- 59 —
Kleidungen, und schärfte zugleich den Befehl, daß
die Advokaten nie anders als schwarz gehen, und ei.
neu kleinen schwarzen Mantel tragen sollten. Dieser
Aufzug erregte allgemeines Gelächter, und die Ber
linischen Drechsler benutzten diesen Umstand zu ei
nem neuen Erwerb»,weig. Puppen zu verfertigen,
welche dergleichen Advokaten in ihrem Ornat vor
stellten. Darüber erzürnt, beklagten sich die Advo
katen bei Hofe, und baten, dieses Skandal zu unter
sagen. Der König aber befahl, sein eignes Bild von
einem Drechsler zu holen, und ließ solches starr der
Antwort den Klägern zeigen, damit sie sehen möch
ten, daß es ihm nicht besser gehe, und daß er sich
dadurch nicht entehrt fände.
Aemilius Papinianue oder der stechende Ring.
er Magister W a cke rm a n n wurde von vielen für
einen armseligen Pedanten gehalten, weil er eine ra
benschwarze Perrücke trug, seine Schüler er nannte
und alle Tage wenigsten« ein Dutzend Vokabeln ler
nen ließ. Aber Wackermann wußte zu seiner Zeit
das Herz zu treffen und ein Samenkorn zu streuen,
welche« hundertfältig Früchte trug. Linst rief er einen
Primaner zu sich, der nahe daran war nach Halle
zu gehen.
„Mein Sohn! ich weiß, daß er ein Jurist
werden will. Weiß er, was das heißt?" —
Ich will gründlich kennen lernen, was recht ist,
will ein Rechrsgelehrter werden.
„Lene! Aber man pflegt zu sagen — Juristen
sind böse Christen?" —
Hoffentlich giebt e« viele Ausnahmen, Herr Ma
gister! und ich versichere, daß ich zu diesen Ausnah
men gehören werde.
„Gott helfe ihm dazu, mein Sohn! — Der
wahre Jurist muß ein Rechtsausüber seyn auf
Leben und Tod. Weiß er, was der gottlose Kaiser
Ca racalla mir seinem jungen Bruder S eptimio
Gera that, welchen ihm der Vaier in seinem Testa
mente zum Gehülfen des Reiches zugeordnet hatte?"
Ich erinnere mich daran, daß er ihn grausamer
Weise in den Armen der Mutter umbringen ließ, so,
daß de« Sohnes Herzblut das Gewand der Mutter
mit einem Purpur färbte, der, wie Abels Blut, zu
Gott schrie.
„Schön! schön! — er hat mit Nutzen die Redner
gelesen. Gor« gebe, daß er davon Gebrauch mache,
wenn er die Unschuld vertheidigen soll.
Aber — der Jurist hat Falle, wo er Herz, wo er
ammuni haben muß, wie der Held in der Schlacht,
und vielleicht noch mehr! — Weiß er auch von
dem Acmilio Papiniano, dem Hofmarschall de»
gottlosen Earacallae?" —
DieserPapinianus war ein trefflicher Jurist,
und der Kaiser mulhere ihm zu, daß er die Rechte ver
drehen und den schändliche» Word vertheidigen
solle. Allein der Bievermaim sagte; „Casar! es ist
nicht so leicht einen Brudermord bei dem Volke zu
entschuldigen, als ihn — zu begehen!" — Der
Biedermann verlor dadurch seinen Kopf, aber
nicht sein gutes Gewissen.
Als der Magister sahe, daß der Primaner
diese Worte mit tiefer Empfindung sprach: so griff
er in seine große Westentasche, an welcher noch Glas«
knöpfe prangten; er holte einen goldenen Ring heraus,
und sprach mit flammende» Augen, indem er den Pri
ma» e r umarmte:
„Ich bin reif zum Grabe; hier har er ein An
gedenken von seinem Magister. Es ist wohl nur ein
schlechter Ring; aber ee stehet darauf - Aemilius
Papinianus! — Wenn er irgend Gefahr ahndet,
aus Eigennutz oder Ehrsucht, ein Rechtsverdreher
zu werden: so mag der Ring eine Schlange seyn, die
von dem Finger nach dem Herzen schleicht, um ihn
zu stechen." —
Der Primaner ward ein tüchtiger Jurist, ein
Biedermann, und versicherte, daß er in manchen
Fällen wohl nicht ein Held gewesen seyn würde, wenn
der Ring ihm nicht zu rechter Zeit einen kleinen Stich
ins Herz gegeben hätte. Er küßte ihn zuweilen und
segnete seinen Magister, ohne an die Qual zu denken«
welche ihm der angehende Lateiner und die
Vokabeln gemacht hatten. Janisch.
Die Unrergötker der alten Preußen.
§)em Gott der Speise und de» Getränks, Gorcho,
ward nahe bei Heiligenbeil ein ewiges Feuer unter
halten. Die Opfer, die ihm dargebracht wurden, be
standen in den Erstlingen der Früchte, und in frisch,
gefangenen Fischen. Auch an einem andern Orte ward
diesem Gon geopfert, nämlich am frischen Haf, wo
sich ein großer Siein befand zwischen Frauenburg und