Dokumentation.
„Stadtverträglicher Tourismus – internationale Erfahrungen im
Vergleich mit Berlin und Best Practice in Friedrichshain-Kreuzberg“
Inhalt.
Vorwort.
05
Ausgangssituation.
06
Projektidee und Kooperationen.
07
Projektziel.
07
Projektphase 1 – Analyse.
08
Projektphase 2 – Umsetzung.
12
Fazit.
17
Statement der Kooperationspartner *innen.
20
Hinweis.
Zusätzlich zur Broschüre gibt es noch einen
Handlungsleitfaden zur Umsetzung des „Pilotprojektes“.
Dieses Dokument können Sie auf folgenden Seiten downloaden:
www.wirtschaftsfoerderung-friedrichshain-kreuzberg.de
www.fairkiez.berlin
4
1. Pantomime-Künstler*innen
Vorwort.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg setzt sich seit einigen Jahren für die Entwicklung eines verträglicheren Tourismus in den stark nachgefragten Kiezen ein. Der Schutz der Anwohner *innen vor den negativen touristischen Auswirkungen
ist uns besonders wichtig. Das vorliegende Projekt „Stadtverträglicher Tourismus – internationale Erfahrungen im Vergleich
mit Berlin und Best Practice in Friedrichshain-Kreuzberg“
diente dazu. Jenseits repressiven behördlichen Eingreifens
sollten Erfahrungen von Kommunen mit ihren speziellen Maßnahmen generiert und beispielhaft im Bezirk erprobt werden.
2. Dr. Peter Beckers
Bezirksstadtrat für Wirtschaft, Ordnung, Schule und Sport
Mit dem Projekt ist es gelungen, dass sich Bezirk und touristische Akteure wie visitBerlin, die DEHOGA Berlin, die Clubkommission Berlin e. V. und Unternehmen gemeinsam mit dem
Thema „Stadtverträglicherer Tourismus“ auseinandersetzen und
es fördern. Ich danke den Akteur*innen für das Einbringen ihrer
Erfahrungen, Kontakte und Ideen sowie für das finanzielle Engagement, mit dem erst eine Realisierung möglich wurde.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass es bei der Pantomime-Künstler*innen nicht nur Wirkungsunterschiede zu den beiden Vergleichsstädten gibt, sondern auch innerhalb unserer Kieze. Was
im einen besser funktioniert, kann schon im räumlich benachbarten Kiez schlechter funktionieren. Dort wo es nicht zufriedenstellend wirkt, müssen wirkungsvollere Maßnahmen zum
Schutz der Anwohner*innen eingesetzt werden.
Die zentrale Fragestellung des Projekts lautete: Wie gehen andere Städte mit dem Thema Nutzungskonflikte durch Tourismus
um? Welche Maßnahmen setzen sie zur Entschärfung der Konflikte ein und können solche Maßnahmen auch in Berlin wirken?
Das Bezirksamt setzt sich unter dem im Projekt entwickelten
Logo „fair.kiez“ weiter für ein faires Miteinander im Kiez ein und
macht seine Aktivitäten unter www.fairkiez.berlin transparent.
Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden in der ersten
Hälfte der Projektlaufzeit Maßnahmen anderer Städte ermittelt
und bezüglich ihrer möglichen Übertragbarkeit auf den Bezirk
ausgewertet. Anschließend wählte das Projekt die PantomimeKünstler*innen (Paris, Barcelona) als ein „Best Practice“ für die
Erprobung in unseren Kiezen aus. Der Einsatz der PantomimeKünstler*innen geschah in Begleitung von Kommunikator*innen,
um nicht nur Aufmerksamkeit zu generieren, sondern auch in
den Dialog mit den abendlichen Gästen eintreten und für das
Anliegen eines „fair Kiez“ sensibilisieren zu können.
Ich danke allen am Gelingen des Projekts beteiligten Akteur*innen und freue mich über das hohe Engagement, das die
Kollegen*innen in der bezirklichen Wirtschaftsförderung und
den vielen beteiligten Ämtern unserer Bezirksverwaltung der
Entwicklung und Implementierung eines „Stadtverträglicheren
Tourismus“ in unseren Kiezen entgegenbringen.
Dr. Peter Beckers
Bezirksstadtrat für Wirtschaft, Ordnung, Schule und Sport
5
4. Einsatz im Wrangelkiez, Kreuzberg
3. Simon-Dach-Straße, Friedrichshain
Ausgangssituation.
Der Berlin-Tourismus hat sich mit einem Umsatz von ca. 10 Milliarden Euro zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der
Stadt entwickelt. 2014 lebten davon 240.000 Berliner*innen.1
Hauptanziehungspunkte auch 2015 waren die Innenstadtbezirke Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof–Schöneberg auf die sich 80 % der Tourist*innen fokussieren. Die dynamische Entwicklung des Tourismus in
den letzten Jahren beeinflusst nicht nur die lokale Gewerbestruktur, sondern auch die Lebensqualität der Bewohner*innen
in den Innenstadtbezirken.
6
Positive Effekte für die Stadt Berlin und für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind das Wirtschaftswachstum, Beschäftigung
und Steuereinnahmen. Neben den positiven Aspekten zeigen
sich auch negative Begleiterscheinungen in den von Tourist*innen und Besucher*innen stark frequentierten Kiezen wie zum
Beispiel Lärm zur Nachtzeit, Vermüllung und Verschmutzungen
auch in den Hauseingängen. In den Kiezen bilden sich vermehrt
Monostrukturen 2.
1
Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg / Wirtschaf tsfaktor
für Berlin von visitBerlin
Die Begleiterscheinungen sind bekannt. Bisherige Lösungsansätze fokussierten sich auf „weiche“ Methoden der Konfliktlösungen zwischen Anwohner*innen und Gastronomen*innen
wie Mediationen, Moderationen mit dem Abschluss lokaler Vereinbarungen bzw. mit der Organisation von Eigentümersalons
zur Ansprache der Eigentümer*innen. „Harte“ Methoden, beispielsweise die Prüfung der Anwendbarkeit im Stadtplanungsrecht auf der Grundlage des § 15 der BauNutzungsVO bzw. die
restriktive Anwendung ordnungsrechtlicher Maßnahmen wie
Verbote, Einrichtung von Sperrzeiten wurden ebenso aufgezeigt. Als Ergebnis wird nach derzeitigen Erkenntnissen durch
die Akteure ein komplexes Wechselspiel zwischen „harten“ und
„weichen“ Methoden als notwendig erachtet.
Bei der Befriedung von Nutzungskonflikten durch den Tourismus wurde immer wieder, neben den bereits genannten Methoden, die Notwendigkeit gesehen, Möglichkeiten zu finden
auch die Gäste (als Verursacher*innen) direkt vor Ort anzusprechen und für die Problematik zu sensibilisieren.
Genau hier setzte das Projekt „Stadtverträglicher Tourismus –
internationale Erfahrungen im Vergleich mit Berlin und Best
Practice in Friedrichshain-Kreuzberg“ an.
2
Es etablieren sich monostrukturelle Ökonomien, die den Touristen alles bieten,
was sie brauchen – Cafés, Bars, Supermärkte, Souvenirshops – aber die Bedürfnisse der Anwohner*innen nicht berücksichtigen.
Projektidee und
Kooperationen.
Die Idee zu diesem Projekt für einen stadtverträglichen Tourismus im Bezirk wurde von den touristischen Akteur*innen aus
dem Bezirk selbst, u.a. aus dem „Runden Tisch Tourismus“ 3 und
durch die Clubcommission Berlin e. V. an die Wirtschaftsförderung herangetragen.
Bei den touristischen Akteur*innen, Institutionen und Unternehmen des Bezirkes aus der Gastronomie, Hotellerie, Clubbranche, des Hotel- und Gaststättenverbands und Service in the
City / visitBerlin stieß die Idee auf großes Interesse. Sie sagten
ihre Kooperationsbereitschaft zu, unterstützten das Projekt
durch ihre Kenntnisse, Erfahrungen und Kontakte und beteiligten sich finanziell.
Die Kooperationspartner*innen setzten damit ein Zeichen für einen stadtverträglichen Tourismus im Bezirk. Durch ihre tatkräftige Unterstützung ist es gelungen, das Projekt in dem kurzen
zeitlichen Rahmen zu realisieren.
Kooperationspartner *innen
..
..
..
„Service in the City“ / visitBerlin – www.visitBerlin.de
Clubcommission Berlin e. V. – www.clubcommission.de
DEHOGA Berlin – Hotel- und Gaststättenverband Berlin e. V. –
www.dehoga-berlin.de
.. A&O Hostels und Hostels Holding AG – www.aohostels.com
.. EASTERN-COMFORT hostelboat berlin GmbH –
www.eastern-comfort.com
.. papaya restaurants – www.papaya-service.de
.. Suicide Circus Berlin – www.suicide-berlin.com
Umgesetzt wurde das Projekt durch die Clubcommission
Berlin e. V. im Zeitraum vom 6. Oktober 2014 bis 31. August 2015.
3
„Runder Tisch Tourismus“ ist ein Netzwerk aus Tourismusakteuren verschiedener Branchen, der Politik und Verwaltung im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.
Unterstützt wurde das Projekt außerdem durch den „Runden
Tisch Tourismus Friedrichshain-Kreuzberg“, das Bezirkliche Bündnis für Wirtschaft und Arbeit (www.bwa-fk.de), das Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg und die Direktion 5 der Polizei
Berlin.
Projektziel.
Ziel des Projektes „Stadtverträglicher Tourismus – internationale Erfahrungen im Vergleich mit Berlin und Best Practice in
Friedrichshain-Kreuzberg“ war es, im internationalen Vergleich
Methoden zu finden, welche auf das Verhalten der touristischen
Gäste in Gebieten mit Nutzungskonflikten positiv einwirken können. Mit einem „Best Practice“ (Pilotprojekt) sollten Verhaltensänderungen der Besucher*innen erreicht werden, die ebenfalls
ein positives Image für den Bezirk und die Stadt Berlin fördern.
1. Phase
Eine analytische Betrachtung und Auswertung vergleichbarer
europäischer Metropolen und die Empfehlung eines umsetzbaren Pilotprojektes.
2. Phase
Umsetzung / Evaluierung des Pilotprojektes in ausgewählten,
touristisch belasteten Kiezen in Friedrichshain-Kreuzberg.
Zielgruppen waren hauptsächlich Berlin-Tourist*innen und KiezBesucher*innen. Begleitet wurde das Projekt durch eine zielgruppengerechte Öffentlichkeitsarbeit.
7
Projektphase 1
Analyse.
Aufgabe der ersten Projektphase war eine analytische Betrachtung und Auswertung vergleichbarer europäischer Metropolen.
Es wurden auf den Bezirk und auf Berlin übertragbare Maßnahmen / Lösungen / Handlungsempfehlungen zur Konfliktbewältigung zwischen Anwohner*innen, Tourist*innen, Besucher*innen
herausgearbeitet. Ein Pilotprojekt sollte so ausgewählt werden,
dass es für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nachhaltig anwendbar und auf Berliner Schwerpunktgebiete übertragbar
ist. Die Analyse wurde im Zeitraum von Oktober 2014 bis März
2015 durchgeführt.
Die Analyse erfolgte unter Berücksichtigung folgender Kriterien. Die auszuwählende Maßnahme sollte:
..
8
gezielt auf das Konfliktfeld nächtliche Ruhestörung durch
Lärm im Bereich Nightlife Hotspots einwirken.
.. sich dialogorientiert durch eine positive Ansprache an die
Besucher*innen des Nachtlebens auf die Problematik von
Lärm in Wohngebieten richten. Dies beinhaltet, dass die
Maßnahme Aufmerksamkeit erzeugt und über die Stadt-
grenzen hinaus in der Lage ist, eine positive Message zu
verbreiten.
.. die Möglichkeiten des Einbezugs privatwirtschaftlicher
Akteur*innen bei der Finanzierung der Maßnahme fördern.
Eine Zunahme der Nutzungskonflikte durch den Tourismus ist in
vielen europäischen Städten zu beobachten.
Was machen die anderen?
Internationale europäische Großstädte im Vergleich
In einem ersten Schritt der Datenerhebung stand die Frage
im Vordergrund, welche anderen großen Städte Europas vergleichbare Probleme haben.
Entsprechend wurden zunächst die größten Destinationen Europas und deren nachtökonomische Hotspots identifiziert. Hierzu wurden die aktuellen Tourismuszahlen verglichen.
Innovative Handlungsansätze und Maßnahmen im Vergleich
In einem zweiten Schritt stand die Frage im Vordergrund, welche innovativen, dialogorientierten Ansätze und Maßnahmen
einer positiven Ansprache an Besucher*innen des städtischen
Nachtlebens aus dem In- und Ausland sich für eine Übertragung
nach Friedrichshain– Kreuzberg und Berlin eignen könnten.
Um den Untersuchungsfokus zu schärfen und die Lösungsansätze von restriktiv-regulierenden, präventiv- und dialogorientierten Maßnahmen aus dem Themenfeld Stadttourismus,
Nachtleben und lokales Konfliktmanagement zusammenzufassen, wurden die zu ermittelnden und zu analysierenden Maßnahmen anhand von drei Filtern eingegrenzt. (siehe Abbildung)
Maßnahmenfilter
Filter 1
Problemfeld
Lärm und nächtliche Ruhestörung
in den Nightlife Hotspots
Filter 2
Maßnahmen
Dialogorientierte
Maßnahmen
Filter 3
Ansprache
Positives Einwirken auf Touristen
und Besucher des Nachtlebens
Bei der weitergehenden Analyse der Maßnahmen im Anschluss
an die Recherchen hat sich gezeigt, dass die ermittelten dialogorientierten Maßnahmen sehr unterschiedlich sind. Jede Stadt
hat seine eigenen Problemlösungen aus denen sich eigene Lösungswege und Handlungsmöglichkeiten entwickeln. Ein direkter Vergleich aller 37 Maßnahmen war nicht zielführend. Eine
Zusammenfassung ähnlicher Maßnahmen war notwendig. Es
erfolgte eine strategische Bündelung der 37 Maßnahmen in 10
Methoden. Die nun 10 Methoden wirken in 4 unterschiedlichen
stadt- und sozialräumlichen Dimensionen, die als Aktionsfelder
benannt wurden:
5. Einsatz im Boxhagener Kiez, Friedrichshain
Nr.
Methode
Best Practice
Vergleichsstädte
Ebene des öffentlichen Raums (ÖR)
1
2
3
Patrouillen von Mediator*innen
Künstlerisch-performative Interventionen
Schilder und Hinweise
Zürich, Paris
Paris
Barcelona
München, Köln
Barcelona, Budapest, Brüssel, Zürich
Schaffhausen, Lausanne
mediale Ebene (ME)
4
5
6
Dezibelanzeiger
Imagekampagne
Nachtschwärmerstadtplan
Barcelona
Amsterdam
München, Köln
Barcelona, Budapest, Brüssel, Zürich
Bereich der privatwirtschaftlichen Nachtökonomie (NÖ)
7
8
Nachtbürgermeister
Schulung von Personal
Amsterdam
Manchester
Paris
Kopenhagen, Berlin
Bereich der zivilgesellschaftlichen Beteiligung (ZG)
9
10
Gebietsmonitoring
Kiezwerkstätten
Amsterdam
Berlin
Berlin
Istanbul
9
Alle Methoden haben grundsätzlich das Potenzial, die spezielle
Aufgabenstellung zu erfüllen.
Ebene des öffentlichen Raums (ÖR)
Patrouillen
Eine vielerorts vorgefundene, oft sehr erfolgreiche Methode ist
die der Patrouillen von Mediator*innen. Diese bestehen überwiegend aus mobilen Teams, die in besonders betroffenen
Quartieren, auf Straßen und Plätzen auf Ruhestörer einwirken
und zwischen Anwohner*innen, Nachtschwärmer*innen und lokalen Gastronom*innen moderieren. (Best Practice: Zürich, Paris)
10
Künstlerisch-performative Interventionen
Künstlerisch-performative Interventionen sind Eingriffe im öffentlichen Raum, die über das Spiel und auf subtile kreative Art
versuchen, auf Bedürfnisse der Anwohner*innen aufmerksam
zu machen. Dabei sind die Darsteller*innen nicht als alleiniges
Medium zu begreifen. Vielmehr wird im Sinne einer Theateraufführung gehandelt: Räumliche Situationen werden genutzt
und aufgegriffen, Zuschauer*innen werden in die Aufführung
einbezogen, es gibt Kulissen, Requisiten, usw. Dies macht einen
besonderen Erlebnisgehalt aus und auf subtile Art werden bestimmte Inhalte spielerisch vermittelt. (Best Practice: Paris)
Schilder und Hinweise
Unter der Methode „Schilder und Hinweise“ sind fixe oder temporär platzierte Hinweistafeln oder Säulen zusammengefasst,
die Besucher*innen in bildlicher Sprache bestimmte Verhaltensregeln mitteilen. Alle Maßnahmen sind größtenteils in andere Methodiken (Imagekampagne) eingebunden bzw. reichen
in weitere Aktionsfelder hinein (Nachtökonomie und medialer
Raum). (Best Practice: Barcelona)
mediale Ebene (ME)
Dezibelmesser
Mit der Methode „Dezibelanzeiger“ wird das Aufstellen von
Geräten oder Displays beschrieben, welches sichtbar über den
objektiven technischen Messwert von Lärm und Geräuschen
vermitteln soll, wie laut es im öffentlichen Raum im Bereich des
Nachtlebens ist. Es wurden dabei keine konkreten Beispiele, sondern nur einzelne Ansätze gefunden, die in diesem Zusammenhang stehen. Daher steht weniger ein Vergleich der Maßnahmen
als vielmehr eine Diskussion über eine Möglichkeit zur Ansprache und Prävention im Vordergrund. (Vgl.: Zürich, Barcelona)
Imagekampagnen
Imagekampagnen sind unerlässliche Begleiter von Maßnahmen und können bei gelungener Ausführung die Popularität
dieser erweitern. Bei den ermittelten Beispielen soll das Aktionsfeld im Vordergrund stehen, da über vielfältige Medien, die
über den öffentlichen Raum hinausreichen, visuelle Kommunikationswege entstehen, um entsprechende Inhalte an die
anzusprechende Zielgruppe kommunizieren zu können. (Best
Practice: Barcelona)
Nachtschwärmerstadtplan
Der Nachtschwärmerstadtplan dient insbesondere den ortsunkundigen Besucher*innen als klassische Orientierungshilfe. Er
kommuniziert Verbote, Verhaltensregeln und Notrufnummern
an die Besucher*innen. (Best Practice: Amsterdam)
Bereich der privatwirtschaftlichen
Nachtökonomie (NÖ)
Nachtbürgermeister*in
Ein vor allem in den Niederlanden und Frankreich weit verbreitetes Model ist die / der Nachtbürgermeister*in. Sie / Er stellt ein
Bindeglied zwischen den Akteur*innen aus der Nachtökonomie,
Politik, Verwaltung und den Anwohner*innen dar und gilt als
Vermittler*in unter den Parteien. Des Weiteren verleiht die / der
Nachtbürgermeister*in dem Nachtleben eine Stimme und dient
als Botschafter*in der Clubs und Bars im Tagesgeschehen. (Best
Practice: Amsterdam)
Schulungen von Personal
Über die Schulung von Personal lässt sich ebenfalls eine gezielte Ansprache der Besucher*innen des Nachtlebens vornehmen,
die bereits im Vorfeld möglicher Konflikte zum Tragen kommt.
Ein groß angelegtes Ziel ist der positive Einfluss auf die Gestaltung der Brennpunkte (Alkoholexzesse, Lärm, Vandalismus) des
Nachtlebens, gegen die durch geschultes Konfliktmanagement
in den Gastronomiebetrieben und Diskotheken vorgegangen
wird. (Best Practice: Manchester)
Bereich der zivilgesellschaftlichen
Beteiligung (ZG)
Gebietsmonitoring
Als Instrument der Stadtentwicklung angesichts der immer
komplexer werdenden Herausforderungen, denen sich Verwaltung und Politik gegenübersehen, nimmt die Bedeutung des
Gebietsmonitoring rasant zu. In den Konfliktquartieren wurden
im konstruktiven Dialog zwischen Immobilienwirtschaft, Gewerbetreibenden und Anwohner*innen Lösungen gefunden,
Kooperationen gestiftet und durch Beteiligung in Projekten die
Gewerbetreibenden, die Eigentümer*innen, Verwaltung und
Anwohner*innen zu Partner*innen gemacht. Mittels Kommunikation mit allen Beteiligten wurden Vereinbarungen getroffen,
die das Miteinander im Quartier verbessern und Konflikte entschärfen. (Best Practice: Berlin)
Kiezwerkstätten
Eine Methode zur Unterstützung des Gebietsmonitoring sind
die Kiezwerkstätten, besonders in den Konfliktquartieren. Ziel
ist es, im konstruktiven Dialog zwischen Immobilienwirtschaft,
Gewerbetreibenden und Anwohner*innen Lösungen zu finden,
Kooperationen zu stiften und durch Beteiligung in Projekten die
Gewerbetreibenden, die Eigentümer*innen, Verwaltung und
Anwohner*innen zu Partnern machen. (Best Practice: Berlin)
6. Pantomime-Künstlerin
7. Pantomime-Künstler*innen
Auswahl – Ergebnis der Vergleichsanalyse
Die Vergleichsstudie zeigt, dass es verschiedene erfolgversprechende Möglichkeiten gibt.
Unter dem Fokus, welche Potenziale die Methoden für den
Berlin-Kontext und insbesondere für Friedrichshain-Kreuzberg
besitzen und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen des Projektes (zeitlicher Umfang, finanzielle Ausstattung),
wurde im Ergebnis zur positiven Ansprache der Nachtschwärmer*innen der Einsatz von Künstler*innen / Pantomim*innen im
öffentlichen Raum in Kombination mit Mediator*innen als die erfolgversprechendste Maßnahme ermittelt. Eine charmante Sensibilisierung durch eine Mischung aus pantomimischem Straßentheater, Interaktion und Information durch Mediator*innen,
begleitet durch eine Medienkampagne.
Die Methode erfüllt die in der Aufgabenstellung formulierten
Kriterien, weil:
..
eine zielgruppengerechte, positive Ansprache der Besu-
cher*innen des Nachtlebens erfolgt.
.. die Maßnahme punktuell und flexibel einsetzbar ist und
kurzfristig dort Erfolge erzielen kann, wo die Konfliktlage
hoch ist.
.. durch subtile Gesten oder Schauspiel ohne Sprache
Botschaften vermittelt werden können.
(Landessprache irrelevant)
.. über das „Spektakel“ eine große Aufmerksamkeit erreicht
werden kann, mit hoher Strahlkraft und schneller
Verbreitung und Popularität.
.. die Einbeziehung von privatwirtschaftlichen Akteur*innen
bei der Finanzierung der Maßnahmen möglich ist.
11
Projektphase 2
Umsetzung.
Aufgabe der zweiten Projektphase war es, das ausgewählte
Pilotprojekt aus der ersten analytischen Projektphase in einigen,
touristisch belasteten Gebieten in Friedrichshain-Kreuzberg zu
erproben, zu evaluieren und die Anwendbarkeit auf andere
Konfliktgebiete in Berlin zu prüfen. Die Vorbereitung und Umsetzung des Pilotprojektes erfolgte von April bis August 2015.
Um das Pilotprojekt umzusetzen waren verschiedene Vorarbeiten notwendig.
3BKE, Grafiker „Um die Vielzahl der im Projekt angesprochenen
„Problem- und Themenfelder“ darzustellen, wurde auf der grafischen Ebene nicht der Weg der Reduktion, sondern der Darstellung in seiner Komplexität gewählt. Es wurden sogenannte
„Wimmelbilder“ aus dafür entwickelten einzelnen Piktogrammen
erstellt, die in frei kombinierbarer Zusammensetzung, typische
Berlin-Motive, den Kiezbezug und Lösungsansätze visualisieren.“
8. Corporate Design „fair.kiez“
Zuerst wurden – der Empfehlung der Analyse folgend – gemeinsam mit den Partner*innen die Spezifika für Berlin / Friedrichshain-Kreuzberg herausgearbeitet.
12
„Um über die Kostüme einen Berlin-Bezug herzustellen, entsprechen diese zum einen typischen Gästen der Berliner Nachtkultur
und zum anderen den Typen der Berliner Zeitgeschichte“, so die
Kostümbildnerin Kristina Weiss, Werkstatt für Kostümkunst.
Ein übergeordnetes Ziel des Projektes in Friedrichshain-Kreuzberg war es, ein positives Image des Bezirkes zu fördern und
die Botschaft des „Stadtverträglichen Tourismus“ und des fairen Umgangs über eine breite Öffentlichkeitsarbeit zu kommunizieren; hierfür wurde ein „Leitbild“ für das Projekt erarbeitet. Die Mediator*innen waren in diesem Kontext mehr
Kommunikator*innen und wurden im Projekt auch so benannt.
Robert Eysoldt, zerooverhead „Als übergeordnete Botschaft
wurde festgelegt, dass es um den Dialog, sprich den Ausgleich
unterschiedlicher Interessen im öffentlichen Raum geht. Hierfür
wurde in der Namensbildung des umzusetzenden Pilotprojektes
der Begriff „fair“ verwendet. Um den Berlin typischen Bezug herzustellen, wurde dazu der Begriff „kiez“ gewählt.“
9. Kostüme der Künstler*innen
Parallel erfolgte gemeinsam mit den Kooperationspartner*innen
die Auswahl der Einsatzgebiete, in enger Abstimmung mit dem
Ordnungsamt und der Polizei. Es wurden Gebiete im Außenbereich von Gastronomiebetrieben, Clubs und auf Freiflächen
an sechs definierten Hotspots von Friedrichshain-Kreuzberg
ausgewählt:
..
..
..
..
..
..
Falkensteinstraße
Schlesische Straße
East-Side-Park
Simon-Dach-Straße
Sonntagstraße / Bahnhofsstraße
Warschauer Brücke / Oberbaumbrücke
Ein nächster Schritt des Projektes war es, geeignetes Personal,
sprich Pantomime-Künstler*innen und Kommunikator*innen für
den Einsatz auf der Straße auszuwählen.
11. Pressekonferenz am 08.Mai 2015, Einsatzteam
Die Pantomime-Künstler *innen sollten über eine fundierte
Ausbildung verfügen und Berufserfahrung haben. Anders als
im geschützten Raum eines Theaters sind Pantomime-Künstler *innen im öffentlichen Raum stärker unvorhersehbaren Einflüssen ausgesetzt.
Elias Liermann alias Elias Elastisch, dipl. Pantomime / Mime,
Schauspieler und visueller Künstler: „Schauspielerei ist ein Geschenk. Wir Pantomimen sind Schauspieler und wir sehen uns
damit in so etwas wie der Schlüsselfunktion des Projektes. Wir
binden die Betrachter über die Faszination am Spiel in eine
wortlose und zugleich Grenzen überschreitende wechselseitige
Kommunikation. Wir erreichen die Menschen unabhängig von
ihrer Herkunft, ihres Alters oder gar ihrer Sprache. Durch das
Mittel der Pantomime folgen die Betrachter spielerisch der Botschaft zu einem fairen und respektvollen Miteinander. Wir legen
alle Fantasie, Witz und Lyrik hinein, die Gäste belohnen sich am
Ende der kleinen Inszenierungen, in dem sie die Geschichte für
sich auflösen und die Botschaft verstehen.“
10. Pantomime-Künstler bei der Vorbereitung
13
12. Public Viewing in der Simon-Dach-Straße, Friedrichshain
Wichtig bei den Kommunikator*innen war, neben dem Szenebezug, das diese über Erfahrungen verfügen, um auch in Konfliktsituationen angemessen reagieren zu können sowie unterschiedliche Sprachkenntnisse haben.
Der Einsatz vor Ort startete nach Abschluss der Vorbereitungsphase am 08. Mai 2015 mit dem eigens für das Projekt entwickelten Corporate Design und der Wortmarke „fair.kiez“.
14
Der Einsatzort im öffentlichen Raum wurde zur „Bühne“. Durch
die Pantomime-Künstler*innen wurden unter Zuhilfenahme von
kleinteiligen Requisiten Theaterszenen zum Thema „Zu Gast im
Kiez“ angespielt und so das Publikum in eine Interaktion hineingeholt. Die Auflösung der Geschichte ergab sich aus der Inszenierung selbst oder durch die Kommunikator*innen, welche
Gespräche führten und Flyer verteilten.
Im Einsatz waren jeweils Teams bestehend aus zwei Künstler*innen und zwei Straßenkommunikator*innen, insgesamt im
Projekt tätig waren fünf Pantomime-Künstler*innen mit Straßentheatererfahrung und sieben Straßenkommunikator*innen.
Es fanden 15 Aktionen von Anfang Mai 2015 bis Anfang August
2015, jeweils Freitag und Samstag zwischen 22 und 2 Uhr statt.
Der Einsatz der Pantomime-Künstler*innen wirkte in den ausgesuchten touristisch belasteten Stadträumen sehr unterschiedlich.
Im Bereich Wrangel-Kiez, Falkenstein Straße / Schlesische
Straße war der Einsatz erfolgreich. Die Botschaft wurde aufgenommen und die Gäste sensibilisiert. Ein Grund hierfür war,
dass sich unter den vielen Touristen auch zahlreiche Anwohner*innen befanden, welche das Projekt kannten und es als Unterstützung für ihre Anliegen, für ihren Kiez sahen. Sie stimmten
der Interaktion zu und haben selbst kommunikativ mitgewirkt.
Unmittelbar nach den Auftritten konnte eine „Beruhigung“ festgestellt werden.
Im East-Side-Park stellte sich heraus, dass die Kommunikation zwischen Publikum und Pantomime-Künstler*innen /
Kommunikator*innen sehr gut funktionierte, da ein „entspanntes“, überwiegend junges Publikum angetroffen wurde, welches
insbesondere an der East-Side-Gallery auf den Freizeitflächen
verweilte. Das Publikum zeigte eine hohe Bereitschaft auf das
„Spiel“ einzugehen. Die hier zusätzlich angebrachten Hinweise
auf liegengelassenen Müll wurden freundlich aufgenommen.
13. Einsatz im East-Side-Park, Friedrichshain
14. Einsatz in der Sonntagstraße, Friedrichshain
Unterschiedlicher gestalteten sich die Reaktionen im Boxhagener
Kiez / Simon-Dach-Straße. Von vielen, vorwiegend jungen
Gästen, wurde aufgrund der Gastronomiedichte die Geräuschkulisse als sozial toleriert und akzeptiert angesehen. Das Bewusstsein für die Probleme im Kiez zeigte sich hier bei den Besucher*innen am geringsten. Den Gästen war nicht bewusst, wie
laut sie eigentlich waren und dass sie „stören“. Insoweit wurde
die „Mahnung“ aufgenommen und es wurde temporär „ruhiger“.
Die Kommunikation zwischen den Gästen und Tourist*innen
und den Pantomime-Künstler*innen / Kommunikator*innen auf
der Warschauer Brücke und der Oberbaumbrücke gestaltete sich schwierig. Auf den von Gästen, Tourist *innen und
Berliner*innen sehr stark frequentierten Brücken konnte das Publikum kaum erreicht werden. Durch den S- und U-Bahnbereich
findet hier ein sehr starker Durchgangsverkehr statt. Man möchte schnell seinen Zielort erreichen. Daher ist die Zielgruppe zur
Aufnahme von Informationen oder Botschaften weniger bereit.
Auf dem schmalen Bürgersteig der Warschauer Brücke konnte
die Darstellung der Pantomime-Künstler*innen nur sehr eingeschränkt erfolgen. Außerdem ist durch das Verkehrsaufkommen
der Lautstärkepegel so hoch, dass diese Orte für eine Kommunikation nicht geeignet sind.
Anwohner*innen waren kaum unter den Gästen. Sie wurden eher
beim Spaziergang oder im Vorbeigehen angetroffen. Sie äußerten sich jedoch überwiegend positiv, über den Versuch die Gäste anzusprechen und für die Interessen der Anwohner*innen
zu sensibilisieren. Sie sahen dies auch als ein Signal, dass die
Problemlage erkannt und Maßnahmen ergriffen und nicht nur
weiter „zugeschaut“ wird. Nur wenige waren skeptisch und der
Meinung, dass diese Maßnahme nicht wirkt.
15
Die Einsätze in der Sonntagstraße / Bahnhofstraße im Bereich Ostkreuz wurden von parallel zum Projekt stattfindenden
Veranstaltungen wie z. B. dem „Karneval der Kulturen“ beeinflusst, sodass zu diesem Zeitpunkt weniger Gäste anwesend waren. Der Kiez wird größtenteils von jungen Leuten als Treffpunkt
genutzt, welche sich im Laufe des Abends an weitere touristisch
nachgefragte Orte z. B. Clubs im Bezirk begeben. Die Botschaft
des „Stadtverträglichen Tourismus“ wurde auf dem Weg „mitgenommen“.
15. Künstler*innen auf der Oberbaumbrücke
Als Unterstützung bei der Überbringung der Botschaft zum
„Stadtverträglichen Tourismus“ wurde der Bekanntheitsgrad
des Projektes bei den Einsätzen eingeschätzt. Das einheitliche
Corporate Design, die Etablierung der Wortmarke „fair.kiez“,
die Erstellung von Flyern, Plakaten, Stickern, das Erstellen
einer Internetseite und von drei Filmen / Trailern trugen maßgeblich dazu bei. Der gezielte Einsatz der Kampagne erfolgte mit dem Berliner Fenster, Verlinkungen auf verschiedenen
Internetseiten, Kurzfilmen auf Youtube, Devendo, Notes of Berlin
und Verteilung mit Dinamix. Zusätzlich wurden Parkautomaten
in belasteten Straßen mit dem entwickelten Corporate Design +
QR-Code bestückt.
Das sehr große Medieninteresse übertraf die Erwartungen. Lokale, nationale und internationale Medien aus allen Bereichen
stellten Anfragen.
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Es wurden gemeinsam mit den Kooperationspartner*innen zwei
Pressekonferenzen durchgeführt. Bei der ersten Pressekonferenz – nach Abschluss der 1. Phase – wurde das Ergebnis der
Vergleichsanalyse vorgestellt.
16. Pressekonferenz am 8.Mai 2015
Kooperationspartner Edgar Schmidt von Groeling / Michael Näckel
Die zweite Pressekonferenz erfolgte unmittelbar beim Beginn
des Einsatzes der Künstler *innen und Kommunikator *innen
vor Ort.
Die Anfragen von Filmteams und anderen Medien zur Begleitung der Teams nahm bis zum letzten Einsatztag nicht ab. Insgesamt 60 lokale, nationale und internationale Beiträge wurden
erfasst und analysiert. Die Berichterstattung wurde zu 25 % positiv, 62 % ausgewogen und 13 % negativ eingeschätzt. Am weitesten wurde die Botschaft des „Stadtverträglichen Tourismus“
und „fair.kiez“ nach Amerika von BBC travel und FOX-TV in die
Welt getragen.
17. Filmteam auf der Simon-Dach-Straße, Friedrichshain
Fazit.
Für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurde im internationalen Vergleich eine kommunikative und kreative Methode zur
Ansprache der Gäste ausgewählt und pilothaft erprobt. Mit der
Umsetzung des Pilotprojektes – einer künstlerisch-performativen Intervention, dem Einsatz von Kommunikator*innen und
einer gezielten Medienkampagne – sollten Besucher*innen für
die Bedürfnisse der Anwohner*innen im Kiez sensibilisiert werden. Darüber hinaus wurde angestrebt, die Imagebildung des
Bezirkes zu beeinflussen, in dem die Kreativität, Vielfalt und ein
fairer Umgang miteinander im Vordergrund der Wahrnehmungen stehen.
18. Einsatz in der Simon-Dach-Straße, Friedrichshain
Positiv wirkte der gemeinsame Schulterschluss von überbezirklich agierenden Partner*innen wie Service in the City / visitBerlin,
der DEHOGA Berlin, die Clubcommission Berlin e. V. und lokalen touristischen Unternehmen im Bezirk aus der Gastronomie-,
Club- und Hotelbranche und dem Bezirksamt.
17
Es ist gelungen, mit der Projektumsetzung ein kurzfristiges, aufsehenerregendes Zeichen zu setzen. Um aber langfristig eine
Sensibilisierung für das Thema „stadtverträglicher Tourismus“
bei den Gästen und Tourist*innen zu erreichen, müsste eine
kontinuierliche Wiederholung erfolgen.
Der Einsatz der Pantomime-Künstler*innen wirkte in den ausgesuchten, von Gästen und Tourist*innen stark frequentierten Stadträumen sehr unterschiedlich (siehe Auswertung Seite 14/15). Als
Einsatzorte besonders geeignet sind Plätze und parkähnliche
Anlagen, die zum Verweilen einladen, da dort eine besonders
entspannte Atmosphäre vorherrscht; aber auch Straßenzüge mit
breiten Bürgersteigen und Außengastronomie. Die Teams müssen aus einer Distanz erkennbar sein. Ungeeignet sind Gebiete mit einem hohen „Durchgangsverkehr“ von Besucher*innen
(z. B. S-Bahnbereiche), Autoverkehr (Lautstärkebelastung) sowie schmale Bürgersteige.
19. Einsatz im Wrangelkiez, Kreuzberg
Die Reaktionen der Zielgruppe, also der Gäste und Tourist*innen vor Ort waren überwiegend positiv. Auch Anwohner*innen
waren dem „Experiment“ gegenüber sehr interessiert und überwiegend offen. Positiv wurde festgestellt, „es wird was getan“.
Sehr gut wurde das entwickelte Corporate Design mit den klaren Piktogrammen und der Botschaft „seid fair im Kiez / fair.kiez“
von Gästen und Anwohner*innen aufgenommen.
Ca. 3.500 Personen wurden durch die Pantomime-Künstler *innen und die Kommunikator*innen direkt erreicht. Davon ließen
sich 70 % auf die Künstler *innen und Kommunikator *innen ein,
60 % der Gäste kannten das Projekt durch die Öffentlichkeitsarbeit und 30 % befürworteten den fairen Umgang miteinander. (Evaluierung Projektleitung)
18
Marius Iden, Student / Straßenkommunikator: „Als Student
der Politikwissenschaft empfinde ich die Kombination aus
sprachlicher Kommunikation und künstlerischer Interventionen
als absolut zielführend zur Vermittlung der positiven Inhalte wie
Fairness und der Aufforderung zum Dialog. Besonders freute ich
mich über die positiven Reaktionen, denn viele kannten das Projekt und die Inhalte. Die Offenheit führte vor allem dazu, dass
die Menschen uns Dinge über ihre Kieze erzählten, die sie wohl
sonst so nicht mitteilen würden, wir waren so etwas wie Seismografen. Und das sollte beibehalten werden…“
Die Teams nahmen unterschiedliche Feedbacks auf. Hier eine
kleine Auswahl:
Gespräch einer Gruppe von Touristen:
„Was machen die denn da? Ach da ist einer, der erklärt das Ganze hier. Bringt das was?“ „Der andere da hinten hat gerade erklärt, es geht um die Anwohner hier, Ruhe, Lärm usw. Ich würde
hier nicht wohnen wollen, bei so vielen Besuchern“; „Ist ja ganz
witzig. Verstehe die Leute hier, wenn die es zu laut finden.“
20. Einsatz der Pantomime-Künstler*innen und Kommunikator*innen
Gäste
„Die hier im Bezirk haben ja oft abgefahrene Ideen. Hoffentlich
kommt die „Message“ an?“; „Komme aus Zehlendorf und gehe öfter
hier aus, weil‘s cool ist, aber wohnen wollen würde ich hier nicht.“
Anwohner *innen
„Die Maßnahme und die Umsetzung finde ich gut. Endlich tut
der Bezirk etwas.“
„Finde ich echt gut. Durch die Glasscherben der Touristen musste ich schon mehrfach meine Autoreifen wechseln. Die denken
einfach nicht rücksichtsvoll.“
„Naja, ich bin eher skeptisch. Aber es war ja in allen Medien und
sogar im Fernsehen zu sehen, sogar in den RBB-Nachrichten.“
„Die dauernden Film-Teams sind ja etwas nervig. Ob da der gewünschte Effekt erreicht wird? Sonst finde ich das schon schick.“
„Die müssten einfach öfter kommen, die Pantomime und die „Erklärer“, dann wird das vielleicht was.“
Die Zielgruppe über die Medien vor ihrem Berlinbesuch zu erreichen war sinnvoll. Viele Besucher*innen kannten die Pantomime-Künstler*innen aus den Medien und die Botschaft konnte
leichter übermittelt werden.
Das überdurchschnittliche Interesse der Medienvertreter*innen
an der Begleitung der Einsätze, insbesondere von Fernsehteams,
wirkte sich etwas störend auf die Abendeinsätze aus. Bei der Anwesenheit der Medien wurde die Situation so beeinflusst, dass
eine Mitnahme des Publikums durch die Künstler*innen in die
Geschichten und die Übermittlung der Botschaften nur bedingt
möglich war.
Der Vergleich mit den anderen europäischen Metropolen und
die gesammelten Erfahrungen bei der Umsetzung des Pilotprojektes haben gezeigt, dass es keine Standardlösungen für alle
Orte, nicht die eine Lösung für alle Probleme, für die durchaus
komplexen Herausforderungen zum Thema „Stadtverträglicher
Tourismus“ gibt.
Nutzungskonflikte sind ein typisches Phänomen der internationalen Stadtentwicklung im Spannungsfeld von Stadtökonomie,
Touristification und der Ökonomie des Nachtlebens. Angesichts
steigender Besucher*innenzahlen ist von einer Steigerung der
Konflikte auszugehen. Dies ist für die Kieze, die von den Gästen
21. Einsatz auf der Warschauer Brücke, Friedrichshain
22. Einsatz im Wrangelkiez, Kreuzberg
der Nachtkultur besucht werden, problematisch. Wegen der
strategischen Bedeutung dieser Kieze für die Attraktivität Berlins
im Binnen- und Außenmarketing sollte daher weiter auch nach
präventiven Lösungen gesucht werden.
In einer durch die Wirtschaftsförderung im Jahr 2015 in Auftrag
gegebenen Studie „Handlungskonzeption für den Wirtschaftsstandort Friedrichshain-Kreuzberg“ wurde analysiert, dass der
Tourismus in relativ kurzer Zeit eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für den Bezirk bekommen hat und die Dynamik bei
den Übernachtungszahlen und die Entwicklung des Übernachtungsangebotes voraussichtlich auch kurz- und mittelfristig auf
diesem Niveau verbleiben werden. Auch die Clubszene wird
das Image des Bezirkes weiter mitbestimmen.
Der Bezirk / das Land Berlin, die verantwortlichen Landeseinrichtungen sowie alle touristischen Akteur*innen müssen weiterhin
gemeinsam nach Lösungen suchen, anderenfalls besteht die
Gefahr, dass die Grundlagen für den touristischen Aufschwung
und auch Besonderheiten, die den Bezirk ausmachen, beschädigt oder sogar zerstört werden.
19
Statement der Kooperationspartner
B E R L I N
20
Burkhard Kieker
Geschäftsführer visitBerlin, Service in the City / visitBerlin
www.visitberlin.de
Willy Weiland
Präsident DEHOGA Berlin
www.dehoga-berlin.de
„Das gute Miteinander von Bewohnern und Besuchern der Stadt
ist uns sehr wichtig. Das Projekt „fair.kiez“ war ein guter Auftakt,
bei dem die Bedürfnisse der Anwohner in den Kiezen nach
nächtlicher Ruhe und Sauberkeit thematisiert und aktiv kommuniziert wurden. Durch die große Resonanz in den Medien hat die
Kunstaktion auch über die Stadt hinaus eine breite Öffentlichkeit
sensibilisiert. Für visitBerlin war fair.kiez daher ein sehr erfolgreicher erster Schritt in die richtige Richtung.“
„Es ist den Gastronomen und Hoteliers der Hauptstadt als gute
Gastgeber wichtig, auch zukünftig so wahrgenommen zu werden. Nicht nur von den vielen Gästen, die zu uns kommen, sondern ganz genauso auch von den Berlinerinnen und Berlinern.
Deshalb war und ist es uns ein Bedürfnis, uns aktiv dort zu engagieren, wo es nötig ist. Das „fair.kiez“-Projekt war eine tolle
Sache, die auch international unerwartet große Aufmerksamkeit erfahren hat. Durch das positive Zusammenspiel der unterschiedlichen Projektbeteiligten konnte auf kurzen Wegen Kreatives und Praktisches zielführend mit einfließen und umgesetzt
werden. Es ist wichtig und notwendig, die Erfahrungen dieses
Pilotprojekts zu nutzen, auszubauen und auch in andere Bezirke
zu übertragen, deren Bewohner*innen sich in ihrem Bedürfnis
nach nächtlicher Ruhe und Sauberkeit beeinträchtigt fühlen. Aus
unserer Sicht wurde das Projektziel erreicht. Jetzt kommt es ganz
entscheidend auf die Fortsetzung an. Das Berliner Gastgewerbe
ist gerne weiter mit dabei.“
Lutz Leichsenring
Vorstand der Clubcommission Berlin e.V.
www.clubcommission.de
„Lösungen für so komplexe Frage können nicht am grünen Tisch
erarbeitet werden. Viel wichtiger sei es, aus vorhandenen internationalen Erfahrungen zu lernen und Schritt für Schritt vorzugehen. „Wir stehen erst am Anfang einer Diskussion, bei der es um
mehr als um einen einfachen Nutzungskonflikt geht. Den Hintergrund bilden zahlreiche Faktoren, unter anderem die veränderten Erwartungen an das Leben in der Großstadt.“
HOSTEL
HOTEL
Oliver Winter
General Manager A&O HOTELS and HOSTELS Holding AG
www.aohostels.com
„Ein Projekt, dass das Image Berlins und der Bezirke stärkt, ist
für den Tourismus und somit für A&O von großem Interesse. Wir
sind sehr gespannt, wie sich die Idee weiterentwickelt und sich
das Projekt in den nächsten Jahren etabliert – und natürlich, wie
auch wir bestmöglich dazu beitragen können“.
Edgar Schmidt von Groeling
Geschäftsführer EASTERN-COMFORT hostelboat berlin GmbH
www.eastern-comfort.com
Ralf Brendeler
Inhaber Suicide Circus Berlin
www.suicide-berlin.com
„Das „fair.kiez“/Pantomime-Projekt setzt ein Signal, dass die Belange der Kiezbewohner ernst genommen werden. Es sollten
diesem Projekt in der kommenden Saison noch viele weitere
Anstrengungen in gleicher oder ähnlicher Art folgen. Wir als
ortsansässiges Hostel möchten hier gerne auch weiterhin mit Rat
und Tat unterstützend mitwirken“.
„Es war uns in den 20 Jahren, in denen wir in Berlin aktiv sind,
immer wichtig, uns mit unseren Kulturstätten in den jeweiligen
Kiez zu integrieren und gemeinschaftliche Ansätze mit den Anwohnern zu suchen. Insofern waren wir begeistert von dem Ansatz, auf so spielerische Art Verständnis füreinander zu erzeugen.
Nachdem die erste Projektphase nun so erfolgreich war, freuen
wir uns, Teil dieses Projektes zu sein und sind gespannt, wie es
weitergehen wird.“
Michael Näckel
Inhaber papaya restaurants
www.papaya-service.de
„Zu dem globalen Phänomen eines sich lokal immer stärker verdichtenden Tourismus setzt dieses Pilotprojekt eine wichtige
Signal- und Stilmarke. Es ist ein erster wichtiger Baustein, der
aufzeigt, wie mit den verschiedenen, sich widersprechenden
Interessenlagen von einheimischen wie internationalen Gästen
und denen der ansässigen Wohnbevölkerung umzugehen ist.
Besonders hervorzuheben ist hierbei das nicht nur organisatorische, sondern auch das finanzielle Engagement der Projektpartner aus der Hotellerie und Gastronomie, die sich als lokale
Akteure bewusst ihrer Verantwortung stellen und versuchen, im
Interesse eines gemeinsamen Miteinanders neue Wege zu gehen. Auf dass wir künftig viele weitere Marken setzen!“
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
Wirtschaftsförderung
www.wirtschaftsfoerderung-friedrichshain-kreuzberg.de
Die Wirtschaftsförderung im Bezirk setzt sich schon länger mit der
Frage, wie die Auswirkungen der vielen Besucher*innen stadtverträglicher gestaltet werden können, auseinander. Es ist uns wichtig, die Kieze mit ihrer vielfältigen Gewerbestruktur zu erhalten.
Die Berliner Mischung – das Nebeneinander von Wohnen und
Arbeiten – hat unseren Bezirk geprägt und er ist auch deshalb
so beliebt bei den Besucher*innen. Berechtigt ist aber auch die
Sorge der Anwohner*innen. Unser Ansatz ist es, Lösungsstrategien neben ordnungsrechtlichen Einschränkungen aufzuzeigen.
Das Besondere und Neue an dem Projekt war der gemeinsame
Schulterschluss von bezirklichen und überbezirklichen Kooperationspartnern. Jetzt gilt es, gemeinsam darauf aufzubauen, damit
auch künftig unsere Gäste die urbane Kiezkultur erleben können
und die Anwohner*innen auch weiter gern im Kiez leben. Unter
dem Motto „fair.kiez“ werden wir weiter daran arbeiten.
21
Impressum.
Herausgeber
Dr. Peter Beckers,
Stadtrat für Wirtschaft, Ordnung, Schule und Sport des
Bezirkes Friedrichshain Kreuzberg
Projektsteuerung
Wirtschaftsförderung
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Abteilung Wirtschaft, Ordnungsamt, Schule und Sport
Frankfurter Allee 35-37, 10247 Berlin
www.wirtschaftsfoerderung-friedrichshain-kreuzberg.de
22
Projektumsetzung
Projektleitung: Rainer Grigutsch
Projektkoordinierung: Malena Medam / Eberhard Elfert
clubcommission e. V.
Verband der Berliner Club,- Party- und
Kulturereignisveranstalter e. V.
Brückenstraße 1, 10179 Berlin
www.clubcommission.de
Bildnachweise
Clubcommission Berlin e. V.
1, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 14, 16, 17, 18, 19, 20, 22
visitBerlin / Sarah Lindemann
12
Wirtschaftsförderung Friedrichshain-Kreuzberg
2, 3, 13, 15, 17, 21
3BKE- Büro für Markenentwicklung & Design
8
Vergleichsstudie
Stefanie Raab / Nils Grube
coopolis gmbh,
Planungsbüro für kooperative Stadtentwicklung
Lenaustraße 12, 12047 Berlin
www.coopolis.de
Layout / Gestaltung
3BKE - Büro für Markenentwicklung & Design
www.3bke.de
Herausgegeben im Dezember 2015
Stadtverträglicher Tourismus – Internationale Erfahrungen im Vergleich mit Berlin und Best Practice in Friedrichshain Kreuzberg
ist ein Projekt des Wirtschaftsstadtrats und der Wirtschaftsförderung Friedrichshain-Kreuzberg. Es wurde finanziert aus Mitteln des
EFRE, des Landes Berlin und privaten Mitteln. Projektzeitraum 10 / 2014-08 / 2015, durchgeführt von der Clubcommission Berlin e. V.
weitere Informationen
www.fairkiez.berlin