen der Privatstraße geboten. Es liegt
ein Widerspruch darin, daß im rechtlichen Sinne mehrere
Grundstücke vorhanden sind, im polizeilichen Sinne
aber die dazu notwendige Straße als solche nicht aner
kannt wird. Die Anlieger werden im gewissen Sinne sogar
dafür bestraft. Denn, der Baupolizei genügt schon eine
Grundstücksdurchfahrt von 2,3 m Breite: Während diese
aber bei der Ermittlung der bebaubaren Fläche miteinge-
rechnet wird, wird die von der Privatstraße eingenommene
Fläche, die naturgemäß ein selbständiges Grundstück bildet,
von vornherein ausgeschieden. Durch diese schlechtere
Behandlung der Privatstraße unterstützt die Baupolizei
mittelbar die schablonenhafte Bebauung großer Grund
stückskomplexe. Es dürfte wohl möglich sein, den Begriff
der Fluchtlinie auch für die Privatstraße wieder herzu
stellen, wobei man ja vielleicht eine Mindestbreite von
etwa 8 m oder bei geringerer Breite eine gewisse Vor
gartentiefe zur Bedingung stellen, als Gegenleistung aber