DER STÄDTEBAU
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Straßen- und Tiefbaues, sondern auch Architekten und
Künstler sein sollen.
Allein hierdurch ist es erklärlich, daß neue Straßen-
und Platzbilder entstehen, die ohne jede Charakteristik
sind, und Rathäuser und Schulen, die stark an Kasernen
oder Fabriken erinnern und sich durch einen übermäßigen
Auiwand von Giebeln, Türmchen, Erkern u. dgl. meist am
falschen Platze nur von letzteren unterscheiden.
Dem besprochenen Rathausplatze fügen wir noch
2 Abbildungen des Brückentores aus gleicher Stadt an.
(Siehe Tafel 59.) Seine Umgebung hat durch die ange
fügten Neubauten auch schon etwas von dem früheren
Reiz verloren; wenngleich das Giebelhäuschen auf der
Innenseite die rechts an das Tor anschließenden Bauten
glücklicherweise nicht so stark mitsprechen läßt, so ist es
doch geboten, daß das ganze Bild nicht weiter verun
staltet wird,
Zwei Abbildungen eines Kapellchens aus Rhöndorf
a. Rhein (auf Tafel 60), angesichts des Siebengebirges, an
einer Wegekreuzung gelegen, mögen diese kurze Mittei
lung beschließen. Es ist ein anspruchsloses, einfaches
Bauwerk, wie man es in dieser Gegend häufig findet, be
scheiden am Wege liegend und in landläufigem Material
erbaut, spricht es im Verein mit seiner Umgebung so recht
zu Herzen. Wie anders möchte es sich wohl ausnehmen,
wenn es aus dieser Umgebung losgelöst auf einem freien
Platze errichtet wäre oder wenn die jetzige Umgebung
verschwände und es von Schablonenbauten benachbart
würde, wie sie sich leider in diesem Ort auch schon
allenthalben finden. Hoffen wir jedoch, daß man hier so
wohl als anderwärts an leitender Stelle zeitig auf das vor
handene Schöne achte und es nicht frivol vernichte; es
kann vieles erhalten bleiben, wenn nur der gute Wille
vorhanden ist.
ABÄNDERUNG UND FORTFÜHRUNG DES BE
BAUUNGSPLANES VON TRIEBES*)-
Von A. STIEFELHAGEN, Gera (Reuß).
Der zwischen den beiden Residenzstädten Gera und
Schleiz im anmutigen Triebestal gelegene Ort Triebes
hatte vor etwa 25 Jahren kaum 1500 Einwohner.
Erst nach Erbauung der Eisenbahn Weida - Mehlteuer,
die mitten durch den Ort Triebes führt, und nachdem die
Geraer Jute-Spinnerei und Weberei eine Fabrik erbaute,
in der jetzt rund 1800 Arbeiter lohnende Beschäftigung
finden, vermehrte sich die Einwohnerzahl, so daß Triebes
heute etwa 5000 Einwohner zählt.
War schon die topographische Lage des Ortes und
der Flur, da das Tal (an einigen Stellen kaum 70 m breit)
sehr eng ist und die Berge steil ansteigen, für die Bebauung
eine recht ungünstige, so wurde sie durch den Bau der
Eisenbahn, die inmitten des Ortes die größte Fläche der
ganzen Talsohle einnimmt und den Ort auch in 2 Hälften
teilt, für Straßenanlagen nicht gebessert. Die beiden durch
die Eisenbahn getrennten Ortsteile sind durch 4 Übergänge
in Schienenhöhe miteinander verbunden, die nur mit großen
Kosten durch Straßenüberführungen zu ersetzen wären,
wozu der sächsische Eisenbahnflskus vorläufig auch nicht
bereit ist.
In der ersten Zeit des für Triebes bedeutsamen wirt
schaftlichen Aufschwunges wurde dort planlos gebaut.
Jede Straße mußte möglichst die kleinen vorderhand in
Betracht kommenden Parzellen so teilen, daß ohne Rück
sicht auf Straßensteigungen nur genügend Bauplätze heraus
kamen. Nachdem die Ortsbehörde einsah, daß bei dieser
Art der Ortserweiterung nur die Interessen des Grund
stücksbesitzers, aber nicht das allgemeine Interesse be
rücksichtigt werden konnte, wurde an Aufstellung eines
Bebauungsplanes gedacht. Dieser wurde auch im Jahre
1886 unter Mitwirkung des Bauausschusses, aber nur als
*) Ein Beispiel, wozu der gedankenlose Schematismus im bergigen
Gelände führt, und -wie auch unter schwierigen Verhältnissen noch nachträglich
ein zweckmäßiger Bebauungsplan geschaffen werden kann. D, H.
Lageplan, ohne jedes Nivellement aufgestellt, und zwar
mit möglichst sich rechtwinklig schneidenden Fluchtlinien.
Daß hierdurch zu große Steigungen, oder sehr hohe At-
und Aufträge entstanden, kam nicht in Frage. Man war
zufrieden, so einen billigen und für die Abschneidung von
Bauplätzen praktischen Bebauungsplan zu haben.
Nach diesem Plane ist die stärkste Steigung in den aus
gebauten Straßen einmal 1 : 5,2, viermal 1:6 bis 1 :6,2, je
einmal 1; 7,5, 8, 5, 9,5 und 11,1, zweimal 1 : 12 und diese sind
wegen der bereits ausgeführten Bebauung vorläufig als un
abänderlich zu betrachten. Außer diesen sehr starken
Steigungen zeigen aber die Profile der Straßen auch wag
rechte Strecken, wie auch solche mit Gegengefälle. Alle
übrigen Straßenpläne sind glücklicherweise noch nicht zur
Ausführung gekommen; wenn sich auch die Grundstücks
spekulation bereits darauf eingerichtet hatte.
Von den nicht zum Ausbau gelangten Straßen wären
die meisten nur mit Treppenanlagen oder mit Ab- und
Aufträgen von 5 bis 10 m Höhe ausführbar. Eine Straße
z. B. liegt in einer Geländesteigung von 1 :3,5. Die
Ortsteile Lerchenhügel, Leidenflur, Kühbergsflur, Grenze
mit Forstrevier Neuärgerniß, Sandberg und Bodenäcker
sind von der Talsohle aus mit beladenem Wagen kaum
zu erreichen. Die Zufuhrstraßen haben alle eine Mindest-
steigung von 1 :6,5. Für die Entwicklung und praktische
Anlage des Ortes ist man heute also nicht besser daran,
als wenn, wie früher, planlos weiter gebaut worden wäre;
vielleicht noch schlechter, denn dann wäre doch noch ein
mal durch Zufall eine fahrbare Straße entstanden.
Nach diesen für die Ortsbehörde und Einwohner gleich
schmerzlichen Erfahrungen wurde im Jahre 1902 be
schlossen, einen neuen Bebauungsplan, aber mit Höhen
plan, fertigen zu lassen, und wurde dem Verfasser, der
bereits unter Leitung des Professor Th. Goecke ähnliche
Aufgaben bearbeitet hatte, der Auftrag hierzu erteilt. Die
vorhandenen Flurkarten im Maßstab 1 :2500 wären wol