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geben als diese«: Ernennt ein Drittel der Geistlichen
zu Kirchenrälhen, da« 2te zu Oberpredigern, und e»
kan» nicht ausbleiben, auf den Rest, der noch die
alte Benennung behält, wird im Kurzen, als auf den
Ausschuß des Stande«, mit solcher Verachtung
herabgeblickl werden, daß jeder rechtliche Mann er
böthen möchte, sich als einen Angehörigen desselben
zu bekennen. Ob hierdurch der Eifer der Prediger,
vnd die Wirksamkeit ihre« Amis, die man doch gern
durch Titel vergrößern will, in der Thal befördert
werden dürften, entscheide ein jeder selbst.
Dieser Nachtheil wäre aber noch immer nicht der
größte; denn eine noch traurigere Folge möchte die
seyn, daß den Predigern noch ein neues ihnen bisher
fremde»Lastergleichsameingeimpft würde: dieTitel«
und Rangsucht. Der Kandidat, der heute zum
Prediglamte ordinirt ist, wird hinter der Schaar
geistlicher Rathe und Oberprediger nicht zurückbleiben,
er wird bei gleichem Amte nicht zu tief in der Meinung
der Volk« unter ihnen stehen wollen, zumal wenn er sich
fühlt, und wahrzunehmen glaubt, daß auf die Wage,
schal« de« Verdienste» die Würdigung wohl ander» au»,
fallen mögte. Er wird also alle Mittel anzuwenden su<
chen, jenen gleich, oder zuvorzukommen. Die« Stre
ben aber, hinter seinen Standesgenoffen nicht zurück
zubleiben, ist an sich und geradehin keineswege»
«adelhaft.. Wer fich von Leuten, die auf Stühlen und
Tischen stehen,, umringt fleht, der muß auf dem flachen
Boden flch unbehaglich fühlen; er wird also auch ir
gend rin Bänkchen nach Umständen zu erkriechen,
»der fich hinaufzuschwingen, vder von andern sich
darauf heben zu lassen suchen. Zu welchen Unwür
digkeiten und ärgerlichen Scenen kann aber ein sol
che» wetteifernde» Emporstreben nicht Anlaß gebe»?
Am besten ists daher, man lege den Stein de» An,
stoße» gar nicht in den Weg..
Endlich verdient auch noch erwogen zu werden,
zu wie viel Unzufriedenheit dergleichen Titel-
erhöhungen Anlaß geben möchten, zumal wenn fic
nicht etwa, als eine seltne Ausnahme von der Regel,
al» Belohnung ganz ausgezeichneter Verdienste verfügt
werden, sondern wenn fle im Großen erfolgen soll;
denn von einer ziemlich in» Allgemeine gehenden Au«,
zeichnung kann doch nur die Rede seyn, wenn der
gesammre Predigcrstand> der ja ohnehin schon Tim-
J«do» hat, dadurch vor der Welt geehrt weiden
sollte. Rach welchem Maaßstab will man aber diese
Belohnung austheilen? nach der größer» oder gerin
gern Einnahme doch nicht; also nach Dienstjahren und
nach Würdigkeit; aber auch die« ist leicht gesagt, doch
sehr schwer in der AuSsührunq. Alter allein darf'
nicht entscheiden, sonst könnte die Ehre oft den tres«
ien, der ihrer am wenigsten werth wäre; und der
junge Mann voll Kopf und Kenntnissen, der von Ei
fer für sein Amt glühende thätige und brauchbare
Mann würde muthloe werden, wenn er sehr mittel
mäßige oder schlechte Subjekte sich wegen ihrer hö
her» Jahre vorgezogen sähe; wenn erst graue« Haar,
aber nicht gemeinnützige Thätigkeit ihm Anspruch auf
Anerkennung von Seiten de« Staat» verschaffte. Ru
hig zu vegeriren, um e« zu einem feinen hohen Alter
zu bringen, und daher jede Anstrengung zu scheuen,
die da» Leben abkürzen könnte, würde dann Haupt
regel der Klugheit für ihn seyn. Entscheidung nach
Verdienst aber, ohne Rücksicht auf die Jahre hat säst
noch größre Bedenklichkeiten.,
Wo ist der Prüfstein der Würdigkeit, an dem fle
flch untrüglich erkennen läßt? ist nicht da» echte Ver
dienst, ich will nicht sagen immer, sondern oft stille»
Verdienst, da» kaum dem nächsten und aufmerksam
sten Beobachter in die Augen fällt? Wie leicht könnte
fich also der Staat irren, ja wie oft würde da« fast
nothwendig geschehn; wie oft wurde der seichte Kopf,
der durch Schwindelei die Welt täuscht und von fich
reden macht, dem reellen, ohne AufschnIGutes bewir
kenden Mann vorgezogen werden!: Und wenn dieser
nun der bejahrtere Mann wäre, wenn durch solche
Zurücksetzung sein Ansehn und seine Gemeinnützigkeit
in seiner Gemeine litte, können wir e« unnatürlich
finden, daß er fich gekränkt fühle,,und daß er mi« ei
ner gewissen Unlust auf Jünglinge blickt, die so leicht
über ihn fonhüpfien? Man macht so schon den Geist
lichen, zumal Specialkollegen» Mangel an Harmonie
zum Vorwurf; warum also eine neue Fackel der Zwie-.
tracht unter fle werfen?')
•) Denselben «achibell mögt« auch der »rojeetirt« (M. s.
Si«. 6 d. Hs. ) Orden s»r die Geistlichen bade». Orden
»affen überbau»» am besten für den Kriege«,iand, »essen
Großthaten so deutlich in di« «»gen fallen, bau bei Wür
digung derselben Irrlbum weniger leicht möglich ift. Und
nun vollend« «er Orden de« stillen Verdienste«. Stil
le« Bei »len« ist t» der Regel da« edelste, und stnder Antrieb
und t!»l>» in der Brust de« Menschen. In andern Staate«
»lebe et freilich schon besondere Sbrena»«>e,chnunge» für dl«
Geistlichen, j, B. delobnt der Russische verdienstvolle Welt-
»riester mil Scheiielkgoochen; dennoch aber stel» der Russi
sch« niedre Klerus gewiß in geringerer Achtung bei seinen
gebildeten Landi-l-ule» als unsre Prediger bei den ibrigeo.
In Zukun-t «*„» sich dal vermittln,ch and rn, wenn die
blohriaen kläglichen BUdungsastalien für die Russische Kelst»
llchkrit nach dem vom Kaiser bereit« eingelrieeten plan ver
bessert werden, und ihr Nutzen sich jfiai. Allein man
steht doch birrau», wie wenig Wirkung von Ehrenieiche» an
sich zu hoffen ist.
( Der Beschluß folgt. ) ■