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ten un« freilich die Folgen unserer Verweichlichung deut»
lich genug vor die Augen. Ich glaube indessen doch,
daß man sich bei einer solchen Folgerung aus Kosten der
gegenwärtigen Generation irren würde. Jene allen
Rüstungen scheinen zwar für einen weil großer« Men
schenschlag gcmachl zu seyn, als der jetzige ist; sie sind
ev aber in der Thar nichr. Man bediente sich nämlich
auch noch nach der Erfindung des Schießpulvers der
ritterlichen Rüstungen, jedoch yach einem vergrößerten
Maßstabe. Alle Veclheidigungsivaffen, Harnisch, Helm
und Schild, ursprünglich nur für Hieb, Stich und Kol«
benschlag geeignet, wurden nun massiver und gewichti«
ger als vorher verfertigt, um auch kugelfest zu seyn.
Ein völlig geharnischter Ritter harte daher eine unge«
heure Waffen last zu tragen. Diese unverhaltnißmaßig
schwere Rüstung war selbst für die Stärkern so drückend,
daß sic sie nicht lange zu »ragen im Stande waren, und
schon in ihren besten Jahre», besonders an Brust und
Schultern, unvermögend wurden. Wenn man nun er
wägt, daß die meisten von den Ritterrüstungen, die noch
gegenwärtig in den Rüstkammern zu sehen sind, au» der
Zeit herstammen, wo das Ririerwesen seinem Untergänge
nahe war, so darf un« die kolossale Schwere und Gedie
genheit der alten (Vertheidigung«-) Waffen nicht so sehr
befremden, als gewöhnlich geschieht. Den Vorzug einer
größer» und gewandkern Leibeskraft muß und kany man
zwar den alten Rittern zugestehen! er folgt ganz natürlich
au« ihrer, ausschließlich dem Kampfe und Streite gewid,
meten Lebensweise; daß man in ihnen aber sich lauter
Giganten mit fast übermenschlichen Kräften denkt, heißt
die Liebe ,um Außerordentlichen zu weit lrelbe». Die un
geheure Größe und Schwere der Waffen au« demscchs«
zehnren Jahrhundert haben unstreitig zu solche» über
triebenen DorstellungenAulaß gegeben; und es scheint fast,
als ob man den Ursprung von dieserKoleffaliläl entweder
absichtlich übersehen will, oder nicht hinlänglich kennt.
Wie früh man aber damals den Körper zu dieser schwe
ren Tracht abzuhärten suchte, beweisen un« kleine Har
nische für Knaben von 12 bis 13 Jahren, wovon auch
einer auf Hohcnzollern zu finden ist.
Jetzt liegen diese stolzen Rüstungen hier im Staube
und rosten. Vor einigen und zwanzig Jahren holten sie
zuweilen die Schüler der Jesuiten in Rotenburg am
Neckar hervor, um eine elende jesuitische Farce aufzu
führen, wo der Teufel, der Tod, da» Fleisch, die Welt
und die Religion, personificirl, Hauptrollen spielt n.
Neben dem Zeughause findet man zwei Mühlen
über einander, wovon die untere durch Pferde, die obere
durch Menschen in Umlrieb gefegt wird. Ein schöne«,
einfaches, mechanisches Werk! Vor vierzig Jahren, wo
»» der Gegend großer Wassermangel war, bediente man
sich dieser Mühlen mit großem Nutzen.
Im Hose befindet sich ein großer kupferner Kessel
in den Boden eingesenkt, und mit einem Häuschen be
deckt. Er ist dreißig Sckuh lief, und das Kupfer, da,
wo man es sehen.kaun, Fingers Dies. Oben har er zehn ,
Schuh im Durchmesser, and am Rande steht : „Mar
Sidonia, Markgräfin von Baden," welche ihn in ihrem
Witlwenstande soll haben machen lassen. Es ist ein schö,
ne« Alterthumsstück, da s schwerlich seine» Gleichen in
Deutschland finden möchte. Seine Bestimmung war: in
Kriegszeiten einen großen Wasservorralh darin haben
zu können; denn nicht weil davon ist ein Brunnen, der
zwar nicht lief ist, aber doch klare« und gute« Wasser
hat. Von diesem gingen drei Kanäle unter der Erde
weg zu dem Kessel, wovon die Spuren noch sichtbar
sind, durch welche diese kupferne Cisterne, wenn es ge
schehen sollte, in zwei Tagen angefüllt ward. Aus ihr
schöpfte man Wasser zum Waschen und zu andern Be
dürfnissen, aus jenem das zum Kochen und Trinken.
(Fortsetzung folgt.)
Bemerkungen über die Quellen der Preußischen
Geschichte und deren Benutzung von den Herren
v. Kotzebue und v. Baczko.
(Fortsetzung.)
«kleine Versehen z. B. Th. u S 366, wo die Ge
mahlinn Kaiser» Friedrich II.*) Isabelle mit dessen
Mutter Constantia verwechselt wird, oder unrechte
Angaben der Urkunden-Nummern ic. sind Ueberei»
lungen, wobei man nur an das «bi xiurr niienr rc.
erinnert wird. Es ist nichts leichter, als bei einem
historischen Werke von diesem Umfange Lücken aufzu,
finden, besonders wenn man die Quellen desselben
mit Muße durchstudircn kann. Aber eine höchst schwere
Aufgabe theilte sich K. selbst zu, in der so kurzen
Zeit eine« Winters, von der er sich noch einen Theil
zu dramatischen Arbeiten abbrach, jenen großen Schatz
von historischen Erläuterungen — den verdienstlich
sten Theil seine» Werks — anzulegen, wodurch er
nicht nur die Geschichte des Ordens und Preußens,
sondern auch die Geschichte der umliegenden und vie
ler mit dem Orden in Verhältnissen gestandnen Län
der berichtigt, erläutert und ergänzt hat. Besonders
viel verdankt ihm die Liefländische Geschichte, die
bisher fast nur eine Kontrolle historischer Fragmente
seyn konnte, weil ihren Schriftstellern die Nachwei
sung mangelte, wo sie den Faden der Preußischen
aufzunehmen hatte, ein Mangel, der durch K. glück,
lich gehoben ist. Siaunenswerth ist dieser Theil sei,
ne» Werk«, vorzüglich für denjenigen, welcher den
Zustand kennt, in welchem K- die von ihm benutzten
Quellen vorfand. Damals war das Archiv eben
•) Da« «eh. Sli'riji» Stützt viele Werke von Friedrich II.
.di« manche Deuchtigungrn seiner Kio^raxliie liefern.