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Volume Nr. 17., 28. Februar 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

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geben als diese«: Ernennt ein Drittel der Geistlichen 
zu Kirchenrälhen, da« 2te zu Oberpredigern, und e» 
kan» nicht ausbleiben, auf den Rest, der noch die 
alte Benennung behält, wird im Kurzen, als auf den 
Ausschuß des Stande«, mit solcher Verachtung 
herabgeblickl werden, daß jeder rechtliche Mann er 
böthen möchte, sich als einen Angehörigen desselben 
zu bekennen. Ob hierdurch der Eifer der Prediger, 
vnd die Wirksamkeit ihre« Amis, die man doch gern 
durch Titel vergrößern will, in der Thal befördert 
werden dürften, entscheide ein jeder selbst. 
Dieser Nachtheil wäre aber noch immer nicht der 
größte; denn eine noch traurigere Folge möchte die 
seyn, daß den Predigern noch ein neues ihnen bisher 
fremde»Lastergleichsameingeimpft würde: dieTitel« 
und Rangsucht. Der Kandidat, der heute zum 
Prediglamte ordinirt ist, wird hinter der Schaar 
geistlicher Rathe und Oberprediger nicht zurückbleiben, 
er wird bei gleichem Amte nicht zu tief in der Meinung 
der Volk« unter ihnen stehen wollen, zumal wenn er sich 
fühlt, und wahrzunehmen glaubt, daß auf die Wage, 
schal« de« Verdienste» die Würdigung wohl ander» au», 
fallen mögte. Er wird also alle Mittel anzuwenden su< 
chen, jenen gleich, oder zuvorzukommen. Die« Stre 
ben aber, hinter seinen Standesgenoffen nicht zurück 
zubleiben, ist an sich und geradehin keineswege» 
«adelhaft.. Wer fich von Leuten, die auf Stühlen und 
Tischen stehen,, umringt fleht, der muß auf dem flachen 
Boden flch unbehaglich fühlen; er wird also auch ir 
gend rin Bänkchen nach Umständen zu erkriechen, 
»der fich hinaufzuschwingen, vder von andern sich 
darauf heben zu lassen suchen. Zu welchen Unwür 
digkeiten und ärgerlichen Scenen kann aber ein sol 
che» wetteifernde» Emporstreben nicht Anlaß gebe»? 
Am besten ists daher, man lege den Stein de» An, 
stoße» gar nicht in den Weg.. 
Endlich verdient auch noch erwogen zu werden, 
zu wie viel Unzufriedenheit dergleichen Titel- 
erhöhungen Anlaß geben möchten, zumal wenn fic 
nicht etwa, als eine seltne Ausnahme von der Regel, 
al» Belohnung ganz ausgezeichneter Verdienste verfügt 
werden, sondern wenn fle im Großen erfolgen soll; 
denn von einer ziemlich in» Allgemeine gehenden Au«, 
zeichnung kann doch nur die Rede seyn, wenn der 
gesammre Predigcrstand> der ja ohnehin schon Tim- 
J«do» hat, dadurch vor der Welt geehrt weiden 
sollte. Rach welchem Maaßstab will man aber diese 
Belohnung austheilen? nach der größer» oder gerin 
gern Einnahme doch nicht; also nach Dienstjahren und 
nach Würdigkeit; aber auch die« ist leicht gesagt, doch 
sehr schwer in der AuSsührunq. Alter allein darf' 
nicht entscheiden, sonst könnte die Ehre oft den tres« 
ien, der ihrer am wenigsten werth wäre; und der 
junge Mann voll Kopf und Kenntnissen, der von Ei 
fer für sein Amt glühende thätige und brauchbare 
Mann würde muthloe werden, wenn er sehr mittel 
mäßige oder schlechte Subjekte sich wegen ihrer hö 
her» Jahre vorgezogen sähe; wenn erst graue« Haar, 
aber nicht gemeinnützige Thätigkeit ihm Anspruch auf 
Anerkennung von Seiten de« Staat» verschaffte. Ru 
hig zu vegeriren, um e« zu einem feinen hohen Alter 
zu bringen, und daher jede Anstrengung zu scheuen, 
die da» Leben abkürzen könnte, würde dann Haupt 
regel der Klugheit für ihn seyn. Entscheidung nach 
Verdienst aber, ohne Rücksicht auf die Jahre hat säst 
noch größre Bedenklichkeiten., 
Wo ist der Prüfstein der Würdigkeit, an dem fle 
flch untrüglich erkennen läßt? ist nicht da» echte Ver 
dienst, ich will nicht sagen immer, sondern oft stille» 
Verdienst, da» kaum dem nächsten und aufmerksam 
sten Beobachter in die Augen fällt? Wie leicht könnte 
fich also der Staat irren, ja wie oft würde da« fast 
nothwendig geschehn; wie oft wurde der seichte Kopf, 
der durch Schwindelei die Welt täuscht und von fich 
reden macht, dem reellen, ohne AufschnIGutes bewir 
kenden Mann vorgezogen werden!: Und wenn dieser 
nun der bejahrtere Mann wäre, wenn durch solche 
Zurücksetzung sein Ansehn und seine Gemeinnützigkeit 
in seiner Gemeine litte, können wir e« unnatürlich 
finden, daß er fich gekränkt fühle,,und daß er mi« ei 
ner gewissen Unlust auf Jünglinge blickt, die so leicht 
über ihn fonhüpfien? Man macht so schon den Geist 
lichen, zumal Specialkollegen» Mangel an Harmonie 
zum Vorwurf; warum also eine neue Fackel der Zwie-. 
tracht unter fle werfen?') 
•) Denselben «achibell mögt« auch der »rojeetirt« (M. s. 
Si«. 6 d. Hs. ) Orden s»r die Geistlichen bade». Orden 
»affen überbau»» am besten für den Kriege«,iand, »essen 
Großthaten so deutlich in di« «»gen fallen, bau bei Wür 
digung derselben Irrlbum weniger leicht möglich ift. Und 
nun vollend« «er Orden de« stillen Verdienste«. Stil 
le« Bei »len« ist t» der Regel da« edelste, und stnder Antrieb 
und t!»l>» in der Brust de« Menschen. In andern Staate« 
»lebe et freilich schon besondere Sbrena»«>e,chnunge» für dl« 
Geistlichen, j, B. delobnt der Russische verdienstvolle Welt- 
»riester mil Scheiielkgoochen; dennoch aber stel» der Russi 
sch« niedre Klerus gewiß in geringerer Achtung bei seinen 
gebildeten Landi-l-ule» als unsre Prediger bei den ibrigeo. 
In Zukun-t «*„» sich dal vermittln,ch and rn, wenn die 
blohriaen kläglichen BUdungsastalien für die Russische Kelst» 
llchkrit nach dem vom Kaiser bereit« eingelrieeten plan ver 
bessert werden, und ihr Nutzen sich jfiai. Allein man 
steht doch birrau», wie wenig Wirkung von Ehrenieiche» an 
sich zu hoffen ist. 
( Der Beschluß folgt. ) ■
	        
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