DER STÄDTEBAU
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zwischen zwei Gebäuden, die größte Höhe der Gebäude, die Stockwerk-
zahl sind die Forderungen nach drei Zonen, vom Stadtinnem ausgehend
abgestuft- Wie nicht anders zu erwarten, machte sich gegen die neuen
Vorschriften aus den Kreisen der Bodenbesitzer und Baugewerbetreibenden
Widerspruch geltend. Besonders schwere Angriffe erfuhr die Bestimmung,
daß für die zur Zeit mit Fabriken besetzten und einige noch als Gärten
benützten Baublöcke der Innenstadt und einiger Vorstädte im Falle ihrer
Überbauung mit Wohngebäuden die offene Bauweise einzuhalten sei. Dis
Handelskammer und der Fabrikantenverein machten sich zum Sprachrohr
dieser Bewegung, die nach den noch im Gange befindlichen Verhand
lungen einen teilweisen Erfolg insofern zu haben scheint, als beabsichtigt
ist, einige Milderungen zuzulassen. Wir gedenken auf die Frage der Mann
heimer Bauordnung zu gelegener Zeit zurückzukommen.
IE FRAGE DER VERBREITERUNG DES NEWSKL
PROSPEKTS wurde nach der St. Petersburger Zeitung auf der
heutigen Sitzung des Stadtamts abermals in Erwägung gezogen. Aus den
Berichten der Ingenieure war zu ersehen, daß zum Zweck der Verbreiterung
des Newski-Prospekts auf 18,4 Faden von der Moika bis zur Admiralität
17 Gebäude zum Teil „beschnitten“, zum Teil ganz abgetragen werden
müssen, da zur Erreichung des angestrebten Zieles etwa 1000 Quadrat-
faden Raum gewonnen werden müssen. Mit welchen gewaltigen Kosten
die Verwirklichung dieses Entwurfs verknüpft ist, läßt sich daraus ersehen,
daß ein Quadratfaden im betreffenden Viertel mit 1500 Rbl. bewertet wird.
Ferner ist in Betracht zu ziehen, daß auch das Gebäude des Generalstabes
zu „beschneiden“ wäre, wozu schwerlich eine Erlaubnis erteilt würde.
Angesichts dieser und anderer Erwägungen hat die Stadtverwaltung vor
läufig nur die Verbreiterung der Straße von der Moika bis zur Morskaja
ins Auge gefaßt. Ist diese überhaupt notwendig?
IE STÄDTE MAINZ UND KASTEL Haben die Auflassung
der Stadtumwallungen wiederholt beantragt, um Gelegenheit zu
weiterer gedeihlicher Entwicklung zu erhalten. Für Kastei wurden dabei
gleichzeitig von der hessischen Regierung gesundheitliche Gründe ange
führt. Die Militärverwaltung ist jetzt auf den Wunsch wenigstens teil
weise eingegangen. Der Fortfall der Umwallung erfordert aber Ersatz
bauten und Beschaffungen aller Art, für die ein Betrag von 200 000 Mark
als erste Rate in den Militäretat eingestellt worden ist. Werden diese
Bauten ausgeführt, so ergibt sich der militärische Vorteil, schon jetzt
neue Befestigungen zu erhalten, die den gegenwärtigen Anforderungen
entsprechen. Der Festungsbau kann mit Rücksicht auf die dauernde Ver
teidigungsfähigkeit nicht auf die Erlöse aus dem frei werdenden Festungs
gelände warten, sondern er muß schneller gefördert werden. Für Kastei
ist dieser Erlös auf zwei Millionen Mark eingeschätzt, was zur Herstellung
der nötigen Ersatz- und Verstärkungsbauten genügt. Für Mainz liegen
die betreffenden Schätzungen noch nicht vor, aber nach den bisherigen
Erfahrungen werden die Ersatzkosten genügend gedeckt, so daß eine
dauernde Belastung der Reichskasse nicht zu erwarten steht. Mit der
Stadt Kastei ist bereits ein Bebauungsplan vereinbart, der sowohl eine
nutzbringende Verwertung des frei werdenden Festungsgeländes gestattet,
als auch den Interessenten der Stadt Rechnung trägt. Mit Mainz sind
die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen, jedoch ist hier ein gleiches
Ergebnis zu erwarten. Beide Städte wollen die im Bebauungsplan vor
gesehenen Straßen und Plätze gegen die entsprechende Entschädigung
hersteilen, während die Baublöcke dann ebenso wie in Stettin durch eine
besondere Reichskommission im einzelnen verkauft werden sollen. Dazu
ist noch zu bemerken, daß in Mainz namentlich auf die Verlegung
der Nordwestfront gedrungen wird, um die Ingelheimer Aue wegen ihrer
günstigen Lage — zu beiden Seiten am Wasser und doch hochwasser-
frei — zu einer Fabrikinsel mit Atbeiterwohnungen umzugestalten. Der
gesunde Gedanke der Speicherinseln alter Hansastädte lebt in moderner
Form wieder auf!
ÜSSELDORF-REISHOLZ, eine erst wenige Jahre alte und
trotz der Ungunst der wirtschaftlichen Verhältnisse stetig wachsende
Industriestätte ist eine eigenartige, in Deutschland einzig dastehende Er
scheinung unseres modernen Wirtschaftslebens. Ohne daß die Staatsbahn
verwaltung auch nur einen Pfennig auszugeben hatte, ist ein neuer
Staatsbahnhof für den gesamten öffentlichen Personen- und Güterverkehr
errichtet worden, lediglich mit dem Kapital der Interessenten und zu dem
Zwecke, die Errichtung von Anschlüssen für noch zu errichtende Industrie
bauten in ausgedehntestem Umfange zu ermöglichen.
Im Jahre 1895 hatte die Familie Ferdinand Heye in Düsseldorf drei
in der Landbürgermeisterei Benrath gelegene Landgüter, Oberheid, Nieder
heid und Kappeier Hof, im ganzen 37a Hektar, gekauft. Das Gelände ist
hochwasserfrei, liegt zwischen der Bahnlinie Köln-Düsseldorf und dem
Rhein, grenzt auf eine Länge von einem Kilometer an diese Bahnlinie
und besitzt vorzüglichen Baugrund, einen Meter Lehm und dann Kies und
Sand. Diese Vorzüge brachten die Käufer auf den Qedanken, das Gelände
der Industrie nutzbar zu machen. Dabei kamen auch folgende Erwä
gungen in Betracht, ln Düsseldorf wird durch das Steigen der Boden
preise das Fabrikgelände, besonders für Zwecke der Großindustrie,
immer seltener, so daß neue Industrien sich außerhalb Düsseldorfs an
siedeln müssen. Ferner ist die Errichtung von Fabriken auf dem Lande
an sich wünschenswert, um die Arbeiter wieder mehr auf das Land zu
verpflanzen; gleichzeitig darf aber die Entfernung der Fabrik von der
Großstadt, in der sich das ganze geschäftliche Leben vereinigt, nicht zu
weit sein. Die Vororte Düsseldorfs haben aber für diesen Zweck entweder
ungünstige Anschlüsse oder sind bereits derart mit Geleisanlagen Übersetzt,
daß zwar vielleicht die eine oder andere kleinere Fabrik dort Anschluß
finden könnte, der Anschluß von Anlagen in großem Umfange aber aus
geschlossen erscheint. Diese Erwägungen wurden gegenüber der Eisenbahn-
Verwaltung geltend gemacht, als es sich darum handelte, eine Vereinbarung
übet den Anschluß des Geländes an die Staatebahn zu erzielen. Die
Eisenbahn-Verwaltung selbst machte den Vorschlag, die Interessenten sollten
auf ihre Kosten einen vollständig neuen Bahnhof für den unbeschränkten
öffentlichen Verkehr erbauen. Der Bahnhof kam in die Mitte zwischen
Bahnhof Benrath und Block Eller im Gelände und bei der danach benannten
Blockstation Reisholz zu liegen; er ist 2,5 km von Benrath und 7 km vom
Hauptbahnhof Düsseldorf entfernt. Die Interessenten hatten an 500000 M.
für die Anlage des Bahnhofs aufzuwenden. Am 15. Juni 1899 wurde der
volle Betrieb für Personen- und Güterverkehr eröffnet. Die Käufer hatten
inzwischen zu den drei Landgütern noch einiges Land hinzugekauft, und
für das gesamte Unternehmen die Aktiengesellschaft „Industrie-Terrains
Düsseldorf-Reisholz“ gegründet.
Der Bahnhof Düsseldorf-Reisholz ist derart angelegt, daß jederzeit
neben den beiden Hauptgeleisen Köln-Düsseldorf ein drittes und viertes
Geleise gestreckt werden kann. Übergänge in Schienenhöhe sind nicht
vorhanden, eine Straßenüberführung hat Öffnungen für fünf Geleise. An
den beiden Enden des Bahnhofs sind Ausziehgeleise angelegt; sie dienen
dem Verkehr mit einem Verschubbahnhof (Ausziehgeleise) der Aktiengesell
schaft, der den Verkehr mit den Fabriken, den Lagerplätzen und der Werft
vermittelt. Von den Übergabegeleisen aus führt die Privatanschlußbahn
durch das Gelände. Heute sind bereits 12 km Anschlußgeleise gelegt und
23 Anschlüsse für verschiedene Werke fertiggestellt. Der Verkehr auf der
Privatanschlußbahn betrug 1901: 16729, 1902: 26509 Wagen und in diesem
Jahre werden es 32000 Wagen .sein. Die Bedienung der Anschlußgeleise
besorgt die Aktiengesellschaft mit eigenen Lokomotiven; sie erhebt für die
Beförderung der Wagen eine Gebühr, die sich nach der Zahl der jährlich
zu befördernden Wagen richtet.
Der Gesellschaft war es rechtzeitig gelungen, eine hinreichend große
Rheinfront zur Anlage einer eigenen Werft zu erwerben. Durch den An
schluß an den Wasserverkehr erhielt das Industriegelände einen erhöhten
Wert. Am Rhein erbaute die Unternehmerin eine 1 Kilometer lange
Werft in hochwasserfreier Lage mit Dampfkranen zur unmittelbaren Ent
ladung und Beladung von Rheinschiffen und Seedampfem. Eine 41 m
breite Anlage ist mit Geleisen für den Werftverkebr vorgesehen. Die Aktien
gesellschaft besorgt auf ihrer Anschlußbahn den Verkehr von beladenen
und leeren Wagen vom Staatsbahnhof zur Werft und umgekehrt, und er
hebt auch für diese Wagenbeförderung sowie für die Benutzung der Werft-
anlagcn Gebühren. Diese Werftanlage hat nicht nur auf die Erschließung
des Industriegeländes, sondern auch auf die lebhaftere Gestaltung des Bahn
verkehrs sehr vorteilhaft eingewirkt. Der Gesamtgüterverkehr auf der Werft
bezifferte sich im Jahre 1902 auf 179920 Tonnen und zwar 177173 Tonnen
Zufuhr und 2747 Tonnen Abfuhr, und in demselben Jahre wurden von der
Weift 14x84 Wagen befördert. Am Staatsbahnhof entwickelte sich fol
gender Verkehr: Empfang 1899: 325x7 und 1902: 65778 Tonnen; Ver
sand 1899: 12418 und 1902: 71420 Tonnen. Zu den Verkehrsmitteln