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genthümlichkeit auftreten kann. Etwa« vortheilhafter
unterscheiden sich noch solche Gemeinen, &tc ihre
Prediger und übrigen Kirchendiener selbst wählen,
denn sie haben hierin einen Vereinigungspunkt und ^
zeigen sich daher auch wohl bet andern Gelegenheit *
ten als ein verbundenes Ganze, belebt von einem
gemeinschaftlichen Sinn, wovon die Jubelfeier des
verstorbenen Woltersdorfs und was dabei von
ferner Gemeine geschah, als der letzte Akt dieser
Art unter uns ivohl der Aufbewahrung werth zu
achten ist. Im allgemeinen aber ist das Band
zwischen den Geistlichen und dem, was man ihre
Parochie nennt, so locker geworden und beide erschei
nen so getrennt, daß es eine seltne Deranlasiung,
seyn muß, wenn sie persönlich Notiz von einander
nehmen sollen. Stirbt der Geistliche, so erfährt es
seine Gemeine aus de» Zeitungen; er ist leicht ver-
geffen und er müßte ei» sehr eminentes Mitglied
seines Standes gewesen seyn, wenn er vermißt
würde. Wird die erledigte Stelle wieder besetzt, so
erregt dieß kaum eine vorübergehende Theilnahme
und es vergeht eine geraume Zeit, bis auch nur die
Hälfte der Gemeineglieder davon Kenntniß erhalt.
Der neu angestellte Geistliche muß sich wie ein Mis
sionär vorkommen, und sich immer in Verlegenheit
fühlen, wenn er sich anders als von der Kanzel der
Gemeine nähern will, denn es ist ihm gewiß eine
seltne Erscheinung, daß ihm irgend Einer mit Liebe
entgegen kommt. Daß dieß alles anders seyn sollte,
ist wohl jedem Kundtgen einleuchtend, und daß es
bester werden kann und muß, wohl niemandem zwei
felhaft. Die Geistlichen können kein höheres Bestre
ben haben, als mit ihren Gemeinen,auf das innigste
Ein? »u seyn und in die vielseitigste geistliche Be
rührung mit den Mitgliedern der,elbe» durch alle
Stufen des Alters und in allen Lebensverhaltniffen
zu kommen; es wird ihnen das erwünschteste und
erfreulichste seyn, aus der Entfernung, in die sie ge
scheucht sind, hervorzutreten und sich wieder denen
zu nähern, von welchen sie zum größten Nachtheil
ihres würdigen Beru,es und der heiligen Angelegen
heit übersehen und fern gehalten wurden. Aber auch
die Gemeinen ihrer Seit« haben darauf zu denken,
daß die Scheidungen, wiefern sie als ein Aeußere«
da sind, auch von außen her weggeräumt werden,
wozu die Mittel unschwer zu finden seyn durften.
Und wie wohlthätig müßte nicht das hergestellte
rechte Verhältniß zwischen der Gemeine und ihren
Seelsorgern auf die Beförderung der Frömmigkeit
im allgemeinen und die Verbefferung der öffentlichen
Kirchenandacht insbesondre einwirken!
2. In eben dieser Absicht sey auch noch ein zwei
ter Wunsch hinzugefügt: Die Vereinigung der
Lutheraner und Reformirten in eine Pro,
testantische Kirche. Dieß darf hier nur angedeu
tet werden; denn will sich die Gesellschaft über diesen
höchstwichtige» Gegenstand, der, soll die intentionirte
Reform gründlich sey» und gedeihe», die ernsthafteste
Berücksichtigung verdient, vollständig unterrichten;
so findet si'e gewiß eine befriedigende Auskunft in
einer Schrift (Zwei Gutachten in Sachen des Pro
testantischen Kirchenwesen«. Berlin, Realschulbuch,
Handlung 1804) deren durchdachte Vorschläge mehr
gelobt, als bisher noch befolgt sind. Es genüge da
her an dieser Stelle nur an dem Resultat derselben,
daß nämlich die besagte Vereinigung weder a» ei
ner innern noch äußern Unausführvarkeit leide. Nicht
an der innern: denn da« Wesen der Christlichen
Erkenntniß und Gesinnung ist in leiden Pariheien
vorhanden, so daß eine Trennung derselben ursprüng
lich gar nicht hätte Statt haben sollen, und aus dem
Punkt, auf welchem die fortschreitende Entwickelung
bee Christenthums eben jetzt sich befindet, sind die
Abiveichungen einzelner Lehrer unter sich in jeder
Panhei .viel großer, als die der beiden Par-Heien
gegeneinander, weßhalb die vorgeschlagne Vereini
gung derselben gewiß für ein kräftiges Mittel zu er
achten ist, die Krisis, welche die Zeit selbst in dem
Ehristenthum vorbereitet hat, auf das glücklichste zu
beendigen. Aber auch nicht a» der äußern, wenn
der Gegenstand mit Ernst und Liebe erwogen und be»
Handel! wird, wie solches am angeführten Orte aus
führlich dargethan ist.
Was die Staatsbehörden, die für die Leitung
und Verbefferung des Kircherwesens angeordnet sind,
neben anderweitigen Verfügungen auch in Hinsicht
auf diese beiden Vorschläge etwa thun werde», steht
zu erwarten und wohl dürfen wir alle zuversichtlich
hoffen, sie werden sich in dieser großen Angelegen
heit mit eben der Einsicht un Kraft erweisen, die
zur allgemeinen Freude des Landes, sich uns bereits
in anderweitigen Anordnungen des bürgerlichen Ge
bens kenntlich zu machen, so herrlich angefangen
haben. Gefällt es aber der unbekannten Gesellschaft,
neben ihren eignen, auch diese mitgetheilten Bemer
kungen und. Wünsche ihrer fernern Aufmerksamkeit
werth zu achten, und sich, wenn die äußre Aufforde
rung zu ihrer redlichen Absicht hinzutreten wird, sich
mit gleich anhaltendem Eifer, wie es bisher im Stil
len geschehe» ist, dann auch öffentlich jedem auf da»
Gute und fromme gerichtete Unternehmen hinzuge
ben: so kann unmöglich unerfüllt bleiben, was sie
hoffet uns wünscht. Und wenn sie es hieran nicht feh
len läßt, so sind ihre Wünsche dann wahrhaft fr0m-
me Wünsche, und ist dieß der würdigste und allein
angemeffene Name, der, wenn sie ihn auch mißzu-
deüten und zu verbitten scheint, ihrem guten Werke
beigelegt werden kann.
Der Verfasser dieses Aufsatzes darf wohl nicht
hinzufügen, daß er selbst ein hiesiger Geistlicher sey
und er hat es auch gar nicht darauf Lngelegt, daß
seine Sprache seinen Stand verdecke. Der Name des
selben kann aber viel weniger zur Sache thun, als
seine Liebe zu ihr und der immer frische Muth, daß
es mit ihr gelingen werde. Seine Absicht ist ganz
die der Gesellschaft, die ihm daher eine sehr erfreu
liche Erscheinung war, mit der er einerlei Ziel vor
Augen hat, wen» gleich sein Weg zu demselben nicht
ganz der ihrige seyn sollte, und der er, indem er ihr
freundlich die Hand reicht, durch diese mitgetheilten
Bemerkungen seine aufrichtige Hochachtung hat be
zeugen wollen. Wünscht indessen die Gesellschaft, mit
ihm in nähere Verbindung zu treten und eine weitere
Erklärung über Mancher von ihm zu erhalten, was
hier nur kurz angedeutet werden konnte, so wird er
kein Bedenke» tragen, die Anonymität abzuwerfen.
Berlin, den 6ten Februar 1809.
Möge dieser Samen auf fruchtbaren
Boden fallen!! d. H.
Beilage.