2/ 2020
DIAKONIE
FÜR SIE
Auf gute Nachbarschaft
2
Editorial
Inhalt
VORWORT
3
INHALT
Liebe Leserin, lieber Leser,
gute Nachbarschaft leben, das wollen wir alle gern.
Nur gestaltet sich das im Alltag oft schwierig. Der Job,
die Familie, der Freundeskreis liegen manchmal außerhalb
des Wohnortes. So ist man mal hier, mal da, und mit den
Nachbarn nicht in so engem Kontakt, wie man das
gern hätte.
14
Nachbarschaft:
GiG – Getragen in Gemeinschaft
16
Panorama:
Kurznachrichten aus
dem Verband
1
7
Doch es gibt Angebote, die helfen, kleine und große, nie
derschwellige und anspruchsvolle. Hier kann man spontan
oder regelmäßig miteinander in Kontakt kommen. Oder,
wie in Corona-Zeiten gesehen: auch mit A B S T A N D.
1
8
Darüber berichten wir in unserer Ausgabe und zeigen, wie
man auch mit Abstand verbunden bleiben kann. So ist zum
Beispiel die Kirchengemeinde Berlin-Buch sehr umtriebig,
Menschen durch Musik zusammenzubringen. Lesen Sie,
wie Kirche und Diakonie im „Monat der Diakonie“ gemeinsam Veranstaltungen auf die Beine stellen oder wie die
Freiwilligenagentur CHARISMA Ehrenamtliche und Hilfe
suchende vernetzt.
10
Weitblick:
Auf gute Nachbarschaft
Nachbarschaft:
Allgemeine soziale Beratung in
Blankenfelde-Mahlow
Nachbarschaft:
Angebote in der schlesischen
Oberlausitz
S. 18
Nachbarschaft ist auch Heimat. Und so geht es auch mir.
Geht man doch im Alltag oft nur mit einem Gruß aneinander
vorbei, so bin ich erst während des Lockdowns mit einigen
Nachbar*innen ins Gespräch gekommen, mit Abstand quasi
von Haustür zu Haustür. „Wie geht es Ihnen?“ und „Kann
ich Ihnen etwas vom Einkaufen mitbringen?“ waren die
Schlüsselsätze für mehr Miteinander im Haus. Und so hoffe
ich, als neue Pressesprecherin auch mit Ihnen ins Gespräch
zu kommen – vielleicht irgendwann auch wieder mit einem
Händedruck zur Begrüßung.
11 Nachbarschaft:
Klassik für alle
15 Standpunkt:
Nachbarschaft – (k)ein Kinderspiel
12 Nachbarschaft:
„Ehrenamt ist systemrelevant!“
16
Doppelinterview mit
Diakonie-Vorstand:
Corona – und wie geht es weiter?
18
Brot für die Welt:
Äthiopien, Bolivien und
regionale Projekte
20
Preisrätsel
14 Nachbarschaft:
Nachbarschaftszentrum
Friedrichshagen
S. 6
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude mit der
neuen Ausgabe der Diakonie für Sie. Bleiben Sie gesund
und genießen Sie den Herbst.
S. 4
Herzliche Grüße
Impressum
Pressesprecherin des Diakonischen Werkes
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V.
Diakonie für Sie · Herausgeber: Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V., Paulsenstraße 55/56, 12163 Berlin · Telefon: 030 8 20 97-0
Verantwortlich: Verena Götze · Redaktion: Birgit Coldewey · Gestaltung: waf.berlin · Druck: PIEREG Druckcenter Berlin, gedruckt auf Papier aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung · Die Diakonie für Sie erscheint dreimal im Jahr und wird auf Wunsch kostenlos zugestellt. · Alle bisher erschienenen Ausgaben
der Diakonie für Sie finden Sie auch zum Herunterladen auf www.diakonie-portal.de · Die nächste Ausgabe erscheint am 13. Dezember 2020
Fotonachweise: Titel ©DWBO/C. Albrecht; S. 2 privat; S. 3 ©Christof Krackhardt/Brot für die Welt; S. 4/5 Matthias Kindler, Nicole Herlitz (GiG); S. 6 Grafik/
Postkarte ©NFS der EKBO – Agentur Best Friend; Grafik ©DWBO; S. 7 Kirchenfenster ©Juliane Bach; Portrait ©privat; S. 8-9 ©DW Teltow-Fläming e.V.;
S.10 Sascha Klein/Medienhaus Lausitzer Rundschau; S. 11 Bürgersinfonie Berlin e.V.; S. 12 DWBO/Wetzler; S. 14 ©Nachbarschaftszentrum Friedrichshagen;
S. 16-17 DWBO/C. Albrecht; S. 18 ©Christof Krackhardt/Brot für die Welt; S. 19 ©Karin Desmarowitz/Brot für die Welt; Wimmelbild Rückseite ©DWBO
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Rubrik
Nachbarschaft
Nachbarschaft
Erzählcafé, Brieffreundschaften und
Nachbarschaftsfeste
Was passiert, wenn man eine 18-Jährige mit einem
81-Jährigen zusammenbringt? Wie begegnen sie sich,
worüber sprechen sie und wie gut verstehen sie sich?
Vor fünf Jahren gab es noch viel mehr Fragen als heute.
Es waren die Jahre und es war die Erfahrung, die zum
respektvollen Miteinander der Generationen geführt hat,
für die das Projekt schließlich erfunden wurde. Inzwischen
machen viele mit: im Erzählcafé, mit Brieffreundschaften
oder bei der Vorbereitung von Nachbarschaftsfesten,
Schüler*innen und Studierende, Jung und Alt.
Alt und Jung beim Austausch. Beide Seiten
profitieren in diesem Projekt voneinander.
Alt und Jung zusammen im Kiez:
GiG – GETRAGEN IN GEMEINSCHAFT
Diese Fotos sind vor
der Corona-Pandemie
entstanden.
2015 denkt der Evangelische Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf darüber nach, was man tun kann gegen die Einsamkeit im Kiez: Die Nachbarschaft ist überaltert und eine
Verjüngung nicht so recht in Sicht. Also wird ein Projekt
ins Leben gerufen. In den Berliner Stadtteilen Nikolassee
und Schlachtensee sollen nämlich fortan ältere und alte
Menschen in Kontakt gebracht werden: Miteinander,
untereinander, vor allen Dingen aber mit jungen Menschen. Mit der sogenannten „Generation Z“. Das sind im
Soziologendeutsch alle, die um die Jahrtausendwende
geboren wurden. Heute firmiert das Projekt unter dem
Titel „Getragen in Gemeinschaft – Jung und Alt im Kiez“
oder kurz: GiG.
Begegnungen in Zeiten von „Social Distancing“
Drei Stadtteilfeste waren auch für 2020 geplant: am 29. Mai,
am 6. und am 7. Juni sollten sie stattfinden. Doch dann kam
Corona und vieles musste abgesagt werden: „Da bemerkt
man erst, wie sehr einem das fehlt“, meint Nicole Herlitz,
von Beginn an Koordinatorin des Projektes. Denn das zentrale Ziel der Initiative ist es ja gerade, die Menschen zusammenzubringen, sprichwörtlich an einem Tisch zu versammeln; keine so gute Idee mit einer Hochrisikogruppe
im Sommer des Jahres 2020. Also musste sich das Team
etwas einfallen lassen. „Mit den freiwilligen 14 bis 17 jähri
gen Schüler*innen haben wir dann einfach gemeinsam
gebacken, über ein ZOOM-Meeting“ (ZOOM ist ein Anbieter
eines Videokonferenz-Systems, so etwas wie eine Telefon
schaltung mit Bildübertragung) und den Kuchen dann
‚unseren Charlies‘ vor die Tür gestellt.“ „Charlies“, so werden die älteren Damen und Herren im Projekt liebevoll von
der jungen Generation genannt. Und die „Charlies“ freuen
sich natürlich auch in stürmischen Zeiten über den Kontakt
zur Jugend.
5
Nimmermüde bemüht sich daher die Rheinländerin Herlitz
darum, den Berliner aus der Reserve zu locken. Dabei marschiert sie auch schon mal mit 1.600 Flugblättern wochenlang durch die Nachbarschaft und hält die eigene Klientel
auf dem Laufenden, füllt die Briefkästen, klingelt bei den
Menschen, kommt ins Gespräch und baut die Brücke der
Kommunikation.
„Das ist mein Herzensprojekt“
Ganz freimütig sagt sie: „Das ist mein Herzensprojekt“ –
und man glaubt es ihr sofort. Es geht um Wertschätzung
und Interesse. Nicole Herlitz spricht von „Wahlfamilien“,
wenn die Annäherung zuweilen auch wie ein Eiertanz be
ginnt: mit einem ganz vorsichtigen Aneinanderherantasten,
gucken ob es passt. „Wir bringen zusammen, aber danach
müssen die das alleine rocken“, weiß Herlitz. Die Neugierde
aufeinander ist oft so groß wie die Unsicherheit im Umgang
miteinander. Doch das legt sich. Bald werden – wenn es
denn gut geht – aus Fremden Freunde, oder aber nützliche
Bekanntschaften. Da lernt die wirklich alte Dame noch,
einen Anhang an eine E-Mail anzuhängen und zu verschicken. Und dafür bekommt ihr junger Lehrer die ein oder
andere Lebensweisheit mit auf den Weg.
Und so sind auch die Schülerinnen und Schüler mit Herzblut dabei. Sie tun dies nur selten für das Zertifikat über
soziales Engagement. Sie tun es für die Begegnung und
den Kontakt in eine andere Welt und eine andere Zeit; eine
Erfahrung, die sie nirgendwo sonst bekommen könnten.
BENJAMIN KUMMER
Weitere Informationen: www.teltow-zehlendorf.de
Panorama
Weitblick
Sie haben die Idee, wir unterstützen
Ihr Projekt finanziell mit 1.000 €.
Diakonie und Kirche sind ein starkes Team. An
vielen Standorten arbeiten diakonische Einrichtungen und Kirchengemeinden Seite an Seite im
Kiez und setzen sich dafür ein, dass Menschen
miteinander in Kontakt kommen, zum Beispiel
bei einem Dankesfest für ehrenamtlich Engagierte oder einem Theaterprojekt von und mit
Geflüchteten. Das DWBO hat das Jahr 2020 und
damit auch den Monat der Diakonie 2020 unter
das Motto „Gemeinsam. Stark. An deiner Seite.“
gestellt. Der „Monat der Diakonie“ ist traditionell
der September, Bewerbungen sind aber ganz
jährig möglich.
IT!
MACHEN SIE M
Alle Infos zu den Fördervoraussetzungen
bekommen Sie unter
www.diakonie-portal.de/monat-der-diakonie
und bei Direktionsreferentin Pfarrrerin
Ann-Kathrin Hasselmann,
Telefon: 030 820 97 159,
E-Mail: Direktionsreferat@dwbo.de
Brandenburgs Bildungsministerin Britta
Ernst zu Besuch im Haus der Diakonie
„Im Kita-Bereich gibt es in Brandenburg
viel zu tun. Allen voran muss die Qualität
in der frühkindlichen Bildung im Vorder
grund stehen“, darüber waren sich
Ministerin Britta Ernst (MBJS, Bildmitte),
Diakonie-Vorstand Andrea Asch (rechts)
und Barbara Eschen bei ihrem Gespräch
am 11. Juni 2020 im Haus der Diakonie in BerlinSteglitz einig. Das im bundesweiten Vergleich sehr
breite Angebot in den Kindertageseinrichtungen
in Brandenburg benötigt zukünftig eine verbesserte landesgesetzliche Grundlage, die auch den
Trägern eine sichere Basis für ihre Arbeit bieten
kann. Dies umzusetzen hat sich die Regierungskoalition vorgenommen. Die Diakonie begrüßt das
Vorhaben und hat die Beteiligung an verschiede
nen Stellen bereits erprobt. Gemeinsam muss
es auch darum gehen, genügend Nachwuchs an
Fachkräften zu gewinnen.
Das ökumenische Corona-Seelsorgetelefon:
Hilfe bei Existenzangst, Suizidgedanken
und Einsamkeit
Je länger die Coronakrise in Deutschland dauert,
desto dramatischer werden die Sorgen der Men
schen und damit ihr Ruf nach Hilfe. Die Notfallseelsorge/Krisenintervention Berlin hat deshalb
gemeinsam mit der Kirchlichen TelefonSeelsorge
und der Krankenhausseelsorge ein Seelsorge
telefon eingerichtet. 70 evangelische und katholische Haupt- und Ehrenamtliche haben ein
offenes Ohr, täglich zwischen 8 und 24 Uhr
unter 030 403 665 885, kostenfrei und anonym.
„Angst ist keine gute Begleiterin in dieser Aus
nahmesituation. Unser Team ist für Ihre Sorgen
da und spendet Trost“, sagte DWBO-Direktorin
Barbara Eschen. Infos: www.c-st.berlin
Ding Dong. Es klingelt. Ein Känguru
steht vor der Tür: „Ich bin gerade gegenüber eingezogen, wollte mir Eier
kuchen backen, und da ist mir aufge
fallen, dass ich vergessen habe, Eier
zu kaufen...“ Ich nicke, gehe in die
Küche und komme mit zwei Eiern
zurück. „Vielen lieben Dank“, sagt das
Känguru und steckt die Eier in seinen
Beutel. So erzählt Mark-Uwe Kling in
seinen Känguru-Chroniken. Aber das
ist nur der Anfang. Das Känguru wird
wiederkommen: Es braucht auch noch
Salz, Milch, Mehl und Öl… Was für ein
neuer Nachbar!
Jeder Umzug bringt die spannende
Frage mit sich: Von welcher Art wird
die Beziehung zu den neuen Nachbarn
sein? Wird es Türen geben, an denen
ich einfach mal schnell klingeln kann,
wenn eine Zutat für die Eierkuchen
fehlt? Nehmen andere sich bei mir
diese Freiheit? Werden wir als Nachbarn füreinander da sein, wenn’s drauf
ankommt? Oder machen wir uns eher
gegenseitig das Leben schwer? Auch
wenn kein Mensch sich so unverfroren
wie Mark-Uwe Klings Känguru durch
die gesamte Küche des Nachbarn
schnorren würde, für ein intaktes Nachbarschaftsverhältnis ist es allemal ein
Gradmesser, ob ich im Zweifelsfall nach
einem Päckchen Mehl fragen kann oder
nicht.
PREISRÄTSEL
Finden Sie DiaSpatz und KonieBär in unserem Wimmelbild
und beschreiben Sie uns, wo die beiden sich verstecken.
Zu gewinnen gibt es einen tollen Buchpreis.
Ihre Antworten schicken Sie bitte an: Diakonisches Werk BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz, z.H. Birgit Coldewey,
Postfach 332014, 14180 Berlin oder per E-Mail an: coldewey.b@dwbo.de
Einsendeschluss ist der 10. Oktober 2020.
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AUF GUTE
NACHBARSCHAFT
KURZNACHRICHTEN
AUS DEM VERBAND
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Die Dorfkirche Dahmsdorf gehört zu den
ältesten Kirchen Brandenburgs, erste
Urkunde ist ein Bischofsbrief aus dem
Jahre 1253. Die behauenen Feldsteine im
Altar- und Chorbereich belegen den mittelalterlichen Baustil. Erst im 18. Jahrhundert
kam der charakteristische Fachwerkturm
hinzu.
Damit das Mehl im Schrank und das
Öl in der Flasche nicht ausgeht, auch
im übertragenen Sinne, braucht es
ein gelingendes Miteinander. Und es
braucht manchmal einen kräftigen Vertrauensvorschuss, für einen Mitmenschen da zu sein oder selbst jemanden
um Hilfe zu bitten. Ob meine Idee von
gegenseitiger Unterstützung aufgeht?
Oder wird meine Offenheit am Ende
ausgenutzt? Stehe ich dann mit leeren
Händen da?
Das 1. Königebuch in der Bibel erzählt
von einer Frau, die das Wagnis eingeht. Sie teilt mit dem Gast, der bei
ihr anklopft, Mehl und Öl, obwohl ihr
Vorrat bereits zur Neige geht und auf
den Feldern Trockenheit herrscht. Im
Grunde würde jeder verstehen, wenn
sie sagte: Sorry, diesmal nicht. Ich muss
an mich und meinen Sohn denken. Wir
haben unsere eigenen Sorgen, frag jemand anderen. Stattdessen gelingt es
ihr, das Vertrauen aufzubringen: Wenn
wir füreinander einstehen, geht es am
Ende allen besser. Die Witwe aus Zarpat
und ihr Sohn teilen das Wenige, was
sie haben, mit ihrem Gast und neuen
Nachbarn, dem Propheten Elia. Aus
der nachbarschaftlich-gastfreundlichen
Geste erwächst eine gemeinsame Glaubenserfahrung. Auf wunderbare Weise
erleben sie, dass Gott für sie alle sorgt.
Tag für Tag ist für alle genug Mehl im
Schrank und Öl in der Flasche, bis
die Trockenheit überstanden ist. Das
war vorher nicht absehbar. Aber der
Vertrauensvorschuss hat sich gelohnt.
Ding Dong. Es klingelt. Das muss die
Nachbarin sein. Moment, ich mache
auf!
VERENA MITTERMAIER
Verena Mittermaier
ist Pfarrerin in der
Ev. Kirchengemeinde
Perleberg, Evangelischer
Kirchenkreis Prignitz
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Nachbarschaft
Nachbarschaft
Allgemeine soziale Beratung in Blankenfelde-Mahlow:
UNTERSTÜTZUNG VOR
DER EIGENEN HAUSTÜR
Wie an jedem Mittwoch steigt Mirjam Brademann in ihr
Auto. Sie ist auf dem Weg zum „Haus der Hilfe“ in Blanken
felde-Mahlow. Dort angekommen ist sie ganz Ohr für die
Menschen, die an diesem Tag zu ihr in die Allgemeine
soziale Beratung kommen werden.
Seitdem das Diakonische Werk Teltow-Fläming e.V. im März
2019 mit dem Angebot gestartet ist, haben allein im vergangenen Jahr knapp 900 Menschen Rat bei den haupt- und
ehrenamtlichen Berater*innen gesucht.
oft weniger relevant, von wem sie diese bekommen.
Wichtig ist, dass jemand unterstützt. Und zwar am besten
direkt vor ihrer Haustür“, so Holger Lehmann, Vorstands
vorsitzender des Diakonischen Werkes Teltow-Fläming.
Damit das gelingt und die Beratung flächendeckend im
Landkreis angeboten werden kann, ist das Werk auf
Partner*innen angewiesen, die Räume und ein wenig Zeit
zur Verfügung stellen. In ländlichen Regionen sind da vor
allem Kirchengemeinden geeignet und sollten ihre Türen
ffnen und damit einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung
ö
einer lebendigen Nachbarschaft im Ort leisten. Ehrenamtliche Ansprechpersonen in den Gemeinden erhalten dabei
jederzeit die fachliche Hilfe über das Telefon.
In vielen persönlichen Gesprächen mit Pfarrer*innen und
Bürgermeister*innen konnten sieben Beratungsorte in kommunal, sechs in kirchlich und sieben in zivilgesellschaftlich
verwalteten Räumen gefunden werden. Dass die Beratung
dort heute so gut angenommen wird, liegt vor allem an der
kontinuierlichen Beziehungs- und Öffentlichkeitsarbeit, die
das Team von Beginn an geleistet hat. Es wurden Beiträge
in Amtsblättern und Gemeindebriefen veröffentlicht, Flyer in
Schulen, Arztpraxen und Beratungsstellen verteilt und das
Angebot auf Sitzungen von Dorfvereinen vorgestellt.
So kann Mirjam Brademann nach etwas über einem Jahr
eine positive Bilanz ziehen. In den nördlichen Regionen im
Speckgürtel Berlins wurde das Angebot schnell sehr gut
angenommen. Die Zahl der Ratsuchenden wächst hier,
ebenso wie in städtischen Regionen im südlichen Teil des
Landkreises kontinuierlich. „In den ländlichen Regionen
mussten wir nachbessern, da das Angebot in den Orts
teilen aufgrund zu geringer Anonymität nur wenig genutzt
1
wurde. Dies erfuhren wir durch ortsinterne Gespräche. Also
verlegten wir das Angebot in Räumlichkeiten der Gemeindeverwaltung“, so Mirjam Brademann.
Diese Erfahrung zeigt: Miteinander reden hilft! Eine den
ländlichen Strukturen angemessene Form der Gemein
wesenarbeit ist auf gute Nachbarschaft zwischen verschiedensten Akteuren angewiesen. Eine Zusammenarbeit mit
Nachbarn, die für alle Beteiligten einen Mehrwert bringt,
ist die moderne Interpretation der diakonischen Tradition
uneigennütziger Hilfe am Nachbarn. Das gelingt, wenn alle
Beteiligten offen aufeinander zugehen, um ihre Handlungsgründe und -ziele wissen und so ausloten können, was
zusammen besser geht als allein.
Genau hinzusehen, was die Menschen vor Ort umtreibt,
was ihnen fehlt und was sie interessiert, das ist dort umso
wichtiger, wo wenig Struktur vorhanden ist. Und genau dort
können und sollten Kirche und Diakonie als Dienstgemeinschaft und im Sinne einer sorgenden Gemeinde wirksam
werden.
LISA SCHÜTZE
Weitere Informationen: www.dw-tf.de
2
1 Mirjam Brademann (Leiterin der
Allgemeinen sozialen Beratung)
auf dem Weg zur Arbeit.
Ob familiäre Konflikte, finanzielle Sorgen oder Ängste in
Bezug auf eine Krankheitsdiagnose – die Themen mit
denen Menschen in die Beratung kommen, sind vielfältig.
„Und das ist auch gut so“, meint Mirjam Brademann, die
das Team koordiniert. „Die Allgemeine soziale Beratung
ist ganzheitlich und zielgruppenübergreifend. Und sie wird
vor allem deshalb so gut angenommen, weil Menschen
mit all ihren Fragen und Sorgen in die Beratung kommen
können“. Im Gespräch herauszufinden, wo genau der Ratsuchende die für ihn passende Hilfe bekommen kann und
ihn entsprechend weiterzuleiten, ist eine der Aufgaben der
Berater*innen.
2 Flyer der Allgemeinen sozialen
Beratung mit Umrisskarte des
Landkreises Teltow-Fläming.
3 Im Pfarramt Großbeeren kommt
die Beratung zu den Menschen.
„Für Menschen, die Unterstützung benötigen,
ist es oft weniger relevant, von wem sie diese
bekommen. Wichtig ist, dass jemand unterstützt.“
Holger Lehmann, Vorstandsvorsitzender DW Teltow-Fläming
„Im Prinzip ist es wie Nachbarschaftshilfe. Du hast ein
Problem, erzählst Menschen in deinem Umfeld davon,
erfährst, wer ähnliche Erfahrungen gemacht und wo die
Person Unterstützung gefunden hat“, sagt Frau Schmidt,
die ehrenamtlich in der Allgemeinen sozialen Beratung tätig
ist. „Für Menschen, die Unterstützung benötigen, ist es
9
3
10
Nachbarschaft
Nachbarschaft
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In wechselnder Besetzung, ohne
Dirigent und barrierefrei: Das
Orchester Bürgersinfonie verlässt
den Konzertsaal und kommt zu
den Bürger*innen – auch in weniger
zentral gelegene Wohngebiete.
Das Haus Rosengarten:
VIELSEITIGE ANGEBOTE
FÜR DIE NACHBARSCHAFT
In Hoyerswerda kennt man sich. Die Stadt mit heute rund 33.000 Einwohnern wurde geplant und realisiert in einer
Zeit, als die Mehrheit der ehemals fast 72.000 Einwohner*innen ihrer Arbeit im damaligen Kohle- und Energiebezirk
nachging. Mit dem Strukturwandel fielen viele Arbeitsplätze weg, die Bevölkerungszahl ging zurück. Die Diakonie
Libera ist Teil der Stadtgesellschaft und betreibt insgesamt neun Einrichtungen, davon allein vier im sächsischen
Hoyerswerda. Sie ist damit eine der größten Arbeitgeberinnen in der Region.
Hausmeistertätigkeiten individuell
nutzen. So viel Hilfe wie nötig, so
wenig Abhängigkeit wie möglich.“
Des Weiteren gibt es die Überlegung,
die Tagespflege am Nachmittag und
am Wochenende auch für die Menschen in der Nachbarschaft zu öffnen.
Susann Kummer (Einrichtungsleiterin), Christina S. Lumper
und Silke Schlegel (Vorständinnen der Diakonie Libera), v.l.n.r.
„Mit unseren Angeboten beantworten
wir vielseitige Bedarfe, stehen in enger
Verbindung mit den Menschen und
ihren Themen“, berichtet Christina S.
Lumper, Vorständin der Diakonie
Libera. „Über Generationen hinweg
bieten wir Unterstützung für alle an,
die sich diese wünschen und benötigen.“ Nächstenliebe, Nachbarschaft
und ein aktives Miteinander als Teil der
Stadtgesellschaft waren die Motoren
für die Entwicklung des neu entstehenden Nachbarschaftsquartiers rund um
die Altenhilfeeinrichtung Haus Rosengarten.
Direkt um die Ecke –
und nah am Zentrum
Auf dem großen Gelände an der nahe
gelegenen Bundestraße 97 entstehen
eine Tagespflege, eine Kurzzeitpflege
sowie das Service-Wohnen, die im
Januar 2021 eröffnen. „Unser Quartier
wird für unsere Mieter und zu Pflegenden zu einem Zuhause, in dem
das Verbindende, die Nachbarschaft,
das Fundament für die Lebensphase
bietet“, erklärt Silke Schlegel, zweite
Libera-Vorständin. Im Service-Wohnen
können Mieter*innen zum Beispiel
Unterstützung beim Einkaufen oder
Frei und selbstbestimmt
Die Idee dahinter erschließt sich
sofort, denkt man über die Bedeutung
des Namens Libera nach. Seit dem
1. Januar 2020 trägt die Stiftung den
neuen Namen. „Libera steht für frei
und selbstbestimmt. Und genau das
ist es, was die Menschen wollen. „Es
ist wichtig, dass wir nicht abseits der
Gesellschaft agieren, sondern mittendrin“, bestärkt Christina S. Lumper.
„Ein wunderbares Beispiel hierfür
unser Helen-Keller-Haus. Hier leben
Menschen mit teils schwerer Behinderung. Die Bewohner*innen nehmen
ganz selbstverständlich am gesellschaftlichen Leben teil, gehen mit
unseren Fachkräften ins Schwimmbad,
in den Zoo, auf die Wochenmärkte.
Denn wir sind ein Teil der Nachbarschaft.“
KLASSIK FÜR ALLE
Manche Pläne werden spontan an einer Supermarktkasse
geschmiedet. Dort trafen sich unsere Kantorin Annette
Clasen aus der Schlosskirche Berlin-Buch und der Rechtsanwalt Martin Majewski. Beide machen Musik aus Leidenschaft – und wie soll es anders sein – die Idee, gemeinsam
Musik zu machen, wurde geboren. Start war die Nacht der
offenen Kirchen mit einem Konzert für Orgel (A. Clasen) und
Posaune (M. Majewski) in der Dorfkirche Karow.
war es, Chor und Orchester im Kirchenraum der kleinen
Schlosskirche unterzubringen. Zur Aufführung kamen Werke
von Franz Schubert: Kleines Stabat Mater und die Sinfonie
h-moll (Unvollendete) sowie von Felix Mendelssohn: Hör
mein Bitten und Lauda Sion. Ein zweites Konzert sollte bald
folgen, das den Schwerpunkt Orgel, Chor und Posaunen
hatte. Zur Aufführung kamen u.a. Stücke von M. Majewski,
der selbst als Komponist tätig ist.
Ein lust- und mutmachender Beginn, dem weitere kleine
Konzerte folgen sollten. Beide sind nicht nur hervorragende
Solisten, sondern stehen für Chor- und Orchestermusik.
Annette Clasen als Kantorin für den Kirchenchor der
Gemeinde der Schlosskirche Buch. Der Chor existiert seit
mehr als 90 Jahren und ist eine kirchliche und kulturelle
Institution im Norden von Berlin. Martin Majewski organisiert die Bürgersinfonie Berlin-Buch seit 2013. Die Bürger
sinfonie versteht sich als ein demokratisches Orchester,
das aus freiberuflichen Profimusikern aus Berlin und Umgebung besteht und ohne Dirigent spielt.
Die Bürgersinfonie Buch und der Chor der Schlosskirche
stehen gemeinsam dafür, den Bürger*innen der Region
klassische Musik nahe zu bringen. Gerade für Menschen
mit geringem Einkommen, Alleinerziehende mit Kindern
oder auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität ist die
Möglichkeit zur Teilhabe und Teilnahme an kulturellen
Veranstaltungen auf hohem Niveau in den großen Konzert
häusern der Stadt oft nicht möglich. Hier beschreiten
Gemeinde und Bürgersinfonie einen gemeinsamen Weg in
guter Nachbarschaft und für die Menschen in der Region.
STEFAN KRETZSCHMAR
CHRISTINA LUMPER und
ANJA VOGLER
Weitere Informationen:
www.diakonie-libera.de
Es reifte der Gedanke, nicht nur zu zweit, sondern gemeinsam mit den etwa 50 Sänger*innen des Chors der Schlosskirche und den ca. 40 Musiker*innen der Bürgersinfonie
Konzerte aufzuführen. Möglich wurde ein erstes Konzert
zu den Bucher Kirchenmusiktagen, die seit 60 Jahren in
der Schlosskirche Buch stattfinden. Eine Herausforderung
PS: Aufgrund der Corona-Pandemie sind leider bis auf
weiteres keine Auftritte möglich. Die Bürgersinfonie und
der Chor der Schlosskirche können es kaum erwarten,
wieder spielen und singen zu dürfen.
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Nachbarschaft
Nachbarschaft
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Bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende hilfsbedürftigen
und ratsuchenden Menschen mit den Angeboten und
Einrichtungen der Diakonie beizustehen. Bei uns finden
sie Beratung, Unterstützung, Zuflucht und Hoffnung.
Dies gilt besonders zu Zeiten der Corona-Pandemie.
BITTE SPENDEN SIE UNTER:
Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische
Oberlausitz e.V.
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE18 1002 0500 0003 2019 00
BIC: BFSWDE33BER
Bank für Sozialwirtschaft
Spendenzweck: „Diakonische Aufgaben“
Hier erfahren Sie mehr über unsere Projekte
und diakonischen Angebote und können online
via Überweisung und PayPal spenden:
www.diakonie-portal.de/spenden
Charisma-Projektkoordinatorin
Irene Sang
Nachbarschaftshilfe:
„EHRENAMT IST
SYSTEMRELEVANT“
Einkäufe erledigen, mit dem Hund Gassi gehen – oder
einfach ein Gespräch im Treppenhaus: Es gibt viele
Möglichkeiten, Menschen in der Nachbarschaft zu
unterstützen. Charisma – die Freiwilligenagentur von
Kirche und Diakonie vermittelt ehrenamtliche Tätig
keiten und koordiniert Nachbarschaftshilfe in Berlin,
Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz. Sie
können sich auch in unsere Corona-Hilfe-Datenbank
eintragen. Damit werden Hilfesuchende und Helfende
zusammengebracht. „Diakonie für Sie“ sprach mit
der Projektkoordinatorin Irene Sang.
Wie hat die Corona-Pandemie Ihre Arbeit beeinflusst
und verändert?
Irene Sang: Der Antritt meiner neuen Arbeitsstelle fiel in die
turbulente Zeit der ersten Reaktionen auf das Corona-Virus
mit Homeoffice und Kontaktbeschränkungen. Um Ehrenamtliche und Klient*innen in den Einrichtungen zu schützen,
wurden die meisten Angebote ausgesetzt. Stattdessen
installierte Charisma innerhalb weniger Tage eine Nachbarschaftshilfe-Plattform im Internet, um bei der Versorgung
auch Menschen aus Risikogruppen zu unterstützen. Dort
können sich hilfsbereite Menschen und Hilfesuchende
registrieren und wir vermitteln zum Beispiel wohnortnahe
Einkaufshilfe oder initiieren einen telefonischen Besuchsdienst für einsame Menschen, die coronabedingt ihre
Wohnungen nicht verlassen können.
Haben sich die Sorgen und Fragen der Menschen
verändert? Welche Dinge sind wichtiger geworden?
Sang: Natürlich haben besonders die Menschen, die sich
Hilfe suchend an uns gewendet haben, Angst vor Ansteckung mit dem für sie lebensbedrohlichen Virus. Ein kurzes
Gespräch und das Wissen, dass jemand um Hilfe bemüht
ist, schaffen da zumindest etwas Entlastung. In vielen Fällen
diente die Nachbarschaftshilfe auch nur zur Überbrückung,
bis sich Familie, Freunde oder soziale Organisationen soweit sortiert hatten, dass sie unter Einhaltung der Hygiene-
regeln die Versorgung wieder übernehmen konnten.
Wir bei Charisma sind in der glücklichen Situation, dass
uns statt der Sorgen viel mehr spontane Unterstützungs
angebote sowie jede Menge Hilfsbereitschaft erreichen und
hoffen, dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft durch
vielfältiges bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement gestärkt wird. Auch die Politik hat festgestellt, dass
Ehrenamt systemrelevant ist und soziales Engagement die
Gesellschaft zusammenhält.
Welche Erfahrungen haben Sie in der Krise gemacht,
die Sie auch danach nutzen werden?
Sang: Ein Großteil unserer Kommunikation lief auch schon
vor der Corona-Krise per Telefon und E-Mail. Hinzu gekommen ist der Austausch mit Netzwerkpartnern über Videokonferenz-Tools. Digitale Angebote werden sicher zukünftig
bestehende Angebote ergänzen. Das wird auch die Engagement-Landschaft verändern. So wird in manchen Bereichen
ein Engagement unabhängig vom Aufenthaltsort möglich
sein. Auch ich kann mich mit Ehrenamtskoordinator*innen
aus Einrichtungen außerhalb Berlins per Videocall austauschen oder Beratungsgespräche trotz größerer Entfernung
von Angesicht zu Angesicht führen.
Und natürlich zehre ich von der Zuversicht, die ich, dank
der überwältigenden Hilfsbereitschaft der Menschen in ganz
Deutschland habe, dass trotz Individualisierung der Lebens-
stile ein Großteil der Gesellschaft in Krisensituationen
wie im Alltag auch weiter an seine Nachbar*innen denkt.
Gibt es etwas, dass Ihnen in dieser Zeit besonders
wichtig ist, das Sie mit anderen teilen wollen?
Sang: Auf unserer Nachbarschaftshilfe-Plattform registrierten sich deutlich mehr Freiwillige als Menschen, die Hilfe
benötigen. Die Hilfsbereitschaft war und ist generell überall
sehr groß. Ich habe in den vergangenen Wochen mit vielen
Menschen gesprochen, die vorher noch nie über ein Ehrenamt nachgedacht haben und jetzt spontan helfen möchten.
So findet die*der eine oder andere über die kurzfristige
Unterstützung einer hilfebedürftigen Person in der Nachbarschaft vielleicht den Weg in ein längerfristiges Ehrenamt und
kann so einen Beitrag zur Gestaltung der Gesellschaft
leisten.
Die Fragen stellte ANNABELLE SCHERZER
Auf der Seite von Charisma gibt es die Möglichkeit, sich als
Ehrenamtliche*r oder als Einrichtung online zu registrieren:
www.charisma-diakonie.de
KONTAKT:
Irene Sang (Projektkoordinatorin)
Telefon: 030 440 308-141 oder -142
E-Mail: charisma-info@dwbo.de
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Nachbarschaft
Standpunkt
Austausch, Begegnung und Netzwerken:
DAS NACHBARSCHAFTSZENTRUM
FRIEDRICHSHAGEN
15
NACHBARSCHAFT –
(K)EIN KINDERSPIEL
reative Angebote und Selbstverwirk
k
lichung in einem nachbarschaftlichen
Ambiente.
Nachbarschaft hat viele Bedeutun
gen. Nachbarschaft kann Gemeinschaft und Hilfsbereitschaft bedeuten. Andere assoziieren damit den
Lärm der Nachbarskinder oder des
Nachbars Bohrmaschine um acht
Uhr früh. Besonders in den Städten
überwiegt die Anonymität meist der
Gemeinschaft. Das Nachbarschaftszentrum der Stephanus Stiftung in
Berlin-Friedrichshagen ist eine Kontakt- und Anlaufstelle für Menschen
in der Nachbarschaft, unabhängig
von Alter, Geschlecht und Herkunft.
„Heute sind die Kinder und Jugendlichen im Kletterwald, nicht weit von
hier“, berichtet die Leiterin des Nachbarschaftszentrums (NBZ) Friedrichshagen, Katja Schurig. Mit drei weiteren
hauptamtlichen Kolleg*innen betreut
sie das im Herzen von Friedrichshagen
gelegene Zentrum. In den ersten drei
Wochen der Sommerferien gab es für
die jungen Friedrichshagener ein abwechslungsreiches Angebot mit viel
Bewegung. Ein willkommenes, kostenloses Angebot, besonders für berufstätige und alleinerziehende Eltern.
Neben Freizeitangeboten ist das NBZ
auch eine Adresse für beratungs- und
hilfesuchende Menschen. Seinen
Ursprung hat die Einrichtung in der
„Anlaufstelle für Bildung, Arbeit und
Begegnung“ für Menschen mit Flucht
erfahrung. Angebote, die auch das
NBZ Friedrichshagen in Form von
Sprachkursen und Beratungsgesprächen weiterhin führt. Der ehrenamtliche Ansatz im NBZ gibt Raum für
Beratungen via Telefon,
E-Mail und im Garten
Als einen besonders tiefen Einschnitt in den Alltag stelle sich die
Corona-Krise heraus. „Wir mussten,
wahrscheinlich wie alle sozialen Einrichtungen, unser Programm von dem
einen auf den anderen Tag komplett
absagen“, sagt Leiterin Schurig. Auch
die Beratungsangebote für geflüchtete
Menschen, die in der Hand von Katja
Schurig liegen, konnten in dieser Form
nicht mehr stattfinden. Doch eine
Alternative wurde schnell gefunden:
„Wir haben uns überlegt, wie wir trotzdem in die Nachbarschaft hineinwirken
können und haben umgestellt auf
Beratung per Telefon und E-Mail.“
Langsam kehrt der Alltag zurück in das
NBZ Friedrichshagen. Viele Angebote
werden statt in den Räumlichkeiten im
zugehörigen Garten des Zentrums
durchgeführt und auch die Beratung
funktioniert inzwischen wieder face-toface. Doch auch während der Zwangspause ging das Gefühl von Nachbar
schaft nicht verloren: „Viele unser Teilnehmenden kennen sich auch privat
und blieben auch während der
Corona-Krise in Kontakt“, so Katja
Schurig.
FELIX VON WAGNER
Weitere Informationen:
www.stephanus.org
Zu Ostern im Lockdown fand ich eine
gebastelte Karte meiner achtjährigen Nachbarin im Briefkasten. Habe
mich echt gefreut. Auch andere in
meinem Haus haben sich erkundigt,
wollten für uns einkaufen. Nett! Wie
wichtig Nachbarschaft ist, wissen wir
in unserer diakonischen Arbeit. Wer
einen Menschen mit einer psychischen
Erkrankung betreut oder eine Jugend
wohngruppe oder Menschen, die wohnungslos waren, hat ein besonderes
Augenmerk auf die Nachbarschaft. Ein
angemessenes Miteinander im Haus
zu fördern, Kontakte im Umfeld zu
begleiten, ist dann wesentliche Aufgabe der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters. Der Neustart sollte nicht an
dem falsch abgestellten Fahrrad oder
der Mülltrennung scheitern.
Wie sich Nachbarschaft entwickeln
kann, hängt aber nicht nur vom guten
Willen, Taktgefühl und Engagement der
Bewohnerinnen und Bewohner ab,
sondern auch von Gegebenheiten im
Umfeld. In der Kleinstadt, in der ich bis
2013 fünfzehn Jahre lebte, gab es am
Schluss keinen fußläufig erreichbaren
Bäcker oder Lebensmittelladen mehr.
Der morgendliche Treffpunkt war weg.
Solche braucht es aber, damit man
unverbindlich miteinander in Kontakt
kommen kann. Deshalb sind Nachbarschafts- oder Familienzentren so wich-
tig. Auch Kirchengemeinden können
Begegnungsräume für alle bieten, am
besten zusammen mit diakonischen
Einrichtungen, wie die Diakonie Libera
in Hoyerswerda es anstrebt.
Jetzt in Berlin stehen in unserer kurzen
Straße schon lange zwei Häuser mit
vielen Wohnungen fast leer. Was haben
die Eigentümer damit vor, was wurde
aus denen, die dort wohnten? Wie
sollen sich Nachbarschaften gut ent
wickeln, wenn Menschen verdrängt
werden? Deshalb ist Politik mit Stadtplanung und expansivem Wohnungsbau gefordert, vor allem müssen preiswerte und Sozialwohnungen gebaut
werden. Wenn Menschen in ihrem Kiez
bleiben und neue hinzukommen sollen,
ist Nachverdichtung notwendig. Das
verlangt Toleranz und Offenheit von
allen. Nachbarschaft ist alles andere
als ein kinderleichtes Thema. Aber
der Einsatz lohnt sich. Denn was wäre
wichtiger, als dass Menschen sich in
ihrem „Schlappenbereich“ wohlfühlen.
BARBARA ESCHEN
Direktorin des Diakonischen Werkes
Berlin-Brandenburg-schlesische
Oberlausitz e.V.
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Rubrik
DWBO
DWBO
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DWBO-Vorständin Andrea Asch
(links) und Direktorin Barbara
Eschen im Gespräch.
Andrea Asch: Mit dem
Beginn meiner Tätigkeit
am 1. März im DWBO sind
wir auf die Kommunikation per Telefon und Video
umgestiegen. Die Einrichtungen hatten immens
viel neu zu organisieren,
digitalisieren, Schutzkleidung zu besorgen. Ich bin dankbar, dass wir gemeinsam so
viel stemmen konnten. Wir sind ja selbst in die Beschaffung
und Verteilung von Schutzausrüstung gegangen. Und die
Einrichtungen waren sehr engagiert. Hut ab!
Doppelinterview: Corona und wie geht es weiter?
„IN DER DISTANZ SIND
WIR EINANDER NÄHER
GEKOMMEN“
Das Coronavirus bestimmt seit Februar unser aller
Leben: Masken, Abstand, Stillstand. Gleichzeitig bietet
die Krise aber auch die Chance, Strukturen auf den
Prüfstand zu stellen. DWBO-Direktorin Barbara Eschen
und Vorständin Andrea U. Asch im Gespräch.
Was hat sich seit Corona im Haus des DWBO verändert,
was gesamtverbandlich?
Barbara Eschen: Wir sind etwas digitaler geworden und
hatten weitgehend auf mobiles Arbeiten umgestellt. Dabei
bin ich beeindruckt, wie hoch das Engagement unserer
Mitarbeiter*innen war. Alle haben sich ins Zeug gelegt,
unsere Einrichtungen zu unterstützen, immer am Ball zu
bleiben. Danke dafür!
Was haben Sie noch aus der Krise gelernt?
Asch: Wir sind näher zusammengerückt und haben viel
intensiver kommuniziert als vorher. Mit unseren Mitgliedern,
aber insbesondere mit der Politik, haben wir mehr und vielleicht auch intensiver gesprochen. Oft war das ein hartes
Ringen um den richtigen Weg, aber wir konnten unsere
Rolle als Expert*innen gegenüber Politik und Verwaltung
stärken.
Eschen: Viele praktische Fragen werden nun stärker
durchdacht. Vor Corona hat sich, zum Beispiel, niemand
außer den Betroffenen Gedanken über die Rolle der Besucher*innen in einem Pflegeheim gemacht. Da begreife ich
Corona auch als Chance gegenüber unseren Geldgebern
und der Öffentlichkeit deutlich zu machen, wie viel Arbeit
unsere Einrichtungen vor Ort leisten und dass es dabei
immer um die Lebensqualität von Menschen geht.
Asch: Die Erkenntnis dieser Krise ist ja: Systemrelevant
sind nicht vor allem Banken, systemrelevant ist unser Gesundheits- und Sozialsystem. Unsere Aufgabe wird es sein,
diese Erkenntnis am Leben zu halten und Politiker*innen
immer wieder daran zu erinnern, dass wir als Diakonie einen
wesentlichen Anteil an der Bewältigung dieser Krise haben.
Niemand weiß, ob und wann ein Impfstoff das Ende
von Corona bringen kann. Wie wappnet sich die
Diakonie für ein Leben mit der Pandemie?
Asch: Wir haben dazugelernt: Die fehlende Schutzaus
rüstung war eine furchtbare Mangelsituation, die wir so
nicht noch einmal erleben wollen. Ich gehe auch nicht
davon aus, dass es noch einmal zu einer Schließung aller
Einrichtungen kommen wird, wie zum Beispiel bei den
ambulanten Tagespflegeeinrichtungen oder Werkstätten
für Menschen mit Behinderung. Wir haben Schutzkonzepte
entwickelt, um weiter mit den uns anvertrauten Menschen
arbeiten zu können.
Eschen: Ich teile Ihre Einschätzung, sehe das aber
nicht für alle Bereiche.
Wir konnten noch nicht in
ausreichendem Maß im
Bereich Wohnungslosenhilfe tätig werden. Im
kommenden Winter wird
es darum gehen: Wo können wir obdachlose Menschen sicher unterbringen? Der
Bedarf an Plätzen wird eher steigen und gleichzeitig können
wir durch die Abstandsregeln weniger Menschen aufnehmen. Zudem sind die wirtschaftlichen Folgen noch nicht
absehbar. Besonders gefährdet sind Menschen, die jetzt
schon wenig Geld haben. Auch haben viele Beziehungen
die Enge durch Corona nicht überstanden und Menschen
verlieren ihr soziales Netzwerk. Eins steht fest: In der Pandemie sind unsere Dienste und Beratungsstellen noch
wichtiger geworden.
Was bewegt Sie persönlich?
Asch: Mich persönlich hat die Situation der alten Menschen sehr umgetrieben. Ich habe mich schwer damit
getan, die Kontaktsperren in den Altenpflegeeinrichtungen
mitzutragen. Wir müssen uns fragen, ob die seelischen und
mentalen Kosten genug bedacht wurden. Gesundheit ist
nicht nur Abwesenheit von Infektion. Gesundheit ist auch
psychisches Wohlergehen durch den Kontakt zu anderen
Menschen.
Eschen: Wir sollten vorsichtig bleiben. Wir Menschen sind
verletzlich und das sollten wir akzeptieren. Ich sehe es als
unsere Aufgabe an, diese Haltung den Corona-Leugnern
entgegenzusetzen.
Asch: Als Christ*innen ist unsere Vorsicht aber auch mit
Zuversicht gepaart und dem Vertrauen darauf, getragen zu
sein. Wir möchten unseren Mitgliedern vermitteln, nicht in
Panik zu verfallen, was sowohl die Bewältigung der Infek
tionsgefahr als auch der finanziellen Folgen angeht.
Das Interview führte DWBO-Pressesprecherin
VERENA GÖTZE
Bleiben Sie gesund!
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Brot für die Welt
Brot für die Welt
CORONA-KRISE:
REGIONAL UND WELTWEIT
Grüne Inseln umgeben von karger
Landschaft. Bei den Kirchenwäldern
in Äthiopien handelt es sich um H
eilige Stätten und Zeugnisse des frühen
Christentums. Heutzutage beheimaten die Kirchen- und Klostergärten
die letzten Urwälder Äthiopiens. Die
„Waldinseln“ bieten Lebensraum für
bedrohte Pflanzen und Tierarten, sind
Wasserspeicher und geben Menschen
Hoffnung. Mit unseren Virtual-RealityBrillen tauchen Sie ins Grün ein: Treffen
Sie unsere Dorfbewohner*innen und
erfahren Sie mehr über das Leben in
den Wäldern und Klöstern:
www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/
aethiopien-kirchenwaelder
So war es angedacht, aber leider
mussten wir alle Veranstaltungen
absagen. Eigentlich waren im ersten
Halbjahr 2020 tolle Aktionen und
Besuche in Kirchengemeinden,
Gemeindemitglieder
am Feiertag
chulen und diakonischen EinrichS
tungen geplant. So auch die gemeinsame Aktion mit der Evangelischen
Kreuzkirchengemeinde in Berlin. Projektkoordinator*innen aus Äthiopien
sollten aus dem Land berichten und
Besucher*innen in eine ferne Welt eintauchen: mit einer begehbaren Aus
stellung, den VR-Brillen sowie landestypischer Musik und Köstlichkeiten.
Wir haben Ihr Interesse geweckt und
Sie würden auch gerne auf eine virtu-
elle Reise gehen? Wenn die CoronaSituation es wieder erlaubt, kommen
wir gerne auch zu Ihnen in die Kirchengemeinde oder diakonische Einrichtung. Bitte sprechen Sie uns an!
Ein positiver Nebeneffekt der CoronaKrise: Wir bieten nun alle Workshops
zum globalen Lernen in digitaler Form
an. Besuchen Sie unsere Webseite:
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MIT SOLIDARITÄT IN DER
NACHBARSCHAFT GEGEN
DAS CORONA-VIRUS
www.diakonie-portal.de/brot-fuerdie-welt/aktuelles
Außerdem haben wir eine kurze
Videoreihe zum Thema Fairer Handel
erstellt:
www.youtube.com/user/
diakonieDWBO
Und für Jugendliche bieten wir auf
„actionbound“ eine interaktive Mitmach-Aktion mit virtuellem Projekte
besuch an:
www.brot-fuer-die-welt.de/
gemeinden/schule/sekundarstufe/
virtuelle-projektbesuche
2
1
Wir sind für Sie da!
Auch in diesen besonderen Zeiten, ist
unser Brot für die Welt-Team für Sie da
und geht gerne auf Ihre Fragen und
Wünsche oder die der Gemeinde ein.
Bitte sprechen Sie uns an!
CHRISTIANE ALBRECHT
Gemeinsam stark
Mit dem Corona-Virus steigt in vielen
Ländern auch die häusliche Gewalt.
Im Juni 2020 verzeichnete die Berliner
Gewaltschutzambulanz einen Anstieg
von rund 30 Prozent im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum. In Deutschland finden Opfer Hilfe bei den Einrichtungen
der Diakonie. Auch in Bolivien nimmt
die ohnehin schon hohe Gewalt gegen
Frauen durch Ausgangssperren weiter
zu. Eine Partnerorganisation von Brot
für die Welt unterstützt Betroffene in
Sucre.
Für eine soziale, wirtschaftliche und
politische Stärkung von Frauen setzt
sich die Frauenorganisation „Centro
Juana Azurduy“ (CJA) ein. Sie leistet
unter anderem Aufklärungsarbeit und
psychologische Betreuung und bietet
Ausbildungsplätze an.
Das Corona-Virus hat Bolivien aktuell
(Stand: 15. August 2020) fest in seiner
Hand. Seit dem 22. März gilt eine vollständige Ausgangssperre, das öffentliche Leben liegt brach. Die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19
treffen arme und benachteiligte Menschen in Bolivien besonders hart, denn
mehr als 70 Prozent der Menschen
haben ihre Einkommensquelle verloren.
„Zu der Angst vor einer Ansteckung
kommt nun die wirtschaftliche Not
hinzu – und für viele Frauen das Problem, mit ihren gewalttätigen Partnern
in völliger Isolation zu leben“, sagt
Lourdes Prieto, Koordinatorin im CJA.
Das Corona-Virus stellt auch die Arbeit
der Partnerorganisation von Brot für die
Welt auf den Kopf. „Wir müssen unsere
Arbeitsweise grundsätzlich überdenken. Das Virus wird uns noch lange Zeit
begleiten, da können wir keine Informationsveranstaltungen mit 30 bis 100
Frauen durchführen.“ Ebenso wie bei
uns im Raum der EKBO sind Telefonbetreuung, Vernetzung und Nachbarschaftshilfe deshalb die neuen Säulen
der Arbeit von CJA.
FELIX VON WAGNER
Weitere Informationen zum Projekt:
www.brot-fuer-die-welt.de/
projekte/bolivien-frauen
3
1 Die Mitarbeitenden der Organisation CJA stehen
Frauen zur Seite, die Opfer von Gewalt geworden sind.
2 Normalerweise findet die Rechtsberatung und
psychologische Betreuung vor Ort statt. Zurzeit
geht alles nur telefonisch.
3 Sie nutzen auch den eigenen Radiosender zur
Aufklärung zu Corona.
Haben Sie Fragen zu Brot für die Welt?
Dann wenden Sie sich gerne an:
Christiane Albrecht
Telefon: 030 820 97 203
E-Mail: Albrecht.C@dwbo.de
Internet: www.diakonie-portal.de/
brot-fuer-die-welt
Spendenkonto Brot für die Welt
Brot für die Welt
Bank für Kirche und Diakonie
IBAN: DE10 1006 1006 0500 5005 00
BIC: GENODED1KDB
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