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Volume Nr. 16., 25. Februar 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

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Rolle, und bekenne, daß ich , an die Robe und di« 
viereckige Mätze (die Amtelracht der Gerichtsperso 
nen im allen Frankreich) gewöhnt, im Coihurn mich 
gar übel ausnehme. — Um Gottes willen nicht wei 
ter! rief hier Madam — mit jedem neuen Worte 
würde ich eine neue Soltise sagen, und sie wieder 
gut zu machen nicht im Stande seyn. 
Erziehungsinstitut für Grazien. 
Jj» der Anstalt, welche der Professor Cors zu Mün 
chen für junge Frauenzimmer errichtet hat, wurde zu 
Anfang d. M. zweimal öffentliche Komödie, nebst ei 
nem pantomimischen Ballet gegeben. „Die ganze 
französische Art," berichtet die dortige Zeitung, „Aus 
sprache und Leichtigkeit dieser Mädchen in den zwei 
vorgestellten Stücken war einzig, wurde allgemein 
bewundert, und gereicht ihrer Erzieherinn zur großen 
Ehre. Der allgemein thätig bekannte Professor CorS 
hat auch hier feinen rühmlichen Eifer im glänzend 
sten Lichte dargestellt und bewiesen, daß er sich seines 
Namens, Professor, in doppelter Rücksicht wohl ver 
dient gemacht habe. Denn ihm gebühren wohl dreWorre: 
krokesseur des Graces; da wirklich dieser Mann Mäd 
chen bildet, und dem Zuschauer vorstellt, welchen man 
den Namen Grazien mit Recht beilegen kann." — 
Wie weit stehn doch die Vorsteher rmsrer weiblichen 
Erziehungsanstalten, selbst die Professoren unter ih 
nen, gegen ihren Münchner Kollegen zurück. Sie 
scheinen eine Erziehungswcise wie die scinige nur 
für eine Theaterschule geeignet zu halten, m,d es gar 
nicht darauf anzulegen, Grazien im emrnentern Sinn 
zu schaffen; denn cs genügt ihnen, den Grazien nur 
gelegentlich opfern zu lassen, ihr Hauptzweck aber be 
schränkt sich darauf, uns gute, gebildete Mädchen und 
achtungswürdige Hausfrauen zu erziehen. — Wie 
weit sind sie zurück! 
Dem er klingen 
über dir Wünsche und Vorschläge einer zcit- 
uud zweckgemäßen Reform unsrer öffentlichen Gor- 
rcsverehrungen, in den beiden Beilagen zu No. 4 
und 5 des Preuß. Hausfreundes, 
t, Beschluß ) 
Wenn man nun zu diesen Bemerkungen hinzu- 
nimmr, daß auch da, wo »och vieles von dem be 
steht, was hier von der Gesellschaft gefordert wird, 
doch der Verfall des Cultus nicht hat ^ verbätet 
werden können und man dort Klage darüber hört 
so laut wie bei uns; wenn mau den Maasstab, 
womit das vorhandene Bedürfniß gemessen wcrden. 
muß, an das anlegt, was hier als Abhülfe dagegen 
angeboten ist: so scheint sich die völlige Unzuläng 
lichkeit dieser Vorschläge und Wünsche sehr natürlich 
zu ergeben, und was etwa davon in der Probe be 
stehen möchte, nur ganz an das Ende einer ..zcik- 
und zwcckgemäßen Reform unsrer öffentlichen Gotkes- 
verehrungen" gestellt werde» zu dürfen, nachdem 
vorhergegangen ist, woran sich dergleichen Dinge 
anschließen und wodurch sie allein bestehe» können. 
Die Hauptsache nämlich, worauf hier allein alles 
ankommt und welche die Theilnahme und Vereini 
gung aller Gute» in Anspruch nehmen muß, ist ein. 
absichtliches Einwirken auf das religiöse Gefühl, da 
mit cs nicht in wenigen Einzelnen wahrgenommen 
werde, sondern sich mit lebendiger Kraft als Glaube 
und Liebe wieder in dem Ganzen bewege. Dies laßt 
sich nun nicht auf einmal bewirken und am wenig 
sten durch solche Vorschlage, die nur obenhin das 
Aeußre berühren, die in der Gestalt einer Reform, 
eingeschlichcncr Mißbrauche auftreten und daher die 
Sache selbst nicht treffen können, sondern den Scha, 
den nur überstreichen und seine Heilung verspäten. 
Dieß Gefühl selbst ist ewig und nothwendig in dem 
menschlichen Gemüthe vorhanden und wohl mag es 
auf eine zeitlang in seiner freien Regsamkeit gestört, 
nie aber ganz unterdrückt, oder vertilgt werden kön 
nen. Wenn nun, damit ce wieder zu seinen Rechten 
und zu seiner Herrschaft gelange, auf der einen Seite 
zwar das meiste von deni fortschreitenden Gange der 
allgemeinen Bildung mit allem Recht erwartet 
werden darf; so ist doch auf der andern Seite, ob 
wohl die Zeit sich auch hierin weder übereilen, noch 
etwas von sich erzwingen läßt, nichts zu versäumen, 
was als absichtliche Mitwirkung einen Einfluß auf 
ihre Produktionen haben kann. Sind die aufrichtige» 
Freunde der öffentlichen Kirchenandacht mit dieser 
Voraussetzung einverstanden; so werden sic hoffent 
lich zweien Vorschlägen Gehör geben, deren Reali- 
sirung eben so ivohl da- Werk der Laien als der 
Geistlichen und ihrer Behörden seyn muß, und die 
wohl scheinen als Beförderungsmittel dessen gellen 
zu könne», was das ruhige Bilden der Zeit hervor 
bringen will. Aller gründliche» Reform des Kirchen- 
wescns, in so fern nämlich die Laien dazu mitwirken 
können, denn davon ist hier allein die Rede, scheint 
vorangehen zu müssen: 
1. Die Wiederherstellung unserer Ge 
meinen als solcher und der Verbindung, 
worin sie mit ihren Geistlichen stehen sol 
len. Denn was sind unsre Gemeinen? Kaum etwas 
mehr als eine An topographischer Eintheilung der 
Sradi. Und was sind unsre Geistlichen? Wenigstens 
keine Seelsorger mehr, sondern nur Prediger, mei 
stens in leeren Kirchen, auch wohl Kanzelredncr und 
Volkslehrer genannt, auf jeden Fall aber immer nur 
die Hälfte dessen, wozu ihr herrlicher Beruf sie ge- 
wcihet hakte. Auch diejenigen unter ihnen, die sich 
wenigstens eine zeitlang rühmen dürfen, daß sie 
gern gehört und die darum wunderlich genug di« 
beliebten genannt werden, können wohl sagen, 
daß sie ein Auditorium habe» und vor einer Ver 
sammlung reden, schwerlich aber, daß sie an einer 
Gemeine arbeitendie nicht nur als ein dürftiges 
Fragment der christlichen Kirche in einem kümn.cr-- 
lichen und kraftlosen Daseyn gefristet, sondern als 
ein lebendiger und integrircnder Theil derselbe» 
von ihnen gebildet avird und mit einer gewissen Ei--
	        
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