DER STÄDTEBAU
68
neue Dinge hinzuzufügen und demnächst nur so zu ver
wenden, daß sie dem Dome zur Zierde gereichen, daß auch
das kleinste Stück in Beziehung zum Mittelpunkte kommt,
daß die Laternen zu Perlenschnüren vereinigt und die
Kandelaber zu persönlichen Schmuckstücken umgeschaffen
erscheinen.
Ich weise nur hin auf die Flaggenmaste vor der Markus
kirche in Venedig, auf die prächtigen Treppenwangen mit
ihrem Aufbau am Kölner Kunstgewerbemuseum. Wie
werden diese Gebäude durch die Schmuckstücke in ihrer
Wirkung gesteigert! Also: — siehe Tafel No. 36 — man
ziehe vier monumentale Treppenwangen vor die westliche
Domfront, errichte auf ihren Köpfen vier stattliche Flaggen
mast©, die auch die reichen Beleuchtungskörper tragen. Wie
gut wird die freiere und freundlichere Gestaltung dieses Zier
rats der abstrakten Domarchitektur tun. Wie würde das
Dogmatische der vollendeten Gotik des Gotteshauses zu einem
künstlerischen Moment erhoben. Dann wäre endlich auch
der jetzt üblichen kümmerlichen Beflaggung des Domes bei
festlichen Gelegenheiten das lang verdiente Ende bereitet.
Die mächtigen Flaggen mit ihrer Farbenpracht würden dem
Dome und dem Vorplatze den Festcharakter in ungemein
wirkungsvoller Weise aufprägen. Ferner, warum will man
das Menschliche, das dem hehren Bau anhaftet, gänzlich
abstreifen? Wie liebenswürdig wird ein tüchtiger Mensch
durch kleine Schwächen, die er nicht verleugnet. Wie übel
nehmen wir es ihm, wenn er den immer vergeblichen Ver
such dazu macht. Das scheint der Dom zu tun. Den Raum
für die Gottesdiener hat man, fast nur einem äußeren Zwang
gehorchend, anbauen müssen, und wenn auch die Archi
tektur der Sakristei bekrittelt wird, die Gesamtwirkung ist
besser, als wenn der Einbau am Chore fehlte. Nötig ist auch
eine Bauhütte, wie dem Tier der Magen, der den Stoff
wechsel vermittelt und die verbrauchten Teile ersetzt.
Warum soll der Dom sich stellen, als ob er das nicht nötig
hätte? Gebe man also dieser Notwendigkeit einen ent
sprechenden monumentalen Ausdruck an der Stelle, die
jetzt von den oft und mit Recht befehdeten Baracken be
ansprucht wird. Ferner verlangt der Dom, der zur Ehre
Gottes, aber auch für die Menschen errichtet ist, wie jedes
bessere Haus eine gedeckte Unterfahrt. Man scheue sich
daher nicht, an die Südseite, da, wo das Schiff an den Turm
anstößt, eine schlichte, aber würdige Vorhalle mit Unter
fahrt anzubauen, und suche auch durch deren Architektur
zu erreichen, daß das Starre des Domes in Ernst aufgelöst
und das Kalte an ihm zum Erhabenen veredelt werde.
Schon durch diese wenigen Mittel würde das stolze
Gotteshaus uns menschlich näher gerückt und darum liebens
würdiger erscheinen. Noch gibt es aber ungleich wirkungs
vollere Maßnahmen zu diesem Zwecke. Wie schon vorher
angedeutet, gilt es hauptsächlich, die umgebenden Plätze
mit allem, was darauf ist, dem Dome gewissermaßen auf den
Leib zu gestalten, so daß sie ihm wie angegossen sind,
daß sie ihm gleichsam als Sprachrohr dienen. Durch die
Plätze muß alles, was der Dom so pathetisch in die Welt
ruft, den rechten Ausdruck erhalten. Das Zierliche und
Zarte wird dann deutlich und klar, das Ernste und Strenge
allen gemildert ins Herz klingen.
Wenn wir vom Bahnhofsvorplätze und der Brücken
rampe absehen, müssen wir sagen: Die jetzigen Plätze
sind zu weitläufig, zu verschwommen, zu charakterlos und
ohne jede klare Beziehung zu dem Dom. Eine solche hat
nur der unglückselige Platz ,»Margarethenkloster“, Die
Herstellung dieses schlecht angebrachten Langplatzes in der
Längsaxe des Domes lag nahe, weil die Erwerbung des
früheren Rheinischen Hofes und die ästhetisch falsche Idee
der Kaiserstraße zur Vereinigung des alten Margarethen
klosters mit dem Domplatz verführte. Dieser Langplatz
enthüllte den armen Dom an seiner schwächsten Stelle,
wie ja fast jedes mittelalterliche Bauwerk entblößt und her
abgemindert wird, wenn der Beschauer auf irgend eine
Art zu einer geometrischen oder auf die Axe gestellten
Ansicht gezwungen wird. Beweis genug hierfür ist auch
der Anblick der neuen Deutzer Kirche von der alten Brücke
aus. Den Dom hat man, dem Beschauer nicht zur Freude
von vorn und von hinten axial gefaßt. Wie viel prak
tischer und vor allem, wie viel schöner wäre es, wenn die
neue Brücke im Zuge der Trankgasse über den Rhein
führte. Und so reizvoll die Domfassade aus der engen Gasse
der Burgmauer auch erscheint, so sehr verliert sie, wenn
sie ganz überschaut werden kann bei dem Heraustreten auf
das jetzige „Margarethenkloster“. Es fällt sofort auf, daß
die untere Fassadenhälfte mit der oberen nicht harmoniert.
Die Großzügigkeit der oberen enthüllt die Engbrüstigkeit
der unteren, welch letztere durch die Zweiteilung der unteren
Turmteile hervorgerufen ist. Aus weiser Absicht ist jeden
falls diese scheinbare Disharmonie entstanden. Die unteren
Teile sollten aus ziemlicher Nähe, die oberen aus kilo
meterweiter Entfernung wirken. Den alten Meistern ist
durch die Verkennung ihrer Ziele ein großes Unrecht ge
schehen. Ferner entbehrt für den Beschauer vom „Marga-
rethenkloster“ aus die Fassade jedes Reliefs, wodurch sie
nüchtern und reizlos erscheint. Bei unserem sonnenlosen
Klima, bei dem das Hauptlicht von oben kommt, sieht man
an der Fassade nur unzählige vertikale Linien, keine Kör
perlichkeit und an ihrer Stelle die nicht gut verteilten
Fensterflächen. Für einen Renaissancebau ist die geometri
sche Ansicht aus der Entfernung nicht so gefährlich. Die
weit ausladenden Gesimse bieten ihre Unteransicht dar und
werfen nach unten Schatten. Die Säulen erscheinen immer
rund. Die Domfassade hat keine weit ausladenden Gesimse
und keine Säulen. Man sieht daher bei unserem meist
trüben Wetter die Fassade in derselben Reizlosigkeit wie
auf den alten Werkzeichnungen im Domchor. Und doch
hat die Fassade ein gewaltiges Relief, es muß nur zur Er
scheinung gebracht werden. Wie überraschend reich ist
der Anblick, wenn man von der Marzellenstraße herkommt.
Leider wäre die Hingabe an diesen Genuß der reine Selbst
mord, denn hier werden dem Kunstfreunde die Beine ab
gefahren. Der Verkehr der elektrischen Bahnen droht
Tod und Verstümmelung. Wir sind daher gezwungen, uns
mit Lebensgefahr an der Apotheke und dem Hotel St. Paul
vorbei, die beide ein so mustergültiges Verkehrshindernis
bilden, daß sie heute oder morgen fallen müssen, nach der
Südseite, nach der Ecke des Monopolhotels zu begeben,
ohne auch nur gewagt zu haben, einen Blick auf den Dom
zu werfen. Hier machen wir nun die traurige Wahrneh
mung, daß selbst mit Einsetzung des Lebens ein Genuß
nicht möglich ist. Ein zweites mustergültiges Verkehrs
hindernis taucht auf und entzieht uns den ersehnten
Anblick gänzlich. Den Freilegern hat leider Pietät und
Geldmangel hier einen Strich durch die Rechnung gemacht,
Da steht zunächst das Schebensche Haus, von dem be
rühmten Freiherrn von Schmidt erbaut, und streckt seinen