buchinside
2015/01
Foto: HELIOS/Thomas Oberländer
„Gesunder Dialog“
in Berlin-Buch
HELIOS-INTERVIEW MIT
PROF. DR. JOSEF ZACHER UND
PROF. DR. HENNING BABERG
SEITE 4
www.berlin-buch.com
TERMINE
> leben
28. APRIL BIS 23. MAI 2015
„Mensch und Zukunft.
Wissenschaft trifft Kunst“
Ausstellung mit Skulpturen von
Maja Smoltczyk und Objekten
von Hans-Volker Pürschel
Werkstatt für Zukunftsforschung
und -gestaltung (WZFG) e. V. Berlin
in Kooperation mit dem Freundeskreis
des MDC
Ort: Max Delbrück Communications
Center (MDC.C),
Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin
> buch
6. MAI 2015, 10 BIS 15 UHR
4. VITALLAUFFEST DER HOWOGE
Bambini-Lauf, 5-km-Lauf und 9-km-Lauf
für Fortgeschrittene sowie Firmenlauf.
Unterhaltungsprogramm für Teilnehmer
und Gäste.
Ort: Sportplatz der Marianne-Buggenhagen-Schule, Ernst-Busch-Straße 29,
13125 Berlin
www.howoge.de
Inhaltsverzeichnis
04
titelthema
06
forschen
08
produzieren
> leben
13. MAI 2015, 19 UHR
Künstler für Zukunft: Benefiz-Konzert
Vasily Gvozdetsky spielt Werke von
Frederic Chopin, Dimitri Schostakowich,
Harutyun Muradyan und Franz Schubert.
Organisator: Werkstatt für Zukunftsforschung und -gestaltung
Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 6 Euro
Karten können erworben werden im
„buchladen in buch“ sowie per E-Mail:
kontakt@zukunfts-werkstatt.org unter
Betreff „Mensch und Zukunft“ zur
Abholung an der Abendkasse
Ort: Max Delbrück Communications
Center (MDC.C),
Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin
> buch
13. JUNI 2015, 16 BIS 23 UHR
Lange Nacht der Wissenschaften in
Berlin und Potsdam
Ort: Campus Berlin-Buch,
Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin
und HELIOS Klinikum Berlin-Buch,
Schwanebecker Chaussee 50,
13125 Berlin
www.langenachtderwissenschaften.de
termine / inhalt
Gesunder
Dialog
Krebs: Zuckermoleküle weisen
den Weg /
Vom Patent zum Medikament
Immundefekten wirksam
begegnen /
Wirkstoff mit Potenzial
10
heilen
Alzheimer – auf der Suche nach
wirksamen Therapien
12
leben
Umweltbildung im eigenen
Schulwald /
Neue Gebiete für Stadtumbau
in Buch
14
bilden
Energiewende in Schülerhände /
Akademie erweitert Bildungsspektrum
IMPRESSUM
HERAUSGEBER: BBB Management GmbH Campus Berlin-Buch, Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin, www.bbb-berlin.de
V.I.S.D.P.: Dr. Ulrich Scheller, Dr. Andreas Mätzold REDAKTION: Annett Krause, Christine Minkewitz LAYOUT: Thomas Herbell
DESIGN KONZEPT: Irene Sackmann, kleinundpläcking markenberatung GmbH DRUCK: rucksaldruck GmbH + Co. KG
KONTAKT: Telefon +49 (0)30 94892920, Fax +49 (0)30 94892927, E-Mail: info@bbb-berlin.de
REDAKTIONSSCHLUSS: 13. April 2015 buchinside erscheint vierteljährlich und ist kostenlos.
Liebe
Leserinnen und
liebe Leser,
Foto: HELIOS/Thomas Oberländer
ich freue mich, seit Januar 2015 Klinikgeschäftsführer im HELIOS Klinikum BerlinBuch zu sein. Geboren und aufgewachsen
in Fulda, wohne ich seit fünf Jahren in der
Hauptstadt. Nach meinem Studium der
Wirtschaftswissenschaften und -informatik in Bayreuth, Spanien und Südafrika
führten mich meine Stationen bei HELIOS
von Bad Saarow über Bad Gandersheim
und Northeim nach Berlin-Zehlendorf. In
Berlin-Buch bin ich jetzt 100 Tage. Eine
gute Gelegenheit, erste Bilanz zu ziehen:
Was habe ich vorgefunden?
Buch ist einer der größten und wichtigsten
überregionalen Gesundheits- und Medizinstandorte in Berlin-Brandenburg – das ist
seit langem bekannt. Besonders interessant finde ich, dass Buch ein traditionsreicher und vor allem zukunftsorientierter
Ort ist. Dieser sehr gute Ruf ist nicht nur
regional, sondern auch international zu
spüren.
Die Weiterentwicklung von Berlin-Buch
als innovativer und dynamischer Gesundheitsstandort sollten wir gemeinsam
intensiv weiter verfolgen – in enger Zusammenarbeit zwischen den Kliniken, den
Forschungseinrichtungen und Biotechnologie-Unternehmen. Von den Ergebnissen
exzellenter medizinischer Grundlagenforschung profitieren die Patienten direkt. Dabei denke ich zum Beispiel an die hervorragende Vernetzung im Bereich Kardiologie:
Professor Dr. med. Jeanette Schulz-Menger
ist spezialisiert auf kardiovaskuläre Magnetresonanztomographie und forscht mit
ihrer Arbeitsgruppe „Kardiale MRT“ am
Experimental and Clinical Research Center
(ECRC) von Charité und Max-DelbrückCentrum. Dabei kooperiert sie eng mit
dem HELIOS Klinikum Berlin-Buch, in dem
ihre klinische Tätigkeit für die Patienten
stattfindet. Die Mittel für diese Forschung
kommen auch aus der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung und der Forschungsförderung
des HELIOS Research Centers.
Ein weiteres Beispiel ist Priv.-Doz. Dr. med.
Ralf Dechend, Oberarzt der Klinik für
Kardiologie und Nephrologie im HELIOS
Klinikum Berlin-Buch. Im Rahmen seiner
Tätigkeit am ECRC gibt es langjährige
Kooperationen, insbesondere in der
Kardiologie/Nephrologie und der Geburtshilfe, vor allem zum Thema Bluthochdruck
in der Schwangerschaft.
In den letzten Jahren sind am Bucher
HELIOS Klinikum viele neue medizinische
Behandlungsmöglichkeiten und zertifizierte Zentren entstanden – verbunden
mit hohen Ansprüchen an die Qualität der
Versorgung. Mehr als 17 Millionen Euro
haben wir 2013 und 2014 am Standort aus
Eigenmitteln investiert. Allein im vergangenen Jahr wurden rund 50.000 stationäre und 109.000 ambulante Patienten
behandelt. Dazu kommen fast 156.000
Patientenfälle in der Poliklinik. Diesem
großen Vertrauensbeweis in unsere hochwertige, kompetente medizinische und
pflegerische Versorgung wollen wir auch in
Zukunft gerecht werden.
Gemeinsam mit Ärzten, Pflegefachkräften,
Psychologen, Therapeuten, Medizintech-
nikern sowie allen anderen Mitarbeitern
stehen für mich die optimale Patientenversorgung, sowohl stationär als auch
ambulant, und die weitere Entwicklung
der Bucher Spitzenmedizin im Mittelpunkt
unserer Vorhaben.
Insbesondere die Zusammenarbeit mit unseren zuweisenden Kooperationspartnern
sowie die Erweiterung der fachübergreifenden medizinischen Versorgung sehe ich
als zwei große Aufgaben in diesem Jahr.
Buch gehört zu den Zukunftsorten Berlins,
und dieser Anspruch sollte noch viel stärker im Ortsteil sichtbar werden. Umweltfreundliche Verkehrssysteme, E-Mobility
oder ein intelligentes Radwegesystem
könnten dazu beitragen. Davon würden
alle profitieren, die nach Berlin-Buch kommen, hier arbeiten, forschen und leben:
Mitarbeiter, Patienten, Besucher und nicht
zuletzt die Bucher und Barnimer Bürger.
Dr. Sebastian Heumüller
Klinikgeschäftsführer
HELIOS Klinikum Berlin-Buch
2015/01_3
Gesunder
Dialog
Prof. Dr. med. Josef
Zacher, Ärztlicher Direktor des HELIOS Klinikums
Berlin-Buch, und Prof.
Dr. med. Henning Baberg,
designierter Ärztlicher
Direktor, im Gespräch mit
buchinside
Interview: Susanne Hansch
Fotos: HELIOS/Thomas Oberländer
PROF. ZACHER (3. V. LINKS) UND PROF. BABERG SIND MITGLIEDER DES MEDIZINISCHEN
BEIRATS BEI HELIOS, DER DIE GESCHÄFTSFÜHRUNG FACHLICH BERÄT.
Die HELIOS Kliniken Gruppe will künftig den
„Gesunden Dialog“ nach außen suchen. Was
ist damit gemeint?
Prof. Zacher: Wir werden selbständiger
als bisher auf die verschiedenen Interessengruppen zugehen. Es geht darum,
mit unseren – in der Regel oft auch sehr
kritischen – Zielgruppen einen Dialog zu
pflegen, Rückmeldungen zur Pflege und
Versorgung zu reflektieren und Veränderungen herbeizuführen. Wir wollen
mit Patienten, Bürgern, Pressevertretern,
Verbänden, der Politik sowie natürlich mit
den eigenen Mitarbeitern noch mehr ins
Gespräch und in den konstruktiven, vor
allem direkten Austausch kommen.
Fragen soll künftig bei zentralen, regionalen und lokalen Veranstaltungen diskutiert
werden – aber auch über das Gesundheitssystem oder konkrete Probleme vor Ort.
Nennen Sie einige Themen?
Prof. Baberg: Sind exzellente medizinische
Versorgung und Wirtschaftlichkeit ein Widerspruch? Wie kann man mit der Arbeitsverdichtung im Krankenhaus umgehen?
Warum ist Transparenz für Qualitätsmedizin so notwendig? Über diese und andere
Welche Entwicklungen gab es in letzter Zeit
im HELIOS Klinikum Berlin-Buch?
Prof. Zacher: Auch in den letzten beiden Jahren waren die Investitionen aus
Eigenmitteln beeindruckend: Mehr als 17
Millionen Euro in Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen, in neueste Medizin-
CHEFARZTVISITE MIT PROF. BABERG
titelthema
ELEKTROPHYSIOLOGIELABOR
technik wie z. B. in die Linearbeschleunigeranlage der Strahlentherapie, einen
neuen Linksherzkathetermessplatz, das
Elektrophysiologielabor im Interventionszentrum, ein neues Angiographiesystem
und ein Upgrade des MRT-Systems.
Mit Prof. Michael Ritter haben wir einen
Diabetologie-Experten eingestellt. In
Deutschland ist schon fast jeder zehnte
Mensch an Diabetes erkrankt – mit zunehmender Tendenz. Typische Folgen sind
Schäden an Augen, Nerven, Nieren und
Durchblutungsstörungen. Weil Diabetes
oft unerkannt ist, können in Krankenhäusern 30 Prozent der Patienten von einem
Diabetes betroffen sein. Bei medikamentösen oder invasiven therapeutischen
Maßnahmen kann sich die Therapie des
Diabetikers von einem Nicht-Diabetiker
unterscheiden, so dass die Erkrankung
und ihre Auswirkungen möglichst genau
bei jedem Patienten bekannt sein sollten.
Ziel in Berlin-Buch ist, bisherige Kompetenzen zu bündeln, zu strukturieren und
auszubauen.
Gibt es weitere Innovationen?
Prof. Zacher: Zum Beispiel in der Strahlentherapie: Die rasante Entwicklung der
Computertechnik ermöglicht heute eine
Strahlenbehandlung mit nie da gewesener Präzision und Effizienz. Unsere Klinik
verfügt über modernste Anlagen für unterschiedliche Anwendungen. Damit können wir an Tumoren erkrankte Patienten
optimal therapieren, die Bestrahlung individuell abstimmen und exakt bestrahlen,
so dass umliegendes Gewebe geschont
wird. Dazu gehören z. B. die intraoperative
Elektronen-Radiotherapie (IOERT) und die
Hyperthermie-Behandlung.
Mit der Möglichkeit der allogenen Stammzelltransplantation haben wir außerdem
eine weitere neue Behandlungsmöglichkeit für Tumorpatienten etabliert.
FÜHRUNGSWECHSEL
Prof. Dr. med. Josef Zacher ist seit 1993
Chefarzt der Bucher Orthopädie, seit 2006
Ärztlicher Direktor des HELIOS Klinikums
Berlin-Buch, seit 2010 außerdem Chefarzt
des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie. Ab dem 1. Juli 2015 übernimmt
Prof. Dr. med. Henning Baberg, Chefarzt
der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und
Nephrologie, die Funktion des Ärztlichen
Direktors. Prof. Zacher wird weiterhin als
Sprecher aller HELIOS Fachgruppenleiter in
der HELIOS Kliniken Gruppe tätig sein.
Warum steht die Behandlung von Tumorerkrankungen so im Fokus?
Prof. Zacher: Bei steigender Lebenserwartung und sich deutlich ändernder
Altersstruktur der Bevölkerung wird die
Diagnose Krebs in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Diesen höheren
Anforderungen wollen wir uns stellen. Die
erfolgreiche Behandlung von Tumorpatienten, eine verbesserte Lebensqualität
und oft auch gute Prognose ist heute für
viele bereits möglich.
Haben Zertifizierungen einen Nutzen für die
Patienten?
Prof. Zacher: Ja, sie können sicher sein, fachübergreifend und nach geprüften, aktuellen
Standards behandelt zu werden. Neben
der Zertifizierung des Brustzentrums und
Darmzentrums, die schon seit vielen Jahren
erreicht wurde, war die Zertifizierung zum
Onkologischen Zentrum Berlin-Buch im
vergangenen Jahr ein Meilenstein für uns.
Gibt es aktuelle Zertifizierungspläne weiterer
Fachbereiche?
Prof. Baberg: Im Februar hat unsere Krankenhausapotheke das Qualitätszertifikat von
der Bundesapothekenkammer erhalten.
Diese Auszeichnung bestätigt, dass sie ein
apothekenspezifisches Qualitätsmanagementsystem zur Qualitätssicherung und
Qualitätsverbesserung anwendet. Weitere
Zertifizierungen, z. B. der Deutschen Diabetes Gesellschaft und im Perinatalzentrum,
sind angestrebt.
Wie arbeiten die medizinischen Einrichtungen am Standort zusammen?
Prof. Zacher: Unser Klinikum mit Maximalversorgung mit über 1.000 Betten und
die zwei Spezialkliniken – das Immanuel
Krankenhaus mit Schwerpunkt Rheumatologie und die Evangelische Lungenklinik
– arbeiten seit vielen Jahren fachübergreifend zusammen und ergänzen sich:
gemeinsame Patienten, gemeinsame
Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte und
Pflegepersonal, gemeinsame Beteiligung
an Veranstaltungen für die Öffentlichkeit.
Prof. Baberg: Traditionell bilden alle drei
Krankenhäuser auch ihre Pflegefachkräfte und weiteres mittleres medizinisches
Fachpersonal in Kooperation mit der
Bucher Akademie der Gesundheit BerlinBrandenburg e. V. aus. In diesem „Gesundheits-Umfeld“ haben sich Ambulanzen und
Facharztpraxen etabliert, die eng mit den
Bucher Kliniken zusammenarbeiten.
Welche Potenziale hat der Standort?
Prof. Zacher: Die wachsende Bedeutung
DAS AKTUELLE UPGRADE BEIM 1,5 TESLAGERÄT GESTATTET DER AG „KARDIALE
MRT“ UNTER LEITUNG VON PROF. DR. MED.
JEANETTE SCHULZ-MENGER, EXZELLENTE
MEDIZIN UND FORSCHUNG ZU VERBINDEN.
des Gesundheitsstandortes Berlin-Buch
zeigt sich in wichtigen Entscheidungen,
die HELIOS als einer der größten Arbeitgeber der Region in den letzten Jahren
getroffen hat: den Neubau des Klinikums
und Investitionen von mehr als 265
Millionen Euro zu realisieren sowie weitere Ludwig-Hoffmann-Bauten auf dem
Klinikcampus C. W. Hufeland zu rekonstruieren und für die Patientenversorgung
zu nutzen. Dadurch behält dieser Teil von
Buch sein ebenso lebendiges wie traditionsbewusstes Flair.
Prof. Baberg: Wichtigste Aufgabe wird sein,
Grenzen zwischen den Ländern Berlin
und Brandenburg zu überwinden und das
Gemeinsame auszubauen. Dazu gehört,
die Randlage im Nordosten Berlins positiv
als Verbindung zwischen Berlin und
Brandenburg zu sehen. Schon heute sind
zum Beispiel die Wohnorte unserer Mitarbeiter ebenso wie die unserer Patienten
länderübergreifend. Insgesamt geht es
darum, Investitionen zu fördern und vor
allem die Gesundheitsstadt in den Vordergrund zu stellen: Berlin-Buch steht für
Forschen, Heilen, Pflegen, Bilden, Wohnen
und Leben.
2015/01_5
Krebs: Zuckermoleküle weisen den Weg
Neuartige Xenon-Kernspintomographie spürt Krebsherde auf.
Text: Birgit Herden / Visualisierung: Barth van Rossum
Ob Körperzellen krankhaft entarten, kann
man im Prinzip schon auf ihrer Oberfläche
anhand veränderter Zuckerverbindungen
ablesen. Wissenschaftlern am LeibnizInstitut für Molekulare Pharmakologie
(FMP) ist es nun gelungen, Zellen mit bestimmten Zuckerverbindungen mittels der
neuartigen Xenon-Kernspintomographie
zu lokalisieren. Das eröffnet die Möglichkeit, Krebs- und Entzündungsherde auch
tief in den Gewebsschichten aufzuspüren.
Zu den charakteristischen Eigenschaften
von Zellen gehören nicht nur Gene und
Proteine, sondern auch Glykane – komplexe Zuckerverbindungen, mit denen
ihre Oberflächen gespickt sind. Noch steht
die Biologie erst am Anfang, den „GlykanCode“ zu entschlüsseln – doch schon
länger ist bekannt, dass sich mit dem Einsetzen von Krebs oder Entzündungsprozessen auch die Struktur der Glykane auf
den Zelloberflächen ändert. So findet man
auf Tumorzellen beispielsweise vermehrt
Sialinsäuren vor – und je mehr Sialinsäu-
ren eine Krebszelle trägt, desto größer ist
die Wahrscheinlichkeit für die Bildung von
Metastasen.
Die Glykanmuster auf den Zellen zu
erforschen, ist allerdings alles andere als
einfach. Mit der nun im renommierten
Fachmagazin „Angewandte Chemie“ veröffentlichten Arbeit gelang es den FMPForschern, in einem Modellsystem Zellen
anhand markierter Sialinsäuren mittels
Kernspintomographie zu lokalisieren.
Möglich wurde dies durch die Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen von Christian
Hackenberger und Leif Schröder, die beide
an dem interdisziplinären Leibniz-Institut
forschen.
Molekularer Spürhund
Schon länger entwickelt der Physiker Leif
Schröder dort die potenziell bahnbrechende Xenon-Kernspintomographie. Diese setzt als Signalgeber hyperpolarisiertes
Xenon-Edelgas ein, das 100.000-fach
CHEMIE TRIFFT PHYSIK – MIT DER XENON-KERNSPINTOMOGRAPHIE KÖNNEN GLYKANE IM
MR-TOMOGRAPHEN (MRT) ERFORSCHT WERDEN: AN DEN SENSOR, DER MIT DER AZIDGRUPPE
AN DER SIALINSÄURE DES GLYKANS REAGIERT, WURDE EIN KÄFIGARTIGES MOLEKÜL GEHEFTET, DAS XENON-ATOME EINFÄNGT. DIE MARKIERTEN ZELLEN LEUCHTETEN IM XENONMRT AUF UND GRENZEN SICH VON ANDEREN DEUTLICH IM KONTRAST AB.
forschen
stärkere Signale als Wasserstoff aussendet
und in Kombination mit Biosensoren zum
molekularen Spürhund wird.
Durch die Zusammenarbeit mit dem Chemiker Christian Hackenberger ist nun klargeworden, dass sich die Xenon-Kernspintomographie auch dafür eignet, Glykane
im undurchsichtigen größeren Organismus
zu erforschen. Hackenberger setzte dafür
Methoden der „bioorthogonalen Chemie“
ein – damit bezeichnet man chemische
Veränderungen an Biomolekülen, die
in lebenden Zellen oder sogar in Tieren
durchgeführt werden können. In dem
Versuch erhielten die Zellen in Kulturschalen zunächst für einige Tage ein besonderes
Nährmedium – es enthielt den gewöhnlichen Zucker Mannose, der aber durch
eine Azidgruppe chemisch modifiziert war.
Die so veränderte Mannose wird von den
Zellen ganz normal verstoffwechselt und in
Glykane wie Sialinsäuren eingebaut.
Nun fügten die Forscher eine zweite Komponente hinzu: „Dieser molekulare Sensor
reagiert quasi auf Knopfdruck und geht
eine spezifische und feste Verbindung mit
der Azidgruppe an der Sialinsäure ein“,
erklärt die zweite Erstautorin Vera Martos.
An diesen Sensor hatten die Chemiker
wiederum ein käfigartiges Molekül
geheftet, das Xenon-Atome einfängt. Das
Resultat: Die markierten Zellen leuchteten
im Xenon-Kernspintomographen auf und
es entstanden Aufnahmen, in denen sich
markierte Zellen von anderen deutlich
im Kontrast abgrenzten – aufgenommen
mittels Magnetfeld und Radiowellen.
Zwar wurden die Zellen bisher nur in einer
eigens gebauten Apparatur lokalisiert,
die als Modell für ein Organ oder einen
ganzen Organismus dient. Trotzdem zeigt
das Experiment deutlich das Potenzial
der Methode, die Glykanmuster auch
in Versuchstieren wie beispielsweise in
Mäusen zu orten. „Denkbar ist, dass wir die
Entwicklung entarteter Zellen innerhalb
der Tiere verfolgen werden”, spekuliert Leif
Schröder. „Auf diese Weise könnte man
einmal mehr über die Rolle der Glykane
herausfinden.“
www.fmp-berlin.de
Vom Patent
zum
Medikament
Neue Impulse für
den Technologietransfer
am MDC
Text: Christine Minkewitz, Ulrich Scheller
Derzeit gibt es etwa zwanzig Arbeitsgruppen am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), die neue, marktfähige
Ansätze für medizinische Therapien oder Diagnostika entdeckt haben. Dass solche Entdeckungen Basis von erfolgversprechenden
Unternehmen sein können, haben jüngst
die Ausgründungen Omeicos (siehe auch
Seite 9) und Berlin Cures bewiesen. Doch die
Wege, wissenschaftliche Erkenntnisse zur
Anwendung zu bringen, sind vielfältig und
erfordern strategisches Fingerspitzengefühl.
Werden bestimmte Weichen falsch gestellt,
ist es für eine Vermarktung meist zu spät.
Mit der Gründung des Berliner Instituts
für Gesundheitsforschung (Berlin Institute
of Health /BIH), welches MDC und Charité
in einem gemeinsamen Forschungsraum
zusammenbringt, wurde die Abteilung
Technologietransfer am MDC personell
verstärkt. Die Abteilung ist zuständig für die
kommerzielle Verwertung von Forschungsergebnissen am MDC und gemeinsam mit
der Charité auch für den Forschungsraum
des BIH. Dabei kooperiert das MDC eng mit
der Technologietransferstelle der Charité
und der Ascenion GmbH.
Dr. Jeanette Libera-Körner (Foto) ist seit
einem halben Jahr Technologiemanagerin
am MDC. Gemeinsam mit ihren Kollegen
berät sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Verwertung von Ideen.
„Für die Arbeitsgruppen steht natürlich im
Vordergrund, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen und zu publizieren“, so
Libera-Körner. „Wir können ihnen die ersten
Schritte aufzeigen, die notwendig sind, um
den Weg zu einer kommerziellen Dienstleistung oder einem Produkt einzuschlagen.“
Als Biophysikerin hat Libera-Körner zwanzig
Jahre Erfahrungen in der Industrie gesam-
melt, ist mit allen Bereichen der Produktentwicklung bis hin zu Produktion und Vertrieb
vertraut. Viele ihrer Projekte basierten auf
der Zusammenarbeit mit akademischen
Instituten. Ihre Kenntnis setzt sie nun ein,
um Entwicklungspartner für aussichtsreiche Produktideen aus der Forschung zu
finden. Die Arbeit beginnt jedoch bereits
im Vorfeld, etwa, wenn es gilt, die Wissenschaftler für den Technologietransfer zu
sensibilisieren. Es werden Coachings durch
Industrieexperten für einzelne Arbeitsgruppen sowie eine Vielzahl von Schulungen
angeboten.
Bahnt sich in einer Arbeitsgruppe eine
Erfindung an, ist die Abteilung Technologietransfer erste Anlaufstelle. Dort werden das
kommerzielle Potenzial und Patentierungsoptionen geprüft. Nicht immer eignen sich
Erfindungen als Basis für Firmenausgründungen, zum Beispiel, wenn es an einem
geeigneten Geschäftsmodell oder den
unternehmerischen Ambitionen der Wissenschaftler fehlt. Weit häufiger bietet sich
die Weiterentwicklung in Kooperation mit
Industriepartnern oder die Lizensierung an
Industriepartner an. Den geeigneten Weg
auszuwählen und die Wissenschaftler darin
zu unterstützen, ihre Projekte entsprechend
zu entwickeln, ist Aufgabe der Technologie-
manager. Hierzu gehört auch die Beratung
zu Projektmanagement und Fördermöglichkeiten. „Beispielsweise können sich
MDC- und Charité-Mitarbeiter für die BIH
Technology Transfer Fonds bewerben,
die wir einmal im Jahr für ‚Pharma‘ und
‚Medizinprodukte‘ ausschreiben“, so LiberaKörner. „Im Rahmen der Begutachtung wird
das Transfer-Potenzial durch externe Experten geprüft, und anschließend werden
weitere Schritte zur Kommerzialisierung
gefördert. Aber auch sonst unterstützen
wir bei der Ausarbeitung von Forschungsund Entwicklungsplänen und vermitteln
Entwicklungspartner.“
Soll es zu einer Entwicklungskooperation
oder einem Lizenzvertrag kommen, ist eine
klare Regelung hinsichtlich der Rechte am
geistigen Eigentum (engl. intellectual property, kurz IP) erforderlich. Das vom MDC
eingebrachte IP verbleibt beim MDC und
wird zum Zweck der Weiterentwicklung an
den Industriepartner lizenziert. Das in der
Weiterentwicklung neu entstehende, zusätzliche IP gehört im Falle einer Kooperation meist beiden Partnern und im Falle einer
Lizensierung dem Industriepartner allein. In
beiden Fällen wird es zusammen mit dem
ursprünglichen IP vom Industriepartner genutzt, und das MDC sowie die Forschungsgruppen partizipieren über Meilensteinzahlungen und Umsatzbeteiligungen daran.
Auch bei Ausgründungen verbleibt das
relevante IP beim MDC, wird aber zu startup-verträglichen Konditionen lizenziert,
von denen das MDC erst profitiert, wenn
der Spin-off selbst kommerziell erfolgreich
ist. „Eine solche Regelung ist essenziell, um
Investoren für sich zu interessieren und
Kapital einzuwerben“, erklärt Libera-Körner.
Dem MDC und den Erfindern kommt also
jede Form der Verwertung zugute, sei es
durch Lizenzverträge oder Firmengründungen. An den Spin-offs Omeicos und Berlin
Cures hat sich die Ascenion GmbH für das
MDC beteiligt. Da das MDC als Zustifter der
Life Science Stiftung auch an den Erfolgen
von Ascenion beteiligt ist, profitiert es
ebenfalls vom Potenzial der Unternehmen.
www.mdc-berlin.de
TECHNOLOGIETRANSFER DES MDC 2014
Ausgründung: Berlin Cures (Spin-off von Charité und MDC)
Patentanmeldungen: 13
Patentfamilien: 95
Entwicklung von Medikamenten, die auf IP des MDC beruhen:
• Blincyto der Firma Amgen (Zulassung durch amerikanische Arzneimittelbehörde FDA)
• BAX111 der Firma Baxter International Inc. (FDA-Zulassung ist beantragt)
2015/01_7
Immundefekten
wirksam
begegnen
Antikörper, die sich
gegen den Körper richten,
lassen sich entfernen.
Text: Michaela-Nicola Riedemann
Foto: Christine Minkewitz
IM LABOR DER E.R.D.E.-AAK-DIAGNOSTIK GMBH: (V.L.N.R.) DR. PETER KARCZEWSKI,
PETRA HEMPEL, BERND LEMKE UND MARION BIMMLER
Jeder Mensch ist froh, wenn sein Immunsystem gut arbeitet und sich automatisch
als körpereigenes Abwehrsystem Eindringlingen entgegenstellt und diese neutralisiert. Die „Soldaten“ dieser Bio-Armee
sind die Antikörper. Sie sind die Guten im
Kampf für die Gesundheit. Es gibt aber
auch solche, die das Gegenteil bewirken.
Sie sind die „Bad Guys“ unter den Antikörpern, weil sie körpereigene Strukturen
angreifen und statt gesund krank machen.
Die E.R.D.E.-AAK-Diagnostik GmbH auf dem
Campus Buch widmet sich der Aufgabe,
agonistische Autoantikörper (agAAK), die
gegen zelluläre Rezeptoren körpereigener
Gewebe wirken, mit speziellen Analyseverfahren aufzuspüren und ihre Beteiligung
am Krankheitsgeschehen zu definieren.
Dadurch ist es möglich, Betroffenen zu
wirkungsvolleren Therapien zu verhelfen.
Das Laborunternehmen ist kommerzieller
Anbieter für Autoantikörpertestungen
und entwickelte sich 2005 aus dem Verein
E.R.D.E. e. V. Dieser wurde 2001 gegründet
und spezialisierte sich auf die Diagnostik
von agonistisch wirkenden Autoantikörpern, mit dem Fokus auf Gefäßerkrankungen. 2005 wurde das Labor in eine
eigenständige GmbH ausgegründet.
Agonistische Autoantikörper spielen eine
wesentliche Rolle bei Volkskrankheiten
wie Bluthochdruck, Diabetes und Demenz. Bei Patienten mit Diabetes sind sie
mitverantwortlich für Nierenerkrankungen,
Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall
und Erkrankungen der Herzkranzgefäße,
möglicherweise steigt auch das Risiko,
an Demenz zu erkranken. Bei Menschen
mit Alzheimer oder vaskulärer Demenz,
einer Demenzentwicklung basierend auf
Durchblutungsstörungen des Gehirns, sind
die Autoantikörper für die Verminderung
des Blutflusses im Gehirn verantwortlich, so
dass die Versorgung mit Blut im Gehirn reduziert ist und möglicherweise Schadstoffe
nicht abtransportiert werden. Und auch
bei Transplantatabstoßungen der Niere
sind agonistische Autoantikörper oftmals
beteiligt.
diese Methode die Patientensituation in
vielen Fällen deutlich verbessert. Auch die
Veränderung der Medikation des Patienten
verbessert die Krankheitsverläufe. So können Blocker der betroffenen Rezeptoren
die Wirkung der agonistischen Autoantikörper abschwächen oder sogar aufheben.
Diese Rezeptorblocker werden bereits für
andere Indikationen in der klinischen Praxis
eingesetzt.
Unterschiedliche Verfahren
„Wir haben Pionierarbeit auf diesem speziellen Gebiet geleistet“, so Marion Bimmler, die
bereits seit 46 Jahren auf dem Campus tätig
ist und in dieser Zeit viele Veränderungen
und Umstrukturierungen miterlebt und
mitgestaltet hat. 2002 erhielt sie für ihre
Leistungen den Bundesverdienstorden. Die
Inhaber betonen, dass sie wegen der Unabhängigkeit kein Fremdkapital eingeworben
haben, weshalb es viele kleine Schritte gab.
„Unsere Neugierde trieb uns an. Ohne klinische oder pharmazeutische Partner können
wir Studien allerdings nicht realisieren.“
Fresenius Medical Care, die HELIOS Kliniken,
die Uniklinik Jena und die Berliner Charité
gehören unter anderem als Partner dazu,
ebenso ein internationales Netzwerk, das
sich von Frankreich, Italien über die Türkei,
Libanon, Saudi Arabien bis hin zu Litauen
und Russland spannt. Künftig wird es auch
eine Zusammenarbeit mit Noventalis auf
dem Campus Berlin-Buch geben.
produzieren
Hier kommt die E.R.D.E.-AAK-Diagnostik
GmbH mit ihren Forschungsarbeiten und
Dienstleistungen ins Spiel. Der Nachweis
von agonistisch wirkenden Autoantikörpern kann mit unterschiedlichen Verfahren
erfolgen. Am effektivsten ist der zellfreie
ELISA, ein standardisierter Test, mit dem
alle agonistischen Autoantikörper in einer
Serumprobe analysiert werden können.
Wurden die schädlichen Autoantikörper im
Labor diagnostiziert, können sie mithilfe
moderner Medizintechnik aus dem Blutkreislauf des Patienten entfernt werden.
„Der Nutzen für den Patienten kann enorm
hoch sein. Bei ersten Demenzpatienten beobachten wir zwölf Monate nach Behandlung eine Stabilisierung der Gedächtnisleistung“, erzählt Marion Bimmler, Dipl.-Ing. für
medizinische Labortechnik, die neben dem
Kybernetiker Bernd Lemke einer der beiden
Köpfe des Unternehmens ist. Zahlreiche
Studien haben inzwischen belegt, dass
Pionierarbeit geleistet
www.aak-diagnostik.de
Wirkstoff mit Potenzial
Campus-Unternehmen OMEICOS erhält mehrere Millionen Euro für die
präklinische Entwicklung seines Wirkstoffs gegen Vorhofflimmern.
Text und Foto: Christine Minkewitz
Die Aussicht, erste Studien mit Patienten realisieren zu können, motiviert das Team von
OMEICOS Therapeutics in höchstem Maße.
Denn alle bisherigen Daten deuten darauf
hin, dass die Wissenschaftler und Gründer
eine Möglichkeit gefunden haben, Vorhofflimmern erstmals ursächlich behandeln
zu können. „Mit klassischen Medikamenten
lassen sich die Symptome therapieren, nicht
aber zugrundeliegende Herzerkrankungen.
Die Sterblichkeit der Betroffenen bleibt
doppelt so hoch. Unser Wirkstoff hat jedoch
das Potenzial, einen heilenden Einfluss auf
die Herzmuskulatur auszuüben“, erklärt der
Geschäftsführer und CSO Dr. Robert Fischer.
Derzeit leiden allein in der EU fünf bis zehn
Millionen Menschen unter Vorhofflimmern,
der häufigsten Form einer Herzrhythmusstörung. Die Zahl der Betroffenen wird
durch die alternde Gesellschaft jährlich
steigen. Entsprechend hoch ist der medizinische Bedarf an einem wirksamen
Medikament – und damit auch dessen
kommerzielles Potenzial. Jetzt hat sich
ein Investorensyndikat mit 5,7 Millionen
Euro an OMEICOS beteiligt und damit die
präklinische Entwicklung des Wirkstoffs
gesichert. „Mit dieser Finanzierung können
wir in den nächsten zwei Jahren fokussiert
an der Entwicklung der Substanz arbeiten“,
so COO Dr. Karen Uhlmann.
Der Ansatz für den neuen Wirkstoff ist
aus einer systematisch vergleichenden
Forschung am Max-Delbrück-Centrum für
Molekulare Medizin (MDC) entstanden:
„Seit mehr als zehn Jahren erforschen wir
Enzyme aus der Cytochrom-P450-Familie,
die Fettsäuren zu biologisch aktiven Verbindungen umsetzen können. Dabei sind wir
auf ein unbekanntes Stoffwechselprodukt
von Omega-3-Fettsäuren gestoßen“, so AGLeiter Dr. Wolf-Hagen Schunck. „Ausgehend
von der theoretischen Feststellung, dass
dort ein neuartiges Molekül entsteht, haben
wir uns gefragt, ob dieses Stoffwechselprodukt, Metabolit genannt, für die besondere
herzschützende Wirkung von Omega3-Fettsäuren verantwortlich sein könnte. In
der Zellkultur konnten wir dann beobach-
ten, dass diese natürliche Verbindung die
Kontraktionsfähigkeit von Herzzellen positiv
beeinflusst.“ Dr. Robert Fischer, spezialisiert
auf die Behandlung von Herzrhythmusstörungen, regte an, den neuen Wirkmechanismus für die Behandlung von Vorhofflimmern einzusetzen.
Vom Molekül zum Wirkstoff
Die nächsten dafür notwendigen Schritte
konnten die Entdecker dank der PreGo
Bio-Förderung vom MDC gehen. „Insbesondere hat uns diese Förderung ermöglicht,
in Kooperation mit Dr. John Russel Falck
vom Medical Center der University of Texas
Southwestern synthetische Moleküle mit
vergleichbarer chemischer Struktur und
Funktion zu entwickeln. Die ‚Kopie‘ der
natürlichen Metaboliten ist ein notwendiger
Schritt, da die natürlichen Moleküle als Basis
für ein Medikament nicht geeignet sind.
Nach zahlreichen Versuchen erhielten wir
schließlich einen zuverlässig stabilen Wirkstoff “, erklärt Wolf-Hagen Schunck.
„Wir konnten zeigen, dass dieser Wirkstoff
Rhythmusstörungen in erkrankten Herzen
signifikant reduziert. Somit hatten wir einen
hervorragenden Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Medikaments“, so Dr. Fischer.
Um den Wirkstoff bis zur klinischen Anwendung zu entwickeln, hat das Team im Juni
2013 OMEICOS Therapeutics als Spin-off des
MDC auf dem Biotech-Campus Berlin-Buch
gegründet. In der Vorgründungsphase
fanden die Gründer Unterstützung durch
Technologietransfer-Manager des MDC
und der Ascenion GmbH und konnten
Mittel der Ausgründungsförderung der
Helmholtz-Gemeinschaft (HelmholtzEnterprise) einwerben. Durch die Beteiligung des High-Tech Gründerfonds und eine
ProFIT-Förderung des Landes Berlin startete
OMEICOS schließlich mit einem Kapital von
500.000 Euro.
Auf dem Campus kooperiert OMEICOS
weiterhin eng mit den Arbeitsgruppen
der Mitgründer Dr. Wolf-Hagen Schunck
(MDC) und Dr. Dominik N. Müller (ECRC).
Mit dem Biotech-Unternehmen Lipidomix
wurde eine Diagnostik für die Metaboliten
entwickelt. „Der Austausch mit CampusUnternehmen ist sehr hilfreich. Dank der
räumlichen Nähe lässt sich vieles im persönlichen Dialog schneller und tiefgehender
klären“, so Dr. Uhlmann. „Hervorzuheben
ist auch die flexible Unterstützung der BBB
Management GmbH.“
www.omeicos.com
GRÜNDERTEAM: (V.L.N.R.) DR. SCHUNCK, DR. FISCHER, DR. UHLMANN, DR. MÜLLER
2015/01_9
Alzheimer – auf der Suche nach
wirksamen Therapien
Die Gedächtnissprechstunde des Experimental and Clinical Research Centers
(ECRC) wendet sich an ältere Menschen mit kognitiven Störungen. buchinside
sprach mit dem Leiter, PD Dr. med. Oliver Peters, über die Arbeit der
Hochschulambulanz, welche klinische Versorgung und Forschung umfasst.
Interview: Christine Minkewitz / Fotos: privat
Wie ist Ihre Hochschulambulanz entstanden?
Im Norden Berlins und den angrenzenden
Landkreisen leben sehr viele ältere Menschen, die allein aufgrund ihres Alters ein
erhöhtes Risiko haben, an einer Gedächtniserkrankung zu leiden. Dies ist einer der
Gründe, warum wir vor zwei Jahren die Gedächtnissprechstunde in Buch gegründet
haben. Unsere Hochschulambulanz bietet
eine spezialisierte Diagnostik von kognitiven Störungen, von der Betroffene aus der
Region profitieren. Zum anderen finden wir
hier am Experimental and Clinical Research
Center der Charité und des Max-DelbrückCentrums für Molekulare Medizin (MDC)
exzellente Bedingungen, um chronisch
neurodegenerative Erkrankungen zu erforschen und Therapien zu entwickeln.
PD DR. MED. OLIVER PETERS
Welchen Schwerpunkt hat Ihre Ambulanz?
Die Ambulanz wendet sich generell an
Menschen, die 50 Jahre oder älter sind und
eine Minderung ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit oder eine dauerhaft gedrückte
Stimmung bei sich feststellen. Viele chronisch neurodegenerative Erkrankungen
werden erst mit dem Rentenalter, also 65
Jahren, symptomatisch. Wir sind aber daran
interessiert, diese Erkrankungen zu erkennen, wenn noch keine Symptome auftreten
und nur ein biologischer Nachweis möglich
ist. In Sonderfällen, wenn der Verdacht auf
eine erbliche neurodegenerative Erkrankung besteht, bieten wir auch jüngeren
Patienten eine Untersuchung an.
Auf welche Weise ist es möglich, Patient Ihrer
Ambulanz zu werden?
Um von uns aufgenommen zu werden,
bedarf es lediglich einer Überweisung.
Als Hochschulambulanz ergänzen wir die
kassenärztliche Versorgung und sind ganz
heilen
besonders darum bemüht, am Fortschritt
in der Diagnostik und Behandlung von
Patienten mitzuwirken. Unsere Diagnostik
bieten wir zunächst allen Patienten an,
unabhängig von klinischen Studien.
Welche Untersuchungen führen Sie durch?
Nach der Anamnese und einem ersten
orientierenden Gedächtnistest legen wir
fest, ob ein ausführlicheres neuropsychologisches Screening und Bluttests erfolgen sollten. Im Screening prüfen wir eine
Vielzahl von kognitiven Domänen: die Gedächtnisleistung, die Orientierungsleistung
und die Fähigkeit, komplexe Formen oder
Muster zu erkennen und zu reproduzieren.
Ergeben sich Auffälligkeiten, veranlassen
wir eine Bildgebung des Kopfes sowie
eine Untersuchung der Gehirnflüssigkeit.
Unsere Patienten haben den Vorteil, mittels
Ultrahochfeld-Magnetresonanz-Tomographie untersucht werden zu können. Diese
Technologie wird hier am ECRC eingesetzt
und stellt das Gehirn in bisher unerreichter
Genauigkeit dar. Unser Kooperationspartner ist Professor Niendorf, welcher die
Berlin Ultrahigh Field Facility leitet. Die
Untersuchung des Gehirnwassers, auch
Liquor genannt, gehört ebenfalls zu unseren Spezialleistungen. Dadurch können
wir zunächst ausschließen, dass die Gedächtnisstörungen durch eine chronische
Entzündung des zentralen Nervensystems
verursacht werden.
Durch einen Vergleich der Eiweiße im
Blut und im Liquor ermitteln wir, ob eine
Störung der Blut-Hirn-Schranke vorliegt.
Im nächsten Schritt bestimmen wir weitere
Proteine im Liquor, sogenannte Neurodegenerations-Biomarker. Dazu gehören
Beta-Amyloid-Proteine, aus denen die typischen Plaques entstehen und Tau-Proteine.
DAS TEAM DER BUCHER GEDÄCHTNISSPRECHSTUNDE
Beide Spezialmessungen führen wir in
Kooperation mit Professor Heppner von der
Neuropathologie der Charité und Professor
Erich Wanker vom MDC durch.
Wie profitieren die Patienten von der Gedächtnissprechstunde?
Wir können dank der spezialisierten Untersuchungen sehr genau diagnostizieren,
ob und in welchem Maß eine kognitive
Störung oder ein demenzielles Syndrom
vorliegt. Was wir aber auch in relevantem
Maße finden, sind kognitive Defizite im
Rahmen von depressiven Störungen. Das
ist ganz entscheidend für die weitere Therapie. Ohne die Spezialdiagnostik könnten
wir in einigen Fällen nicht differenzieren, ob
eine Depression vorliegt, die kognitive Defizite verursacht, oder ob eine beginnende
chronisch neurodegenerative Erkrankung
vorliegt – welche von einer Depression
begleitet wird. Das sind völlig unterschiedliche Erkrankungen, die mit vollkommen
anderen Therapieoptionen verbunden
sind.
Unsere Patienten profitieren durch die
Teilnahme an klinischen Studien, selbst
dann, wenn die Testmedikamente nicht die
gewünschte Wirkung zeigen. Aufklärung
und Zuwendung helfen, dass der Krankheitsverlauf günstig beeinflusst wird. Hinzu
kommt, dass durch vielfältige Laboruntersuchungen auch andere Erkrankungen,
zum Beispiel Kreislauf- oder Krebserkrankungen frühzeitig erkannt werden.
Über welche Möglichkeiten der Behandlung
von Alzheimer verfügen Sie?
Je nach Schweregrad bieten wir zunächst
eine Behandlung auf Rezept an. Es gibt
zugelassene Antidementiva, die den
Krankheitsverlauf im Mittel um ein halbes
und bis zu einem Jahr verzögern können.
Sie tragen dazu bei, die kognitive Leistungsfähigkeit und die alltagspraktischen
Fähigkeiten zu verbessern. Obwohl diese
Medikamente Nebenwirkungen haben
und den Krankheitsprozess nicht ursächlich
beeinflussen, raten wir den Patienten dazu,
diesen Aufschub zu nutzen.
Darüber hinaus sind unsere medikamentösen Behandlungsoptionen begrenzt. Wir
würden uns Medikamente wünschen, die
die Symptome besser beeinflussen können.
Vor allem aber würden wir uns Medikamente wünschen, die die Ursache und das
Fortschreiten der Alzheimererkrankung
wirksam bekämpfen können. Sie zu finden,
ist Gegenstand von klinischen Studien, die
wir hier in Buch durchführen.
Wie viele Patienten kommen in Ihre Sprechstunde?
Wir haben im Moment hier am Standort
vier Erstuntersuchungen pro Woche, also
fast 200 Patienten pro Jahr. Dazu kommen
derzeit vierzig Patienten, die wir regelmäßig, in circa vierwöchigem Abstand in
unseren klinischen Studien betreuen.
Welche Fortschritte erwarten Sie in den kommenden 10 bis 15 Jahren?
Wir kennen eine Reihe pathologischer
Vorgänge von chronisch neurodegenerati-
ven Erkrankungen, besonders von Morbus
Alzheimer. Bis heute ist es nicht gelungen,
durch die Behandlung einzelner pathologischer Phänomene eine Wirkung auf das
Ganze zu entfalten. Unser Ziel ist, noch
frühere Krankheitsstadien zu identifizieren
und mit therapeutischen Versuchen dort
anzusetzen, wo die Krankheit ursächlich
beeinflusst wird. Alles deutet darauf hin,
dass wir nur mit einer Kombinationstherapie weiter kommen. In zehn Jahren kann
ich mir einen substanziellen Fortschritt sehr
gut vorstellen, da wir sehr gute Chancen
haben, neue Mechanismen zu entdecken.
Auf der anderen Seite muss man ganz
klar feststellen: Wir können es nicht sicher
zusagen, weil die Erkrankung 15 Jahre ohne
Symptome bleibt und der Nachweis einer
wirkungsvollen Intervention entsprechend
lange dauert. Wenn ich heute von einer
Hoffnung ausgehe, dass wir in zehn Jahren
ein neues Medikament oder eine Kombinationstherapie haben, dann müssten wir dieses binnen der nächsten zwei bis drei Jahre
finden. Wir hätten dann fünf Jahre Zeit, um
eine klinische Studie durchzuführen und
zwei Jahre, um die Substanz an den Markt
zu bringen. Somit ist klar, dass wir noch viel
Arbeit vor uns haben.
http://psychiatrie.charite.de/klinik/module/
altersmedizin/gedaechtnissprechstunde/
2015/01_11
Umweltbildung im
eigenen
Schulwald
Vor zehn Jahren entstand
die Idee, die Kinder der
staatlichen Bucher
Grundschule ein Stück
vom nahegelegenen
Forst pflegen zu lassen.
Daraus wurde ein
eigener Schulwald – der
einzige in Berlin.
Text: Christine Minkewitz
Foto: Grundschule Am Sandhaus
Ein Heer von kleinen Hainbuchen und
Stieleichen trägt die Namen der Schülerinnen und Schüler, die sie gepflanzt haben.
Noch sind die Schilder unter Hülsen verborgen, die die jungen Bäume schützen. In vier
bis fünf Jahren, wenn die Bäume groß genug sind, kommen sie wieder ans Licht. Ihre
Paten werden dann schon längst die Schule
gewechselt haben, aber vielleicht ihrem
Wald, dem Schulwald der Grundschule Am
Sandhaus, noch verbunden sein.
Der Bucher Forst wächst zu weiten Teilen
auf ehemaligen Rieselfeldflächen. Seit sie
vor etwa 30 Jahren stillgelegt wurden, hat
man zahlreiche Anstrengungen unternommen, die belasteten Flächen aufzuforsten.
Teile des ausgetrockneten porösen Bodens
wurden aufwändig mit Lehm stabilisiert
und Flächen erneut mit Wasser versorgt.
Inzwischen ist eine abwechslungsreiche
Landschaft entstanden, in der seit einigen
Jahren sogar Schottische Hochlandrinder
und Konikpferde weiden. Für die Umwelt-
leben
bildung ist dieser Forst mehr als prädestiniert, weshalb das Schulwaldprojekt
von Beginn an durch die Berliner Forsten
unterstützt wurde.
Unterricht im Freilandlabor
Lebenskundelehrerin Ingrid Bonas, die das
Projekt koordiniert und begleitet, bildet
pro Jahr etwa 24 Schüler als „Waldmanager“
aus. Von April bis in den Herbst verbringen
die Kinder mit ihr rund 14 Stunden im „Freilandlaboratorium“, beobachten die Natur,
lernen das Ökosystem Wald kennen und
pflegen ihr Waldstück. Außerdem bereiten
sie die schulischen Pflanztage vor.
„Viele Viertklässler warten schon ungeduldig darauf mitzumachen, denn Waldmanager können sie erst ab der fünften Klasse
werden“, so Frau Bonas. Voraussetzung ist
die Erlaubnis der Eltern und ein Fahrradführerschein – der Schulwald will schnell
erreicht sein.
Einen Teil der Theorie erfahren die
Waldmanager im Winter, wenn Biologin
Antje Neumann Themen wie biologische
Vielfalt und Klimaschutz vermittelt oder
mit ihnen anhand von Knospen Baumarten
bestimmt. Der Winterunterricht wird von
der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE
finanziert, ebenso der Kauf junger Bäume
für den Schulwald. Karin Schulz, Leiterin
des HOWOGE-Servicecenters in Buch,
erklärt das Engagement: „Uns liegt dieses
Projekt am Herzen, denn unser Eindruck ist,
dass die unmittelbaren Walderfahrungen
zunehmend verloren gehen. Viele Bucher
Kinder wachsen eher als Stadtkinder auf,
obwohl der Wald vor der Tür liegt.“
Dass in den letzten Jahren junge Bäume
gekauft und mit Hülsen versehen wurden,
ist einem Lernprozess geschuldet. „Anfangs haben die Klassen im Bucher Forst
eigenständig junge Triebe von Ahorn und
Buche ausgegraben und unter Anleitung
der Forstmitarbeiter eingepflanzt. Doch die
wenigsten Bäumchen entwickelten sich.
Meist hatten die Wurzeln das Ausgraben
nicht überstanden oder Rehe die Triebe
verbissen“, berichtet Frau Bonas.
Gemeinsam Bäume pflanzen
Nun finden jeden Herbst zwei erfolgversprechende Pflanzaktionstage für alle
größeren Schüler der Grundschule Am
Sandhaus statt – ab der dritten Klasse sind
sie dabei. Auf dem Weg zum Schulwald
gibt es bereits Stationen mit Wissensfragen
oder Sportaufgaben, die die Waldmanager
vorbereiten und betreuen. Die eigentliche
gemeinsame Arbeit im Schulwald wird von
Forstleuten begleitet. „Es ist beeindruckend
zu sehen, mit welcher Energie die Kinder
dabei sind, Bäume zu pflanzen, Hülsen
anzuheften oder Unkraut zu beseitigen“,
so Ingrid Bonas, „sie arbeiten locker zwei
Stunden ohne Pause durch.“ Dieser Einsatz
wird honoriert – mit Baumpatenschaften
und Lagerfeuer beim Förster.
„Durch den direkten persönlichen Bezug
der Schülerinnen und Schüler zu ihrem eigenen Wald erhält die schulische Umweltbildung einen besonderen Stellenwert“,
sagt Ingrid Bonas. „Wir spüren das auch bei
den Anmeldungen. Der Schulwald wird
von vielen Eltern als großes Plus hervorgehoben.“
BAUMPFLEGE BEIM PFLANZAKTIONSTAG IM HERBST 2014
Neue Gebiete für Stadtumbau in Buch
Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept für Berlin-Buch wird seit 2014
aktualisiert, neue Projekte sind geplant. buchinside sprach mit dem Stadtumbaubeauftragten für Buch, Sebastian Holtkamp, Planergemeinschaft Kohlbrenner eG.
Interview: Christine Minkewitz / Abbildung: Widerker
Herr Holtkamp, in Buch wurden zahlreiche
Kitas und Freizeiteinrichtungen mit Hilfe
der Stadtumbau-Förderung saniert. Welche
neuen Vorhaben werden in nächster Zeit
realisiert?
Es rücken andere Handlungsfelder in den
Vordergrund, wie Wohnen, Verkehr und die
Gestaltung des öffentlichen Raums. Das
ist Ergebnis eines Dialogs mit Fachämtern,
Unternehmen und der Öffentlichkeit. Noch
2015 wird eine neue Maßnahmenliste für
das Integrierte Stadtentwicklungskonzept
für Berlin-Buch vom Bezirksamt beschlossen. Der Bezirk hat auch eine deutliche
Erweiterung der Stadtumbau-Gebietskulisse bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt beantragt – fast eine
Verdoppelung der Fläche. Ab 2016 sollte
dann feststehen, welche Projekte grundsätzlich in das Förderprogramm aufgenommen werden.
Warum soll die Förderkulisse ausgedehnt
werden?
Wenn wir neue Wohnbaupotenziale
erschließen wollen, richtet sich der Blick
inzwischen auf weitere Flächen, die nordwestlich der S-Bahn-Linie liegen. Auf dieser
Seite wächst Buch durch das Ludwig-Hoffmann-Quartier in Richtung des heutigen
Zentrums zusammen. Dort liegen die
beiden früheren Regierungskrankenhäuser
brach, und es gibt große Potenzialflächen
für den Wohnungsneubau. Die erweiterte Kulisse würde auch das Umfeld des
S-Bahnhofs umfassen, so dass wir uns der
schwierigen Park & Ride-Situation annehmen könnten. Hunderte Pendler fahren
mit dem Auto bis Buch, um dann in die
S-Bahn umzusteigen, denn hier beginnt der
Innenstadttarif. Auch die Fahrradparkplätze
reichen kaum. Mit dem Förderprogramm
Stadtumbau könnten wir das Umfeld des
Bahnhofs attraktiver, funktionaler gestalten
und zukunftsweisende Mobilität unterstützen. Gut ausgebaute Fahrradrouten zum
Campus, zu den Kliniken und Wohnsiedlungen, E-Bike- und Carsharing-Stationen
würden dem Gesundheitsstandort gut zu
Gesicht stehen. Die Fahrradwege ließen
sich teilweise mit dem entstehenden
Panke-Erholungsraum verbinden.
Die Regierungskrankenhäuser stehen seit
langem leer. Welche Aufgabe käme auf Sie
zu, wenn diese Teil der Stadtumbaukulisse
werden?
Neben vorbereitenden Fragen, etwa, wie
die Flächen planungsrechtlich einzuschätzen sind, wäre unsere Aufgabe, zu überlegen, wie man mit Stadtumbau bestimmte
Investitionshemmnisse beseitigen könnte.
Die Spannbreite reicht dabei von Projektideen über Erschließungskonzepte bis hin
zum Abriss.
In welchen Zeiträumen könnte der Wohnungsneubau vorangehen?
Für kurz- bis mittelfristige Bauprojekte
kämen der nördliche Teil der Brunnengalerie, ein Gebiet am Kappgraben – Buch IV
genannt – sowie das Umfeld der Straße am
Sandhaus in Frage.
Wie steht es um das geplante kooperative
Bildungszentrum für Buch?
Das Bezirksamt favorisiert jetzt den
Standort im künftigen dritten Teil der
Schlosspark-Passage. Für den Bau des
Bildungszentrums sollen unter anderem
Stadtumbau-Mittel eingesetzt werden, da
es ein neuer, wichtiger Anziehungspunkt
sein würde. Die Beantragung der Mittel soll
in der zweiten Jahreshälfte erfolgen. Die
verlängerte Schlosspark-Passage wird auch
als Tor zur Brunnengalerie fungieren und
kann deren Entwicklung beflügeln.
Wieviel Geld darf Buch aus dem StadtumbauProgramm erwarten?
Je nach Kulissenerweiterung, gut begründet – aber immer im Wettbewerb mit ande-
FÜR EINE ATTRAKTIVE ORTSMITTE:
ENTWURF DES BILDUNGSZENTRUMS
ren Bezirken – rechnen wir mit zwei bis drei
Millionen Euro pro Jahr.
Wann rechnen Sie mit der Entscheidung, ob
das Bucher Stadtumbaugebiet erweitert wird?
Nach positiver Entscheidung durch die
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
und Umwelt kann Endes des Jahres 2015
mit einem Senatsbeschluss über die Erweiterung der Stadtumbaukulisse in Buch
gerechnet werden.
Wo sehen Sie Buch in zehn Jahren?
Der historische Ortskern ist mit der neuen
Mitte, von Schlosspark-Passage bis Bürgerhaus zusammengewachsen. Buch ist
ein attraktiver grüner Stadtteil mit sozial
gemischter Bevölkerung, die die öffentliche
und soziale Infrastruktur gemeinsam nutzt.
Die vielen Menschen, die täglich nach Buch
mit der S-Bahn zur Arbeit kommen, finden
eine „Green and Smart City“ im besten
Sinne vor.
2015/01_13
Energiewende in
Schülerhände
Interview mit Diplombiologin Claudia Jacob,
wissenschaftliche Mitarbeiterin im Gläsernen Labor
Interview und Foto: Christine Minkewitz
DR. CORNELIA STÄRKEL (LINKS), PROJEKTKOORDINATORIN ERNEUERBARE ENERGIE,
UND CLAUDIA JACOB, PROJEKTLEITERIN IM MAXLAB, VOR EINEM VERSUCHSAUFBAU MIT
SOLARMODUL, ELEKTROLYSEUR UND BRENNSTOFFZELLE.
Frau Jacob, seit Anfang 2015 gibt es im Gläsernen Labor einen neuen Kurs: „Energiewende in
Schülerhände“. Wie kam es dazu?
Wir führen seit einigen Jahren Kurse zur
regenerativen Energie für die fünfte und
sechste Klasse durch. Dadurch erreichten
uns Anfragen von Schulen, ob wir dieses
Thema auch für die Oberstufe erarbeiten
könnten. Unsere Überlegungen zielten darauf, die technologischen Möglichkeiten der
Energiewende zu veranschaulichen. In Berlin und Brandenburg gab es bisher keinen
Kurs dieser Art und unsere Pläne wurden
sofort positiv aufgenommen. Die Deutsche
Bundesstiftung Umwelt (DBU) unterstützt
uns zwei Jahre lang bei der Realisierung. Wir
konnten 2014 eine Projektstelle schaffen
und neue Experimente und Kursinhalte
entwickeln. Für die Mitarbeit konnten wir
Dr. Cornelia Stärkel gewinnen.
bilden
Wie sind Sie an das komplexe Thema „Energiewende“ herangegangen?
Uns war wichtig, auch die gesellschaftliche
Tragweite des Themas zu verdeutlichen
und die Jugendlichen zu inspirieren, sich
damit auseinanderzusetzen. „Energiewende in Schülerhände“ gibt einen Überblick
über die ökologischen, ökonomischen und
sozialen Herausforderungen und zeigt
gleichzeitig die spannenden Verfahren auf,
die die Energiewende möglich machen. Wir
erklären die zugrunde liegenden physikalischen, chemischen oder biologischen
Prozesse. Dieses Wissen soll den Schülern
helfen, Fragen der Energiewende kompetent beurteilen zu können.
Was erwartet die Schülerinnen und Schüler?
Das Kursprogramm sieht vier Stunden Experimente an verschiedenen Stationen vor,
ergänzt durch Vorträge und ein Planspiel
zur Energiewende. Für die Stationen haben
wir eigene Objekte entworfen, Glas über
dem Bunsenbrenner geformt und sogar
ein Fahrrad umgebaut. Die Jugendlichen
können die Versuche selbst aufbauen und
spezielle Messungen durchführen. Im Planspiel steht eine Kommune im Mittelpunkt.
Die Schüler versetzen sich in die Rollen von
Windparkbesitzern, Unternehmern, Bürgern oder Umweltschützern und sehen sich
mit neuen energiepolitischen Vorgaben
konfrontiert.
Welche Experimente stehen auf dem Programm?
Unsere Experimente vermitteln Methoden
der Energieumwandlung. Dafür steht uns
zum Beispiel ein „Gold-Cap“ zur Verfügung. Dieser Superkondensator kann sehr
schnell viel Energie speichern, weil er die
Eigenschaften einer Batterie und eines
Kondensators verbindet. Unter anderem
speichern Gold-Caps die Bremsenergie von
Rennautos. In unserem Versuch laden die
Schüler den Gold-Cap per Fahrraddynamo
auf, um Spannung, Stromstärke, Last und
Widerstand messen zu können. An einer
anderen Station widmen sich die Schüler
einem der aussichtsreichsten Energieträger
der Zukunft, dem Wasserstoff. Sie verwenden einen Elektrolyseur, um Wasserstoff
aus Wasser zu gewinnen und betreiben
damit eine Brennstoffzelle, die Wasserstoff
verbrennt. Mit der erzeugten Energie wird
ein Propeller angetrieben. Bei diesem Versuch vermitteln wir unter anderem, wie sich
chemische Energie in Form von Wasserstoff
speichern lässt und dass dieser Stoff bei
sachgemäßem Umgang ungefährlich ist.
Andere Experimente beantworten Fragen
wie: Wie ist ein Lithium-Ionen-Akku aufgebaut? Wie funktioniert eine Biobrennstoffzelle? Wieviel Energie lässt sich aus Biomüll
gewinnen?
Lässt sich das Thema „Energiewende“ noch
weiter ausbauen?
Wir könnten uns vorstellen, mit den
Schülerinnen und Schülern zur Leitidee
des „Green Campus“ zu arbeiten. Denkbar wäre, die energetische Bilanz der
Häuser verschiedener Bauweise anhand
der Energiepässe zu untersuchen und zu
vergleichen. Für Jugendliche aus Chemieoder Physikleistungskursen könnten wir
das Thema Energiewende noch fundierter
anbieten. Nicht zuletzt würde sich das
Thema „Energiewende“ auch gut als fünfte
Prüfungskomponente eignen.
www.glaesernes-labor.de
Akademie erweitert
Bildungsspektrum
Neuer Studiengang und neue Berufe
Text: Christine Minkewitz
Die Akademie der Gesundheit Berlin/
Brandenburg e. V. ist weiter gewachsen.
Im April 2015 hat die von ihr gegründete
Landesschule für Logopädie in Eberswalde
den Betrieb aufgenommen. Die Ausbildung beginnt am 1. Juni. Zu Beginn dieses
Jahres wurde zudem die Landesrettungsschule in Bad Saarow von der Akademie
übernommen. Neben vielen Ergänzungsund Weiterbildungskursen startet dort
im Oktober der neue Ausbildungsberuf
zum Notfallsanitäter. Beide Schulen bieten
eine schulgeldfreie, staatlich anerkannte Ausbildung. „Wir freuen uns, dass wir
die renommierte Landesrettungsschule
übernehmen konnten“, so Jens Reinwardt,
Geschäftsführer und Leiter der Akademie
der Gesundheit. Feuerwehren und Landkreise sind als Träger des Rettungsdienstes
neue Bildungspartner der Akademie.
Hintergrund ist ein neues Gesetz, welches
die Ausbildung bisheriger Rettungsassistenten professionalisiert und im Berufsbild „Notfallsanitäter“ zusammenführt.
„Notfallsanitäter erlangen deutlich mehr
medizinische Kompetenzen, weshalb das
Lehrpersonal akademisch ausgebildet
sein muss“, erklärt Jens Reinwardt. Diese
Voraussetzung bietet die Akademie der
Gesundheit.
Bachelor of Science
Für Abiturienten hat die Akademie in Kooperation mit der Steinbeis-Hochschule ein
ausbildungsintegriertes Studium „Bachelor
of Science Interdisziplinäre Gesundheitsversorgung“ etabliert. Damit ist es möglich,
in 3,5 Jahren einen Berufsabschluss in den
Bereichen Logopädie, Physiotherapie,
Ergotherapie, Gesundheits- und (Kinder-)
Krankenpflege und einen akademischen
Grad zu erwerben. An den international
anerkannten Bachelor-Abschluss lassen
sich ein Masterstudium und die Promotion
anschließen.
Wer bereits in den genannten Berufen
arbeitet, kann den Bachelor in zweiein-
halb Jahren berufsbegleitend erwerben.
„Unseren Absolventen erkennen wir einen
Teil der Ausbildung für das Studium an“,
so Reinwardt. „Wir verzeichnen derzeit ein
wachsendes Interesse der Kliniken, ein
solches Studium mitzufinanzieren, um als
Arbeitgeber attraktiv zu sein.“
Im Bereich Gesundheits- und (Kinder-)
Krankenpflege bereitet sich die Akademie auf den Übergang zu einem neuen
Pflegeberuf vor. Die Ausbildung wird in
Module gegliedert. „Der Trend geht zu einer
dreijährigen fachübergreifenden Grundausbildung, die Ausgangspunkt für eine
weitere Spezialisierung sein wird“, erklärt
der Geschäftsführer, „Um mit Europa Schritt
zu halten, benötigen wir einen Pflegeberuf
mit einer ‚generalistischen’ Ausbildung, die
nicht einseitig an Kliniken oder Pflegeheime geknüpft ist.“
Flugsimulationscenter
Prinzipiell will die Akademie die Fort- und
Weiterbildung für Gesundheitsberufe ausbauen. In enger Kooperation mit den Kliniken sind darüber hinaus Fortbildungen
für Ärzte geplant. „Unser erstes Vorhaben
ist in Flugsimulationscenter in Bad Saarow,
in dem die medizinische Notfallrettung im
Hubschrauber trainiert werden kann. Die
fachliche Leitung wird Prof. Dr. med. Olaf
Schedler vom HELIOS Klinikum Bad Saarow
übernehmen. Gemeinsam mit der Ärztekammer planen wir auch eine Fortbildung
im Bereich Palliative Care“, so Reinwardt.
Mit Blick auf die Zukunft hat die Akademie
der Gesundheit Ende Februar 2015 ein
Vietnamesisch-Deutsches Bildungszentrum in Ho-Chi-Minh-Stadt eröffnet. Dort
werden junge Vietnamesen im Pflegeberuf ausgebildet und für den Einsatz in
Deutschland vorbereitet.
„Wir erleben hoch motivierte, empathische
und respektvolle Persönlichkeiten, die den
hiesigen Kliniken sehr willkommen sind.“
www.gesundheit-akademie.de
KURZMITTEILUNGEN
Neu in Buch
Die LAMSYSTEMS GmbH hat auf dem
Campus Berlin-Buch ein Büro mit
Showroom eröffnet. Das Unternehmen
ist auf den Vertrieb und Service von Laborausrüstung der Marke LAMSYSTEMS
spezialisiert. Es handelt sich dabei um
mikrobiologische Sicherheitswerkbänke
der Klasse II (TÜV Nord zertifiziert) und
vertikale Laminar Flow Werkbänke. Der
Sitz des Unternehmens ist im ErwinNegelein-Haus (D 79).
Kontakt: service@lamsys-euro.com
Girls‘ Day
im Gläsernen
Labor
Fünfzehn Schülerinnen haben beim
Girls‘ Day am 23. April im Gläsernen
Labor zum Thema „Energiewende –
Umweltschutz für Technikfans“ experimentiert. Die Mädchen bauten eine
Biobrennstoffzelle auf, experimentierten
mit Wasserstoff und traten in die Pedale,
um Bremsenergie zu nutzen. Darüber
hinaus konnten sie sich über die Berufe
Biologin, Chemikerin, Ingenieurin und
Technische Assistentin informieren.
www.glaesernes-labor.de
Erfahrungen
sammeln
Ab September 2015 bietet das Gläserne
Labor in Zusammenarbeit mit der Vereinigung Junger Freiwilliger e. V. (VJF)
wieder zwei Stellen für das Freiwillige
Ökologische Jahr (FÖJ) an. Die Freiwilligen unterstützen in dieser Zeit das
Gläserne Labor bei der Vorbereitung von
Schülerkursen in Genetik, Neurowissenschaften sowie Chemie und betreuen
jüngere Schüler in Laborkursen und im
Forscherferienprogramm.
www.vjf.de
2015/01_15