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Volume Nr. 36., 5. Mai 1810

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1810 (Public Domain)

II. 
No, 36. 
iSlO» 
Berlin 
oder 
d e r Preußische Hausfreund. 
Sonnabend, den 5. Mai. 
— 
Her Mai. 
©onnct, 
tr Mai ist da, die Flure» grüne» wieder, 
Die Erde blüht wie eine junge Braut, 
Die Luft erklingt, die Haine werden laut, 
Und Büche rauschen in den Klang der Lieder!— 
O senke nicht die trübe» Blikke nieder, 
Da liebevoll derHimmcl auf dich schaut; 
Auf Pfaden, die des Schicksals Nacht umgraut. 
Begegnen dir in Menschen deine Brüder; 
Und kannst du auch der gleichgestimmten Brust 
,Dc» laug versch vicgnen Kummer nicht vertrauen, 
So wirf Dich in die Arme der Natur, 
Und sage ihr was Du verschweigen mußt: 
Wen» deine Augen dann von Wchmuth tauen 
Erglänzt auf Erden dir des Himmels Spur. 
L. F. Lange. 
Der Traum Friedrich« des Zweiten. 
Änswärtige Blätter theilen au» der Zeitung für 
die elegante Welt folgende Anekdote mit, die ein ge> 
wiffcr Herr Ereile aus dem Munde eines alten bei 
Magdeburg lebenden Preuß. Officier« haben will: 
„Der'König Friedrich der Große befand 
fick- im Sommer 1769 iji Berlin. Der Officier 
hatte die Wache in de» Vorzimmern des Königs, und 
dieser hatte befohlen, thu um 5 Uhr Morgens zu 
wtcken. Der König schlief um diese Stunde iroch 
fest, und niemand wollte c» wagen, Zhn zu wecken, 
da er sich sehr übler Laune niedergelegt hatte. Der 
Officier allein halt sich an den Befehl und tritt vor 
das Bett des Monarchen, der wider Vermuthen äu 
ßerst beiter erwachte. 
„SUnn er Träume deuten?" fragte der König. 
„Nein, Sire, ich verstehe mich nicht darauf." 
„Nun, so merke er sich doch den Traum, welchen 
ich in dieser Nacht hatte, wir wollen einmal sehen, 
welche Begebenheit der Zufall damit zusammenführt. 
Mich träumte, ich sahe etnen hellen Stern sich auf 
die Erde herab senken, der mit wunderbarem über 
schwengliche» Lichte sie umfloß und bedeckte, dergestalt, 
daß ick, umhüllt davon, durch seinen unendlichen 
Glanz kaum mich hindurch zu arbeiten vermochte." 
So sprach der König. Der Officier merkte den 
Traum und die Zeit genau; und in derselben Nacht 
ward Napoleon geboren. ^ 
Man könne, wird hinzugefügt, für diese Er,äh, 
lung kaumeineBürgschaft geben, aber selbst al» Dich» 
tung sey Ke schön." 
Was die Bürgschaft befrist, so fehlt et freilich, 
falls eine solche Anekdote Prüfung verdiente, ganz» 
lich daran; nicht einmal der Name de« Officier«, der 
einigermaßen zur Beglaubigung dienen könnte, ist 
angeführt. Daher wird jeder, der den König und 
seine Dienst« und Hausordnung kennt, und weiß, baß 
seine Offtciere nicht Kammerdienste thaten, ein alberne« 
Fabelchcn zu lesen wähnen, da« eben nicht glücklich 
ersonnen, oder vielmehr — denn e« ist uralt — eben 
nicht glücklich wieder aufgestützt worben. Ob e« übri» 
gens dichterisch schön sey, einen großen Mann, der 
Fall sey welcher er wolle, den Visionair spielen zu 
lassen, bleibe dahin gestellt.
	        
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