DER STÄDTEBAU
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Abb. i.
bildes aufzuweisen. Der Mangel an geeigneten Plätzen zur
Errichtung hervorragender Gebäude bildet eine stehende
Klage in den modernen Städten, oft genug haben derartige
Bauwerke in die gleichförmige Straßenwandung eingezwängt
werden müssen. Umsomehr ist jeder Versuch zu begrüßen
diesem Zwange zu entrinnen, das Bauwerk nicht als ein
Ding für sich allein zu gestalten und zu schmücken, es
dem baulichen Charakter der Stadt anzupassen, sondern
es selbständig und doch wieder in Harmonie mit seiner
Umgebung in malerischer Gruppierung an platzartigen
Straßenerweiterungen, auch mit anderen Bauwerken zu
sammen zu einer Baugruppe vereinigt hinzustellen und
damit der ganzen Stadt einen Schmuckmittelpunkt zu geben.
In einem Modell, dessen Abbildung Tafel 12 gibt, hat
die Stadt Bielefeld die zu einer Baugruppe vereinigten
Neubauten des bereits ausgeführten Rathauses und des noch
geplanten Theaters vorgeführt. In der Bürgerschaft war man,
geleitet von dem oft gehörten Wunsche die öffentlichen Ge
bäude auf verschiedene Stadtteile zu verteilen, dafür ein
getreten, das Theater getrennt vom Rathause an einer anderen
Stelle und zwar rund 2000 m von der Brunnenstraße weiter,
am Ende der einreihigen Baumallee „am Neumarkt“ frei
stehend zu erbauen, während der Magistrat gerade aus
demselben Grunde, weil die Stadt nur weniger hervor
ragende Bauwerke besitzt und die Baumallee „amNeumarkt“
nur von schlichten Häusern eingefaßt ist, die Vereinigung
mit dem Rathause befürwortete um an einem Punkte eine
gesteigerte künstlerische Wirkung zu erzielen, zumal bei
möglichster Großräumigkeit und Erweiterungsfähigkeit des
Rathauses auf der ausgewählten Baustelle noch reichlich
Raum für das Theater verblieb, also auch wirtschaftliche
Gründe für den Zusammenbau sprachen. Ein von Camillo
Sitte erbetenes Gutachten, aus dem folgende Stelle hervor
gehoben sei, gab den Ausschlag zu Gunsten des Magistrats:
„Vom Standpunkte schöner monumentaler Wirkung unter
liegt es nicht dem geringsten Zweifel, daß der höchste
Erfolg nur durch Gruppenbildung erzielt werden kann,
wenn sowohl mehrere monumentale Gebäude als auch
mehrere größere und kleinere Plätze zu einem organisch
wohl geordneten Ganzen vereinigt werden. Nur eine solche
Zusammenlegung gestattet auch eine gute, sowohl praktisch
empfehlenswerte als auch künstlerisch wirkungsvolle Auf
stellung von Denkmälern, Brunnen, Musikbühnen, male
rischen und zugleich nicht kostspieligen Baumgruppen.“
In einem Vortrage den bald darauf C. Sitte in Bielefeld
über den Städtebau gehalten hat, schloß er mit den Worten;
„Wenn alles nach dem vorliegenden Plane ausgeführt wird,
werden Sie einen Platz schaffen, zu vergleichen mit einer
großen Symphonie, in der alle Einzelheiten schön für sich,
doch nur in ihrer Gesamtheit die höchste Wirkung erstreben.“
Nach dieser grundsätzlichen Entscheidung ist nun der
hier beigeftigte Lageplan (Abbildung 1) entstanden, der unter
Berücksichtigung weiterer Gutachten von C. Sitte und der
Theaterarchitekten Seeling, Moritz und Sehring die größere
Baumasse des Rathauses gegen den Neumarkt zurücktreten
läßt, wodurch sich ein Vorplatz mit Freitreppe zum Haupt
eingange neben einer Terrassen-Anlage bildet, die zur Auf
stellung eines Denkmales bestimmt ist. Eine Toreinfahrt,
die den Einblick in den Hof zwischen beiden Bauwerken
gestattet, verbindet das Rathaus mit dem weiter vorspringen
den, niedrigeren Theaterbau, der den Eingang zur Brunnen
straße deckt. An der Viktoriastraße ist der Rathausbau
eingebuchtet gegenüber einem Schulhause, dessen Grund
stück später einmal zur Erweiterung des Rathauses hinzu
gezogen werden kann, so daß die Straße überbrückende
Verbindungsgänge wiederum ein langstrecktes Plätzchen
abschließen.
Wie durch geschickte Auswahl des Bauplatzes, auch
ein ohnehin schon schöner Platz noch in seiner Wirkung
gehoben werden kann, hat das neue Ratskellergebäude in
M. 1 : 5000. Abb. 2.