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Full text: VDI-Initiative Stadt:Denken (Rights reserved)

Handlungsfelder VDI-Initiative Stadt:Denken Bausteine für die Stadt der Zukunft Juni 2015 Titelbild: VDI-Haus Düsseldorf Vorwort Seit 2009 lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Im Jahr 2050 werden es voraussichtlich mehr als zwei Drittel sein. Dieser Trend ist in Deutschland bereits deutlich spürbar: 74 % der Deutschen wohnen in urbanen Ballungsräumen. In Deutschland wie auch weltweit werden daher Strategien und Maßnahmen der Städte eine Schlüsselrolle spielen, diese globalen und umweltpolitischen Herausforderungen zu bewältigen. Mensch und Technik näher als in einer Stadt können sie sich kaum kommen. Neue Ideen, Innovationen und zukunftsfähige Techniken wirken unmittelbar auf Gesundheit und Lebensqualität der Menschen. Mobilität von Menschen, Gütern und Informationen, Integration der Arbeitswelt in den Lebensraum, sichere, bezahlbare Ver- und Entsorgung (Wärme, Strom, Gas, Breitband, Wasser, Abwasser), Zusammenspiel der Generationen mit durchaus divergierendem Lebensstilen, und das alles in einem lebenswerten Klima einer Stadt. Diese komplexen Wirkungszusammenhänge diverser sozioökonomischer Subsysteme basieren auch auf fundierter Ingenieurskunst. Die VDI-Initiative Stadt:Denken stellt das strukturierte Zusammenwirken der stadtaffinen Ingenieurdiszip- linen in Kombination und unter Einbeziehung der Gesellschaftswissenschaften mit dem Ziel, Wissensvermittlung und Managementunterstützung für Entscheidungsträger zu initiieren, dar. Diesen Ansatz spiegeln die VDI-Gesellschaften Fahrzeug- und Verkehrstechnik (FVT), Bauen und Gebäudetechnik (GBG), Energie und Umwelt (GEU), Produktion und Logistik (GPL), aber auch die Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL), das VDI-Zentrum Ressourceneffizienz (ZRE) und das VDI/VDE Innovation und Technik mit ihren aktiven Experten in der thematischen Ausrichtung auf „Stadtaffinität“ wider. Ergänzt wird die VDI-Fachkompetenz um externe Experten aus Disziplinen, die im VDI nicht ihre erste Heimat haben. Die zahlreichen Entscheider in einer Stadt müssen die Vielfalt der vorhandenen Informationen zum Wohle einer nachhaltigen Stadtentwicklung nutzen. Dabei zählt es nicht, fachlich singuläre Lösungen in schnellster Zeit vorzubringen, sondern mit einem interdisziplinären Konzept langfristig beständige Strukturen aufzubauen. Hier leistet die VDI-Initiative Stadt:Denken einen Beitrag. Düsseldorf im Juni 2015 Prof. Dr.-Ing. Ralf Holzhauer Vorsitzender der VDI-Initiative Stadt:Denken www.vdi.de An dieser Publikation haben folgende Mitglieder der VDI-Initiative Stadt:Denken mitgewirkt. Dr.-Ing. Nicole Becker, VDI Zentrum Ressourceneffizienz, Berlin Dr. Marc Bovenschulte, VDI/VDE Innovation + Technik, Berlin Dipl.-Geogr. Nomo Braun, agiplan GmbH, Mülheim an der Ruhr Prof. Dr. rer.pol. habil Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Stuttgart – VDI-GBG Dipl.-Geol. Dipl.-Wirtsch.Ing. Klaus Dosch, Aachener Stiftung Kathy Beys, Aachen – VDI-GEU Angelika Frederking, VDI/VDE Innovation + Technik, Berlin Dipl.-Ing. Detlef Frank, München – VDI-FVT Dr. Daniel Fulger, Altran GmbH & Co.KG, Düsseldorf – VDI-FVT Dipl.-Ing. Michael Hertwig, Fraunhofer IAO, Stuttgart, – VDI-GMM Prof. Dr.-Ing. Ralf Holzhauer, Westfälische Hochschule, Gelsenkirchen – VDI-GEU Dipl.-Geogr. Martin Keil, BMW AG, München Prof. Dr. Wilhelm Kuttler, Universität Duisburg Essen, Essen – VDI-KRdL Dipl.-Ing. Joachim Lentes, Fraunhofer IAO, Stuttgart Dr.-Ing Peter Markus, Ev. Akademie Villigst, Institut für Kirche und Gesellschaft, Schwerte Prof. Dr.-Ing. Johanna Myrzik, TU Dortmund, Dortmund Prof. Dr.-Ing. habil. Markus Oeser, RWTH Aachen, Aachen – VDI-FVT Dipl.-Min. Kurt Pommerenke, Wirtschaftsförderung Dortmund, Dortmund Dipl.-Soz.-Arb. Axel Rolfsmeier, Ev. Akademie Villigst, Institut für Kirche und Gesellschaft, Schwerte Dipl.-Ing. Architektin Saskia Schöfer, LWL Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, Münster Prof. Dr.-Ing. habil. Stefan Siedentop, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS), Dortmund Dipl.-Ing. Thomas Werner, Stadt Münster, Münster – VDI-GEU www.vdi.de VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 3 Inhalt Vorwort 1 Zusammenfassung 4 1 Warum Stadt:Denken 6 2 Neue Denkanstöße und Tendenzen 7 2.1 Stadtentwicklung 7 2.2 Kommunales Verwaltungsmanagement 9 2.3 Wirtschaftsförderung 9 2.4 Sozioökonomische und ökologische Aspekte 10 2.5 Religiöse, soziale und kulturelle Aspekte 11 2.6 Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) 11 3 Bausteine für die Stadt der Zukunft 13 3.1 Demografie 13 3.2 Beteiligung 15 3.3 Stadtklima 17 3.4 Gebäude der Zukunft 20 3.5 Mobilität 23 3.6 Energie 26 3.7 Urbane Produktion 28 3.8 Urbane Logistik 31 3.9 Kreislaufwirtschaft 34 3.10 Ressourceneffizienz 36 www.vdi.de 4 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Zusammenfassung Basierend auf lokalen Lösungen zukünftiger urbaner Organisations- und Lebensstrukturen mit einer anzustrebenden globalen Vorbildfunktion entsteht für die Menschen ein lebenswertes Umfeld und gleichzeitig für die Unternehmen eine Förderung der Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext. Die internationalen Erfahrungen im stadtregionalen Management von Wachstums- und Schrumpfungsprozessen zeigen, dass es vielerorts an geeigneten institutionellen Handlungsarenen fehlt, in denen interkommunal abgestimmte Planungen und Maßnahmen umsetzbar sind. Großstadtregionen sind heute immer noch durch ein sachlich-räumliches Nebeneinander von institutionellen Verantwortlichkeiten (Raumplanung, Ver- und Entsorgung, Kultur- und Sozialplanung etc.) geprägt, was eine effektive regionale Handlungskoordination stark erschwert. Die „Stadt der Zukunft“ muss Effizienzvorteile konsequenter nutzen, was aber ein radikales Umdenken in der Planung und Gestaltung von Städten voraussetzt. Die nicht vorhandene Kopplung der innovationsbasierten lokalen Wirtschaft und der urbanen infrastrukturellen Planung kann hemmend für die wirtschaftliche Entwicklung sein. Trotz vieler Modernisierungsprozesse stehen viele Kommunen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Das hat zum einen damit zu tun, dass sie auf der Einnahmenseite nur wenige selbst zu beeinflussende Quellen wie die Gewerbesteuer zu Verfügung haben und auf Zuweisungen des Bundes und der Länder nach komplizierten Schlüsseln angewiesen sind, während auf der anderen Seite die übergeordneten Ebenen immer mehr Aufgaben an die Gemeinden delegieren, ohne auf ausreichende finanzielle Kompensation zu achten. Zwar ist das Konnexitätsprinzip gesetzlich festgeschrieben, doch die Umsetzung lässt deutlich zu wünschen übrig. Selbstverständlich haben Technisierung und Digitalisierung auch in den Gemeinden Einzug gehalten; allerdings in Form von Insellösungen. Die Gemeinden müssen die Integration der vorhandenen heterogenen Systemstruktur zum vorrangigen Ziel machen. www.vdi.de mehr allein materielle Produkte gefragt, sondern auch die Verbindung mit innovativen Dienstleistungsprodukten. Dabei verlängern die Städte die bekannten Wertschöpfungsketten und eröffnen neue Märkte für die Unternehmen. Auch dieser Megatrend begünstigt den Bedeutungsgewinn des „Akteurs Mensch“ in der Stadt. Im Rahmen einer nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklung ist es ein Ziel kirchlichen Handelns, das Gemeinwesen im Zusammenwirken mit Bürgerinnen und Bürgern partnerschaftlich zu gestalten und Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten für alle Menschen in jeder Lebensphase zu schaffen. Glaubensgemeinschaften verstehen sich als „Ermöglicher“ von Kommunikation, Partizipation und Entwicklung integrierter und religiös motivierter Handlungskonzepte. Die begründete Erwartungshaltung an Informationsund Kommunikationstechnik ist, über Datenaustausch zwischen bisher unverbundenen „Systemen“ im weitesten Sinne nicht nur eine Optimierung der bisherigen Prozesse zu erzielen, sondern auch ganz neue Vorgehensweisen hervorzurufen, die die Nachhaltigkeit verbessern und menschliche Bedürfnisse (besser) befriedigen. Der demografische Wandel manifestiert sich in Städten kleinteilig auf der Quartiersebene. Neue Wohnformen, die auf Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung beruhen, werden verstärkt nachgefragt. Die barrierefreie Bewegung im städtischen Raum für alle Altersgruppen ist eine beständige Herausforderung. Mit dem Klimawandel verbundene Extremwetterereignisse bringen eine spezielle Gefährdung für die wachsende Gruppe der älteren Wohnbevölkerung. Eine neue Beteiligungskultur ist entstanden und befördert den Zusammenhalt und die Identifikation mit dem städtischen Quartier. Städte sind seit jeher Zentren ökonomischer Aktivität. Ökonomische Traditionen und Pfade bestimmen bis heute formelle und informelle Institutionen des ökonomischen Austauschs. Städte sind Treiber des Wandels von der Industrie- und Dienstleistungsökonomie hin zur Wissensökonomie. Große Bau- und Infrastrukturprojekte stoßen aber häufig auf Widerstand von Teilen der Bevölkerung. Gesellschaftlich nachhaltige Lösungen erfordern Konzepte für Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung. Dabei muss Kommunikation systematisch geplant werden – von der Grundlagenermittlung bis zur Baufertigstellung. Es ist zu Beginn eine gründliche Themen- und Stakeholderanalyse unumgänglich. Verständlichkeit und Visualisierungen sind zusätzlich für die Akzeptanz von Projekten von besonderer Bedeutung. Wissensintensive Dienstleistungen als Wirtschaftsmotor steigern die Wettbewerbsfähigkeit. Es sind nicht Die charakteristischen Unterschiede zwischen Stadt und Umland lassen sich hinsichtlich Klima und Luft VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder auf die Zuordnung und Mischung von bebauter und nicht bebauter Fläche ebenso zurückführen wie auf die Freisetzung von Abwärme aus technischen Prozessen und die Emission gas- bzw. partikelförmiger Luftinhaltsstoffe. Änderungen der Strahlungsbilanz, der Wärmebilanz, der Luftfeuchtigkeit des Winds und der atmosphärischen Spurenstoffe müssen berücksichtigt werden. Gebäude sind wichtige historische Quellen, vermitteln Identität mit dem Lebensraum, unterliegen aber auch einem ständigen Veränderungsdruck. Das Bauwesen benötigt einen erheblichen Anteil der in Deutschland genutzten Ressourcen, dabei ist ein ganzheitlicher, lebenszyklusweiter Ansatz von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling erforderlich. Gebäude der Zukunft bedürfen in planerischer und ausführender Sicht eines ganzheitlichen Ansatzes. Der Stadtverkehr wird durch eine zunehmende Zahl von Mobilitätsangeboten bestimmt. Fahrzeug- und Verkehrstechnik haben dazu beigetragen, dass die negativen Folgen der Mobilität (Unfälle, Emissionen) nicht mit der gestiegenen Verkehrsnachfrage angestiegen sind, sondern zum Teil sogar deutlich verringert werden konnten. Eine zentrale Schlüsseltechnologie für die weitere Entwicklung des Stadtverkehrs ist die Informationstechnologie. Sie ermöglicht direkt an den Fahrzeugen im motorisierten Individualverkehr und im öffentlichen Verkehr Verbesserungen und erweitert die Potenziale der Kombination verschiedener Verkehrsmittel (Multimodalität). Neue Antriebssysteme (Elektrofahrzeuge, Hybridfahrzeuge) werden die Verkehrsemissionen (Abgase, Geräusch) senken. 71 % des Energieverbrauchs in deutschen Haushalten ist Wärme. Bis 2020 sollen 14 % des Endenergieverbrauchs für Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energien stammen. Gerade im Gebäudebestand besteht ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz. Dabei ist die Berücksichtigung des Quartiers als kleinste Einheit extrem wichtig und ohne die Integration der Menschen keine Energiewende in der Stadt denkbar Digitalisierung, insbesondere durch die Industrie 4.0, befähigt effektive und effiziente Produktion, auch mit neuen Konzepten. Die Produktkomplexität steigt, bei kürzer werdenden Lebenszyklen, weiter. Neue und weiterentwickelte Fertigungsverfahren ermöglichen eine ressourceneffiziente, emissionsarme Produktion, 5 auch im städtischen Umfeld. Die Symbiose von Betriebsstätte und Umfeld zum Wohl aller Beteiligten muss zum Unternehmensziel werden. Die Nutzung von Skaleneffekten durch eine kundenneutrale Vorproduktion sowie die kundenindividuelle Endproduktion (nah am Kunden) stellen die Zukunft der wirtschaftlichen Produktion dar. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, des zunehmenden Internethandels und des ökologischen Wertewandels, ist die urbane Logistik kurzfristig vielfältigen Herausforderungen ausgesetzt. Die exekutive Logistik wird als einer der Hauptverursacher des Klimawandels verantwortlich gemacht. Die Entwicklung von Konzepten und Lösungen zur Optimierung logistischer und nicht logistischer Dienstleistungen für die Bündelung verschiedener Material- und Warenströme führt zu Vermeidung von Logistikverkehren im urbanen Raum. Eine konsequente Weiterentwicklung des arbeitsteiligen und globalisierten Weltwirtschaftssystems ist die Implementierung von Kreislaufwirtschaftsstrukturen. Seit 1992 erfolgen in Deutschland erste Umsetzungen ausgewählter Kreislaufwirtschaftssysteme. Die Stadt der Zukunft benötigt für die Weiterentwicklung der Ressourceneffizienz Lösungsansätze, die das urbane Wohnen, den nachhaltigen Konsum und eine ortsnahe Aufbereitungs- und Verwertungstechnik verbinden. Hier muss insbesondere mit der Integration der Bürger durch eine mögliche Individualisierung der Abfallströme auch eine Bewusstseinsbildung einhergehen. Die zunehmende Urbanisierung und die damit einhergehende steigende Rohstoffnachfrage wird die weltweite Rohstoffknappheit weiter verschärfen. Durch eine verstärkte Innenentwicklung lassen sich Ressourcen- und Flächenverbrauch von Städten im Vergleich zur Außenentwicklung merklich reduzieren. So bietet z. B. Urban Mining eine Versorgungsquelle für unsere Zukunft, da der Gebäudebestand in unseren Städten ein erhebliches Rohstofflager darstellt. Nunmehr gilt es, die Vielfalt der vorhandenen Informationen zum Wohle einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu nutzen. Dabei zählt es nicht, fachlich singuläre Lösungen in schnellster Zeit vorzubringen, sondern mit einem interdisziplinären Konzept langfristig nachhaltige Strukturen aufzubauen. www.vdi.de 6 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 1 Warum Stadt:Denken Städte sind komplexe Systeme. Der Wunsch der Bürger nach intakten Verkehrssystemen, bezahlbarem Wohnraum sowie einer funktionierenden Wasser-, Energie- und Nahrungsversorgung trifft auf Herausforderungen wie den Klimawandel, Migrationsströme und demografische Veränderungen. Die Bandbreite der Lösungsansätze ist dementsprechend groß und reicht von der lokalen und regionalen Subsistenzwirtschaft mit angepassten Technologien bis hin zu technologisch hochentwickelten Stadt- und Infrastruktursystemen. Seit 2009 lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Im Jahr 2050 werden es voraussichtlich mehr als zwei Drittel sein. Dieser Trend ist in Deutschland bereits deutlich spürbar: 74 % der Deutschen wohnen in urbanen Ballungsräumen. In Deutschland wie auch weltweit werden daher Strategien und Maßnahmen der Städte eine Schlüsselrolle spielen diese globalen und umweltpolitischen Herausforderungen zu bewältigen. Die Trends zum Nachdenken über die Stadt der Zukunft wurde Ende der 1990er-Jahre mit dem Begriff Smart City geprägt. In den letzten vier bis fünf Jahren finden sich in den Medien ebenfalls Begriffe wie Zukunftsstadt, Morgenstadt, Stadt der Zukunft, Smart Regions usw. Es sind global viele Initiativen entstanden. Allen Argumentationen und Interessensgruppen gemein ist der Ursprung des Trends: die Notwendigkeit zu einer ökologisch nachhaltigen Lebensform in urbanen und ländlichen Gegenden angesichts des menschlichen Ressourcenverbrauchs. Je nach Perspektive und Interessen werden dafür unterschiedliche Ansätze vorgebracht. Weit verbreitet ist die HochTechnologie als Basis. Ebenso wird die fundamentale Änderung der Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur als wirksamster Weg gesehen. Gleichzeitig erfordert die im Ballungsraum unvermeidbare Nähe von Produktion und Wohnen neue Konzepte sowohl zur Vereinbarkeit von vorhandenen Industriestandorten und Wohngebieten sowie die Möglichkeit der Schaffung neuer (oder geänderter) Produktionsstandorte im Ballungsraum bzw. im stadtnahen Umfeld. Speziell in den Ballungsräumen der „alten Bundesländer“ sind die Beispiele hierzu vielfältig und die Probleme offensichtlich. Da sich Städte hinsichtlich ihrer Größe und Dichte sowie klimatischen, geografischen, sozioökonomischen und kulturellen Bedingungen unterscheiden, sind angepasste Konzepte und Planungsprozesse unabdingbar. Allen gemein sollte allerdings ein ganzheitlicher Ansatz sein, der Stadtentwicklung als eine www.vdi.de gesamtgesellschaftliche Aufgabe unter Beteiligung aller betroffenen Stadtbewohner betrachtet. Die Stadt der Zukunft erfordert das Denken in Systemen und Alternativen unter teilweise schwierigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Für die Entwicklung nachhaltiger Lösungen für die Städte von morgen ist sowohl das interdisziplinäre Arbeiten als auch die Beteiligung von Stakeholdern bereits bei der Konzeption der Prozesse zwingend notwendig. Bei der Vernetzung, dem Monitoring und der Optimierung städtischer Infrastrukturen nimmt die Informations- und Kommunikationstechnologie eine Schlüsselrolle ein und ermöglicht zudem neue Geschäftsmodelle. Diese VDI-Handlungsfelder beleuchten die sozialen, kulturellen, administrativen und technologischen Aspekte der urbanen Siedlungs- und Wirtschaftsformen, vergessen aber nicht den neuen, systemischen Ansatz. Dieser beinhaltet die ganzheitliche Sicht auf bisher administrativ und technologisch getrennte Bereiche einer Stadt (sowie Region) in der Annahme, dass ein hoher Grad an Optimierung sowie neuen Geschäftsmodellen hebbar sind. Insbesondere hat der Mensch als „Konsument“ der neuen Lebensumgebung permanent als Ausgangspunkt aller Veränderung im Fokus zu stehen. Es gibt viele weit auseinandergehende Definitionen der Trends zur Stadt der Zukunft. Die System Evaluation Group Smart City der International Electrotechnical Commission (IEC) zählt in einer nicht repräsentativen Studie mehrere hundert. Je nach Ursprung der Definition, sei es IKT-Industrie, Automobilindustrie, Wissenschaft oder Politik, ist erkennbar, was die jeweilige Motivation ist. Der Fokus der VDI-Initiative Stadt:Denken liegt, im Unterschied zu vielen anderen „Smart-City-Bewegungen“, auf der mitteleuropäischen gewachsenen Stadt mit ihren teils in Jahrhunderten entwickelten Strukturen und Systemen. Angesichts der Komplexität, Breite und Auswirkung des Themas sieht sich der VDI in der Kompetenz, Position zu beziehen. Diese Expertise beinhaltet ebenso politisches Verständnis, Kenntnis der (deutschen) administrativen Prozesse sowie Regularien, die eine entscheidende Rolle in der lokalen Umsetzung eines globalen Trends zur Nachhaltigkeit spielen. In jedem Falle beschreiben die nächsten Schritte zur Stadt der Zukunft keinen direkten Weg, der durch die Vorgabe einer Roadmap erreicht werden kann. VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 7 2 Neue Denkanstöße und Tendenzen 2.1 Stadtentwicklung Die durch Menschen verursachten physischen Veränderungen des Planeten sind inzwischen so immens, dass Wissenschaftler von einem neuen Erdzeitalter, dem „Anthropozän“, sprechen. Einer der wirkmächtigsten Prozesse ist dabei die Verstädterung. Bereits heute wird von einer mehrheitlich „städtischen“ Weltbevölkerung gesprochen, und die Urbanisierung wird sich in den kommenden Jahrzehnten nach allgemeiner Einschätzung ungebrochen fortsetzen. Der vielbeschworene Beginn eines „urbanen Zeitalters“ ruft in Gesellschaft, Politik und Wissenschaft durchaus widersprüchliche Wertungen hervor. So werden Metropolen und Stadtregionen als Motoren ökonomischen Wachstums und Hauptschauplätze wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts wahrgenommen. Zugleich gelten sie aber auch als Orte, an denen soziale Ungleichheit und ressourcenintensive Lebens- und Konsumstile augenscheinlich werden. Unstrittig ist, dass die Urbanisierung zugleich Ursache und Ergebnis einer weitreichenden Transformation von Gesellschaften und ihren ökonomischen, sozialen und kulturellen Grundlagen ist. Die Globalisierung des produktiven Kapitals und die Herausbildung einer neuen, weltumspannenden kapitalistischen Marktordnung befördern die räumliche Konzentration von Bevölkerung und Wirtschaftsleistung in urban geprägten Regionen in nie gekanntem Umfang. Die Weltbank schätzt, dass etwa ein Viertel der globalen Wirtschaftsleistung auf nur 0,3 % der Landfläche des Planeten produziert wird. Großstadtregionen wie New York oder Tokio weisen ein höheres Inlandsprodukt auf als ganze Staaten wie Kanada oder Spanien [1]. Urbanisierung ist dabei kein einheitliches Phänomen, sondern zeigt in ihren regionalen Dynamiken und Ausprägungen gravierende Unterschiede. Dies gilt für die Intensität demografischen und wirtschaftlichen Wachstums ebenso wie für die raumstrukturellen Ausprägungen einer zunehmenden Verstädterung. Während die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer derzeit eine stark expansive Wachstumsphase ihrer verstädterten Räume erleben, erfahren westliche Industriestaaten eine auslaufende Urbanisierungsdynamik. Ein Ende der Urbanisierung in dem Sinne, dass in Zukunft wahrscheinlich nicht wesentlich mehr Menschen in großen Städten und Stadtregionen leben werden, bedeutet aber alles andere als ein „Ende der Entwicklung“. Im Gegenteil, verstädterte Regionen in Europa und Deutschland sind mit äußerst dynamischen ökonomischen, sozialen wie auch politischinstitutionellen Restrukturierungsprozessen konfrontiert. Auch im 21. Jahrhundert lässt sich Stadtentwicklung nur als stetiger Wandlungsprozess, als permanente, sich eher noch beschleunigende Veränderung begreifen. Das in zeitlicher wie räumlicher Hinsicht anzutreffende Nebeneinander von demografischem Wachstum und Schrumpfung, von ökonomischer Aufwertung und Destabilisierung, von sozialer Integration und Marginalisierung kennzeichnet die Raum- und Stadtentwicklung im „post-industriellen“ Zeitalter mehr noch als in früheren Epochen. Akteure aus Politik und Planung haben heute mehr denn je unter Bedingungen von Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit zu handeln. Eine nachhaltige Urbanisierungspolitik muss Antworten auf beides finden, auf dynamische Wachstumsprozesse und krisenhafte Schrumpfung von Bevölkerungen und Wirtschaftsleistung. Hier stellen sich für die relevanten Akteure aus Gesellschaft, Politik und Wissenschaften fundamentale Fragen: Wie lässt sich eine kompakte und urbane Stadt schaffen (oder bewahren), die aber zugleich eine „grüne“ Stadt ist? Wie können Städte ressourceneffizienter werden, ohne für weniger einkommensstarke Bevölkerungsteile unbezahlbar zu werden? Wie lassen sich „kreative“ Städte schaffen, die wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten bieten, ohne dabei Ziele von Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Solidarität zu relativieren. Technologisch aufgerüstete „Smart Cities“ versprechen Effizienz- und Komfortgewinne, zugleich wird vor den Risiken von Überwachung und Bevormundung durch den Staat oder multinationale Unternehmen gewarnt. Schließlich soll die Stadt der Zukunft offen sein für baulich Neues, sie soll aber auch Historisches bewahren, sie soll risikovorsorgend und resilient sein. Die diskontinuierlichen und disparaten Entwicklungsbedingungen, denen sich die Raum- und Stadtentwicklung in den Ländern des globalen Nordens und Südens, aber auch innerhalb von Europa und Deutschland ausgesetzt sehen, machen deutlich, dass derartige – in Politik und Gesellschaft weithin geteilte – Idealvorstellungen einer „Stadt der Zukunft“ auf ganz individuelle Handlungsvoraussetzungen treffen: in wachsenden und schrumpfenden Städten, in Städten, die immer stärker in globale Wirtschaftszusammenhänge eingebunden sind und solchen, die mit ihrem altindustriellen Erbe zu kämpfen haben, in Städten, die schuldenfrei sind und solchen, die sich als fiskalisch kaum mehr handlungsfähig ansehen müssen. Eine wie auch immer geartete „Blaupause“ einer www.vdi.de 8 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Zukunftsstadt erscheint daher wenig instruktiv. Gefordert ist eine Pluralität von Zukunftsentwürfen angesichts der von Stadt zu Stadt vielfältig differenzierten Herausforderungen, Risiken, Chancen und Begabungen. Jede Stadt muss eigene Antworten darauf finden, wie Attribute von „Kompaktheit“, „Resilienz“ oder „Gerechtigkeit“ lokal adaptiert und in gesellschaftlich vermittelbare Handlungskonzepte übersetzt werden können. In diesem Zusammenhang gehört auch das in Politik und Gesellschaft bis heute dominante Verständnis von „Stadt“ auf den Prüfstand. Was ist Stadt, wo hört sie auf? Es ist ein fundamentales Missverständnis, Stadt allein mit baulich verdichteten und sozial gemischten Siedlungsräumen gleichzusetzen. Wie die meisten Staaten des globalen Nordens ist auch Deutschland eine suburbane Nation, in der die Bevölkerungsmehrheit in Gebieten lebt, die nach traditionellem Verständnis nicht als „urban“ zu bezeichnen sind. Allein aus diesem Grund kann das suburbane Umland nicht aus den Überlegungen zur Gestaltung einer nachhaltigen Urbanität ausgeklammert werden, im Gegenteil, hier stellen sich womöglich noch weitaus größere Herausforderungen für die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft des „Städtischen“. Die Überwindung eines Bilds von Stadt als „räumlicher Container“ wird auch durch die vielfältigen (umwelt-)funktionalen Verflechtungen großer Metropolen nahegelegt, die den Bestand urbaner Systeme erst ermöglichen. Große Städte sind keine autark funktionsfähigen Systeme, sie eignen sich Tragfähigkeit aus einem weiten Umland an, indem sie große Mengen an Energie, Wasser und Nahrungsmitteln importieren und verschiedene Formen von Schadgasen und Abfallstoffen freisetzen. Allerdings wäre es vollkommen falsch, Stadtregionen als „parasitäre“ Systeme zu diskreditieren. Bei gegebenem Wohlstandsniveau können Städte aufgrund ihrer größenund dichtebedingten Effizienzvorteile produktive und reproduktive Aktivitäten ressourcenschonender organisieren als gering verdichtete suburbane oder ländliche Siedlungsformen. Dies äußert sich in vergleichsweise geringeren spezifischen Energieeinsätzen und Schadstoffausstößen des städtischen Wohnens und der Mobilität sowie in einer kostengünstigeren Bereitstellung infrastruktureller Leistungen. Die „Stadt der Zukunft“ muss diese Effizienzvorteile konsequenter nutzen, was aber ein radikales Umdenken in der Planung und Gestaltung von Städten voraussetzt. Eine zukunftsfähige Stadt wird nicht nur eine Umrüstung ihrer energietechnischen Systeme voraussetzen. Auch der Umbau von Städten mit dem Ziel der Bewahrung und Förderung von Dichte, Kompaktheit und Nutzungsmischung sowie des Schutzes wertvoller Freiräume muss als wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit angesehen werden. Gleiches gilt für www.vdi.de die Bewältigung der gravierenden Probleme mit der Wohnungsversorgung sowie der Infrastrukturversorgung. Wesentliche Prinzipien sind dabei eine höhere Nutzungsdichte und zentrenorientierte Entwicklung sowie die Mischung städtebaulicher Funktionen. Dichte, Mischung und Kompaktheit gewährleisten günstige Voraussetzungen für nicht motorisierte Mobilität und den öffentlichen Verkehr und verringern damit die Abhängigkeit von motorisierten Verkehrsmitteln. Vorteile lassen sich zudem in positiven Skaleneffekten bei der Vorhaltung öffentlicher Infrastrukturleistungen, einem geringeren Maß an sozialer Segregation und Exklusion sowie im Schutz von Agrarund Naturflächen erkennen. In den Metropolen des globalen Südens, in denen Städte schon heute zum Teil extrem verdichtet sind und weitere Verdichtung kaum möglich bzw. nicht vertretbar erscheint, ist eine koordinierte Außenentwicklung erforderlich, um den vielerorts großen Wachstumsdruck zu bewältigen. Handlungsleitend können hier Konzepte punkt-achsialer Entwicklung sein („Transit Oriented Development“), mit denen neue Siedlungsgebiete im fußläufigen Einzugsgebiet der Haltepunkte des stadtregionalen öffentlichen Schienenschnellverkehrs entwickelt werden. Der anhaltende Bevölkerungsrückgang in vielen europäischen oder auch nordamerikanischen Städten und seine komplexen Wirkungen auf die Immobilienund Wohnungsmärkte sowie die städtischen Infrastruktursysteme haben zudem eine weltweite Debatte um geeignete planerische Strategien im Umgang mit städtischer Schrumpfung ausgelöst. Wie sich eine den negativen demografischen und wirtschaftlichen Entwicklungsbedingungen anpassende Stadtentwicklung vollziehen kann, welche neuen Governance-Strukturen, Instrumente, Planungs- und Partizipationskulturen dies voraussetzt, ist Gegenstand eines noch lange nicht abgeschlossenen Diskurses in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Die internationalen Erfahrungen im stadtregionalen Management von Wachstums- und Schrumpfungsprozessen zeigen, dass es vielerorts an geeigneten institutionellen Handlungsarenen fehlt, in denen interkommunal abgestimmte Planungen und Maßnahmen umsetzbar sind. Großstadtregionen sind heute immer noch durch ein sachlich-räumliches Nebeneinander von institutionellen Verantwortlichkeiten (Raumplanung, Ver- und Entsorgung, Kultur- und Sozialplanung etc.) geprägt, was eine effektive regionale Handlungskoordination stark erschwert. Nur in wenigen Regionen existieren regionale Planungskompetenzen, mit denen der strukturelle „Mismatch“ aus überkommunalen Verflechtungsräumen und fragmentierten Zuständigkeiten für öffentliche Aufgaben zumindest teilweise überwunden wird. Die „Stadt der Zukunft“ VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder muss daher technologische Innovationen mit solchen des politisch-institutionellen Fortschritts verbinden. 2.2 Kommunales Verwaltungsmanagement All business is local – nirgendwo kommt diese Erkenntnis mehr zum Tragen als in einer Gemeinde. Dort, wo der Mensch lebt und arbeitet manifestiert sich alles staatliche Handeln. Ob EU-Verordnungen, Bundes- oder Landesgesetze, in den allermeisten Fällen kümmern sich kommunale Dienststellen um deren Umsetzung und Einhaltung. Kommunale Verwaltungen waren bis in die 1990er Jahre nach Aufgaben klar hierarchisch gegliedert. Die Gemeinden orientierten sich an den Vorgaben der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement – KGSt. Die Haushalte wurden kameral geführt, in den Haushaltsplänen wurden voraussichtliche Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt, die am Ende ausgeglichen zu gestalten waren. Betrachtet wurde die jeweils augenblickliche Situation. Wirkungen der aktuellen Haushaltführung auf die nachfolgenden Generationen waren nur schwer zu ermitteln. Dann wurde die starre Gliederung nach Aufgaben aufgegeben. Die Kommunen bekamen größere Gestaltungsmöglichkeiten. Der Dienstleistungsgedanke nahm Einzug. Das Schlagwort von der Verwaltungsmodernisierung machte die Runde. Viele Aufgaben, die bis dato in starr organisierten Ämtern verortet waren, wurden in städtische Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Eigenbetriebe bzw. eigenbetriebsähnliche Einrichtungen ausgegliedert. Dort wurde natürlich nach kaufmännischen Prinzipien gewirtschaftet und Buch geführt. Schließlich zog die Doppik auch in die kommunalen Haushalte ein. Die Gemeindeverwaltungen mussten umdenken; sie hatten sich nicht mehr nach Aufgaben zu orientieren, sondern nach Produkten. Mit dem „Neuen Kommunalen Finanzmanagement“ wurde es möglich, auch die langfristigen Wirkungen des eigenen Wirtschaftens über langfristige Verbindlichkeiten und Rücklagen in den Betracht zu ziehen. Doch trotz dieser Modernisierungsprozesse stehen die Kommunen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Das hat zum einen damit zu tun, dass sie auf der Einnahmenseite nur wenige selbst zu beeinflussende Quellen wie die Gewerbesteuer zu Verfügung haben und auf Zuweisungen des Bundes und der Länder nach komplizierten Schlüsseln angewiesen sind, während auf der anderen Seite die übergeordneten Ebenen immer mehr Aufgaben an die Gemeinden delegieren, ohne auf ausreichende finanzielle Kompensation zu achten. Zwar ist das Konnexitätsprinzip gesetzlich festge- 9 schrieben, doch die Umsetzung lässt deutlich zu wünschen übrig. Wenn die ebenfalls gesetzlich festgeschriebene Schuldenbremse für den Bund im Jahre 2016 in Kraft tritt und die für die Länder vier Jahre später, ist zu erwarten, dass dies auf die Finanzsituation der Kommunen gravierend durchschlagen wird. Damit die Kommunalverwaltungen in Zukunft auch nur den Hauch einer Chance haben, mit ihren Ressourcen auskömmlich zu wirtschaften, sind sie in allen Bereichen auf intelligente Lösungen angewiesen. Selbstverständlich haben Technisierung und Digitalisierung auch in den Gemeinden Einzug gehalten; allerdings in Form von Insellösungen. Die Gemeinden müssen die Integration der vorhandenen heterogenen Systemstruktur zum vorrangigen Ziel machen. Bereits aus dem riesigen, tagtäglich anfallenden und nur unzureichend genutzten Datenvolumen lässt sich großer Nutzen ziehen und durch gemeinsame IKT für identische Aufgaben extrem kostspielige und unnötige Redundanz vermeiden. Der Begriff Smart City geht allerdings deutlich weiter als die Einführung von Technologie einzig zum Zwecke der verbesserten Durchführung der bestehenden Verwaltungsprozesse. Technik, Prozesse, Betriebswirtschaft und die kommunale Strategie sollten eine Einheit bilden mit Investition und Innovationsmanagement als inhärentem Teil. Einnahmequellen werden heute schon seitens der Industrie z. B. in Bezug auf Daten ausdrücklich angeboten, aber nicht genutzt. Auch wenn keine gesetzliche Hürde im Weg steht, kann wegen politischer Bedenken oder Fehlens eines Geschäftsprozesses nicht betriebswirtschaftlich agiert werden. Hier bedarf es der Bereitstellung von Geschäftsmodellen und (technischer) Interoperabilität mit der Nachbarkommune, der Region, dem Land und der administrativ-geografisch unabhängigen industriellen IKT. Des Weiteren kann auf diese Weise die positive Kopplung an das lokale, innovationsbasierte Wirtschaftswachstum verstärkt werden, wovon die Wirtschaft wie auch die Verwaltung als Teil eines gemeinsamen Kreislaufs selbstverstärkend profitieren. 2.3 Wirtschaftsförderung „Aufgabe der Wirtschaftsförderung ist es, die kommunalen und regionalen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliches Handeln so zu beeinflussen, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Menschen einer Kommune oder Region positiv beeinflusst werden.“ [2] Die Aufgaben der Wirtschaftsförderung gehen heute weit über Flächenbereitstellung und Vermarktung für Gewerbetreibende oder die Funktion eines „kommunalen Kummerkastens“, bei dem die Unternehmen ihre Probleme mit Verwaltunwww.vdi.de 10 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder gen abladen können, hinaus. Sie ist das Bindeglied zwischen Unternehmen, Verwaltung und Politik, um so den Informationsfluss sicherzustellen und die Interessen aller Seiten zu wahren. Sie informiert über Energie- und Ressourceneffizienz oder Förder- und Finanzierungsinstrumente und initiiert Gründungen. Sie ist auch die Vernetzungsplattform zwischen Unternehmen, Wissenschaft und anderen Einrichtungen. Dabei werden aber auch wirtschaftsfern scheinende Lebensbereiche wie Familie, Bildung und Freizeit einbezogen. Dies ist gerade in Zeiten des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und der Internationalisierung der Wirtschaft von Bedeutung. Die Bestandspflege ist dabei ein zentrales Thema [3]. Qualifiziertes Personal ist ein entscheidender Standortfaktor, um sich von anderen Standorten zu unterscheiden. Hochschulstandorte und Großstädte haben ein größeres Potenzial. Für die Fachkräftesicherung wird die Wirtschaftsförderung zur wichtigsten Schnittstelle zwischen Kommune, Unternehmen, Kammern, Arbeitsverwaltung, Hochschulen, Erwerbspersonen und Nachwuchs. Weiche Faktoren wie Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bildungs- und Integrationsprojekte oder Optionen der beruflichen Weiterbildung vor Ort sind mitbestimmend für den Erfolg. Das Management von lokalen und regionalen Netzwerken oder Initiativen zum Wissenstransfer zwischen Unternehmen und Wissenschaft festigen das Interesse am Standort und ist deshalb eine Daueraufgabe. Wissensintensive Dienstleistungen als Wirtschaftsmotor steigern die Wettbewerbsfähigkeit. Es sind nicht mehr allein materielle Produkte gefragt, sondern auch die Verbindung mit innovativen Dienstleistungsprodukten. Dies sind unternehmensnahe, aber eigenständige Leistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wissensintensive Dienstleistungen verlängern die bekannten Wertschöpfungsketten und eröffnen neue Märkte für die Unternehmen. Unterstützt wird diese Tatsache durch die Faktoren der Kreativwirtschaft, die als entscheidender Faktor auf dem Weg zur wissensbasierten Ökonomie gewertet wird. Klimaschutz, Klimawandel, Ressourceneffizienz oder Energiewende bieten neue Chancen und Risiken für Standorte, Infrastrukturen, Wirtschaftsbranchen und Unternehmen (green economy). Steigende Rohstoffund Energiepreise sowie verstärkter Wettbewerb verlangen sowohl weitere Effizienzsteigerungen beim Energieeinsatz, als auch den Schutz von Klima und Umwelt zur Erhaltung und Verbesserung der Standortbedingungen. Energiewende oder die Förderung neuer Mobilitätskonzepte sind geeignet, Standorte zu Kompetenzzentren in den Bereichen Energie, IKT und Mobilität zu machen. Sie lösen eine neue Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen aus. Das Schließen von Wissenslücken und die Schaffung von www.vdi.de Anreizen, diese Märkte zu erschließen, ist eine der neuen Herausforderung der Wirtschaftsförderung [4]. 2.4 Sozioökonomische und ökologische Aspekte Städte waren schon immer der Nukleus gesellschaftlicher und ökonomischer Entwicklungen. Durch ihre räumliche Dichte und das Neben- und Miteinander von Vielfalt und Gegensätzen, von gesellschaftlichen Gruppen und Architekturen bilden sich Reibungsflächen, die einen fruchtbaren Nährboden für Innovationen bilden. Die Stadt bildet somit den optimalen Experimentierraum alle Arten von Innovationen - also für Produkt-, Service-, Prozess-, Geschäftsmodell-, aber vor allem auch soziale und Systeminnovationen (Stichwort Sharing Economy, Upcycling etc.) [5]. Eine wichtige Ressource für Innovationen sind kreative Talente. Auch sie werden durch Reibungsflächen angezogen. Das Neben- und Miteinander von Menschen, Ideen und Problemlösungsansätzen unterschiedlichster Herkunft ist ein interessantes Betätigungs- und Inspirationsfeld für Designer, Medienschaffende, aber auch für Forscher und Entwickler [6]. Aufgrund dieser Eigenschaften sind Städte seit jeher Zentren ökonomischer Aktivität. Ökonomische Traditionen und Pfade bestimmen bis heute formelle und informelle Institutionen des ökonomischen Austauschs. Städte sind Treiber des Wandels von der Industrie- und Dienstleistungsökonomie hin zur Wissensökonomie. Auch dieser Megatrend begünstigt den Bedeutungsgewinn des „Akteurs Mensch“ in der Stadt. Aus der sozialen und ökologischen Perspektive haben Städte auch vielfältige Probleme. Gentrifizierung kann zu einer „Vertouristierung“ bzw. zu Verdrängungsprozessen führen, die authentische sowie einzigartige städtische Identitäten gefährden. Damit ist auch die Vielfalt sozialer Milieus, und damit unmittelbar die städtische Attraktivität und Urbanität sowie mittelbar die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit bedroht. Genauso ist die „Ökologische Stadt“ angesichts der Dichte an Menschen und Industrie eine besondere Herausforderung. Dies betrifft insbesondere die Handlungsfelder Stadtklima, Luftreinhaltung und Kreislaufwirtschaft. Derzeit beschäftigen sich eine Reihe von Initiativen mit dem ökologischen Stadtumbau im Spannungsfeld von Energieeffizienz, sozialer Verträglichkeit, städtebaulicher Attraktivität und Zukunftsfähigkeit (insbesondere Digitalisierung) [7]. Im Sinne der Flächeneffizienz sind ist hierbei auch die Reaktivierung von Brachflächen von besonderer Bedeutung. VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Weitere aktuelle Themen sind „Low-Budget Urbanity”, also die Sicherstellung einer Urbanität unter dem Primat des Sparens sowie das bürgerschaftliche Mitwirken an städtischen Entwicklungsprojekten und deren Akzeptanz. 2.5 Religiöse, soziale und kulturelle Aspekte Die Kirchen sind wichtige gesellschaftliche Akteure. In ihren großen zivilgesellschaftlichen Netzwerken bringen sie ausgeprägtes fachliches Wissen zur Stärkung von Gemeinwesen ein. Im Rahmen einer nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklung ist es Ziel kirchlichen Handelns, das Gemeinwesen im Zusammenwirken mit Bürgerinnen und Bürgern partnerschaftlich zu gestalten und Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten für alle Menschen in jeder Lebensphase zu schaffen. Kirchen verstehen sich als „Ermöglicher“ von Kommunikation, Partizipation und Entwicklung integrierter und religiös motivierter Handlungskonzepte. Die unterschiedlichen Gruppen unserer Gesellschaft sollen sich aktiv beteiligen können – selbstverständlich auch Menschen mit prekärem sozialen Status ebenso wie (Neu-)Bürger ausländischer Herkunft. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Institution Kirche erleichtert eine sektor- und themenübergreifende Arbeit. Leben, Wohnen, Arbeiten in der Stadt: Für alte, gewachsene Stadtteile gilt es, neue Planungskulturen und lebenswerte Perspektiven zu entwickeln. Andere Stadtquartiere entstehen neu – oft urban, modern, mondän; auch gerne in ehemaligen Industriestadtteilen. Sie sind in der Regel schick, hipp und teuer: Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf, Köln – stadt- und wassernahe Quartiere, die aber nicht selten künstlich bleiben und denen es an sozialem Zusammenhalt fehlt. Diesen Zusammenhalt erwarten Menschen aber von der Stadt der Zukunft. Kirche setzt sich bei der Entwicklung der Stadt der Zukunft dafür ein, dass alle Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt werden und moderiert gegebenenfalls einen Ausgleich gegenläufiger Interessen. So geschieht Stadtentwicklung im Sinne aller Menschen, die in der Stadt leben. Das entspricht auch den Zielsetzungen einer sozioökologischen Transformation. Eine Stadt der Zukunft braucht flexible, intelligente, bezahlbare Wohn- und Lebensmodelle in allen Größen und Wohnformen: energieeffizient und ressourcenschonend, altersgerecht und mit hohem Wohnstandard. Solche Modelle wollen gut geplant sein. Ältere Stadtteile zukunftsfähig zu entwickeln, ist die eine Herausforderung. Die aktuelle – auch visionäre – Neuplanung ist die andere Herausforderung, die ebenso große Chancen bietet, den Bedürfnissen einer äl- 11 terwerdenden und differenzierteren Gesellschaft Rechnung zu tragen. Das heißt vor allen Dingen, den Wunsch nach Zusammenleben zuzulassen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Nachbarschaftsagenturen, Stadtteilläden, Nachbarschaftswerke, Caféund Begegnungsangebote sind gute Beispiele der Zusammenarbeit von kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. 2.6 Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) Im Kontext des technologischen wie politischen Trends “Smart City” kommt der Informations- und Kommunikationstechnologie eine Sonderrolle zu. Die IKT hat keinen Wert für sich alleine, sondern ist „Ermöglicher“ für viele Zwecke, und zwar ausnahmslos aller eine Stadt der Zukunft tragenden Technologien. Sie stellt eine Kombination von Querschnittstechnologien dar. Die begründete Erwartungshaltung an IKT ist, über Datenaustausch zwischen bisher unverbundenen „Systeme“ im weitesten Sinne nicht nur eine Optimierung der bisherigen Prozesse zu erzielen, sondern auch ganz neue Vorgehensweisen hervorzurufen, die im Sinne des Themas die Nachhaltigkeit verbessern und menschliche Bedürfnisse (besser) befriedigen. Mit Ausnahme von Aspekten der Datensicherheit, stellt aus rein technologischer Sicht die IKT keine Hürde für die smarte Transformation des menschlichen Lebensraums zur Nachhaltigkeit dar. Ein Datenaustausch für bekanntermaßen sinnvolle Szenarien zwischen Geräten, Menschen und einer Mischung daraus lässt sich technisch wie kostengünstig heute mit vorhandenen Mitteln verhältnismäßig einfach herstellen. Allerdings war die Entwicklung der IKT der letzten ca. 20 Jahre nötig, um einen markttauglichen Mindestreifegrad herzustellen. Was nun fehlt sind hauptsächlich administrative Prozesse auf öffentlicher Seite und die regulatorische Homogenisierung eines ausreichend großen Markts, um Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Die Cloud als virtueller und omnipräsenter Ort ist längst kein Mysterium mehr und trennt effektiv IKTServices (Ressourcen) vom Geschäftsmodell. Ähnliches kommt in Teilen auf die Services der urbanen Zentren zu. Der Begriff der „hoheitlichen Aufgabe“ wird bislang immer noch mit Besitz und Betrieb der entsprechenden Hardware assoziiert. Die Trennung dieser Kombination wird durch den Zwang zur Kostenreduktion getrieben. Gleichzeitig werden die Services der urbanen Zentren immer komplexer. Es kann nicht jede lokale Administration das gesamte (hochqualifizierte) Personal und Material vorhalten, um www.vdi.de 12 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder nahezu gleiche Dienste wie andere Städte vorzuhalten. Eine Stadt ist nicht autark und ist durch wirtschaftliche Verflechtung (im administrativen und geometrischen Sinne) zu immer weitreichenderer Interoperabilität gezwungen. Hierbei ist Mobilität und Logistik das wahrscheinlich beste Beispiel für maximale Anforderung an Interoperabilität und Continuity of Services. Dabei bezieht sich die Anforderung nicht nur auf Datenschnittstellen und interoperable Systeme, sondern auch auf Dateninhalte bzw. deren Beschaffenheit im Sinne der Anwendung. Die Traditionen der Städte in Bezug auf den Einkauf von Dienstleistungen sind sehr unterschiedlich. Der Betrieb einer Stadt wird dennoch mit großer Wahr- www.vdi.de scheinlichkeit nicht durch genau eine, monolithische und proprietäre Softwareplattform geschehen, die auch noch alle Aspekte steuert. Des Weiteren kann ein städtisches System nicht wie bisher in technologischer Top-down-Doktrin in allen Details seitens der Administration vorgegeben werden. Es ist wahrscheinlich, dass wegen der Systemkomplexität ein durch viele Anbieter gespeistes Code-offenes Ökosystem entsteht, das in Form einer Dienstleistung angeboten wird. Dieses Verfahren ist in der Telekommunikation bereits erprobt. Durch standardisierte Schnittstellen ist es möglich, Dienstleister für spezielle Dienstleistungen gegeneinander und im laufenden Betrieb auszutauschen. VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 13 3 Bausteine für die Stadt der Zukunft 3.1 Demografie Fakten in Kürze  Der demografische Wandel manifestiert sich in Städten kleinteilig auf der Quartiersebene.  Neue Wohnformen, die auf Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung beruhen, werden verstärkt nachgefragt.  Die barrierefreie Bewegung im städtischen Raum für alle Altersgruppen ist eine beständige Herausforderung.  Mit dem Klimawandel verbundene Extremwetterereignisse bringen eine spezielle Gefährdung für die wachsende Gruppe der älteren Wohnbevölkerung.  Eine neue Beteiligungskultur ist entstanden und befördert den Zusammenhalt und die Identifikation mit dem städtischen Quartier. Stand Die Strahlkraft der Stadt als Lebens-, Wirtschafts- und Interaktionsraum ist seit Jahrhunderten ungebrochen. So verwundert es nicht, dass die Urbanisierung einer der weltweiten Megatrends ist: Seit dem Jahr 2008 lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Auch in Deutschland setzt sich dieser Trend fort. Die Urbanisierungsrate beträgt hier derzeit 74 %, die Wachstumsrate der Verstädterung liegt bei jährlich 0,3 % [8]. Dabei sind die Klein- und Mittelstädte anders betroffen als Großstädte. Aber auch die 76 großen deutschen Städte, die häufig von Zuzug, Wirtschaftskraft und Wissensakkumulation geprägt und weit weniger von Alterung betroffen sind, müssen den demografischen Herausforderungen begegnen [9]. Denn innerhalb dieser Städte grenzen Teilräume, die wachsen, nicht selten direkt an solche, die schrumpfen oder altern. Entsprechend zeigt vor allem die kleinteilige Betrachtung großstädtischer Quartiere, dass sich der positive Mittelwert einer Stadt sehr häufig aus den extrem unterschiedlichen Entwicklungen einzelner innerstädtischer Räume zusammensetzt und nur bedingt repräsentativ ist [10]. Die Herausforderungen des quartierspezifischen demografischen Wandels der Stadt unterscheiden sich zwar in ihrer Ausprägung vor Ort, lassen sich jedoch mit einigen aktuellen Trends umreißen. Tendenzen Die absehbare Zunahme prekärer Einkommensverhältnisse im Alter, die Zunahme von Einpersonenhaushalten sowie der Trend zur Freundesfamilie lassen eine verstärkte Nachfrage nach neuen Wohnformen, die auf Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung beruhen, erwarten. Viele Städte unterstützen bereits heute die Entstehung gemeinschaftlicher Wohnformen, von deren integrativer und den Austausch fördernder Gestaltung sowohl ältere Menschen, Alleinerziehende als auch junge Familien profitieren. Dem Quartier wird insbesondere eine besondere Bedeutung bei der Versorgung älterer Menschen im städtischen Leben zukommen. Bis zum Jahr 2030 wird es in Deutschland 3,4 Mio. Pflegebedürftige geben [11]. Die sorgende Gemeinschaft, mit professioneller Versorgung, kleinen wohnortnahen Einrichtungen und den Alltag unterstützenden Dienstleistungen gewinnt auch im Bereich der Pflege an Bedeutung. Kommunen kaufen in der Vergangenheit privatisierte Pflegeeinrichtungen zurück, um heute Pflege im vertrauten Umfeld wohnortnah anzubieten. Versorgung und Pflege im städtischen Quartier muss die älteren Menschen aktivieren, professionelle Hilfe stärken und bürgerschaftliches Engagement erweitern. Bild 1. Barrierefreiheit für alle Altersgruppen Quelle: Topro www.vdi.de 14 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Die barrierefreie Bewegung im städtischen Raum für alle Altersgruppen ist eine beständige Herausforderung der Stadt der Zukunft (Bild 1). Dies beinhaltet materielle Barrieren im „klassischen“ Sinne (Vermeidung von Stufen etc.), aber auch mentale Barrieren, die sich eher auf ein subjektives Sicherheitsgefühl beziehen, wie etwa eine unzureichende Beleuchtung. In Bezug auf den städtischen Verkehr werden Verkehrsleitsysteme zur Verkehrsaufkommensregulierung, städtische Sharing-Konzepte für Pkw oder Fahrrad sowie umweltfreundliche Fahrzeuge (eMobility) entwickelt und getestet. Durch diese Maßnahmen werden langfristig Abgasemissionen reduziert und das innerstädtische Mikroklima verbessert. Zielen diese Angebote bisher verstärkt auf die Zielgruppe jüngerer Erwachsener, deren Wertvorstellungen oftmals auch den eigenen Pkw obsolet werden lassen, fehlen bisher noch weitgehend Angebote, die explizit die Mobilität älterer Menschen adressieren. Klimawandel und demografischer Wandel bilden zukünftig zwei der maßgeblichen Herausforderungen – sowohl im globalen Maßstab als auch auf Ebene der kommunalen Stadtentwicklung. Beide Phänomene sind zudem nicht völlig voneinander zu trennen. Klimaforscher prognostizieren bis zum Jahr 2050 einen Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur um ein bis zwei Grad. Daraus können absehbar längere sommerliche Hitzeperioden und damit verbundene Extremwetterereignisse resultieren, die eine spezielle Gefährdung für die wachsende Gruppe der älteren Wohnbevölkerung darstellen. Um diese Veränderungen zu bewältigen, bedarf es lokal angepasster und integrierter Ansätze. Schlussfolgerungen Das städtische Quartier ist bei allen Maßnahmen eine wichtige, wenn nicht die entscheidende Bezugsgröße. Als alltägliches Lebensumfeld der Bewohner lassen sich hier innovative Ideen besonders gut umsetzen. Die Rückbesinnung auf diese kleinste öffentlichprivate Einheit einer Stadt ist eine vielfach zu beobachtende Entwicklung. Ganz im Sinne des Konzepts der Transition Towns, das der Abhängigkeit von den Schwankungen des Erdölpreises etwas entgegen setzen will, werden kleine Maßnahmen vor Ort durchgeführt, die in der Summe ein beachtliches Veränderungspotenzial haben. Die Pluralität der Gesellschaft manifestiert sich somit auch in der Vielschichtigkeit der Stadt und des städtischen Lebens. Dazu gehören auch in deutschen Städten zu beobachtende Trends, z. B. die Rückbesinnung auf Lokales und Selbstgemachtes über Urban Farming-Ansätze und Reparatur-Cafés, der schonende Umgang mit der Natur und den Energiereserven (z. B. durch Fahrge- www.vdi.de meinschaften) sowie die Rückkehr zu einer lokalen Wirtschaft durch den Bezug regionaler Produkte. Die Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung in vielen Städten führt zum kritischen Hinterfragen bestehender Formen der Daseinsvorsorge sowie zu engagierten Debatten nach Generationengerechtigkeit. Diese und weitere anstehende Entscheidungen mit spürbarem Einfluss auf den Alltag des Einzelnen haben die Eigenmobilisierung der Bürgerschaft befördert. Zivilgesellschaftliche Akteure suchen für ihr Engagement verstärkt neue Wege. Eine neue Beteiligungskultur, hervorgerufen durch einen notwendigen, teils tiefgreifenden und auch demografisch bedingten Handlungsbedarf, ist entstanden und befördert den Zusammenhalt, die Identifikation mit dem städtischen Quartier und erzeugt lokal nutzbares Wissen. Je größer der Anteil der eingebundenen Bevölkerung in ihrer Vielfalt ist, umso inklusiver ist die Stadt und kann innovative Potenziale entwickeln. Ausgewählte VDI-Publikationen  VDI 2242 „Konstruieren ergonomiegerechter Erzeugnisse“  VDI/GGT 2236 „Generationsgerechte Gestaltung und Bewertung technischer Produkte“  VDI 6008 Blatt 1 „Barrierefreie Lebensräume; Planungsgrundlagen“  VDI 6008 Blatt 1.2 „Barrierefreie Lebensräume; Schulungen“  VDI 6008 Blatt 2 „Barrierefreie Lebensräume; Möglichkeiten der Sanitärtechnik“  VDI/VDE 6008 Blatt 3 „Barrierefreie Lebensräume; Möglichkeiten der Elektrotechnik und Gebäudeautomation“  VDI 6008 Blatt 4 „Barrierefreie Lebensräume; Möglichkeiten der Aufzugs- und Hebetechnik“  VDI/VDE/IT – Institut für Innovation und Technik „Facetten des Demografischen Wandels. Neue Sichtweisen auf einen gesellschaftlichen Veränderungsprozess“  VDI/VDE/IT – Institut für Innovation und Technik „Zukunftsprojekt „Zukunftsstadt“ – Eine Fallstudie zur systemischen Transformation“  VDI/VDE/IT – Institut für Innovation und Technik „Älter, weniger, vielfältiger – innovativer?“ VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder  VDI/VDE/IT – Innovationspolitische Standpunkte aus der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH zum Thema Zukunftsstadt  Broschüren, die durch die VDI/VDE-IT im Rahmen der Projektträgerschaft für das Referat 524 im Bundesministerium für Bildung und Forschung „Demografischer Wandel; Mensch-TechnikInteraktion“ entstanden sind: ‒ Forschung für mich – Forschung mit mir. Ergebnisse der Senioren-Werkstattgespräche zur Forschungsagenda der Bundesregierung für den demografischen Wandel „Das Alter hat Zukunft“ ‒ Demografie-Werkstattgespräche. Mit Forschung den Weg in die Zukunft gestalten 3.2 Beteiligung Fakten in Kürze  Bau- und Infrastrukturprojekte stoßen häufig auf Widerstand von Teilen der Bevölkerung.  Gesellschaftlich nachhaltige Lösungen erfordern Konzepte für Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung.  Kommunikation muss systematisch geplant werden – von der Grundlagenermittlung bis zur Baufertigstellung.  Beteiligung erfordert zu Beginn eine gründliche Themen- und Stakeholderanalyse.  Verständlichkeit und Visualisierungen sind für die Akzeptanz von Projekten von besonderer Bedeutung. Stand Nachhaltiges Bauen umfasst ökologische, ökonomische und soziale Aspekte. In jüngster Zeit tritt ein vierter Aspekt neben die traditionellen Säulen der Nachhaltigkeit: Bürgerbeteiligung. So betont z. B. das Umweltministerium Baden-Württemberg in seinem aktuellen Pilotprojekt „Nachhaltige Kommunalentwicklung“ die Bedeutung von Bürgerbeteiligungsverfahren für das nachhaltige Bauen in Gemeinden, Städten und Landkreisen – etwa, wenn es um die Entwicklung von Ortskernen oder Gebieten im Hinblick auf Sanierung, Wohnen und Nahversorgung geht. Vor allem beim Bauen im Bestand, bei dem zahlreiche 15 Anwohner betroffen sind, sei eine nachhaltige Entwicklung ohne Bürgerbeteiligung nicht möglich. Auch bei Bauvorhaben aus den Infrastrukturbereichen Energie und Verkehr spielt die Akzeptanz der Bevölkerung eine immer größere Rolle. Nicht nur gegen große Bauprojekte, sondern auch gegen Infrastrukturprojekte regt sich oft Protest. Ziel muss es aber sein, Bürgerinnen und Bürger vor Ort sowie lokale Verbände, Nichtregierungsorganisationen und Bürgerinitiativen bei Bau- und Infrastrukturprojekten als Partner zu gewinnen, um gemeinsam gesellschaftlich tragfähige Lösungen zu finden. Gesellschaftlich tragfähige Lösungen erfordern von Ingenieuren und Vorhabenträgern neue Fähigkeiten. Technische, rechtliche und wirtschaftliche Kenntnisse alleine reichen nicht mehr aus. Neben Formen der Bürgerbeteiligung kommt der Kommunikation zwischen Vorhabenträgern, Politik, Verwaltung und Bürgern eine entscheidende Bedeutung zu. Dies schlägt sich nicht zuletzt in zahlreichen Untersuchungen und Leitfäden nieder, wie informelle Bürgerbeteiligung organisiert werden kann [12, 13, 14]. In BadenWürttemberg traten am 01.03.2014 die Verwaltungsvorschrift und der dazugehörige Leitfaden für Öffentlichkeitsbeteiligung in Kraft. Die Verwaltungsvorschrift regelt, wie Landesbehörden informelle Bürgerbeteiligung praktizieren sollen, wenn sie selbst Vorhabenträger sind. Und sie regelt, dass Landesbehörden bei privaten Vorhabenträgern auf informelle Bürgerbeteiligung hinwirken sollen. Die Verwaltungsvorschrift verweist explizit auf die Richtlinie VDI 7001, die ebenfalls am 01.03.2014 veröffentlicht wurde. Sie beschreibt, wie durch frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung und Dialog-Kommunikation in allen Leistungsphasen der Ingenieur-Planung – von der Grundlagenermittlung, über die Detail- und die Genehmigungsplanung, die Bauausführung bis hin zur Baufertigstellung und Inbetriebnahme – gesellschaftlich tragfähige Lösungen gefunden werden können. Zudem beschreibt sie Grundprinzipien und Standards, wie eine „gute“ Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung gestaltet werden soll. Tendenzen Vorhabenträger erkennen immer häufiger: Das Kommunikationsmanagement muss permanenter Bestandteil des Projektmanagements sein – von der Grundlagenermittlung bis zur Baufertigstellung. Frühzeitige und umfassende Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung sichern die inhaltliche Angemessenheit der technischen Lösung für den gesellschaftlichen Bedarf und senken damit die Wahrscheinlichkeit eskalierender Konflikte. Vorhabenträger, Ingenieure sowie die weiteren Beteiligten treten daher idealer- www.vdi.de 16 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder weise bereits in der Entwicklungsphase von Bau- und Infrastrukturprojekten in einen intensiven Austausch mit dem gesellschaftlichen Umfeld und stellen sich einem ernst gemeinten Dialog (Bild 2). In dessen Mittelpunkt steht einerseits die grundsätzliche Notwendigkeit von Bau- und Infrastrukturprojekten. Andererseits geht es um die gesamtgesellschaftliche Abwägung der technischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen dieser Projekte. Bild 2. Praxisdialog – Quelle: IFOK Formelle Verfahren, die der Gewährleistung von Rechtssicherheit und Klagerechten dienen, können durch Kommunikation und informelle Beteiligungsprozesse begleitet und ergänzt werden. Gute Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung und ihre Instrumente lassen sich nach der angestrebten Wirkung unterscheiden in drei Ebenen:  Information  Konsultation  Mitgestaltung Jede dieser Ebenen stellt unterschiedliche kommunikative Anforderungen und erfordert entsprechende Instrumente. Auf allen drei Ebenen spiele Verständlichkeit und Visualisierungen eine zentrale Rolle. Auf der Informationsebene ist es Ziel, die breite Öffentlichkeit auf ein konkretes Vorhaben aufmerksam zu machen und über Projektziele und Planungsstand in Kenntnis zu setzen. Auch geht es darum, aktiv um Verständnis für den Nutzen eines Projekts zu werben. Bereits von Anfang an müssen Vorhabenträger Transparenz herstellen. Hier können angemessene Visualisierungen einen erheblichen Informationsbeitrag leisten und die geforderte Transparenz sicherstellen. Auf der Konsultationsebene werden in einem intensiven Prozess konkrete Vorschläge diskutiert sowie Ideen und Handlungsempfehlungen erarbeitet, auf die die beteiligten Akteure später aufbauen können. Die direkte Interaktion zwischen Vorhabenträgern und einer (interessierten) Öffentlichkeit hat dabei beraten- www.vdi.de den Charakter. Ziel ist es, lokales Wissen abzufragen sowie vielfältige Interessen und Perspektiven in die Planung einzubeziehen. Hier können angemessene Visualisierungen einen erheblichen Betrag dazu leisten, die Auswirkungen alternativer Planungen und der Vorschläge aus der Bürgerschaft darzustellen und zu überprüfen. Angemessene Visualisierungen ermöglichen somit den Variantenvergleich in einer für die Bürger anschaulichen Art und Weise – möglichst in Echtzeit, noch während eines Bürgerforums oder eines Planungsworkshops. Auf der Ebene der Mitgestaltung geht es um die strukturierte Bearbeitung von Kontroversen, konkreten Problemstellungen und gegensätzlichen Interessenlagen im Zuge des Planungs- und Bauprozesses. Ziel ist eine auf Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen ausgerichtete Problemlösung, mindestens aber eine Versachlichung der Debatte mittels einer gemeinsamen Faktenklärung. Hier können angemessene Visualisierungen eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die beteiligten Akteure darstellen. Eine durchdachte Kommunikationsstrategie mit aufeinander abgestimmten Informations-, Konsultationsund Mitgestaltungsinstrumenten vergrößert den Handlungsspielraum der Vorhabenträger. Sie spart tendenziell Zeit und Geld. Und sie steigert die Sicherheit der Planung und Realisierung, weil Verzögerungen und Kosten durch spätere Einwände bei der Projektumsetzung vermieden werden können. Welche Instrumente im jeweiligen Fall bzw. in der jeweiligen Leistungsphase einzusetzen und welche Instrumente wann und wie miteinander zu kombinieren sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab: vom Konflikt- und Eskalationspotenzial, vom in der öffentlichen Debatte wahrgenommenen Nutzen des Bauvorhabens, von den vorhandenen Verhandlungsspielräumen, von den zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen, u.a.m. Schlussfolgerungen Ohne eine systematische Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung lassen sich kaum noch gesellschaftlich tragfähige Lösungen für Bau- und Infrastrukturprojekte finden. Um die Kommunikationsund Beteiligungsinstrumente passgenau einsetzen zu können, müssen sich die Projektverantwortlichen zwingend am Anfang des Projekts ein umfassendes Bild über Stimmen und Stimmungen verschaffen. Sie müssen versuchen, Konfliktlinien und deren Hintergründe zu ermitteln und zu verstehen. Ohne eine gründliche Themen- und Stakeholderanalyse wird Beteiligung nicht erfolgreich sein. VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Und nur wer sich verständlich ausdrückt, kann auch überzeugen. Das gilt auch für Ingenieure, die sich der öffentlichen Diskussion stellen. Grundsätzlich ist Verständlichkeit in allen Phasen der Ingenieurplanung wichtig – vor allem aber in der Entwurfs- und in der Genehmigungsplanung. Pläne, die für Ingenieure zum täglichen Handwerkszeug gehören, können von Laien oft nicht „gelesen“ werden. Sie müssen daher in eine verständliche Sprache übersetzt werden. Neben der Verständlichkeit von Texten und Sprache erleichtern Visualisierungen sowohl Kommunikation als auch Beteiligung. Die Bandbreite möglicher Visualisierungen wird durch den technischen Fortschritt von Jahr zu Jahr größer. Sie reicht inzwischen vom herkömmlichen Architektenplan bis hin zu interaktiven 3-D-Echtzeitumgebungen. Besondere Impulse erfährt sie durch die Möglichkeiten, die Building Information Modeling (BIM) bietet. Mit BIM lassen sich auf realen Daten basierende Visualisierungen für Bürgerbeteiligungsverfahren anfertigen, die weit über das bislang Übliche hinausgehen: Vor allem die interaktiven 3-D-Echtzeitumgebungen erlauben ein intuitives Erleben von Baumaßnahmen, bevor diese realisiert sind. So können Bürgerinnen und Bürger nicht nur besser informiert werden, sie können auch in die Planung einbezogen werden. Solche Visualisierungen können zum einen das Interesse von Menschen wecken und zum anderen Bauvorhaben plastisch veranschaulichen. Auch können sie die Auswirkungen eines Bauvorhabens auf die Umgebung leicht nachvollziehbar verdeutlichen – beispielsweise hinsichtlich der Sichtachsen, Verkehrsströme oder Umweltauswirkungen. Die Kombination aus BIM und Bürgerbeteiligung bietet daher für alle einen Mehrwert – für Vorhabenträger, Verwaltung, Politik und Bürger. Ausgewählte VDI-Publikationen  VDI 3883 Blatt 3 „Wirkung und Bewertung von Gerüchen; Konfliktmanagement im Immissionsschutz“  VDI 7000 „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrie- und Infrastrukturprojekten“  VDI 7001 „Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planung und Bau von Infrastrukturprojekten; Standards für die Leistungsphasen der Ingenieure“  VDI 7001 Blatt 1 „Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planung und Bau von Infrastrukturprojekten; Schulungen für die Leistungsphasen der Ingenieure“ 17  VDI-Tagungsband zum Zukunftskongress 2012 „Infrastruktur für unsere Zukunft – Gesellschaftlich tragfähige Lösungen entwickeln“  VDI-Tagungsband zum 26. Deutschen Ingenieurtag 2013 „Infrastruktur der Zukunft – Menschen sinnvoll vernetzen“  VDI-Stellungnahme „Infrastruktur für unsere Zukunft – Gesellschaftlich tragfähige Lösungen gemeinsam entwickeln“  VDI-Studie „Standortbezogene Akzeptanzprobleme in der deutschen Industrie- und Technologiepolitik – Zukünftige Herausforderungen der Energiewende“ 3.3 Stadtklima Fakten in Kürze  Die charakteristischen Unterschiede zwischen Stadt und Umland lassen sich hinsichtlich Klima und Luft auf die Zuordnung und Mischung von bebauter und nicht bebauter Fläche ebenso zurückführen wie auf die Freisetzung von Abwärme aus technischen Prozessen und die Emission gas- bzw. partikelförmiger Luftinhaltsstoffe.  Strahlungsbilanz: Beeinträchtigung aller Strahlungsbilanzglieder in Abhängigkeit der Strahlungsabsorption und Rückstrahlung; Beeinflussung durch Straßenschluchtgeometrie; höhere Oberflächentemperaturen  Wärmebilanz: fühlbarer Wärmestrom höher als latenter Wärmestrom; zusätzliche „anthropogene Wärme“ durch menschliche und technische Abwärme; dadurch Auftreten städtischer Wärmeinseln  Luftfeuchtigkeit: absolute Luftfeuchtigkeit generell geringer durch reduzierte Regenwasserversickerungen sowie eingeschränkte Verdunstung  Wind: geringere Windgeschwindigkeit, reduzierter Luftaustausch, Zunahme der Böigkeit Stand Städte verursachen im Vergleich zu ihrem nicht bebauten Umland klimatische und lufthygienische Veränderungen, die man allgemein unter dem Begriff www.vdi.de 18 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder „Stadtklima“ zusammenfasst. Da im Verlauf des 21. Jahrhunderts über 70 % der Erdbevölkerung in Städten – darunter in zahlreichen Megastädten mit mehr als 10 Mio. Einwohnern – leben werden, ist davon auszugehen, dass immer mehr Menschen den überwiegend nachteiligen stadtklimatischen und lufthygienischen Auswirkungen ausgesetzt sein werden. Neben der Grundlagen orientierten Stadtklimaforschung hat insbesondere der anwendungsbezogene Bereich dieser Disziplin die Aufgabe, eine nachteilige Stadtentwicklung zu verhindern bzw. zu versuchen, bestehende Flächennutzungen und Baustrukturen positiv in ihrer Gestaltung zu beeinflussen. Die Projektionen des globalen Klimawandels auf stadtklimatische Parameter zeigen, dass nicht nur die städtische Überwärmung hinsichtlich ihrer Intensität, Dauer und Ausbreitung zunehmen, sondern auch die Konzentration verschiedener Luftinhaltsstoffe, wie die von Ozon, Partikeln (PM2,5) und allergenen Pollen in einzelnen Stadtquartieren ansteigen werden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass häufigere Starkregen zu Überschwemmungen führen werden. Unter Nutzung des noch verbleibenden Reaktionszeitraums seitens der Entscheidungsträger sollte damit begonnen werden, diesen Problemen durch Einsatz geeigneter Planungsmittel auf lokaler Maßstabsebene entgegenzuwirken. Da Städte bereits unter den gegebenen klimatischen Verhältnissen meist wärmer als ihr Umland sind, können sie als Vorboten des globalen thermischen Klimawandels angesehen werden [23]. Es wird davon ausgegangen, dass die bestehende städtische Überwärmung zukünftig häufiger, intensiver und länger auftreten wird. Weiterhin ist zu erwarten, dass darüber hinaus auch Flächen betroffen sein werden, die derzeit noch nicht überwärmt sind [16]. Mithilfe planerischer Gegenmaßnahmen sollte bereits heute dieser Entwicklung Einhalt geboten werden [18], denn eine starke und über mehrere Tage andauernde Wärmebelastung führt nicht nur zu gesundheitlichen Problemen in der Bevölkerung, sondern erhöht auch deren Sterberate [19]. Das belegt beispielsweise eine Auswertung der beiden Hitzewellen Anfang August des Jahres 2003 in Deutschland, die zu mehr als 7.000 Hitzetoten in Deutschland führten [27]. Überwärmung städtischer Siedlungsräume lassen sich jedoch nicht nur in der bodennahen Atmosphäre als „städtische Wärmeinseln“ nachweisen, sondern auch im Untergrund, und zwar im Boden [22] und damit auch im Grund- und Trinkwasserniveau [25, 31]. Vergleichend zur Überwärmung der Stadtatmosphäre wird in diesem Fall von einer „Unterflurwärmeinsel“ gesprochen [26]. Die vergleichsweise Überwärmung des Stadtbodens kann für die Einwohner positiv, aber auch negativ gesehen werden: Positiv, weil Boden und Grundwasser durch Wärmetauscher zur Energiewww.vdi.de gewinnung dort genutzt werden könnten, wo besonders hohe Bodentemperaturen anfallen [22]. Negativ hingegen, weil es durch die höhere Temperatur in den Trinkwasserleitungen zu einer Vermehrung hygienisch relevanter Mikroorganismen kommen kann, wodurch die Trinkwasserqualität herabgesetzt wird. Denn schon bei 20 °C Trinkwassertemperatur kann eine zehnmal höhere Bakterienkonzentration entstehen als bei 10 °C temperiertem Wasser [28]. Exemplarisch in Oberhausen durchgeführte Untersuchungen wiesen eine Überschreitungshäufigkeit des 20°CWerts an 120 Tagen auf, im Vergleich zu einem naturbelassenen Freilandstandort, der nur eine maximale Bodentemperatur von 18°C erreichte. Auch atmosphärische Spurenstoffe können in ihrer Konzentration durch höhere Temperaturen beeinflusst werden. Hierzu zählen z. B. der sekundäre Spurenstoff Ozon sowie biogene flüchtige Kohlenwasserstoffe (BVOCs; engl. Biogenic Volatile Organic Compounds), die von verschiedenen Bäumen abgegeben werden und als Ozonvorläufersubstanzen wirken [16]. Auch können die BVOCs organische Partikel in der Atmosphäre bilden, wodurch die Strahlungsbilanz beeinflusst wird [17]. Ferner werden Pollen bestimmter Pflanzen, die beim Menschen zu Allergien führen können, durch hohe Lufttemperatur bei gleichzeitig starken Konzentrationen verschiedener Luftinhaltsstoffe in ihrer Freisetzung verstärkt [32]. Tendenzen Unter Berücksichtigung des globalen Klimawandels werden sich die thermischen Verhältnisse auf höhere Temperaturbereiche verschieben. So werden für die Region Essen mittlere Lufttemperaturerhöhungen von bis zu 2,9°C für die ferne Zukunft (2091 bis 2100) im Vergleich zu heute erwartet. Bild 1 zeigt, dass beispielsweise bei Zugrundelegung verschiedener mathematischer Modelle („Ensembles“) die Anzahl der Sommertage von derzeit 25/30 Tagen auf dann 31/65 Tage und die der heißen Tage von gegenwärtig 4/14 Tage auf 11/38 Tage ansteigen wird. Auch die Tage mit Hitzestress werden sich von 4/9 Tage auf 13/48 Tage in der fernen Zukunft erhöhen Das entspricht im extremsten Fall einer Zunahme von mehr als den Faktor 5 zum Vergleichszeitraum. Auch der Schlafkomfort wird durch den Klimawandel im Essener Raum beeinträchtigt werden, da sich die Anzahl der Tropennächte bis zur nahen Zukunft verdoppeln und – projiziert auf die ferne Zukunft – sogar verfünffachen wird. Der regionale Klimawandel bewirkt während der Wintermonate jedoch durchaus thermische Vorteile, VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 19 da z. B. die Anzahl der Eistage bis zur fernen Zukunft auf 0 bzw. 3 Ereignisse pro Jahr zurückgehen und die der Frosttage, für die nahe Zukunft projiziert (2041 bis 2050), einen Rückgang auf mindestens die Hälfte erfahren wird. Dadurch können zum Beispiel erhebliche Kosten, unter anderem für die Beseitigung von Schnee und Eis auf Straßen und Gehwegen, eingespart werden [15]. Bild 3. Bandbreite der Auftrittshäufigkeiten klimatischer Ereignistage für den Ist-Zustand (1961-1990) sowie für die nahe (2041-2050) und ferne (2091-2100) Zukunft für die Region Essen – Quelle: [23] Die Folgen des globalen Klimawandels werden sich z. B. auch auf die Höhe der Ozonkonzentrationen auswirken, wie Modellrechnungen [24] zeigen. So wird sich der EU-Zielwert für Ozon von 120 µg/m³ als höchstem 8-h-Mittelwert pro Tag von derzeit 8 „Ozonüberschreitungstagen“ auf 19 Tage pro Jahr mehr als verdoppeln, wenn das projizierte Jahresmittel der Lufttemperatur tatsächlich um 2,9°C zunimmt. Die bereits genannten biogenen Kohlenwasserstoffe werden bei hohen Temperaturen von einigen Laubund Nadelbäumen infolge thermischen Stresses verstärkt emittiert [29]. Bekanntester BVOC-Vertreter ist Isopren. Zwar ist die Vegetationsdichte in Städten im Allgemeinen geringer als im Umland, jedoch kompensiert die hohe chemische Reaktivität von Isopren seine im Vergleich zu den anthropogenen flüchtigen Kohlenwasserstoffen (AVOCs; engl. Anthropogenic Volatile Organic Compounds) allgemein geringere Freisetzung. Bekanntester Vertreter der AVOCs ist das Benzol. Biogene Isoprenkonzentrationen können bei heißem Wetter um ein Mehrfaches höher sein als die Konzentrationen des anthropogenen Benzols, da die Emission von letzterem nicht von der Lufttemperatur abhängt. Nehmen die für den globalen Klimawandel projizierten Lufttemperaturen zu, muss in Straßen mit stark Isopren emittierenden Bäumen wie Ahornblättriger Pappel, Traubeneiche und Gemeiner Robinie davon ausgegangen werden, dass die Ozonkonzentration in diesen Bereichen ansteigen wird [29]. Bild 4 zeigt ein Messfahrzeug, mit dem sowohl meteorologische als auch luftchemische Größen während der Fahrt und im Stand gemessen werden können. Bild 4. Messbus zur mobilen und stationären Erfassung lufthygienischer und meteorologischer Komponenten in Essen – Quelle: Universität Duisburg-Essen Schlussfolgerungen Urbane Gebiete sind vom globalen Klimawandel besonders betroffen, da sie sich durch hohe Bevölkerungsdichte, starke Oberflächenversiegelung sowie durch erhebliche Luftverschmutzung vom umgebenden Freiland abheben. Objekt und Flächen bezogene Maßnahmen der Mitigation und Adaptation sind deshalb in besonderem Maße auf städtischer Ebene anzuwenden, um sowohl die Emission Treibhaus und Ozon verursachender Gase zu reduzieren als auch Luft- und Strahlungstemperaturen zu senken. Zu den Maßnahmen, die auf lokaler städtischer Ebene durchgeführt werden sollten, stehen an erster Stelle das Bestreben, Energie für die Kühlung und Erwärmung von Gebäuden einzusparen. Grundsätzlich senken begrünte Flächen die Oberflächentemperaturen. Bäume sind – zusätzlich durch ihren Schattenwurf – stärker wirksam als ausschließlich mit Rasen bedeckte Flächen. Neben einem anzustrebenden höheren Anteil an Grünflächen in Städten, sollte ein ausreichender Frisch-/Kaltlufttransport zwischen Stadt und Umland sichergestellt werden, um warme durch umlandkühle Luft in den Städten zu ersetzen (ausführliche Zusammenstellung in [21]). www.vdi.de 20 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Ausgewählte VDI-Publikation  VDI 2716 „Luft- und Körperschall bei Schienenbahnen des öffentlichen Personennahverkehrs“  VDI 3783 Blatt 9 „Umweltmeteorologie; Prognostische mikroskalige Windfeldmodelle; Evaluierung für Gebäude- und Hindernisumströmung“  VDI 3783 Blatt 10 „Umweltmeteorologie; Diagnostische mikroskalige Windfeldmodelle; Gebäude- und Hindernisumströmung“  VDI 3785 Blatt 1 „Umweltmeteorologie; Methodik und Ergebnisdarstellung von Untersuchungen zum planungsrelevanten Stadtklima“  VDI 3785 Blatt 2 „Umweltmeteorologie; Methoden bodengebundener Stadt- und Standortklimamessungen mit mobilen Messsystemen“  VDI 3787 Blatt 1 „Umweltmeteorologie; Klimaund Lufthygienekarten für Städte und Regionen“  VDI 3787 Blatt 2 „Umweltmeteorologie; Methoden zur human-biometeorologischen Bewertung von Klima und Lufthygiene für die Stadt- und Regionalplanung – Teil I: Klima“  VDI 3787 Blatt 5 „Umweltmeteorologie; Lokale Kaltluft“  VDI 3787 Blatt 9 „Umweltmeteorologie; Berücksichtigung von Klima und Lufthygiene in räumlichen Planungen“  VDI 3787 Blatt 10 „Umweltmeteorologie; Human-biometeorologische Anforderungen im Bereich Erholung, Prävention, Heilung und Rehabilitation“  VDI/KRdL-Schriftenreihe „Anthropogene Änderungen des lokalen Klimas“  VDI/KRdL-Schriftenreihe „Gerüche in der Umwelt“  VDI/KRdL-Schriftenreihe „Stoffeinträge in terrestrische Ökosysteme und ihre Bewertung“  VDI/KRdL-Schriftenreihe „Bioaerosole in der Landwirtschaft – Bedeutung für Mensch und Umwelt“ 3.4 Gebäude der Zukunft Fakten in Kürze  Gebäude sind wichtige historische Quellen, vermitteln Identität mit dem Lebensraum, unterliegen aber auch einem ständigen Veränderungsdruck.  Das Bauwesen benötigt einen erheblichen Anteil der in Deutschland genutzten Ressourcen, dabei ist ein ganzheitlicher, lebenszyklusweiter Ansatz von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling erforderlich.  Gebäude der Zukunft bedürfen in planerischer und ausführender Sicht eines ganzheitlichen Ansatzes.  Steigerung der Ressourceneffizienz durch Erhöhung des Nutzens oder Verminderung des Ressourceneinsatzes Stand Der Begriff „Stadt“ wird allgemein immer mit Häusern verbunden. Gebäude sind und bleiben integraler Bestandteil der Stadt. Deren Wert wird oft gemessen an der Qualität ihrer Bebauung, und für die Menschen ist ihr Grundbedürfnis nach Schutz und Rückzugsmöglichkeit hier gegeben. Gebäude sind wichtige historische Quellen, vermitteln Identität mit dem Lebensraum, unterliegen aber auch einem ständigen Veränderungsdruck. Insbesondere die stetig steigenden Komfortbedürfnisse, der Bedarf an mehr Wohnfläche und die Anforderungen an eine deutlich höhere Energieeffizienz und Klimaneutralität beeinflussen die Gebäude unserer Städte erheblich. Das Bauwesen benötigt einen erheblichen Anteil der in Deutschland genutzten Ressourcen. So werden 85 % der in Deutschland verwendeten mineralischen Rohstoffe (551 Mio. t) jährlich für die Produktion von Baustoffen und -produkten eingesetzt. Am gesamten Abfallaufkommen ist der Bausektor zu 54 % beteiligt; 40 % des gesamten Endenergiebedarfs in Deutschland wird für den Energieverbrauch in Häusern aufgewendet [33]. Dabei ist der Anteil der Neubauten im Wohnungsbau rückläufig und betrug z.B. im Jahr 2012 nur 26 % aller Baumaßnahmen [34]. Das heißt ein Großteil der Bautätigkeit findet nicht im Neu-, sondern im Bestandsbau statt. Zumeist werden die Ansprüche an www.vdi.de VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Komfort, Barrierefreiheit und Energieeffizienz durch Instandsetzungen gedeckt. Nachhaltige Bauweisen finden sich überwiegend in Nischenbereichen des Bauwesens wie dem ökologischen Bauen und der Denkmalpflege. Baudenkmäler haben durch ihren zumeist langen Bestand und die Verwendung von regionalen und natürlichen Baustoffen in Bezug auf der Ressourcenschonung einen deutlichen Vorteil gegenüber heutigen Bauten. Denkmalgerechte Instandsetzungsarbeiten sind in der Regel umweltfreundlich und ökologisch nachhaltig. Tendenzen Bislang wird eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs im Hochbau hauptsächlich während der Nutzungsphase von Gebäuden angestrebt. Die Verbesserung der Wärmedämmung von Wand, Dach, Fenstern und Kellern sowie effizientere Heizungsanlagen und die Integration erneuerbarer Energien sind dabei vordringliche Ziele. Durch IT-gestützte Steuerungen und digitale Kommunikationssysteme soll hierbei das Nutzerverhalten optimiert und Energieeinsparungsziele erreicht werden (Bild 5). Ganzheitliche Lösungen wie block- oder quartierübergreifende Energieversorgungen werden gebräuchlicher und nehmen den Druck von kostenintensiven und baukulturell oft nicht akzeptablen Veränderungen bei Einzelsanierungen. Die Rückbesinnung auf traditionelle Bauweisen mit regionalen Baustoffen sowie die Tendenz zum Erhalt von Bauwerken im Gegensatz zu Abriss und Neubau wird verstärkt erkennbar. 21 Wird eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs des gesamten Gebäudesektors angestrebt, reicht eine Verbesserung der Energieeffizienz während der Nutzungsphase von Gebäuden nicht aus. Auch Gebäudezertifizierungssysteme berücksichtigen dies bislang nur unzureichend. Vielmehr ist ein ganzheitlicher, lebenszyklusweiter Ansatz erforderlich, der die Potenziale von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling sicht- und nutzbar macht. Schlussfolgerungen Die Gebäude der Zukunft bedürfen in planerischer und ausführender Sicht eines ganzheitlichen Ansatzes, das heißt interdisziplinäre Arbeitsweisen und ein ständiger Informationsaustausch aller am Prozess Beteiligter wird unumgänglich sein, um die Aufgaben technisch, gesellschaftlich und kulturell nachhaltig zu lösen. Flexible Nutzungskonzepte im Alt- wie im Neubau durch variable Wohnungsgrößen, Durchmischung von Nutzungen und besonders barrierefreie Erschließbarkeit müssen Grundlage aller Baumaßnahmen sein, um die Städte und ihre Gebäude langfristig zu erhalten und bedarfsgerecht zu gestalten. Für eine Steigerung der Nutzungseffizienz ist es notwendig, den Leerstand zu reduzieren, die Lebensdauer zu verlängern und die Wohnungsgrößen anzupassen. Die Gebäudeerstellung und -instandsetzung muss im Gesamtzusammenhang der umgebenden Bebauung gesehen werden und sich in das gebaute Umfeld in Erscheinungsbild, Kubatur, Material und Nutzung einfügen. Mit zunehmender Energieeffizienz von Gebäuden und Gebäudeinstandsetzung gewinnt auch die zur Gebäudeerstellung benötigte Energie beispielsweise zur Baustoffherstellung an Gewicht. Gleichzeitig sollten auch die Potenziale einer Rohstoffnutzung am Lebenswegende beispielsweise durch eine thermische Verwertung oder eine hochwertige Kreislaufführung verbauter Materialien nicht vernachlässigt werden. Damit weitet sich der Fokus einer energetischen Bilanzierung von Gebäuden von der Nutzungsphase auf den gesamten Lebenszyklus. Bild 5. Bedienelement einer Gebäudeautomation – Quelle: VDI Soll der Ressourcenverbrauch im Bausektor langfristig sinken, ist neben der Energieeffizienz auch der Aspekt der Materialeffizienz zu berücksichtigen. Im Zusammenspiel ergibt sich daraus Ressourceneffizienz, die als Quotient aus Nutzen und Ressourceneinsatz definiert wird. Eine Steigerung der Ressourceneffizienz kann daher durch eine Erhöhung des Nutzens oder eine Verminderung des Ressourceneinsatzes erzielt werden. www.vdi.de 22 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Folgende Ansatzpunkte für eine Steigerung der Nutzungseffizienz ergeben sich: Ausgewählte VDI-Publikationen  Reduktion des Leerstands  VDI 3807 Blatt 3 „Wasserverbrauchskennwerte für Gebäude und Grundstücke“  Verlängerung der Lebensdauer  bedarfsangepasste Wohnungsgröße Dies kann u. a. durch eine hohe gestalterische Qualität von Neubauten erzielt werden, die diese über die Jahrzehnte hinweg attraktiv hält, was in der Konsequenz zu einer geringen Leerstandsquote sowie einer überdurchschnittlich hohen Lebensdauer führt. Weist die Statik von Gebäuden noch gewisse Reserven für zusätzliche Lasten aus, so erleichtert dies eine später Umnutzbarkeit und erhöht damit die Lebensdauer. Eine flexible Grundrissgestaltung ermöglicht bei geringem Materialinput eine Nutzungsänderung bzw. veränderte Wohnungszuschnitte, die sich an die Bewohnerzahl in verschiedenen Lebensabschnitten anpassen lassen. Remanenzeffekte, die zu einem nicht unerheblichen Anteil zum immer weiter steigenden Wohnflächenbedarf beitragen, können so reduziert werden. Innenarchitektonische Anleihen aus dem Boots- oder Wohnmobildesign helfen, den Raumbedarf zu reduzieren.  VDI 3811 „Modernisierung heiztechnischer Anlagen“  VDI 3812“ Assistenzfunktionen zum Wohnen; Bedarfsermittlung für Elektroinstallation und Gebäudeautomation“  VDI 3813 „Gebäudeautomation (GA); Grundlagen der Raumautomation“  VDI 4710 Blatt 1 „Meteorologische Grundlagen für die Technische Gebäudeausrüstung; Außereuropäische Klimadaten  VDI 6002 Blatt 1 „Solare Trinkwassererwärmung - Allgemeine Grundlagen; Systemtechnik und Anwendung im Wohnungsbau“  VDI 6002 Blatt 2 „Solare Trinkwassererwärmung; Anwendungen in Studentenwohnheimen, Seniorenheimen, Krankenhäusern, Hallenbädern und auf Campingplätzen“ Ein verminderter Ressourceneinsatz pro Quadratmeter Wohn- bzw. Nutzfläche kann durch folgende Konzepte erzielt werden:  VDI 6011 Blatt 1 „Optimierung von Tageslichtnutzung und künstlicher Beleuchtung; Grundlagen“  integrale Planung um Ressourceneinsatz über alle Gewerke hinweg zu optimieren  VDI 6012 Blatt 1.1 „Regenerative und dezentrale Energiesysteme für Gebäude; Grundlagen, Projektplanung und -durchführung“  Substitution ressourcenintensiver Baustoffe durch Stoffe mit geringerem lebenszyklusweitem Material- oder Energieverbrauch  verstärkte Nutzung erneuerbarer oder rezyklierter Rohstoffe  Leichtbaukonzepte  Verwendung besonders langlebiger Materialien  modulare Austauschbarkeit und optimierte Reparierbarkeit von technischer Gebäudeausrüstung  Recyclinggerechtheit Das ressourceneffiziente Gebäude der Zukunft kombiniert im Idealfall den verminderten Ressourceneinsatz mit einer gesteigerten Nutzungseffizienz und architektonisch anspruchsvoller Gestaltung.  VDI 6022 Blatt 1 „Raumlufttechnik, Raumluftqualität; Hygieneanforderungen an Raumlufttechnische Anlagen und Geräte (VDI-Lüftungsregeln)“  VDI/DVGW 6023 „Hygiene in TrinkwasserInstallationen; Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung“  VDI 6028 Blatt 1.1 „Bewertungskriterien für die Technische Gebäudeausrüstung; Technische Qualität für nachhaltiges Bauen  VDI 6200 „Standsicherheit von Bauwerken; Regelmäßige Überprüfung“  VDI-Positionspapier „Gebäude 2030 – Entwicklung von Lebens- und Arbeitsräumen im Spiegel globaler Trends“  VDI-Positionspapier „Klimaschutz und Energiepolitik – Kriterien für die Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden“ www.vdi.de VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder  VDI ZRE Kurzanalyse „Potenziale eines hochwertigen Recyclings im Baubereich“  VDI ZRE Kurzanalyse „Ressourceneffizienz der Tragwerke“  VDI-Bericht „Verfahrenstechnik im Ingenieurbau – Neue Entwicklungen bei Bauverfahren, Bauhilfsmitteln und Baustoffen für Neubau, Instandhaltung und Instandsetzung der Infrastruktur  VDI-Bericht „Fassaden – Blick in die Zukunft“  VDI-Bericht „Bürogebäude der Zukunft“  VDI-Bericht „Bauen mit innovativen Werkstoffen“ 3.5 Mobilität Fakten in Kürze  Der Stadtverkehr wird durch eine zunehmende Zahl von Mobilitätsangeboten bestimmt (zu Fuß, Fahrrad, motorisierter Individualverkehr (MIV), öffentlicher Verkehr (ÖV), Carsharing)  Fahrzeug- und Verkehrstechnik haben dazu beigetragen, dass die negativen Folgen der Mobilität (Unfälle, Emissionen) nicht mit der gestiegenen Verkehrsnachfrage angestiegen sind, sondern zum Teil sogar deutlich verringert werden konnten.  Eine zentrale Schlüsseltechnologie für die weitere Entwicklung ist die Informationstechnologie. Sie ermöglicht direkt an den Fahrzeugen im MIV und ÖV Verbesserungen und erweitert die Potenziale der Kombination verschiedener Verkehrsmittel (Multimodalität).  Neue Antriebssysteme (Elektrofahrzeuge, Hybridfahrzeuge) werden die Verkehrsemissionen (Abgase, Geräusch) senken. Stand Mit Beginn der Industrialisierung haben sich motorisierte öffentliche (Massen-) und private (Individual-) Verkehrsmittel entwickelt. Die Verteilung zwischen MIV und ÖV in Ballungsgebieten richtete sich sowohl nach der Verfügbarkeit von Verkehrsangeboten als auch den sozioökonomischen Verhältnissen und spezifischen Präferenzen der Bevölkerung. Auch die städtischen Strukturen der „gebauten Umwelt“ haben 23 Auswirkungen auf die Mobilität. Insbesondere die Zentren der großen Städte bieten aufgrund hoher Bevölkerungsdichte und Konzentration von Nutzungen das Potenzial für ein effizientes Verkehrssystem und neue Mobilitätskonzepte. Das Zusammenspiel dieser Faktoren ist oft örtlich bedingt und bewirkt jeweils eine ganz unterschiedliche Verteilung zwischen MIV und ÖV. Hamburg hat z. B. einen ÖVAnteil von 18 %, während 42 % den MIV nutzen. In Berlin dagegen werden 27 % aller Fahrten im ÖV zurückgelegt und 32 % mit dem MIV. Allerdings gilt für alle großen Städte: Die städtischen Bewohner nutzen unterschiedliche Verkehrsangebote für verschiedene Wege oder kombinieren diese im Rahmen einer Wegekette. Die Entwicklung des Verkehrs in Städten hat auch „Nebenwirkungen“. Staus verlängern Fahrzeiten, Verkehrsunfälle führen zu Sach- und Personenschäden. Mit den Verbrennungsmotoren sind Geräuschund Abgasemissionen verbunden und die Bewegung sowie das Abstellen der Fahrzeuge verbraucht Fläche, was insbesondere in hochverdichteten Gebieten zu Nutzungskonkurrenzen führt. Die Entwicklung der Infrastruktur konnte mit den seit 1970 um den Faktor 3 gestiegenen Fahrleistungen nicht mitwachsen. Industrie, Wissenschaft und Politik bewirkten durch Forschung und Entwicklung sowie angemessene Prüfmethoden und Grenzwerte, dass die negativen Auswirkungen des Straßenverkehrs zumindest reduziert werden konnten. So sind die straßenverkehrsbedingten Emissionen von Kohlenmonoxid und unverbrannten Kohlenwasserstoffen so weit reduziert, dass die Luftqualitätsstandards eingehalten werden. Auch bei Stickoxid- und Partikelemissionen konnten Verbesserungen erreicht werden, allerdings besteht hier noch teilweise weiterer Handlungsbedarf. Diese Fahrzeugentwicklung geht kontinuierlich weiter. Elektrische Antriebe (Hybrid-, Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeuge) bieten große Potenziale zur Verringerung der Abhängigkeit von Erdöl. Die Markteinführung von Elektro- und Hybrid-Fahrzeugmodellen in den vergangenen Jahren zeigt, dass die Notwendigkeit und Nachfrage für nachhaltigere urbane Mobilität erkannt wurden. Noch sind reine Elektroautos vergleichsweise teuer und in ihrer Reichweite auf kürzere Strecken vor allem auf die Nutzung in Ballungsräumen ausgerichtet. Daher sind zur Umsetzung der Elektromobilität besondere Anstrengungen und Maßnahmen erforderlich. Im Rahmen der „Nationalen Plattform Elektromobilität“ (NPE) hat die Bundesregierung bereits im Mai 2010 Vertreter von Industrie, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zusammengeführt, um Deutschland als „Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität 2020“ aufzustellen. www.vdi.de 24 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Einer der größten Erfolge im verkehrlichen Umfeld ist die Verbesserung der Verkehrssicherheit. Im Vergleich zu 1970 sank die Zahl der getöteten Verkehrsteilnehmer auf ein Sechstel. Gleichzeitig ist ein signifikanter Anstieg der Verkehrsleistung zu beobachten. Gerade auch im städtischen Umfeld, wo durch das Zusammentreffen der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer erhöhtes Gefahrenpotenzial besteht, lässt sich dieser Trend beobachten. Innerorts kamen laut Statistischem Bundesamt im Jahr 1991 3.349 Menschen bei Unfällen ums Leben – 2012 waren es noch 1.062. Allerdings passieren in Städten immer noch mehr Unfälle als auf Außerortsstraßen. Mehr als 1,75 Mio. Unfälle registrierte die Polizei im Jahr 2012 fast genauso viele wie 1991 (1,7 Mio.). Trotz des steigenden Verkehrsaufkommens konnte die Zahl der Schwerverletzten in diesem Zeitraum aber halbiert werden Bei der für die Verkehrssicherheit wichtigen Fahrzeugführung ist der Fahrer heute nicht mehr nur auf seine eigenen sensorischen und intellektuellen Fähigkeiten angewiesen. Assistenzsysteme unterstützen ihn sowohl bei der Reiseplanung (Verkehrslageinformationen) als auch bei der Navigation (Navigationssysteme) und der sicheren Führung des Fahrzeugs (ABS, ESC, Abstandswarner, Regensensor, Parkhilfe, Spurhalteassistent etc.). Bisher haben sich Fahrzeug und Infrastruktur allerdings zu sehr nebeneinander entwickelt. Das mögliche Potenzial durch eine bessere Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und mit der Infrastruktur wurde noch nicht ausreichend ausgeschöpft. Die weitere Ertüchtigung der Infrastruktur und die Bereitstellung der notwendigen Datengrundlagen für innovative Verkehrstechnologien bieten erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten für einen nachhaltigeren Verkehr. Gleichzeitig sind mit der zunehmenden Automatisierung des Verkehrs weitere positive Wirkungen u. a. auf städtische Flächennutzungen möglich. Bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs sind mangelnde Transparenz bei Tarifen und Umsteigeinformationen noch immer eine Barriere. Die Verknüpfung der verschiedenen Modi (nicht motorisierter Verkehr, ÖV, MIV) findet nur unzureichend statt. Der Ausbau elektronischer Anzeigesysteme vor Ort, die Nutzung von Smartphones (Apps) für Echtzeit-Fahrplaninformationen tragen dazu bei, diese Barriere zu durchbrechen. Tendenzen Fortschritte in Fahrzeug- und Infrastrukturentwicklung können dazu beitragen, dass trotz zunehmender Siedlungsdichte in den Agglomerationsräumen die unerwünschten Nebenwirkungen der Verkehrsnachfrage nicht zu-, sondern eher abnehmen. www.vdi.de Derzeit diskutierte alternative Antriebstechnologien sind neben Gasantrieben die Hybride, eine Kombination aus Verbrennungsmotor und Elektromotor, und die Elektrofahrzeuge, die mit Elektromotoren als Antriebsquelle fahren (Bild 6). Für die reine Elektromobilität ist die Batterietechnik die Schlüsseltechnologie. Derzeit sind aber die Kosten für leistungsfähige Batterien (noch) zu hoch, die Systeme (noch) zu schwer und die Ladezeiten (noch) zu lang. Deshalb haben Elektrofahrzeuge, die sich nur im Stadtverkehr gut einsetzen lassen, noch keine breitere Käuferakzeptanz gefunden. Hierzu trägt das Fehlen einer öffentlichen Ladeinfrastruktur bei. Das E-Fahrzeug kann noch nicht wie ein heute übliches Auto in allen Transportfällen genutzt werden. Daher wird der Verbrennungsmotor als Antriebsquelle für weitere Jahrzehnte bestehen, wenn auch mit abnehmender Tendenz. Bild 6. Aktuelle Generation von unterschiedlichen Elektrofahrzeugen – Quelle: VDI Auch Fahrzeuginnovationen im Zweiradbereich (eScooter und eBikes) bieten aufgrund des geringeren Flächenbedarfs eine Chance, die Verkehrsbelastung in Ballungsräumen zu senken. So ist beispielsweise die Nachfrage nach sogenannten Pedelecs in den vergangenen Jahren von 70.000 in 2007 auf 410.000 in 2013 angewachsen. Die Ausstattung mit elektronischen Assistenzsystemen wird sich schnell weiterentwickeln. Das Fahrzeug wird nicht mehr ein zu jeder Zeit vom Fahrzeugführer solitär gelenktes Verkehrselement sein, sondern „integrierter Teil des Systems“ werden. Es wird mit der Infrastruktur (Grüne Welle, Ampelbedarfsschaltung etc.) und mit anderen Fahrzeugen kommunizieren und unter bestimmten Umständen „teilautonom“ fahren. Gleichmäßigerer Verkehrsfluss und „vorausschauendes Verhalten der Fahrzeuge“ werden:  Abgasemissionen und Verbrauch reduzieren,  die vorhandene, nicht beliebig erweiterbare Infrastruktur besser ausnutzen (optimale Routenberechnung, Vermeidung von Parksuchverkehr etc.) und VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder  die Verkehrssicherheit deutlich erhöhen. Allerdings werden sich derartige Potenziale erst wirklich realisieren lassen, wenn eine weitgehend vollständige Automatisierung der Flotte erfolgt ist und städtische Infrastrukturen angepasst sind, die Interaktion mit dem nicht motorisierten Verkehr funktioniert und ethische und rechtliche Fragen geklärt sind. Eine wesentliche Frage ist auch, ob sich das autonome Fahren eher als Bestandteil des ÖV oder des MIV in das Verkehrssystem integriert. Durch den Einsatz von Informationstechnologie und neuen Mobilitätsdiensten wird die intermodale Verbindung von zu Fuß gehen, Fahrrad, Taxi, Bus, Bahn oder ein Auto nutzen besser möglich. Carsharing ist ein wachsendes Segment in Ballungsräumen. Die Anzahl der Carsharing-Fahrberechtigten stieg seit 2010 von 150.000 auf 750.000 Personen an. Entsprechend wuchs die Fahrzeugflotte von ca. 4.000 Fahrzeugen auf 13.500. Großen Anteil an dieser Entwicklung haben stationsunabhängige CarsharingAngebote. Die hohe Flexibilität der Verfügbarkeit eines Fahrzeugs macht dieses Angebot gerade für Menschen in Großstädten interessant. Carsharing hat das Potenzial, den hohen Parkdruck in Innenstädten zu senken. Die hohe Durchdringung von Smartphones ermöglicht eine flexible, spontane Buchung, Ortung und mittlerweile vereinzelt bereits Öffnung der Carsharing-Fahrzeuge. Schlussfolgerungen Die Mobilität von Menschen in Deutschland hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Neben Veränderungen der Einstellung gegenüber bestimmten Verkehrsmitteln und ihrer Nutzung ist insbesondere in Städten eine Diversifizierung oder Kombination der Verkehrsmittelwahl zu beobachten. Neben dem klassischen ÖV werden Carsharing und Fahrradverleihsysteme zunehmend attraktiver. Das zunehmend multimodale Mobilitätsverhalten und die Potenziale, nicht motorisierten Verkehr und den ÖV besser zu nutzen, beziehen auch die bessere Vernetzung zwischen MIV und ÖV durch bauliche Maßnahmen und standardisierte Kommunikationsmittel ein. Die Elektromobilität kann sich in diese Entwicklung einklinken. Erste Lademanagementsysteme zum Aufladen von Elektrofahrzeugen sind auf dem Markt verfügbar (H2V, „home to vehicle“). Für eine kostengünstige Elektromobilität bedarf es weiterer Anstrengungen der Branchen Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau, Energieversorgung, Elektroindustrie, Chemieindustrie, Metallindustrie, IT-Technologie. 25 Die Entwicklung des automatisierten Fahrens lässt noch viel weiterreichende Wirkungen auf Mobilität, Verkehrssystem und städtische Strukturen erwarten. Während technologische Lösungen hier bereits in der Entwicklung sind, bestehen aber noch große Unsicherheiten bezüglich der Wirkungen auf das „System“ Stadt. Ausgewählte VDI-Publikationen  VDI 2166 Blatt 2 „Planung elektrischer Anlagen in Gebäuden; Hinweise für die Elektromobilität“  VDI 2510 „Fahrerlose Transportsysteme (FTS)“  VDI 2510 Blatt 3 „Fahrerlose Transportsysteme (FTS); Schnittstellen zu Infrastruktur und peripheren Einrichtungen“  VDI 3782 Blatt 7 „Umweltmeteorologie - KfzEmissionsbestimmung; Luftbeimengungen“  VDI 3782 Blatt 8 „Umweltmeteorologie; Ausbreitungsrechnung für Kfz-Emissionen“  VDI 4280 Blatt 2 „Planung von Immissionsmessungen; Regeln zur Planung von Untersuchungen verkehrsbedingter Luftverunreinigungen an Belastungsschwerpunkten“  VDI-FVT „Berliner Erklärung zur Fahrzeugsicherheit“  VDI-Positionspapier „Sicherheit und Elektromobilität“  VDI-Bericht „Commercial Vehicles 2015 – Truck, Bus, Van, Trailer”  VDI-Bericht „Fahrerassistenz und Integrierte Sicherheit 2014“  VDI Bericht „Der Fahrer im 21. Jahrhundert – Fahrer, Fahrerunterstützung und Bedienbarkeit“  VDI-Bericht „Fahrzeugsicherheit – Sicherheit 2.0“  VDI-Bericht „Innovative Fahrzeugantriebe 2012 – Perspektiven in Markt und Technologie“  VDI-Bericht „Erprobung und Simulation in der Fahrzeugentwicklung 2010“  VDI-Bericht „Energieeinsparung durch Elektronik im Fahrzeug“  VDI-Bericht „Nutzfahrzeuge 2007 – Lösungen für Transporteffizienz, Sicherheit und Umweltverträglichkeit – Omnibusforum“ www.vdi.de 26 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 3.6 Energie  Bei öffentlichen Gebäuden liegt der Anteil bei ca. 50 %. Fakten in Kürze  In der Industrie liegt der Prozesswärmebedarf bei ca. 66 %.  71 % des Energieverbrauches in Haushalten ist Wärme  Im Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen liegt der Anteil bei ca. 40 %.  Bis 2020 sollen 14 % des Endenergieverbrauchs für Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energien stammen. Die zur Bereitstellung der Wärme in Haushalten eingesetzten Techniken haben sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich gewandelt:  erhebliches Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebestand  2001 – 39 % Gas-Niedertemperatur, 32 % GasBrennwert und 27 % Öl-Niedertemperatur  Berücksichtigung des Quartiers als kleinste Einheit  2011 – 17 % Gas-Niedertemperatur, 57 % GasBrennwert, 14 % Öl und bereits 9 % Wärmepumpen  Ohne die Integration der Menschen ist eine Energiewende in der Stadt nicht denkbar. Tendenzen Stand Das pulsierende Leben einer Stadt verliert schlagartig an Intensität, wenn eine der energetischen Versorgungstrassen ausfällt. Ohne Elektrizität und Wärme sind moderne Städte nicht denkbar. Kommunikation, Gesundheitswesen, Verkehrslenkung und Lebensqualität in wohltemperierten Räumen sind nur ausgewählte Beispiele. Die weltweite Liste der historischen Stromausfälle ist lang. 2005 wurde auch im Münsterland schnell erkannt, dass gerade im Winter eine Hightech-Heizung nur im Zusammenspiel mit einer ununterbrochenen Stromversorgung funktionieren kann. Im Ergebnis waren alle Gasheizstrahler der Region umgehend ausverkauft. Die klassischen drei Hauptversorgungsinfrastrukturen laufen im urbanen Gebiet zusammen: Gas, Elektrizität und Wärme. In der Vergangenheit wurden diese Infrastrukturen meistens getrennt betrachtet, aber u. a. durch effiziente Energieanwendungen (z. B. Kraftwärmekopplung, Wärmepumpen, Einbindung erneuerbarer Energiequellen, Smart Home, Smart Grid, Smart City, Notwendigkeit von Energiespeicherung in Form von Wärme und Elektrizität) wachsen diese zusammen und weisen stärkere Abhängigkeiten auf. Energieversorgung und Energieeffizienz ist im städtischen Umfeld auf engem Raum verwoben und kann daher nur im Zusammenhang betrachtet werden. Mehr als die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland dient der Wärmebereitstellung [35]:  Die Bereitstellung der Raumwärme hat einen Anteil von 71 % am Gesamtenergiebedarf eines Haushalts. www.vdi.de Die Energieversorgung muss auch bei einem wachsenden Anteil von Wind- und Sonnenstrom zuverlässig, umweltverträglich und kosteneffizient bleiben. Für diesen Wandel muss der Strommarkt fit gemacht werden [36]. Derzeit beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung etwa 25 %. Dieser Wert ist allerdings lediglich ein Durchschnittswert für das gesamte Jahr. Innerhalb des Jahresverlaufs ist der Anteil zeitweise heute schon deutlich höher. Stundenweise erreichen die fluktuierenden erneuerbaren Energien – Wind und Photovoltaik – einen Anteil von über 60 %. Neben einem großräumigen Ausgleich der wetterbedingten Fluktuationen der erneuerbaren Energien muss sich zukünftig die Stromerzeugung besser an der Nachfragesituation orientieren. Andererseits muss aber auch der Stromverbrauch flexibler werden, beispielsweise durch ein Lastmanagement. Hierbei wird Strom gezielt dann verbraucht, wenn gerade viel davon zur Verfügung steht, z. B. in Starkwindzeiten [37]. Es ist ein zentrales Ziel der Bundesregierung, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Bereits bis 2020 sollen 14 % des Endenergieverbrauchs für Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energien stammen. Dafür ist eine Verdoppelung der Sanierungsrate in Gebäuden erforderlich [38]. Der steigende Einsatz von Wärmepumpen (Bild 7) und die Nutzung von Brennwerttechnik zeigen einen deutlichen Trend zu effizienteren Wärmeversorgungen. VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 27  elektrischer und thermischer Solarenergie  Wärme-Kraft-Kopplungstechnologien (auch mit Einbezug von Biogas, Abfall),  Wärmepumpen und Geothermische Nutzung und  stadtnahe (Fern-)wärme und (Fern-)kälte und letztlich Technik im und am Gebäude:  nachhaltige Energieeffizienzmaßnahmen an der Gebäudehülle  Energiemanagementsysteme sowie  Smart-Home-Anwendungen. Schlussfolgerungen Bild 7. Erdwärmepumpe mit Erdwärmesonde im Einfamilienhaus – Quelle: Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V. Im Gegensatz dazu stagniert die Energieeffizienzsteigerung an der Gebäudehülle. 75 % des Wohngebäudebestands sind vor der 1. Wärmeschutzverordnung in Jahr 1978 gebaut worden und weisen einen sehr hohen Energiebedarf auf. Aktuell besteht ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebestand. Energieversorgung im urbanen Gebiet bedeutet Integration und Interdependenz diverser Themenfelder. An globalen Themen sind zu nennen:  gesellschaftliche Integration, sowohl mit Blick auf den demografischen Wandel wie auch Fragestellungen der zunehmenden Migration, Gerade die gesellschaftliche Integration stellt die größte Herausforderung für die Entwicklung, Planung und Betrieb der Energieversorgung dar. Ohne die Integration der Menschen ist eine Energiewende in der Stadt nicht denkbar. Sinnvoll erscheint es daher, als kleinste Einheit das Quartier zu betrachten und hier mit integrativen Maßnahmen zu beginnen. Es gilt die sieben Dimensionen des Betrachtungsraums Quartier (rechtlich, kulturell/historisch, ökonomisch, technisch, soziodemografisch, baulich-räumlich, funktional) mit den Querschnittsfunktionen soziotechnische Dynamik, Akteure/Governance/Handlungsoptionen und den volkswirtschaftlich übergeordneten Zusammenhängen zu denken und weiterzuentwickeln. Ausgewählte VDI-Publikationen  VDI 3781 Blatt 2 „Ausbreitung luftfremder Stoffe in der Atmosphäre; Schornsteinhöhen unter Berücksichtigung unebener Geländeformen“  Infrastrukturelle Konsequenzen, z. B. Bau neuer Stromtrassen,  VDI 3789 Blatt 3 „Umweltmeteorologie; Wechsel-wirkungen zwischen Atmosphäre und Oberflächen – Berechnung der spektralen Bestrahlungsstärken im solaren Wellenlängenbereich“  Betrachtung der Stadt als Speicher im Gesamtkontext nationaler Energieversorgung,  VDI 3922 „Energieberatung für Industrie und Gewerbe“  Entwicklung neuer Wärme- und Kältespeicherung und  VDI 3985 „Grundsätze für Planung, Ausführung und Abnahme von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit Verbrennungskraftmaschinen“  Berücksichtigung der Elektromobilität auch als elektrische Speicher, für die Energiewandlung, Integration und Weiterentwicklung von:  VDI 4620 Blatt 2 „Wasserkraftanlagen; Technik und Planung“  VDI 4631 „Gütekriterien für Biogasanlagen“ www.vdi.de 28 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder  VDI 4640 Blatt 2 „Thermische Nutzung des Untergrunds; Erdgekoppelte Wärmepumpenanlagen“  VDI 4640 Blatt 3 „Thermische Nutzung des Untergrundes; Unterirdische Thermische Energiespeicher“  VDI 4650 Blatt 1 „Berechnung der Jahresarbeitszahl von Wärmepumpenanlagen; Elektrowärmepumpen zur Raumheizung und Trinkwassererwärmung“  VDI 4656 „Planung und Dimensionierung von Mikro-KWK-Anlagen“  VDI 4680 „Blockheizkraftwerke (BHKW); Grundsätze für die Gestaltung von Serviceverträgen“  VDI 4682 „Brennstoffzellen-Heizgeräte; Gestaltung von Serviceverträgen“  VDI-Positionspapier „Klimaschutz und Energiepolitik – Ziele und Handlungsbedarf für eine ressourcenschonende und CO2-arme Energieversorgung und -nutzung in Deutschland“  VDI-Positionspapier „VDI-Empfehlungen zur Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes“  VDI-Statusreport „Regenerative Energien in Deutschland“  VDI-Statusreport „Fossil befeuerte Großkraftwerke in Deutschland“  VDI-Statusreport „Mikro-Kraft-WärmeKopplungsanlagen“  VDI ZRE Kurzanalyse „Ressourceneffizienz von Windenergieanlagen“  VDI-Bericht „Hybride Gebäudeenergiesysteme“  VDI-Bericht „Erneuerbare Energien in der multivalenten Gebäudeenergieversorgung“  VDI-Bericht „Geothermische Technologien 2010 – Technologien zur Nutzung der tiefen Geothermie und ihre Integration in Energieversorgungssysteme“  VDI-Bericht „Elektrische Energiespeicher – Schlüsseltechnologie für energieeffiziente Anwendungen“ www.vdi.de 3.7 Urbane Produktion Fakten in Kürze  Digitalisierung, insbesondere durch die Industrie 4.0, befähigt effektive und effiziente Produktion, auch mit neuen Konzepten.  Die Produktkomplexität steigt, bei kürzer werdenden Lebenszyklen, weiter.  Neue und weiterentwickelte Fertigungsverfahren ermöglichen eine ressourceneffiziente, emissionsarme Produktion, auch im städtischen Umfeld.  Die Symbiose von Betriebsstätte und Umfeld zum Wohl aller Beteiligten muss zum Unternehmensziel werden.  Die Nutzung von Skaleneffekten durch eine kundenneutrale Vorproduktion sowie die kundenindividuelle Endproduktion nah am Kunden stellen die Zukunft der wirtschaftlichen Produktion dar. Stand Im Zuge der Industrialisierung kam es insbesondere in Europa und in Nordamerika zur Entwicklung aufgabenteiliger Fabriken, die aufgrund ihres Erfolgs wuchsen und häufig von Städten umschlossen wurden. Aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von Flächen im städtischen Raum wurden Produktionsstandorte außerhalb von Städten „auf der grünen Wiese“ gegründet. Erhalten Unternehmen trotz Gründung neuer Betriebsstätten Standorte im städtischen Bereich, entsteht in Abhängigkeit von den betriebsinternen Abläufen zum Teil erheblicher Aufwand für die Logistik von Material und Personal zwischen den Standorten. Damit steigt die Belastung für die Umgebung, da mehr Verkehr typischerweise mit erhöhtem Schadstoffausstoß, Abgasen, Staub und Schall verbunden ist. Weiterhin muss dann der ursprüngliche Standort an veränderte Rahmenbedingungen angepasst und auf technisch ausreichendem Stand gehalten werden. Wird der ursprüngliche Standort zugunsten eines neuen aufgegeben, besteht meist die Herausforderung einer sinnvollen Nutzungsüberführung. Die dann zur Verfügung stehenden begrenzten Flächen bieten meist nur geringe Erweiterungsmöglichkeiten für Betriebsstätten, sodass sie im Rahmen einer Standortentschei- VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder dung eines Unternehmens häufig nicht ausgewählt werden können. Diese Flächen sind aber als Kristallisationskeim für Neugründungen und Unternehmen mit hohem Kreativanteil geeignet, da sich Leben und Arbeiten oft vorteilhaft vereinigen lassen. Allerdings sind entsprechende Flächen durch ihre zentrale Stadtlage verhältnismäßig teuer und damit kostenseitig wenig attraktiv. Wird die Betrachtung über die Grenzen von Europa und Nordamerika hinaus erweitert, dann werden Mechanismen aktueller und ehemaliger Schwellenländer deutlich sichtbar. Die Hoffnung auf Arbeit und Auskommen lässt immer mehr Menschen in Städte ziehen. Durch diese Mobilität in die Städte wachsen diese überproportional schnell. Damit sind die Infrastruktur und andere Systeme meistens überfordert. Grund ist, dass die Entwicklung der Infrastruktur nicht parallel zum Wachstum erfolgt ist. Das erhöhte Verkehrsaufkommen führt zu permanenten Staus und enormen Emissionsbelastungen durch Abgase, Geräusche und Staub. Durch die Verdichtung von Lebensraum steigt auch die Gefahr von sozialen Spannungen. Dies ist besonders bei fehlendem Einkommen und starken Wohlstandsgefälle zu beobachten. Damit korrespondiert die Lebensqualität der Bewohner. So leben vor allem in aufstrebenden Städten und Schwellenstädten zwischen durchschnittlich zwischen 7 % und 25 % der Bevölkerung in benachteiligten Bezirken mit unzureichender Infrastruktur [39]. Anderseits bieten diese Megastädte vielen Menschen Lebensraum und Auskommen. „Gateway-Städte“ sind explizite Wirtschaftsmotoren. Oftmals weisen Metropolregionen ein höheres Pro-Kopf-BIP im Vergleich zum nationalen Durchschnitt auf, was sich auch auf die Arbeitsproduktivität und Wachstumsraten übertragen lässt. Diese Megastädte mit Flächenbedarfen von 1.000 bis 14.000 Quadratkilometern, stellen die Ansiedlung von Industriegebieten in Randzonen infrage, denn das entstehende Verkehrsaufkommen der Berufspendler führt zum Verkehrskollaps. Dazu kommen Herausforderungen im Kontext von Wasserverschmutzung, Luftqualität und Abfallbeseitigung [40]. Die wachsende Bevölkerung und zunehmende Produktion führen zu erhöhtem Rohstoffbedarf. Der aktuelle Rohstoffbedarf der Weltbevölkerung hat bereits Werte angenommen, die eine langfristige, nachhaltige Entwicklung unmöglich machen. Die Menschheit verbraucht aktuell ungefähr die anderthalbfache Menge dessen, was für eine nachhaltige Verwendung der weltweiten Ressourcen möglich wäre. Bei steigendem Wohlstand der Weltbevölkerung wird darüber hinaus ein rasanter Anstieg des Ressourcenverbrauchs prognostiziert [41, 42]. Eine exakte Abgrenzung hinsichtlich der Bezeichnung Urbanität im Kontext der Produktion ist nicht hinrei- 29 chend möglich. Aus Sicht von Unternehmensvertretern sind Unternehmen mit signifikantem Einfluss auf das Stadtleben urbane Unternehmen. Stadtplaner sehen innerstädtische Bereiche als urbanes Umfeld an und sprechen, wenn dort Fertigung und Montage erfolgen von, urbaner Produktion. Tendenzen Anforderungen von Kunden an Produkte steigen: Durch Funktionsintegration nimmt die Produktkomplexität zu, Belastungsfälle werden komplexer und Produktlebenszyklen kürzer. Damit müssen Entwicklungszyklen bei komplexerer Produktentwicklung verkürzt werden. Die zunehmende Individualisierung von Produkten führt zu sinkenden Stückzahl gleichartiger Produkte in der Herstellung. Die Digitalisierung erlaubt durch die Vernetzung von Produktionsnetzwerken eine effektive und effiziente verteilte Produktrealisierung. Durch die Nutzung von Produktionsnetzwerken können Funktionsbaugruppen mit hoher Stückzahl in Fabriken mit Serienausrichtung unter Erzeugung von Skaleneffekten erfolgen. Montage von Individualteilen, die möglicherweise vor Ort angepasst oder gefertigt werden, kann in der Nähe des Kunden lokal, besonders im urbanen Raum, erfolgen. Mögliche Formen für eine kundennahe Produktion sind Ateliers oder Custom-Center, die entsprechende Maschinen besitzen und in Stadtteilen mit hohem Kundenverkehr angesiedelt sind. Diese Produktionsnetzwerke stehen im Spannungsfeld „Zentralisierung – Dezentralisierung“, mit der Produktion kundenneutraler Vorprodukte in größeren Werken in Randgebieten (vgl. Megaplants [43]) und der Endproduktion kundenindividueller Produkte kundennah in Stadtgebieten. Damit werden Transportwege verkürzt und das Transportvolumen reduziert. Weiterhin ist die Nutzung bestehender Infrastrukturelemente der Stadt möglich. Die Belieferung mit benötigten Mengen, die exakt mittels Auswertung digitaler Daten abgestimmt werden kann, ist auch täglich im Verbund für mehrere Einheiten möglich. Damit könnte durch entsprechende Skaleneffekte auch das öffentliche Verkehrsnetz, z. B. Straßenbahn, U-Bahnen und Busspuren, ökonomisch genutzt werden. Auch muss die Ausnutzung von bestehenden Räumen anders betrachtet werden. Die Umnutzung bestehender Räume und Flächen sollten mit Blick für Nutzen aller stehen. So können große Fabrikgebäude die Infrastruktur für mehrere kleinere Unternehmen bieten, die so die nötigen Voraussetzungen für ihre Prozesse vorfinden können. Der Einsatz neuer Fertigungstechnologien unterstützt auch eine nachhaltige Produktion im städtischen Umfeld unter geringer bis minimaler Belastung des Umfelds. Bei der Entwicklung und Anpassung von Ferti- www.vdi.de 30 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder gungstechnologien müssen Minimierung des Ressourceneinsatzes, Energieeffizienz, Emissionsreduktion sowie Ergonomie und Bedienbarkeit im Fokus stehen. Neue Werkstoffe erlauben weniger Materialeinsatz für die Produkte. Alternative Verfahren wie die additive Fertigung erlauben bereits heute die kundenspezifische Fertigung von Einzelteilen und sogar Baugruppen direkt aus digitalen Daten, und dass ohne Abfall durch Verschnitt und Späne. Allerdings ist für den effizienten Einsatz neuer Technologien gut ausgebildetes Personal nötig. Diese Tendenz verstärkt den Fachkräftemangel weiter. Unternehmen stehen vor neuen Herausforderungen, da nicht mehr nur das adäquate Gehalt, sondern auch Arbeitsbedingungen und berufliche sowie private Entfaltungsmöglichkeiten im Zentrum des Interesses der potenziellen Arbeitskräfte stehen. Unternehmen mit städtischem Bezug werden im „War of Talents“ erfolgreicher benötigtes Personal mit entsprechendem Know-how für sich gewinnen können, wenn sie Mitarbeitern neben dem Einkommen weiteren Mehrwert bieten [44]. Bild 8. Handlungsfelder für die urbane Produktion – Quelle: Fraunhofer IAO Die Urbanisierung der Produktion schafft Möglichkeiten für die nachhaltige Herstellung insbesondere kundenindividueller Produkte durch stadtverträgliche Fabriken und Produktionssysteme, flexible Produktionskapazitäten und dezentrale Produktionsnetzwerke sowie stadtverträgliche Logistik (Bild 8). Der Mensch als Mitarbeiter und Kunde muss dabei im Mittelpunkt stehen. Der Beitrag der Betriebsstätten zur Verbesserung des Umfelds kann größer als die Schädigung durch den Betrieb sein und im Sinne einer symbiotischen Einbindung sogar positive Effekte erzeugen. Schlussfolgerungen Urbanisierung, Ressourcenendlichkeit, Fachkräftemangel und stetig steigende Anforderungen an Produkt und Unternehmen sind Ursachen, die eine Veränderung in den Zielen der produzierenden Unternehmen erfordern. Nicht mehr nur der wirtschaftliche Erfolg, sondern auch die Berücksichtigung des Menschen und der lebenswerten Umwelt müssen als wewww.vdi.de sentliche Ziele für die Unternehmensführung verstanden werden. Deshalb sind diese Aspekte (Bild 9) bei der strategischen Unternehmensplanung in ein Gleichgewicht zu bringen. Bild 9. Gleichgewicht der Themenfelder für urbane Produktion – Quelle: Fraunhofer IAO Eingesetzte Technologien sind hinsichtlich Materialeinsatz, Energiebedarf und Emissionsreduktion zu optimieren. Bei Planung und Betrieb der Produktion im urbanen Umfeld muss das Umfeld berücksichtigen, um dessen Bedürfnisse zu adressieren und von Verfügbarkeiten optimal profitieren zu können. Dabei spielen andere Unternehmen, die Politik mit gesetzlichen Regeln und Vorschriften sowie Förderangeboten und die Gesellschaft als Repräsentant der Menschen im Umfeld eine wichtige Rolle als Meinungsträger und Interessensgruppen. Der Mensch ist Mitarbeiter, damit Teil der Wertschöpfung, aber auch Kunde und Nachbar. Menschen haben in Abhängigkeit ihrer Zugehörigkeit zu Gruppen unterschiedliche Anforderungen und Ziele, die nicht immer miteinander im Einklang sind. Die Verbindung von Digitalisierung und neuen Fertigungstechnologien erlaubt effektivere und effizientere Prozesse. Die Entwicklung von Prozesstechnologie und Fertigungsverfahren ist für viele Unternehmen im Fokus, um das Wachstum langfristig sicherzustellen. Die Menge und Art der Daten und Informationen wird zunehmen. Deshalb wird die Herausforderung für Unternehmen nicht nur die Entwicklung von Prozesstechnologien sein, sondern zur richtigen Zeit am richtigen Ort auf die geeigneten Ressourcen mit den entsprechenden Daten zugreifen zu können. Damit wächst die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die nah am Kunden sind und flexibel auf seine Anforderungswünsche reagieren können. Bestehende, erfolgreiche Geschäftsmodelle haben sich häufig von der Produktorientierung zur Serviceorientierung gewandelt und werden wohl zur Datenorientierung hin weiterentwickelt werden müssen. Unternehmen sind daher dazu gezwungen, geeignete Mitarbeiter, die den Prozess der Digitalisierung begleiten, unterstützen VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder und antreiben können, zu gewinnen, weiterzuentwickeln und zu halten. Darüber hinaus gewinnen Kooperationen zwischen Unternehmen zur besseren Ausnutzung von Ressourcen an Bedeutung, bedingen allerdings häufig eine Weiterentwicklung der Bereitschaft der Unternehmen, sich zu öffnen. Heute implementierte Prozesse sind zu hinterfragen und an Veränderungen der Bedürfnisse der Kunden, insbesondere hinsichtlich Individualität und Lebenszyklus, anzupassen. Basis aller Veränderungen dabei muss der Blick auf die nachhaltige Stadt der Zukunft sein. Ausgewählte VDI-Publikationen  VDI-Richtlinien-Handbuch „Produktionstechnik – Band 1 bis Band 3“  VDI-Richtlinien-Handbuch „Fabrikplanung und betrieb – Band 1 und Band 2“  VDI-Studie „Produktion und Logistik in Deutschland 2025“  VDI-Handlungsempfehlungen „Produktion und Logistik in Deutschland 2025“  VDI-Statusreport „Industrie 4.0 – Wertschöpfungsketten“  VDI-Statusreport „Industrie 4.0 – „Gegenstände, Entitäten, Komponenten“  VDI-Statusreport „Industrie 4.0 – Auf dem Weg zu einem Referenzmodell“  VDI-Statusreport „Industrie 4.0 – CPS-basierte Automation – Forschungsbedarf“  VDI/ZVEI-Statusreport „ Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI4.0)“  VDI/TZ-Studie „Innovations- und Effizienzsprünge in der chemischen Industrie? Wirkungen und Herausforderungen von Industrie 4.0“ 3.8 31 Urbane Logistik Fakten in Kürze  Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, des zunehmenden Internethandels und des ökologischen Wertewandels ist die urbane Logistik kurzfristig vielfältigen Herausforderungen ausgesetzt.  Viele Lösungen sind bereits erforscht und werden derzeit erprobt – sie müssen aber in den nächsten Jahren implementiert werden.  Die exekutive Logistik wird als einer der Hauptverursacher des Klimawandels verantwortlich gemacht.  Entwicklung von Konzepten und Lösungen zur Optimierung logistischer und nicht logistischer Dienstleistungen zur Bündelung verschiedener Material- und Warenströme und somit Vermeidung von Logistikverkehren im urbanen Raum Stand Rund 85 % der Menschen in Europa werden im Jahr 2050 in Städten leben. Doch in den hoch komplexen und verdichteten Lebensräumen ist eine nachhaltige Versorgung der Menschen mit Gütern und Waren mit den derzeitigen Strukturen nicht gewährleistet. Handelsunternehmen, Lieferanten, Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) sowie Logistik-Dienstleister benötigen daher effiziente Logistiklösungen speziell für den urbanen Raum. Urbane Regionen sind Wachstumsmotoren und Zentren der Produktivität. Wie unter einem Brennglas kann man in Städten und Ballungsräumen beobachten, wie das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem sich verändert. Für die urbane Logistik sind folgende Entwicklungen von entscheidender Bedeutung:  zunehmende Restriktionen der innerstädtischen Belieferung durch unzureichende oder überlastete Infrastruktur oder Zeitfenster für die Belieferung  Der demographische Wandel verändert die Ansprüche an die Urbane Versorgung: Ältere Menschen haben spezielle Ansprüche an LogistikDienstleister bzw. Versorgungsprozesse.  weiterhin zunehmender Internethandel, der unter anderem im Konflikt mit der wohnortnahen Versorgung steht www.vdi.de 32 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder  Der ökologische Wertewandel verändert Lebensstile und verlangt ressourceneffiziente und regionale Versorgung. Die Folgen für die urbane Logistik sind vielfältig: Der Internethandel begünstigt die Bestellung von Kleinstmengen, mehr und mehr Einzelsendungen verlassen die Läger, der Bedarf an flexiblen Anlieferungen rund um die Uhr steigt. Im stationären Handel lässt sich ein ähnlicher Trend beobachten – die Wiederauferstehung des Tante-Emma-Ladens ist ein wegweisendes Beispiel. Mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft, von denen ein immer größer Anteil auch im hohen Alter zu Hause wohnen möchte, steigt die Nachfrage nach gänzlich neuen Versorgungskonzepten, die in das Gesamtsystem der urbanen Versorgung integriert werden müssen. Insgesamt sinken die Mengen je Lieferung bei gleichzeitiger Steigerung der Lieferfrequenzen – eine ungeheure Herausforderung für die Belieferung der letzten Meile. Zugleich nimmt die Logistik große innerstädtische Flächen in Anspruch – Flächen, die unter ökologischen und planerischen Gesichtspunkten andere Funktionen erhalten sollten. Diese gegensätzlichen Tendenzen gilt es zu vereinen, indem Lösungen für einen effizienten Umgang mit Ressourcen bei gleichzeitiger Wahrung der Individualität – sowohl im Hinblick auf die Versorgung mit Waren und Informationen als auch auf den Erhalt der individuellen Mobilität – gefunden werden. Die Logistik hat hier eine besondere Verantwortung, denn Änderungen bei ihren Prozessen und Technologien haben große Auswirkungen auf das urbane System. Tendenzen Die Gesellschaft insgesamt – und ganz besonders Verbraucher, Politik und Teile der Wirtschaft – verlangen ressourceneffiziente, integrierte und gesellschaftsverträgliche Logistikprozesse. Diese müssen sowohl sozialwissenschaftlich als auch technologisch entwickelt werden. In der Stadt gilt dies umso mehr, da hier die Folgen einer Vernachlässigung unmittelbar sichtbar werden bzw. unmittelbarer wirken, als in anderen Räumen. Dies gilt auch für die Logistikunternehmen, denn wenn sie entsprechende Tendenzen nicht berücksichtigen, hat dies mittelfristige Folgen für Ansehen und Umsatz. Vielfältige Lösungsansätze sind bereits konzipiert und befinden sich in Erprobung bzw. wurden bereits unternehmensseitig implementiert:  Konzepte und Lösungen zur Bündelung logistischer und nicht logistischer Dienstleistungen (Handel, KEP, Pflegerische Versorgung) im Hinblick auf den demografischen Wandel sowie zur Bündelung verschiedener Material- und Warenwww.vdi.de ströme zur Vermeidung von Logistikverkehren im urbanen Raum, z.B. das Urban-Hub-Konzept (Bild 10) Bild 10. Bündelung von Warenströmen im Urban-Hub – Quelle: EffizienzCluster LogistikRuhr  Navigationslösungen, die Restriktionen, Zufahrtsbeschränkungen oder Anforderungen innovativer Transportsysteme berücksichtigen  Konzepte, die eine Einbindung von alternativen Antrieben in urbane Versorgungsstrukturen ermöglichen, wie z.B. das Parkhäuser, die sowohl als Ladestationen für elektrifizierte Lieferfahrzeuge als auch als Lagerstätten für die Feinverteilung in der Stadt dienen  innovative Warenübergabesysteme auf der letzten Meile, die Konzepte zur urbanen Versorgung komplettieren  Konzepte für die Micro-urbane-Logistik, also der Einsatz von Lastenfahrrädern oder Kleinstfahrzeugen zur Belieferung, ggf. mit elektrischem Unterstützungsantrieb (Bild 11)  integrierte Planung für Infrastrukturen, die ökologische und ökonomische Bedürfnisse miteinander vereinen  Konzepte für eine regionale, nachhaltige Versorgungslogistik  wandelbare Logistikknoten: Innovative Hubs passen ihre technische Infrastruktur dynamisch an die an sie gestellten Anforderungen an und können gleichzeitig mit minimalem Zeitaufwand ihren Standort verändern. VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 33  standardisierte und verursachungsgerechte Bewertung von ökologischen Wirkungen logistischer Prozesse und Systeme Eine urbane Logistik, die ökologischen und sozialen Verbraucherbedürfnissen gerecht wird, muss mittelund langfristig auch ökonomisch sinnvoll sein.  Stärkung des Know-hows und Zertifizierung der Unternehmenskompetenz und unternehmerischer Verantwortung im Bereich Nachhaltigkeit Ausgewählte VDI-Publikationen  VDI 2520 „Einführung einer Unternehmenslogistik; Arbeitsplan“  VDI 2691 „Optimale Bestellmenge“  VDI 3626 „Checkliste für Planung und Ausführung von Hochregalanlagen“  VDI 4404 „Lieferstrategien in der Logistik“  VDI 4443 „Kontaktlose Energieübertragung für mobile Systeme der Stückgutfördertechnik“ Bild 11. Elektrifiziertes Lastenfahrrad zur innerstädtischen Belieferung – Quelle: EffizienzCluster LogistikRuhr Hierbei ist es von besonderer Bedeutung, dass diese Bausteine möglichst systemisch – also in Kombination – die Herausforderungen, aber auch die Chancen der urbanen Versorgung in der Stadt der Zukunft angehen bzw. nutzen. Dafür gilt es auf sozialer Ebene, Stakeholder und Betroffene in Entscheidungsprozesse mit einzubinden bzw. deren Bedürfnisse so weit möglich zu berücksichtigen und auf technologischer Ebene möglichst viele Prozesse zu digitalisieren und zu verbinden, wie es z. B. das Konzept Industrie 4.0 vorschlägt. Schlussfolgerungen  VDI 4485 „E-Commerce und Logistik“  VDI 4491 Blatt 1 „Logistikbudgets“  VDI 4491 Blatt 2 „Logistikcontrolling“  VDI-Richtlinien-Handbuch „Technische Logistik – Band 1 bis Band 8“  VDI-Studie „Produktion und Logistik in Deutschland 2025“  VDI-Handlungsempfehlungen „Produktion und Logistik in Deutschland 2025“  VDI-GPL- „Outsourcing schafft WIN-WINEFFEKTE“  VDI-Bericht „Flughafenlogistik Wachstum ohne Grenzen“ Die exekutive Logistik wird als einer der Hauptverursacher des Klimawandels verantwortlich gemacht. Für die Logistik im Allgemeinen und die urbane Logistik im Speziellen gilt es, dies als Chance zu nutzen, denn die Auswirkung, die von einer ressourceneffizienten und verantwortungsvollen Logistik ausgehen kann, ist sehr stark. Die urbane Logistik hält vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der Urbanisierung und des gesteigerten Bewusstseins bezüglich Ressourceneffizienz Lösungen bereit, die nun verstärkt Anwendung finden müssen. Eine effiziente und effektive urbane Versorgung ist nur möglich, wenn die entwickelten und hier benannten Lösungsansätze systemisch umgesetzt werden. www.vdi.de 34 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 3.9 Kreislaufwirtschaft Fakten in Kürze  Eine konsequente Weiterentwicklung des arbeitsteiligen und globalisierten Weltwirtschaftssystems ist die Implementierung von Kreislaufwirtschaftsstrukturen.  seit 1992 erste Umsetzungen ausgewählter Kreislaufwirtschaftssysteme (z.B. Verpackung, E-Schrott, Altauto)  Erhöhung der Gesamtabfallrecyclingquote in Deutschland im Jahre 2012 auf 70 %  Erhöhung der Elektronikschrottsammelquote bis 2021 auf 85 % der in Verkehr gebrachten Waren  Erweiterung und Optimierung der Erfassungssysteme für Siedlungsabfälle mittels Wertstofftonne. Stand Die konsequente Weiterentwicklung des arbeitsteiligen und globalisierten Weltwirtschaftssystems ist die Implementierung von Kreislaufwirtschaftsstrukturen. Die Schaffung effizienter Nutzungsstränge für die eingesetzten Produktionsmittel ist das notwendige Ergebnis. Derartige Ansätze sind für die deutsche Volkswirtschaft nicht neu und für augenscheinlich wirtschaftliche Produkte wie Papier, Metalle und Glas schon seit Jahrzehnten umgesetzt. Auch komplexe Produkte wie Automobilmotoren und Kupplungen werden in ausgefeilten Sammel-, Aufarbeitungs- und Nutzungssystemen auf hohem Wertschöpfungsniveau geführt. Neben diesen ökonomisch autark agierenden Kreislaufwirtschaftssystemen steht die Notwendigkeit der öffentlichen Fürsorge im Rahmen des Umgangs mit Siedlungsabfall. In Deutschland finanziert und betrieben über staatliche Abgaben- und Gebührensysteme. Hinzugetreten ist im Rahmen der dualen Abfallwirtschaft eine Gesetzgebung, die auch die Inverkehrbringer von komplexen, aber nach dem Ende der Nutzungsphase nicht wirtschaftlich zu nutzenden Produkten zur Realisierung von Kreislaufwirtschaftssystemen und Einhaltung von Recyclingquoten zwingt. Der Nutzer steht somit im Blickpunkt der Recyclingindustrie als Ausgangspunkt für Stoffströme, mit denen eine Wertschöpfung zu erzielen ist. www.vdi.de Im Jahre 2012 fielen in Deutschland im Durchschnitt 611 Kilogramm Siedlungsabfall je Einwohner an. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, lag die Abfallmenge damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von rund 492 Kilogramm je Einwohner [45]. Diese auf den ersten Blick negative Nachricht wird jedoch sofort relativiert, wenn die Abfallintensität als Kennzahl zur Messung der Nachhaltigkeit herangezogen wird. Hierbei wird die erzeugte Abfallmenge in Relation zur Wirtschaftsleistung gesetzt, z. B. gemessen durch das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Eine nachhaltige Abfallwirtschaft liegt vor, wenn die Entwicklung des Abfallaufkommens deutlich hinter dem Wirtschaftswachstum zurückbleibt. Genau diese Entwicklung ist seit 1996 in Deutschland eingetreten. Der Indikator zeigt für 2012 ein um 40 % kleineres Abfallaufkommen als es die wirtschaftliche Entwicklung hätte erwarten lassen. Die Maßnahmen der vergangenen Jahrzehnte haben also gegriffen [46]. Die Recyclingquote bezogen auf das Gesamtabfallaufkommen betrug in 2012 70 %. Für Siedlungsabfälle wurden 65 % ermittelt [47]. Tendenzen Recyclingtechnik, Closed Loop Engineering, Kreislaufwirtschaft, Cradle to Cradle und Ressourceneffizienz sind die Begriffe, die von Inhalten und Intensionen nicht gleich, aber ähnlich zu deuten sind. In den vergangen Jahrzehnten wurden enorme Anstrengungen unternommen, nachhaltige Kreislauf Wirtschaftsstrukturen aufzubauen. Kunststoffrecyclate im Automobilbau, Gold aus verschrotteten Computern, Biodiesel aus Schlachtabfällen und Energie aus komplexen Restabfällen sind positive Beispiele, die heute den Stand der Technik repräsentieren. Aber es entstehen täglich neue Herausforderungen. Wie sehen die Wertschöpfungsstrukturen für fein verteilte seltene Erden in Energiesparlampen, Computerfestplatten und Handys aus, die jedoch unsere zukünftige Elektromobilität sichern sollen? Was bedeutet Recycling von Fotovoltaikanlagen? Aktuell laufen aus verschiedenen Blickrichtungen diverse Diskussionen zur Erhöhung des Recyclinganteils bei dem Umgang mit Abfällen. Diskutiert wird, sowohl der energetische Beitrag der Abfälle zur Energiewende als auch die Umsetzung der novellierten WEEE-Richtlinie, des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und des Umweltstrafrechts in deutsches Recht für 2014. Eine wesentliche Herausforderung ist, dass vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinien, eine Mindestsammelquote für Elektro- und Elektronikschrott von 45 % erreicht werden muss; sieben Jahre nach Inkrafttreten muss eine Mindestsammelquote von 65 % auf Basis der in Verkehr gebrachten Geräte oder alterna- VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder tiv 85 % auf Basis des Abfallaufkommens aus Altgeräten erzielt werden (Bild 12). 35 Die zukünftigen Herausforderungen kann eine Kommune alleine nicht meistern. Es bedarf weiterer gemeinschaftlicher Anstrengungen und Zusammenarbeit zwischen der Politik, der produzierenden Unternehmen, der Recyclingunternehmen und der Wissenschaft, um die Aufgaben der Zukunft zu meistern. Als Prämissen für Kreislaufwirtschaftssysteme in urbanen Räumen stehen:  Realisierung ortsnaher Verwertungssysteme Als Ergebnis stehen die Optimierung der notwendigen logistischen Leistung und die Dokumentation der Sinnhaftigkeit der Anlagentechnik auch für den ortsnahen Bürger.  Weiterentwicklung bestehender Erfassungssysteme bezogen auf: Bild 12. Recycling von Elektrogeräten – Quelle: Holzhauer Die Einführung der Wertstofftonne erfolgt in diversen Pilotvorhaben. Die Konzepte sind sehr unterschiedlich und orientieren sich in der Regel an den kurzfristig vorhandenen Möglichkeiten der entsorgungspflichtigen Körperschaft (Bild 13). ‒ Erhöhung der Akzeptanz bei den Bürgern und Unternehmen ‒ Erhöhung der Energieeffizienz bezogen auf den Energieeinsatz in der Gesamtkette der Abfallaufbereitung ‒ Erhöhung der Ressourceneffizienz und somit Steigerung der Eigenversorgung der Industrie mit insbesondere kritischen Rohstoffen ‒ Erhöhung der Stadtkonformität durch Sammelsysteme, die Transparenz schaffen und somit zu einer Individualisierung des Abfalls beitragen  Entwicklung weitergehender Nutzungskonzepte für komplexe Produkte Die heranwachsenden Generationen zeigen Verhaltensweisen, die das Teilen und das gemeinsame Nutzen von Produkten fördern. Leasing und Charing können richtig eingesetzt zu Konzepten führen, die die Lebensdauer von Produkten als wesentliches Produktmerkmal wieder in den Vordergrund rücken lassen. Hier könnten für einige Produzenten auch Lösungen jenseits von geplanter Obsoleszenz wirtschaftlich nachhaltig werden. Bild 13. Wertstofftonnen im Kreislaufwirtschaftssystem – Quelle: Holzhauer Neben rein technischen Fragen existieren auch organisatorische und rechtliche Herausforderungen. Ohne die Menschen, und ganz speziell jeden einzelnen Menschen, sind alle Anstrengungen zum Scheitern verurteilt. Der Mensch muss sich in den Strukturen wohlfühlen und aktiv beteiligen. Insbesondere in Städten gilt es Erfassungssysteme aufzubauen, die den Gegebenheiten der Städte und Städter entgegenkommen.  Erhöhung der Akzeptanz von städtischen Produktionsstandorten Der Mitarbeiter wird in der Produktion vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Entwicklung zur Wissensgesellschaft einen höheren Stellenwert erlangen. Ein logistisch optimiertes Wohnen und Arbeiten wird in Städten der Zukunft für die Mitarbeiter ein entscheidender Faktor für die Arbeitsplatzwahl sein. Somit gilt es, stadtaffine Industrieansiedlungen aufzubauen, die unter Realisierung abfallarme Produktionsprozesse und interne Kreisläufe für die eingesetzten Ressourcen schaffen. www.vdi.de 36 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Schlussfolgerungen Die Ressourceneffizienz stellt eine der großen Herausforderungen im Rahmen gelebter Nachhaltigkeit dar und die Ressource Siedlungsabfall ist in der Abfallwirtschaft eine der komplexesten Stoffgruppen. Wobei die Komplexität nicht nur in der Zusammensetzung des Abfalls liegt, sondern auch in den menschlichen, rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen. Die Stadt der Zukunft benötigt für die Weiterentwicklung der Ressourceneffizienz Lösungsansätze, die das urbane Wohnen, den nachhaltigen Konsum und eine ortsnahe Aufbereitungs- und Verwertungstechnik verbinden. Hier muss insbesondere mit der Integration der Bürger durch eine mögliche Individualisierung der Abfallströme auch eine Bewusstseinsbildung einhergehen. Möglichkeiten zur Steigerung der Verwertungsquoten durch Effizienzsteigerung der Sammelsysteme z. B. durch Erhöhung des Erfassungsgrads und Verbesserung der Sortenreinheit der Stoffströme aus der Siedlungsabfallerfassung müssen entwickelt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den sich bildenden neuen Stoffströmen der strategischen Metalle. Der Fokus liegt auf Lösungen zur Individualisierung des Abfalls an der Anfallstelle (Integration des Bürgers in den Informationsstrang und wertbezogene Abrechnung), bei der Erfassung (weitgehende Getrennthaltung technisch nicht sinnvoll zu trennender Stoffströme) und der Zuordnung zu den Verwertungstechniken (Zuordnung des Stoffstroms zu der optimalen Verwertungslinie). Ausgewählte Publikationen  VDI 2343 Blatt 7 „Recycling elektrischer und elektronischer Geräte; Re-use“  VDI 3397 „Entsorgung von Kühlschmierstoffen“  VDI 3925 Blatt 1 „Methoden zur Bewertung von Abfallbehandlungsverfahren“  VDI 4070 Blatt 1 „Nachhaltiges Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen; Anleitung zum nachhaltigen Wirtschaften“  VDI 4080 „Automobilverwertung; Qualität von Kfz-Gebrauchtteilen“  VDI 4082 „Automobilverwertung; Trockenlegung und Vorbehandlung von Fahrzeugen auf die Demontage“  VDI 4091 „Wirtschaften in Kreisläufen und Stoffstrommanagement – Methodik – Papier  VDI 4413 „Entsorgungslogistik in produzierenden Unternehmen“  VDI 4431 „Kreislaufwirtschaft für produzierende Unternehmen“ 3.10 Ressourceneffizienz Fakten in Kürze  Die zunehmende Urbanisierung und die damit einhergehende steigende Rohstoffnachfrage wird die weltweite Rohstoffknappheit weiter verschärfen.  VDI 2074 „Recycling in der Technischen Gebäudeausrüstung“  Durch eine verstärkte Innenentwicklung lassen sich Ressourcen- und Flächenverbrauch von Städten im Vergleich zur Außenentwicklung merklich reduzieren.  VDI 2343 Blatt 1 „Recycling elektrischer und elektronischer Geräte; Grundlagen und Begriffe“  Urban Mining: Der Gebäudebestand in Städten stellt ein erhebliches Rohstofflager dar.  VDI 2343 Blatt 2 „Recycling elektrischer und elektronischer Geräte; Logistik“  VDI 2343 Blatt 3 „Recycling elektrischer und elektronischer Geräte; Demontage“  VDI 2343 Blatt 4 „Recycling elektrischer und elektronischer Geräte; Aufbereitung“  VDI 2343 Blatt 5 „Recycling elektrischer und elektronischer Geräte; Stoffliche und energetische Verwertung und Beseitigung“ www.vdi.de Stand In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern geht die zunehmende Urbanisierung der Bevölkerung mit einem steigenden Wohlstandsniveau und einem erhöhten Konsum an Gütern und Waren einher. Gleichzeitig bedeutet dies einen erhöhten Ressourcenverbrauch. Dabei überschreitet bereits heute der globale Ressourcenverbrauch die Grenzen eines nachhaltigen Wirtschaftens. Dies veranschaulicht der ökologische VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder Fußabdruck, der jene Fläche angibt, die ein Mensch für seinen Lebensstil und Lebensstandard benötigt. Derzeit liegt er im weltweiten Mittel bei 2,7 Hektar, was bereits heute einer Überschreitung der global verfügbaren Fläche um 50 % entspricht [48]. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Inanspruchnahme der Ressource Fläche durch die Städte selbst. Mit zunehmendem Wachstum der urbanen Räume wird immer mehr Naturraum im Umland vereinnahmt. In Deutschland betrug die zusätzliche Flächeninanspruchnahme für Bebauung und Infrastrukturprojekte zwischen 2007 und 2010 durchschnittlich 87 Hektar pro Tag [49] Dabei stellt die Bausubstanz der Städte inzwischen ein immenses Rohstofflager dar: Schätzungen gehen davon aus, dass im deutschen Gebäudebestand 100 Mrd. t Material verbaut sind (Bild 14) [50]. 37 räume mit hohen Ressourcenverbräuchen bieten hierfür vielfältige Möglichkeiten beispielsweise durch kurze Wege und die Nähe von Produzent und Konsument. Gleichzeitig ist eine immer größere Ausweitung der Städte in die Fläche zu beobachten. Dies zieht neben dem Ressourcen- und Flächenverbrauch für die zu errichtenden Wohn- und Gewerbeobjekte auch einen ganz erheblichen Verbrauch für die begleitende Infrastruktur in Form von Straßen, Schulen, Supermärkten etc. nach sich. Daraus ergibt sich für die Zukunft eine immer höherer Ressourcenbedarf für Erhaltungsmaßnahmen, da einmal gebaute Infrastruktur im Allgemeinen nicht wieder zurück gebaut werden kann. Bereits heute übersteigen die Aufwendungen für den Erhalt von Straßen bei weitem den Rohstoffbedarf für Neubaustrecken. Schlussfolgerungen Um eine weitere Zersiedelung der Fläche mit den obengenannten weitreichenden Auswirkungen auf den langfristigen Ressourcenbedarf von Städten zu verringern, bietet sich eine verstärkte Innenentwicklung an. Folgende Ansätze liefern hierfür einen wertvollen Beitrag:  Umnutzung bestehender Gebäude  Sanierung innerstädtischer Brachflächen Bild 14. Rohstofflager Gebäudebestand – Quelle: Deutscher Abbruchverband e.V. Tendenzen Aufgrund der weltweit zunehmenden Knappheit von Ressourcen gewinnt das Thema Ressourceneffizienz stetig an Bedeutung. Die im Entwurf vorliegende Richtlinie VDI 4800 Blatt 1 „Ressourceneffizienz – Methodische Grundlagen, Prinzipien und Strategien“ definiert Ressourceneffizienz als Verhältnis eines bestimmten Nutzens oder Ergebnisses zum dafür nötigen Ressourceneinsatz. Unter Ressourcen werden dabei alle natürlichen Ressourcenquellen verstanden, das heißt abiotische und biotische Rohstoffe, Wasser, Land sowie die Senkenfunktion der Umweltmedien Boden, Wasser und Luft. Als Orte intensiver wirtschaftlicher Aktivität können Städte über eine Steigerung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zur Erhöhung der Ressourceneffizienz beitragen. Gelingt es gleichzeitig, die großen Stoffströme in Städten effizienter zu gestalten und damit eine Entkopplung des BIP vom Ressourceneinsatz zu erzielen, so kann eine signifikante Steigerung der Ressourceneffizienz erzielt werden. Städte als Ballungs-  Nachverdichtung und Aufstockung bestehender Gebäude  Nullemissionsgewerbegebiete Aufgrund ihrer stark verminderten Emissionen eignen sich Nullemissionsgewerbegebiete auch für eine Ansiedelung im direkten Wohnumfeld. Neben den sich daraus ergebenden kurzen Wegen bietet dies auch die Möglichkeit einer effizienten Energienutzung beispielsweise durch den Aufbau lokaler Wärme- und Kältenetze, die eine Kaskadennutzung zwischen Industrie und Wohngebiet erlauben. Die Bausubstanz in Städten stellt ein immenses Rohstofflager dar. Gelingt es, dieses im Sinne geschlossener Stoffkreisläufe zu nutzen, kann nicht nur wertvolles Primärmaterial eingespart werden. Auch die Transportaufwendungen lassen sich merklich reduzieren, da in Städten mit einer dynamischen Entwicklung der Rückbau bestehender Bausubstanz und der Neubau häufig räumlich sehr dicht beieinander liegen. So kann beispielsweise sortenrein vorliegender Betonabbruch stadtnah aufbereitet und als Recyclinggesteinskörnung in Frischbeton eingesetzt werden. Die Transportaufwendungen für Primärkies und -schotter von weiter entfernt liegenden Steinbrüchen können so reduziert werden, was sich positiv auf die Ökobilanz www.vdi.de 38 VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder auswirkt. Dabei können Städte sowohl für den Hochbau als auch für den Tiefbau als Materiallager dienen. Im Tiefbau ist es außerorts bereits gängige Praxis ausgebaute Materialien vor Ort aufzubereiten und sofort wieder einzubauen. Innerstädtisch fehlen hierfür noch geeignete Verfahren, deren Entwicklung einen weiteren Beitrag zur Ressourcenschonung liefern könnte.  VDI ZRE Kurzanalyse „Potenziale eines hochwertigen Recyclings im Baubereich“ Aufgrund ihrer Dichte bieten Städte optimale Voraussetzungen für Konzepte der Sharing Economy, die den Ressourcenverbrauch merklich reduzieren können, indem nicht mehr jeder einzelne Bürger bestimmte Produkte besitzt.  VDI ZRE Kurzanalyse „Ansätze zur Steigerung der Ressourceneffizienz im Automobilbau“ Ausgewählte VDI-Publikationen  VDI 4800 Blatt 1 „Ressourceneffizienz; Methodische Grundlagen, Prinzipien und Strategien“  VDI-Agenda „Ressourceneffizienz – VDIRichtlinien zur Zielerreichung“  VDI ZRE Kurzanalyse „Ressourceneffiziente Wasserkonzepte für Krankenhäuser“  VDI ZRE Kurzanalyse „Material- und Energieeffizienzpotenziale durch den Einsatz von Fertigungsdatenerfassung und -verarbeitung“  VDI ZRE Kurzanalyse „Ressourceneffizienz von Windenergieanlagen“ www.vdi.de  VDI ZRE Kurzanalyse „Ressourceneffizienz der Dämmstoffe im Hochbau“  VDI ZRE Kurzanalyse „Ressourceneffizienz im Fokus der betrieblichen Kostenrechnung“  VDI ZRE Kurzanalyse „Ressourceneffizienz durch Werkstoffsubstitution“  VDI ZRE Kurzanalyse „Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe im Fahrzeugbau“  VDI ZRE Kurzanalyse „Ressourceneffizienz der Tragwerke“  VDI ZRE Kurzanalyse „Rohstoffquelle Biomasse“  VDI Technologiezentrum „Mehr Wohlstand – weniger Ressourcen – Instrumente für mehr Ressourceneffizienz in Wirtschaft und Gesellschaft“  VDI Technologiezentrum „Mehr Wissen – weniger Ressourcen – Potenziale für eine ressourceneffiziente Wirtschaft“ VDI-Initiative Stadt:Denken – Handlungsfelder 39 Literatur [1] Reshaping economic geography, part 1 and part 2. 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