DER STÄDTEBAU
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DIE XIV. KONFERENZ
DER ZENTRALSTELLE FÜR ARBEITERWOHL
FAHRTSEINRICHTUNGEN IN HAGEN INW.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Die diesjährige Versammlung zahlreicher Vertreter
der auf dem Gebiete des Wohlfahrtswesens tätigen Reichs
und Staatsbehörden, Landesversicherungs-Anstalten, städ
tischen Gemeinden, gemeinnützigen Vereine, Bergwerks
und Industriebetriebe usw,, insbesondere auch vieler
Architekten, hat in der, von einem besonderen Ausschüsse
wohl vorbereiteten Tagesordnung des 6. Juni eine Frage
behandelt, deren Lösung besonders in den Großstädten
und Industrieorten von wesentlicher Bedeutung für das
Stadt- und Landschaftsbild ist, nämlich die Gestaltung des
Arbeiterwohnhauses, also der großen Masse von kleinen
Wohnungen, die ganze Straßenzüge und Ortschaften zu
bilden pflegen.
Am 4. Juni war zu diesem Zwecke eine Besichtigung der
von der Firma Friedrich Krupp in Essen geschaffenenWohl-
fahrtseinrichtungen vorausgegangen, insbesondere der an
Umfang das alte Stadtgebiet Essen weitübersteigenden
Arbeitersiedlungen Westend, Kronenberg, Alfredshof, Fried
richshof, Altenhof und Baumhof, die teils halb städtisches,
teils fast ländliches Gepräge haben, und mit Herbergen,
Bierhallen, Lese- und Festsälen, Haushaltungsschulen, Kon
sum- und Badeanstalten, Kapellen usw. reichlich ausge
stattet, doch weder Städte noch Dörfer sind. Sie sind
eben Gründungen der Großindustrie, ebenso wie die
Niederlassungen der wohlhabenden Bevölkerung in Land
hausgemeinden einem neuzeitlichen Wohnbedürfnis ent
sprungen.
Die Fahrt durch diese Ansiedlungen bot eine ge
schichtliche Entwicklungsreihe. Die älteren. Westend,
Schederhof,Kronenberg,indenyoer Jahrendes vorigen Jahr
hunderts angelegt, sind mit dreistöckigen ,,Mehrfamilien
häusern“ bebaut, die in Kronenberg z. B. trotz ihrer Ein
fachheit an den grün belaubten, vielleicht nur wegen der
hoch entwickelten Baumkronen zu schmalen Straßen einen
bescheiden freundlichen Eindruck gewähren. Durch
einen helleren Anstrich der in düsteren Feldbrandziegeln
errichteten Hausmauern könnte dieser Eindruck wohl
noch wesentlich gehoben werden. In der Mitte des Markt
platzes dieser Kolonie, den einerseits eine Bierhalle nebst
Festsaal mit Bühne, andererseits ein öffentlicher Garten
begrenzen, befindet sich eine Rundhalle für öffentliche
musikalische Darbietungen. Nur die ebenfalls im Jahre
3871 begonnene Niederlassung Baumhof ist anfangs in
mehr ländlicher Weise, später aber, 1890, auch mit
großen Wohnhäusern bebaut; dagegen der Alfredhof im
Jahre 1894 durchweg mit kleineren Häusern angelegt wor
den. Eigenartig ist die Anlage des 1899 begonnenen Fried-
richhoies, mit großen, reich ausgestatteten 2—3 Stockwerke
hohen Häuserblocks, an weiten Höfen mit gärtnerischen
Anlagen und Spielplätzen in geschlossener Grundform mit
überbauter Einfahrt. Eine besondere Stellung nimmt unter
den Siedlungen der Altenhof ein, als eine Stiftung für in
valide Arbeiter und für Arbeiterwitwen, mit kleinen
Häusern, die in dem Streben nach malerischer Gruppierung,
eben wegen ihrer Kleinheit etwas anspruchsvoll und un
ruhig erscheinen. Doch ist man in den zuletzt gebauten
Pfründnerhäusern wieder zu einfacherer, wirkungsvollerer
Form zurückgekehrt. Die neuesten Häuser der Firma
werden übrigens wieder größer ausgeführt, mit ruhigen
Dach- und Wandflächen.
So ließ sich die Entwicklung des Arbeiterwohnhauses
von allzu nüchterner Einfachheit und derber Geschlossen
heit durch eine reichere Gruppierung und überfeinerte
Auflösung zu einer wieder einfacheren und geschlosseneren,
doch mehr künstlerischen Gestaltung verfolgen. Als be
häbige Land- und Vorstadthäuser sind die Beamtenwoh
nungen an der Hohenzollernstraße ausgestaltet. Dem ver
dienten Leiter des Bauwesens, Baurat Schmohl stehen
mehrere tüchtige Architekten zur Seite.
Die Sitzung des 6. Juni fand in den Räumen der ge
schlossenen Gesellschaft Konkordia in Hagen statt. An
Vorträgen brachte sie:
1. Zur Einführung eine feinsinnige Betrachtung von
Herrn Karl E. Osthaus in Hagen i. W. über „Das Haus
in seiner erzieherischen Bedeutung“, mit der Forderung,
daß die Neuschöpfung des deutschen Hauses das be
reicherte Wissen und Können der Neuzeit mit dem Leben
in Harmonie setzen müsse; dann die fesselnden Aus
führungen des Landesgewerberats Dr. ing. Muthesius aus
Berlin, über „die Entwicklung und den heutigen Stand des
Arbeiterwohnhauses“, besonders im Hinblick auf die weiter
vorgeschrittene Wohnhauskultur in England, die im bür
gerlichen Wohnhause, im Landhause begonnen, und sich
dann auf das Arbeiterwohnhaus — siehe Port Sunlight —
erstreckt habe, während man in Deutschland mit der
Wohnreform im Arbeiterwohnhaus anfange.
2. „Das wirtschaftliche Problem“, in lebhafter Frische
vom Direktor der rheinischen Provinzial-Feuer-Sozietät
Dr. M. Brandts aus Düsseldorf behandelt, mit dem Nach
weise der Wahrscheinlichkeit, daß eine künstlerische Aus
gestaltung des Arbeiterwohnhauses keine wesentlich
höheren Kosten verursachen dürfte, und mit Betonung der
vorbildlichen Wirkung gemeinnütziger Bautätigkeit für den
Privatbau.
3. Die Gestaltung des Arbeiterwohnhauses: „Das
Bauernhaus in seiner vorbildlichen Bedeutung“ von Pro
fessor Schultze-Naumburg aus Saaleck bei Kösen mit
Lichtbildern, ferner „Grundriß und Außenbau, Innenaus
bau und Einrichtung“ von Architekt R. Riemerschmied
aus München-Pasing, der in schlichten, naiv anmutenden,
und doch wohldurchdachten Sätzen ebenfalls die Harmonie
zwischen Haus und Mensch als erstrebenswertes Ziel hin
stellte, auch rednerisch eine vorzügliche Leistung. Weiter
„die Arbeiterkolonien“ von Geh. Reg.-Rat Professor Dr.
ing. K. Henrici aus Aachen mit Bezug auf einen zur Aus
führung bestimmten Entwurf, der eine eigentümliche Art