Berlin
oder
d e r Preußische Hausfreund.
Dienstag, den 14. November.
Bemerkungen ,'iber die Aufhebung des Woll-
ausfuhr-Verbots.
(Beschluß.)
CEin Fabrikat kann bei gleicher Güte wohlfeiler ge
stellt werden, wenn
entweder das Material im Preise fallt;
oder die Bearbeitung wohlfeiler gestellt werden kann;
oder das Betriebs-Kapital zu niedrigern Zinsen zu
erhalte» ist.
Den ersten Vortheil har man durch das WollauS-
fuhr-Verbot zu erreichen gesucht. Wäre dadurch auch
wirklich die Wolle, nicht bloß in den ersten Jahre»
nach dem Verbote, sondern auch für die Folge, wohl
feiler geworden, was doch noch zweifelhaft scheint;
so laßt sich doch wenigstens eben durch die Erfahrung,
auf welche man sich beruft, kein Erfolg davon nach
weisen. Die Wollpreise sind den ärmsten Meistern
eben sowohl zu statten gekommen, wie den reichsten
Fabrikherrn; man hat sogar Sorge getragen, den er
ster» den Ankauf im Großen durch landesherrliche
Vorschüsse zu erleichtern; dcmohngeachtcl sind sie in
der bittersten Armuth geblieben.
Der zweite Vortheil hat dagegen offenbar mäch
tig gewirkt. Alle Tuchfabriken, welche in Aufnahme
kommen, und sich zum Theil der Zeitumstände vhn-
geachtel erhalten haben, bedienen sich der Spinnma-
schienen, und mannigfaltigerVorrichtungeu, um wohl
feiler zu,arbeiten.«. Die einzelnen Tuchmachcrmcister,
zu arm. und zu unwisiend, diesen Vortheil zu nützen,
sind eben deswegen weit hinter ihnen zurück geblieben.
Auch der dritte Vortheil ist äußerst wirksam.
Nur durch einen niedrige» Zinsfuß wird es möglich,
ohne merkliche Vcriheucrunq - ein großes .stehendes
und umlaufendes Kapital in Fabriken zu haben, das
ist, große Verwendungen auf Gebäude und Maschi«.
ne» zu machen, ansehnliche Lager von Materialien
und Fabrikaten zu halten, Kredit zu geben, und Vor
schüsse °z» leiste». Auch hierin sind die großen Fa-
brikunternchmer, welch- sich Geld zu-möglichst nie
drigen Zinsen zu verschaffen misten, de» einzelnen
Tuchmachermcistern überlegen, die fast kreditlos sind.
IV.
Es ist nicht die Wohlfeilheit des Material«, wo
durch die Fabrikländcr ihre Ueberlegcnhcit behaupten;
sondern hauptsächlich Ersparniß an Bearbeitung«.
Kosten, und ein niedriger Zinsfuß. Könnte die Wohl-
feilheit des Materials allein, oder auch nur vorzüg
lich, Fabriken emporhelfen: so würde Rußland da«
wichtigste Fabrikeularrd in Europa seyn. Aber e«
zeigt sich gerade das Gegentheil. Holland, das fast
alle Fabrikmaierialicn au« entfernten Gegenden be
zicht, mithin theuer bezahlen muß, war bi« zur Mitte
des vorigen Jahrhunderts das wichtigste Fabrikcn-
land Europas. England hat sehr viele Fabrikware«
rialien durchaus um nichts wohlfeiler, als sie in Frie-
dknszeitcu die andern europäischen Nationen auch
haben können. Die östliche Schweiz hat große Daum-
wollenfabrikcn bei theurem Material.
Der preußische Staat hat seine Fabriken zunächst
durch Wohlfeilheit des Materials zu heben gesucht.
Was sic indeß wirklich gehoben hat, war der sinkende
Zinsfuß, und die wachsende Wohlhabenheit und In
dustrie der Fabrikuntcrnehmer, welche Arbeit durch
voriheilhafre Anlagen und Maschinen sparte.
Die Beschränkungen de« Verkehr«, welche haupt
sächlich den Grundbesitzer hinderte», so wohlhabend
zu werben, als er sonst wohl häkle werden können,
die also überhaupt dem Lande ein Hinderniß wurden,
Kapital zu erwerben, dürsten leicht auch den Fabri
ken dadurch mehr geschadet, als durch die, nicht ein
mal überall crwcißliche, Niederhaltung der Matcria-
lienprcise geholfen haben.
Daß in Schlesien der Zinsfuß so sehr siel, daß
man bald in den ersten Jal)rcn nach Errichtung de«
Kreditsystems die Pfandbriefzinsen von fünf auf vier
Prozent zurückzusetzen wagen durfte, da« konnte und
mußten auch die dortigen Fabriken mächtig heben.
, Ucberhaupt dürste sich weit eher erweisen lasten,
daß die schlesischen Fabriken trotz des Sperrfy-
st eins dennoch gewachsen sind , weil die Industrie
seiner Bewohner überwiegend die Nachtheile desselben
überwand, und die Nation, ohngeachtet der Fehler
der Regierung, wohlhabend machte; al« daß erwiese,»