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Volume No. 948, Dienstag, den 30. März 1830 Humoristisches Diorama der auswärtigen Angelegenheiten. Beilage zum "Berliner Courier" No. 948

Full text: Der Berliner Courier (Public Domain) Issue3.1830 (Public Domain)

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um die Riesin Langeweile todt zu schlagen; znerst wird diese 
Riesin mir Thee gebeizt und mürbe gemacht, sodann marschiren 
die Damen mit Stricknadeln und die Männer mit Spielmarken 
und Tabackrpfeifen auf sie loS, aber es geht dieser Riesin wie dem 
Gespcnste in der Fabel, was man oben abschneidet, setzt sie unten 
wieder an. Das einzige Schwimmkistchen, welches uns auf der 
Fluth der Converfation oben aufhält, ist das Theater; also wieder 
ein Nichts, wir sprechen also ein Nichts mit Nichts zu Nichts. 
Wirft einmal ein außerordentlicher Sturm der Zeit, oder ein Auf, 
rühr der Ergebnisse, irgend einen Neuigkeit»,Wallfisch aus dem 
Strom der Ereignisse an Unsern öden Strand, da läuft Jung und 
Alt zusammen, mit Töpfen und Schüsseln, mit Kannen und 
Schaalen und zapft am Neuigkeits-Wallfisch schnell ein wenig 
Thran ab, und läuft damit nach Hause. Sodann Morgen und 
Uebermvrgen und Ueberübcrmorgen und einen Monat lang hin, 
durch laden wir uns und unsere Gevatterinnen, Nachbarinnen, 
Basen und Vettern gegenseitig ein, und setzen uns gegenseitig den» 
selben Thran vor, und finden ihn immer sehr schmackhaft und alle 
Basen sagen der Thran ist delikat. Früher hatten wir fünf Sprach, 
Werkzeuge, wir haben aber zwei davon mit Napoleon aus St. He, 
lena begraben: zwei davon sind über den Balkan gegangen, und 
sind nicht wieder zurückgekommen und wovon wir jetzt zu reden 
haben, dafür ist ein Sprachwerkzeug auch schon ein Luxusartikel. 
Wenn der ewige Friede noch lange fotdaUert, fo werden wir die, 
ses Eine Sprachwerkzeug auch quiesziren und sodann dürfte, für 
die Ehemänner wenigstens, nicht nur ein ewiger sondern auch 
ein zeitlicher Frieden eintreten. Das Nichts unserek Gesell, 
schäften ist aber nicht etwa blos deshalb so leer, weil es ein 
Nichts ist, sondern weil wir es noch so emsig und mit aller deut, 
scheu Beflissenheit ausändern und präparireN. Wir rädern ein 
und dasselbe Nichts Kopf ab und Fuß auf, zupfen e< zu Charpie 
und zermalmen es dann noch mit den Zähnen. Dieses Nichts geht 
mit dem Klingelbeutel herum, jeder wirft seinen Silberling hin, 
ein und dankt dann de« lieben Herrgott im Stillen, baß er seiner 
Pflicht sich entledigt hat. 
Die gesellschaftliche Rede soll eine leichte, faßliche und ange, 
nehme Prosa sein, wir Deutsche können aber keine Prosa schreiben, 
unsere besten Dichter sind nicht im Stande eine kleine Zeitungs, 
annvnce fehlerfrei aufzusetzen. Ja England hat der Zxrech er 
die Sprache, in Deutschland die Sprache den Sprechet in 
der Gewalt, deshalb spricht in England in den Gesellschaften stets 
nur einer, wir aber sprechen itt Gesellschaften viere, auch sechse auf 
einmal, gleichsam als wollten wir eine Rede iufamimnschirßen, da 
wir einzeln zu arm dazu find.
	        
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