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Volume Nr. 18., 4. März 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

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Für Arie Joachims sah e« in Berlin gewaltig 
schmutzig au«. Da« kam daher, weil nicht nur die 
Bürger, sondern auch angesehene Familien, und selbst 
die Kurfürstlichen Räthe einen Wehstand im Hause 
halten, und den Dünger für ihre Becker und Garten 
vor den Hausern zusammenhauflen. In dieser Un, 
rrinkichkeit, die sich bi« zur Regierung Friedrich« II. 
erhalten hat, liegt auch der Grund der damals im 
mer wiederkehrenden Pest. 
Unter Johann George ergingen sehr schärfe Po 
lizei-Verordnungen gegen den Luxus, denn er haßte 
den Müßiggang und den Trunk, der damals sehr ge 
liebt wurde. In dem Polizeigesctze vom I. »580 
werdeu unter andern die Einivohner von Berlin und 
Kölln auf eine drollige Art in 4 Klaffen getheilt, 
von denen aber die Krieges-Hau«- und Hofbedien 
ten, wie die Räthe ausgenommen waren, weil der 
Kurfürst über diese allein zu schalten sich vorbehielt.— 
Zur ersten Klasse gehörten: die Dokrores, Pröpste, 
Bürgermeister, KammergerichkS - Advokareir, Raths 
personen, Stadlschreiber, Richter, Schöppen, und der 
Eradtadcl; zur zweiten die Kapelläne, wohlhabenden 
Bürger, Handwerker und Krämer; zur dritten die 
gemeinen Bürger; zur vierten die Hausleute, Tage 
löhner, Knechte und Mägde. — Nun wurde jeder 
Klaffe vorgeschrieben, wie viel sie bei Hochzeiten und 
Wirthschaften darauf gehen laffen, was sie anziehen, 
wie sie sich schmücken, welche und wie viele Gerächte, 
»b und welche Anen von Weine und Biere sie ge 
nießen, ja sogar, ob Käse, Butter und Gebackene« auf 
den Tisch kommen solle. Alles dies wurde mit Geld 
strafen von 2, 3 und 4 Rthlr: verpönt. —Auch wur 
de bestimmt, daß man nur 2 Stunden am Tische 
fitzen, und sich spätsten« um 2 Uhr auf dem Rath- 
Hause (wo das Hochzeiimal gegen eine Abgabe an 
die Kämmerei gehalten wurde) einfinden sollte, damit 
die Abendmalzeit um 5 Uhr wieder anfangen könne. — 
Auf dem Tanzboden sollen besondere Aufseher ver, 
ordnet werden, damit Zucht und Ehrbarkeit beim 
Tanze, und besonders beim Vordregen (beimWal- 
zen) beobachtet werde. Diese Aufseher hießen Platz 
meister, und spielten bei Hochzeiten wichtige Rol- 
len, da sie auch darauf zu sehen hatten, daß beim 
Dortanz der Rang der-Tänzer nicht unbeachtet ge 
lassen wurde. Dir Schüler, welche auf den Hochzei, 
ten singen, sollen nicht daselbst bleiben, und sich voll 
saufen oder auch wohl tanzen, damit es nicht nö 
thig sey, sie mit der Peitsche auezutreiben. 
Zst es rathfam, Prediger durch Titel auszuzeichnen? 
D on einem Prediger. 
( Veüttiiß.) 
Doch wa« bedarf es vieler Worte bei einer Fra 
ge, welche die Erfahrung schon tausend- und tausend 
mal genügend beantwortet har. Erfahrung lehrt un», 
daß wahre Achtung, deren Geistliche sich erfreuten, von 
besonderen Auszeichnungen durch die Regierung voll 
kommen unabhängig war; sic zeigt, daß jene« edle Klei 
nod auch Lehrern solcher Religionspartheien zu Theil 
ward, die vom Staate gar nicht anerkannt, die gehaßt, 
verfolgt, gemißhandelt wurden; sie erinnert, daß ein 
Luther, Melanchrhon, Spener und andre würdige Geist 
liche nicht wegen ihrer Titel, sondern wegen ihrer Ver 
dienste hoch und werth geschätzt waren; sie beweiset, daß 
oft der geringe, einfache Prediger in Achtung lebte, 
während der erhabne Prälat zam Gegenstand des Ab 
scheus und der Schande herabsank; daß Titel und Ehren 
zeichen, womit man Kleriker bekleidete, oftmals we 
der diesen, noch der Religion Sergen brachten, daß 
sie nicht selten nur dazu dienten, eine böse Brut man 
nigfaltiger Laster zu erzeugen und zu hegen. Schwache 
wurden durch das Beispiel irre, und zur Geringschät 
zung der Religion verführ» ; aber das prüfende Auge 
der verständigen Laien ließ sich dagegen durch Titel 
und Ehrenzeichen nicht blenden; selbst der Name 
Statthalter Gottes un» Allcrheiligster Vater schützte' 
vor Geißelhieben des verdienten Tadels über gegeb 
nes Aergerniß nicht; und kein geweihte» Pallium, 
keine, dreifache Krone, konnte den Sünder vor der 
gerechten Verachtung bewahren. 
„Laßt uns nicht eitler Ehre geizig seyn! an« 
unter einander zu entrüsten und zu Haffen," lehn schon 
im Allgemeinen der verständige Paulus, (Gal. 5,26.) 
und besonder» der weife Meister selbst, gab Er nicht 
seinen Jüngern, al« sie unter einander haderten, wer 
von ihnen der größte seyn würde (Luc. 22,25. 26.) 
die goldne Regel: „Gewaltige heißt man gnädige 
Herren; Ihr aber nicht also; sonder» der größte un 
ter Tuch soll seyn wie der Jüngste, und der Vor 
nehmste wie ein Diener:" Sollte denn dieser Spruch 
nicht füglich auf den gegenwärtigen Fall Anwendung 
leiden? 
Aber man hat ja immer schon dagcgegen gehan 
delt, ließe sich einwerfen; von jeher unterschieden sich 
die Diener der christlichen Religion durch Venen,
	        
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