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Volume Nr. 16., 25. Februar 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

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genthümlichkeit auftreten kann. Etwa« vortheilhafter 
unterscheiden sich noch solche Gemeinen, &tc ihre 
Prediger und übrigen Kirchendiener selbst wählen, 
denn sie haben hierin einen Vereinigungspunkt und ^ 
zeigen sich daher auch wohl bet andern Gelegenheit * 
ten als ein verbundenes Ganze, belebt von einem 
gemeinschaftlichen Sinn, wovon die Jubelfeier des 
verstorbenen Woltersdorfs und was dabei von 
ferner Gemeine geschah, als der letzte Akt dieser 
Art unter uns ivohl der Aufbewahrung werth zu 
achten ist. Im allgemeinen aber ist das Band 
zwischen den Geistlichen und dem, was man ihre 
Parochie nennt, so locker geworden und beide erschei 
nen so getrennt, daß es eine seltne Deranlasiung, 
seyn muß, wenn sie persönlich Notiz von einander 
nehmen sollen. Stirbt der Geistliche, so erfährt es 
seine Gemeine aus de» Zeitungen; er ist leicht ver- 
geffen und er müßte ei» sehr eminentes Mitglied 
seines Standes gewesen seyn, wenn er vermißt 
würde. Wird die erledigte Stelle wieder besetzt, so 
erregt dieß kaum eine vorübergehende Theilnahme 
und es vergeht eine geraume Zeit, bis auch nur die 
Hälfte der Gemeineglieder davon Kenntniß erhalt. 
Der neu angestellte Geistliche muß sich wie ein Mis 
sionär vorkommen, und sich immer in Verlegenheit 
fühlen, wenn er sich anders als von der Kanzel der 
Gemeine nähern will, denn es ist ihm gewiß eine 
seltne Erscheinung, daß ihm irgend Einer mit Liebe 
entgegen kommt. Daß dieß alles anders seyn sollte, 
ist wohl jedem Kundtgen einleuchtend, und daß es 
bester werden kann und muß, wohl niemandem zwei 
felhaft. Die Geistlichen können kein höheres Bestre 
ben haben, als mit ihren Gemeinen,auf das innigste 
Ein? »u seyn und in die vielseitigste geistliche Be 
rührung mit den Mitgliedern der,elbe» durch alle 
Stufen des Alters und in allen Lebensverhaltniffen 
zu kommen; es wird ihnen das erwünschteste und 
erfreulichste seyn, aus der Entfernung, in die sie ge 
scheucht sind, hervorzutreten und sich wieder denen 
zu nähern, von welchen sie zum größten Nachtheil 
ihres würdigen Beru,es und der heiligen Angelegen 
heit übersehen und fern gehalten wurden. Aber auch 
die Gemeinen ihrer Seit« haben darauf zu denken, 
daß die Scheidungen, wiefern sie als ein Aeußere« 
da sind, auch von außen her weggeräumt werden, 
wozu die Mittel unschwer zu finden seyn durften. 
Und wie wohlthätig müßte nicht das hergestellte 
rechte Verhältniß zwischen der Gemeine und ihren 
Seelsorgern auf die Beförderung der Frömmigkeit 
im allgemeinen und die Verbefferung der öffentlichen 
Kirchenandacht insbesondre einwirken! 
2. In eben dieser Absicht sey auch noch ein zwei 
ter Wunsch hinzugefügt: Die Vereinigung der 
Lutheraner und Reformirten in eine Pro, 
testantische Kirche. Dieß darf hier nur angedeu 
tet werden; denn will sich die Gesellschaft über diesen 
höchstwichtige» Gegenstand, der, soll die intentionirte 
Reform gründlich sey» und gedeihe», die ernsthafteste 
Berücksichtigung verdient, vollständig unterrichten; 
so findet si'e gewiß eine befriedigende Auskunft in 
einer Schrift (Zwei Gutachten in Sachen des Pro 
testantischen Kirchenwesen«. Berlin, Realschulbuch, 
Handlung 1804) deren durchdachte Vorschläge mehr 
gelobt, als bisher noch befolgt sind. Es genüge da 
her an dieser Stelle nur an dem Resultat derselben, 
daß nämlich die besagte Vereinigung weder a» ei 
ner innern noch äußern Unausführvarkeit leide. Nicht 
an der innern: denn da« Wesen der Christlichen 
Erkenntniß und Gesinnung ist in leiden Pariheien 
vorhanden, so daß eine Trennung derselben ursprüng 
lich gar nicht hätte Statt haben sollen, und aus dem 
Punkt, auf welchem die fortschreitende Entwickelung 
bee Christenthums eben jetzt sich befindet, sind die 
Abiveichungen einzelner Lehrer unter sich in jeder 
Panhei .viel großer, als die der beiden Par-Heien 
gegeneinander, weßhalb die vorgeschlagne Vereini 
gung derselben gewiß für ein kräftiges Mittel zu er 
achten ist, die Krisis, welche die Zeit selbst in dem 
Ehristenthum vorbereitet hat, auf das glücklichste zu 
beendigen. Aber auch nicht a» der äußern, wenn 
der Gegenstand mit Ernst und Liebe erwogen und be» 
Handel! wird, wie solches am angeführten Orte aus 
führlich dargethan ist. 
Was die Staatsbehörden, die für die Leitung 
und Verbefferung des Kircherwesens angeordnet sind, 
neben anderweitigen Verfügungen auch in Hinsicht 
auf diese beiden Vorschläge etwa thun werde», steht 
zu erwarten und wohl dürfen wir alle zuversichtlich 
hoffen, sie werden sich in dieser großen Angelegen 
heit mit eben der Einsicht un Kraft erweisen, die 
zur allgemeinen Freude des Landes, sich uns bereits 
in anderweitigen Anordnungen des bürgerlichen Ge 
bens kenntlich zu machen, so herrlich angefangen 
haben. Gefällt es aber der unbekannten Gesellschaft, 
neben ihren eignen, auch diese mitgetheilten Bemer 
kungen und. Wünsche ihrer fernern Aufmerksamkeit 
werth zu achten, und sich, wenn die äußre Aufforde 
rung zu ihrer redlichen Absicht hinzutreten wird, sich 
mit gleich anhaltendem Eifer, wie es bisher im Stil 
len geschehe» ist, dann auch öffentlich jedem auf da» 
Gute und fromme gerichtete Unternehmen hinzuge 
ben: so kann unmöglich unerfüllt bleiben, was sie 
hoffet uns wünscht. Und wenn sie es hieran nicht feh 
len läßt, so sind ihre Wünsche dann wahrhaft fr0m- 
me Wünsche, und ist dieß der würdigste und allein 
angemeffene Name, der, wenn sie ihn auch mißzu- 
deüten und zu verbitten scheint, ihrem guten Werke 
beigelegt werden kann. 
Der Verfasser dieses Aufsatzes darf wohl nicht 
hinzufügen, daß er selbst ein hiesiger Geistlicher sey 
und er hat es auch gar nicht darauf Lngelegt, daß 
seine Sprache seinen Stand verdecke. Der Name des 
selben kann aber viel weniger zur Sache thun, als 
seine Liebe zu ihr und der immer frische Muth, daß 
es mit ihr gelingen werde. Seine Absicht ist ganz 
die der Gesellschaft, die ihm daher eine sehr erfreu 
liche Erscheinung war, mit der er einerlei Ziel vor 
Augen hat, wen» gleich sein Weg zu demselben nicht 
ganz der ihrige seyn sollte, und der er, indem er ihr 
freundlich die Hand reicht, durch diese mitgetheilten 
Bemerkungen seine aufrichtige Hochachtung hat be 
zeugen wollen. Wünscht indessen die Gesellschaft, mit 
ihm in nähere Verbindung zu treten und eine weitere 
Erklärung über Mancher von ihm zu erhalten, was 
hier nur kurz angedeutet werden konnte, so wird er 
kein Bedenke» tragen, die Anonymität abzuwerfen. 
Berlin, den 6ten Februar 1809. 
Möge dieser Samen auf fruchtbaren 
Boden fallen!! d. H. 
Beilage.
	        
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