No. 37,
iSio.
Berlin
oder
-er Preußische Hausfreund.
Dienstag, den g. Mai.
Der Traum der Schäferinn.
Idylle.
er Frühling faßte den filbernen Schleier, der die
Erde bedeckte, und zog ihn ab; und es erschienen
unter dem Grün lauscndfarbige Blumen, und dufte
ten. Sein linder Hauch entfesselte die SrrLme von
der starren Rinde, die sie begrub; und es flössen wie
der die Wellen im fröhlichen Lauf.
Da trieb Silia, die Schäferinn, auf einen be<
mooßten Berg die wollige Heerde, und lagerte sich
unter dem Schauen einer Eiche, die oben auf dem
Berge stand. Ihre Hand sammelte die Blumen um
sie umher, und wand sie zum buntfarbigen Strauß.
Den steckte sie vordre schwellende Brust, lehnte drauf
ermüdet zurück sich an den Stamm der Eiche, zählte
die grasendenLämmcheriihrerHeerde, neigte da« Haupt
und entschlief.
Und es kamen Träume zu ihr, lieblich und schön.
Eine andre Heerde mischte sich unter die ihre, und
beide Heerde» weideten friedlich nebe» einander fort.
Und der Schäfer der Heerde, Lalbon, ihr früher Ju
gendgespiele, fern gezogen mit den Eltern, auf eine
andere Flur, erstieg den Berg, und trat leise vor sie
hin, reichte die Hand ihr, und sprach lächelnd: „Gieb
mir den Strauß, Silia, von der schwellenden Brust!"
Und, indem er dies sprach, griff.seineHand>ach dem
N.
Strauß an derschwellenden Brust. Aber Silia sträubte
sich, uns wollte fassen die Hand des Schäfer«, die
nach dem Blumen strau« griff.
Da erwachte Silia, nnd siehe, La-don, ihr früher
Jugendgespiele, stand vor ihr, den Strauß in der
Haiid, und seine Heerde, gemengt unter die ihre,
weidete ruhig am Abhange des Bergs. Und Laldon
reichte die Hand ihr und sprach: „Silia, Vater und
Mutter sind heim: ich begrub sie im Thal. Ein Hü
gel, von mir mit Blumen bepflanzt, deckt ihren
Staub." Al» er das sprach, füllte eine Thräne sein
Auge, und auf den Busen, wo der Strauß steckte,
rann eine andere aus Silias Auge die Wange hinab.
Da faßte Lardon Silia« Hand, und blickte ihr
seel'ooll in de« Auge« offenen Spiegel, und er konnte
nicht satt sich sehen, noch anders wohin wenden den
Blick. Aber der Blick war nicht mehr trübe, und
auch die Thränen raunen nicht mehr.
Da senkte Silia den Blick den Berg hinub, und
ihr Blick traf die beiden Hecrden, nun eine gewor
den. Und es folgte ihrem Blick das Auge Laldon«,
ihres Jugendgcspielen, und er sprach zu Silia: „Sie
he, wie friedlich unsre Heerden unter einander dort
grasen! Werde mein Weib! — und wir und sie blei
ben beisammen."
Da hob Silia wieder den Blick auf zu kaldon,