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Volume No. 91., 13ten November 1810

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1810 (Public Domain)

No, 91. 
i8ro. 
Berlin 
oder 
der Preußische Hausfreund. 
Dienstag, den rzten November. 
Woher kommt es, 
daß die geistvollsten und denkendsten Köpfe in Ge- 
seiischaflen oft am wenigsten sprechen? 
■ ie liebe Gewehuhkit verursacht in dieser subluna« 
rischen Well gar viel, fast sonnte man sagen, Alles.— 
So auch hier! Die geistvollsten, denkendsten Köpfe »yd 
Gelehrte und Schriftsteller, als solche, reden deshalb 
in Gesellschaft so wenig; weil sie überhaupt viel laut 
zu sprechen nicht gewohnt sind. Sie sind durch innern 
Antrieb, oder durch ihren Beruf und ihr Geschäft viel 
mehr an die stille, lautlose Sprache der Gedanke» oder 
der Geistes so sehr gewöhnt, daß fle sich von dieser 
Art Sprache nur ungern und Immer mir Widerwillen 
trennen. Sie empfinden jedoch deshalb, weil sie an 
scheinend keine Unterhaltung haben, keinen Menschen 
suche», eben keine Langeweile, keinen Mangel an Un 
terhaltung. Cie unterhalten sich vielmehr mit dem 
Gedanken mehr, als dem Wort, und lassen sich unter 
halten durch den Geist mehr als durch dieFvrm; denn 
in einem großen Schwall von Worte», den man ge 
wöhnlich Unterhaltung nennt, vermißt man doch oft 
ikichl« so sehr, als gerade das, was jeden Vernünfti 
gen und Klugen am besten unterhalten sollte, den 
Geist. Man kann indessen deshalb doch den denken 
den Köpfen die Gabe und Fähigkeit, zu unterhalten, 
und sich unterhalten zu lassen, nicht absprechen- Indem 
IV 
sie durch angenehme, erhabne, nützliche, oder geistvolle 
Schrisle» überhaupt zu uns sprechen, uulerhalten sie 
einen größer» und gewöhnlich gewählteren Kreis, als 
der brillanteste Sluger der Welt, und auf eine edlere, 
lehrreichere Art, als es in den gewöhnlichen und mei, 
sten Gesellschaften der Fall ist. Indem fle aber die 
erhabensten und vorzüglichsten Geister der Mit- und 
Dorwell, in der stillen Sprache des Geiste« zum Geiste, 
mit sich sprechen lassen, d. h. lesen, fühlen sie sich bei 
weite!» besser unlerhalre», als durch das leere und 
breite Gewäsch junger Stutzer und alter, gcschwätz'ger 
Matronen. Oer Vorwurf über Kargheit jm Sprechen 
und über geringe Theilnahme am Gespräch trifft also 
nur die äußere Laute des Munde«, nicht die innere, 
stille Unterhaltung des Geistes; denn diese hört nicht 
auf; wenn auch der wortkarge, denkende Kopf anschei 
nend ganz schweigt. Demnach möchte also, so will c« 
niich dünken, in der Entwöhnung vom Laulsprcchcn 
durch die Gewohnheit an reiugcistjgr Unterhaltung der 
Grund zu suchen sey», weshalb die geistvollsten und 
denkendsten Köpfe oft in Gesellschaft am wenigsten 
sprechen. 
Kostüme der russischen Geistlichen. 
^aar und Bart lassen fle lang wachsen, und pflegen 
beide mit besonderer Sorgfalt. Bei den Pralaie» und
	        
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