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Für Arie Joachims sah e« in Berlin gewaltig
schmutzig au«. Da« kam daher, weil nicht nur die
Bürger, sondern auch angesehene Familien, und selbst
die Kurfürstlichen Räthe einen Wehstand im Hause
halten, und den Dünger für ihre Becker und Garten
vor den Hausern zusammenhauflen. In dieser Un,
rrinkichkeit, die sich bi« zur Regierung Friedrich« II.
erhalten hat, liegt auch der Grund der damals im
mer wiederkehrenden Pest.
Unter Johann George ergingen sehr schärfe Po
lizei-Verordnungen gegen den Luxus, denn er haßte
den Müßiggang und den Trunk, der damals sehr ge
liebt wurde. In dem Polizeigesctze vom I. »580
werdeu unter andern die Einivohner von Berlin und
Kölln auf eine drollige Art in 4 Klaffen getheilt,
von denen aber die Krieges-Hau«- und Hofbedien
ten, wie die Räthe ausgenommen waren, weil der
Kurfürst über diese allein zu schalten sich vorbehielt.—
Zur ersten Klasse gehörten: die Dokrores, Pröpste,
Bürgermeister, KammergerichkS - Advokareir, Raths
personen, Stadlschreiber, Richter, Schöppen, und der
Eradtadcl; zur zweiten die Kapelläne, wohlhabenden
Bürger, Handwerker und Krämer; zur dritten die
gemeinen Bürger; zur vierten die Hausleute, Tage
löhner, Knechte und Mägde. — Nun wurde jeder
Klaffe vorgeschrieben, wie viel sie bei Hochzeiten und
Wirthschaften darauf gehen laffen, was sie anziehen,
wie sie sich schmücken, welche und wie viele Gerächte,
»b und welche Anen von Weine und Biere sie ge
nießen, ja sogar, ob Käse, Butter und Gebackene« auf
den Tisch kommen solle. Alles dies wurde mit Geld
strafen von 2, 3 und 4 Rthlr: verpönt. —Auch wur
de bestimmt, daß man nur 2 Stunden am Tische
fitzen, und sich spätsten« um 2 Uhr auf dem Rath-
Hause (wo das Hochzeiimal gegen eine Abgabe an
die Kämmerei gehalten wurde) einfinden sollte, damit
die Abendmalzeit um 5 Uhr wieder anfangen könne. —
Auf dem Tanzboden sollen besondere Aufseher ver,
ordnet werden, damit Zucht und Ehrbarkeit beim
Tanze, und besonders beim Vordregen (beimWal-
zen) beobachtet werde. Diese Aufseher hießen Platz
meister, und spielten bei Hochzeiten wichtige Rol-
len, da sie auch darauf zu sehen hatten, daß beim
Dortanz der Rang der-Tänzer nicht unbeachtet ge
lassen wurde. Dir Schüler, welche auf den Hochzei,
ten singen, sollen nicht daselbst bleiben, und sich voll
saufen oder auch wohl tanzen, damit es nicht nö
thig sey, sie mit der Peitsche auezutreiben.
Zst es rathfam, Prediger durch Titel auszuzeichnen?
D on einem Prediger.
( Veüttiiß.)
Doch wa« bedarf es vieler Worte bei einer Fra
ge, welche die Erfahrung schon tausend- und tausend
mal genügend beantwortet har. Erfahrung lehrt un»,
daß wahre Achtung, deren Geistliche sich erfreuten, von
besonderen Auszeichnungen durch die Regierung voll
kommen unabhängig war; sic zeigt, daß jene« edle Klei
nod auch Lehrern solcher Religionspartheien zu Theil
ward, die vom Staate gar nicht anerkannt, die gehaßt,
verfolgt, gemißhandelt wurden; sie erinnert, daß ein
Luther, Melanchrhon, Spener und andre würdige Geist
liche nicht wegen ihrer Titel, sondern wegen ihrer Ver
dienste hoch und werth geschätzt waren; sie beweiset, daß
oft der geringe, einfache Prediger in Achtung lebte,
während der erhabne Prälat zam Gegenstand des Ab
scheus und der Schande herabsank; daß Titel und Ehren
zeichen, womit man Kleriker bekleidete, oftmals we
der diesen, noch der Religion Sergen brachten, daß
sie nicht selten nur dazu dienten, eine böse Brut man
nigfaltiger Laster zu erzeugen und zu hegen. Schwache
wurden durch das Beispiel irre, und zur Geringschät
zung der Religion verführ» ; aber das prüfende Auge
der verständigen Laien ließ sich dagegen durch Titel
und Ehrenzeichen nicht blenden; selbst der Name
Statthalter Gottes un» Allcrheiligster Vater schützte'
vor Geißelhieben des verdienten Tadels über gegeb
nes Aergerniß nicht; und kein geweihte» Pallium,
keine, dreifache Krone, konnte den Sünder vor der
gerechten Verachtung bewahren.
„Laßt uns nicht eitler Ehre geizig seyn! an«
unter einander zu entrüsten und zu Haffen," lehn schon
im Allgemeinen der verständige Paulus, (Gal. 5,26.)
und besonder» der weife Meister selbst, gab Er nicht
seinen Jüngern, al« sie unter einander haderten, wer
von ihnen der größte seyn würde (Luc. 22,25. 26.)
die goldne Regel: „Gewaltige heißt man gnädige
Herren; Ihr aber nicht also; sonder» der größte un
ter Tuch soll seyn wie der Jüngste, und der Vor
nehmste wie ein Diener:" Sollte denn dieser Spruch
nicht füglich auf den gegenwärtigen Fall Anwendung
leiden?
Aber man hat ja immer schon dagcgegen gehan
delt, ließe sich einwerfen; von jeher unterschieden sich
die Diener der christlichen Religion durch Venen,