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Seile; denn in derThat liegt Wahrheit darinn, daß
Kinder das Sprechen nicht nur gewöhnlich von den
Weibern erlernen, sondern es auch von diesen ge
wiß «m besten erlernen. Ueberdem wird den Wei
bern die Gabe, sich selbst zu beherrschen, und ihr fluch,
»ige« Zünglein zu zügeln, wenn es die Klugheit er-
federt, keinesweges abgesprochen. Lasten fieaeer, was
freilich nicht zu laugncn ist, auch in männlicher Ge
sellschaft mehr als uns lieb ist, dem Wortstrohm freien
Lauf, so sollten wir, ehe wir verdamme», billig erst
ihr Urtheil über die Anwesenden erforschen Führt
sie das Gespräch oder das Verhalten derselben fast
nothwendig zu der Vermuthung: daß die jungen
Herrn, nach Schmellies Theorie, etwa nur von der
Natur maskirte Mädchen, oder schnell aufgcschoßne
Knäblein sind: wer kann es ihnen verargen, daß
sie dann gleich jene Zwanglosigkeit im Reden zeigen,
die sie im Umgänge mit Personen ihres Geschlechts
oder mit Kindern frei zu äußern gewohnt sind. Auch
vcrgeste man nicht, daß selbst der ernsthafte Mann,
nach vollbrachtem sauren Tagewerk, dem süßen, er
heiternden, wenn gleich nicht immer gehaltvollen Ge
schwätz der Weiblcin, willig sein Ohr leihet, und da
durch willkommene Aufmunterung giebt. 3—,
Ueber die Freiheit zu sprechen und zu schreiben.
W»S deines Amis nichl tk»
Laß deinen Vorwitz fahren!
an hört bisweilen in einigen Staaten Klage
darüber führen, daß man nichl mehr weder frei
sprechen, noch frei schreiben dürfe. Wir wollen se
hen, in wiefern und in welchem Maaße dies Recht
der Freiheit einem Jeden zukomme oder nichl.
Jeder Mensch, in so fern er in seinen eigenen
Verhältnissen, gleichviel welchen, ein eigene«, für sich
bestehendes Ganze ausmacht, Hai nicht nur das Recht,
sondern auch die Freiheit über Alles das, was ihn
selbst und diese seine Verhältnisse betrifft, zu schrei
ben und zu sprechen, war und wieviel er wolle. Zn
so fern er aber mit Andern in Verbindung, gl« ein
Glied der bürgerlichen Gesellschaft, wo Liner
dem Andern^ und Alle dem Ganzen angehören, ge
dacht wird: muß die« Recht in so fern be chränkl
werden, daß Jeder, wie sein eigenes, das Verhält
niß des Andern und des Ganzen ehre, und also Kei
ner etwas zum ostenbare» Nachtheil des Andern und
des Ganzen unternehme, sey es im Sprechen, im
Schreiben, oder im Handeln.
Die Allen gemeinsamen Gesetze geben dabei den
Maaßstab an, nach welchem nicht nur die dem Gan
zen , oder einem einzelnen Theile — denn der Staat
besteht in der ungekrankien Erhaltung seiner Theile
zum Ganzen — widrige» und schädlichen Handlun
gen; sondern auch Worte und Schriften zu würdigen
und zu bestrafen sind. Jeder, auch der Niedrigste im
Staat, ist, vermöge dieser Gesetze, befugt, wegen
schimpflicher Worte oder Schriften (injuriarum.) von
seinem Beleidiger, und war' er der Angesehenste im
Staate, Genugthuung und Bestrafung zu fordern.
Dies Recht, Allen, ohne Ausnahme, zukommend,
steht aber auch dem Ersten (principi), dem Aufrecht
halter des Ganzen, zu, und in so fern Jemand etwas
schreibt, oder spricht, was dem Interesse des Ganzen
oder der eigenen Person des Ersten im Staate zuwi
der ist, hat Jener auch, wie jeder Einzelne, das
Recht, denselben, nach der völligen, darüber sprechen
den Strenge der Gesetze bestrafen zu lassen.
ES bleibt daher eine Klage ohne Grund, daß es
ungerecht sey, Jemand die Freiheit rauben zu wollen,
zu spreche» oder zu schreiben, was ihm guldünkr.
Dies Recht der Freiheit bleibt Jedem ohne Ausnah
me; denn jeder gute Bürger im Staate wird nur da»
sprechen und schreiben, was dem Ganzen heilsam und
ersprießlich ist; aber das Recht, dem Ganzen oder
einem einzelnen Theile zu schaden, sey es durch Hand
lungen oder Worte, oder Schriften hat Niemand,
und, wer daher das Recht der Freiheit zu sprechen
und zu schreiben, wie das zu handeln, mißbraucht,
bcweis't dadurch, daß er ein schlechter Bürger sey,
und erhält dort, wie hier, die nach den Gesetzen be
stimmte und also gerechte Strafe; denn da« schlechte
Wort, gesprochen oder geschrieben, bringt oft dem
Einzelnen, wie dem Ganzen, eben so viel und manch
mal noch mehr Nachtheil, als die schlechte That.
Es bleibt daher Sache des Staats, darüber zu
wachen, daß, wie das Einzelne, ft das gemeinsame
Interesse, überall ungekränkl bleibe, und Jeder hat
es nur sich selbst beizumeffen, wenn er für da«, wo
durch er, in Wort oder That, Nachtheil bringt, oder
zu bringen sucht, in Anspruch geiiommc», und be
straft wird. Der Staat kann hierbei auch nicht stren
ge Rücksicht nehmen weder auf den guten, noch auf