Path:
Volume No. 79., 30. September 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

375 - 
Umstand verdanken wir es wol, daß unsre Monarchen, 
mit unübertroffener Milde, und mit der, dem Preußi 
schen Hcrscherstamme eignen seltnen Gerechtigkeit S- 
liebe so viele herrliche Anstalten gründeten. Die 
vornehmsten dieser Ursachen verdienen eine Erwäh 
nung. 
1) E« giebt unter allen Dolksklasscn Menschen, 
denen aus Mangel an Ueberlegung, an Thätigkeit 
und Wirihschastlichkeit, auf keine Weise zu helfen ist. 
In den höher» Standen werden diese Verschwender, 
Glücksritter, Banquerottirer, Schmarotzer, Projekt 
macher, Libellisten, Kroupiers, GelegcnheitSmachcr 
u. s. w., in den niedrigen gerathen sie bald in gänz, 
lichc Armuth. 
2) Die Vertauschung der ländlichen Wirthschaft 
mit der stadtschen Lebensweise, die in großen Stadien 
und, bei dem Ueberhandnehme» der Fabriken, mehr 
oder weniger unvermeidlich wird, ist eine neue Quelle 
der Armuth. Der Bürger in kleinern Orlen erzeugt 
seine Vorkosten selbst, kauft das Brolkorn wohlfeil 
ein oder arbeitet cs ab, laßt es auf ähnliche Weise 
mahlen, macht Schweine und Ganse fett und gewinnt 
durch das Spinnen einen großen Theil der Bekleidung 
nicht nur, sondern sorgt auch, durch beständiger An 
sammeln von Leincwand und von Federn, für die 
Ausstattung seiner Kinder und so für den Wohlstand 
kommender Geschlechter. Zn seiner Wirthschaft geht 
nicht«, gar nicht« verloren, jede Sache wird so viel 
und so lange al« möglich benutzt. Er kann leicht, 
auch gegen halbe Arbeit, einen verarmten Ver 
wandten, ernähren, den Ausfall des baaren Geldes, 
wenn es auch Monate lang an Arbeit fehlt, ertragen, 
sich und die Scinigen im Alter und in Krankheiten 
selbst versorgen und, wenn er stirbt, setzt die Winw» 
da« Handwerk fort. Viele von diesen "Einrichtungen 
und Vortheilen fallen in großen Orten weg und der 
Fabrikarbeiter muß in denselben immer städtisch leben 
v. h. jedes Bedürfniß theuer und baar, un 
gleich theuerer noch al« der Reiche bezah 
len. Menschen, die eine solche Lebensart führen, haben 
keine Vorräthe, sie können daher keinem Unfall trotz 
bieten und für ihre Verwandten nichts thun, wenn 
diese vor ihnen verarmen. Fehlt es auch nur einen 
Monat lang an Arbeit, so müssen sie betteln; stirbt 
der Vater, so fallen die Kinder der Kommune zum 
Theil zur Last; wird er krank, so muß die Frau ihn i 
pstegc» und die Stadt die ganze Familie erhalten. I 
(Fortsetzung so Irr.) 
Merkwürdige Beiträge zur ältern Sittengeschichte 
der Neumark. 
Ä-as die von Quitzow in der Kurmark waren, 
das waren die von Wedel in der Neumark. Einer 
derselben, Hasso, genannt von UchienHagen, 
verübte unter andern 1373 an dem Kommendatvr de« 
Johanniter-Ordens auf dem Hause Rörke, Wil 
helm Holsten, mit seinen verbündeten Brüdern 
Wedegen und Tize v. Wedel und einigen Konsuln 
und Bürgern zu Königsberg unerhörte Grausam 
keiten. Nachdem die Räuberbande bas Ordenshaus 
in Brand gesteckt, auch -!ele Kirchengefäße mitge 
nommen harte, setzte sie eiligst dem Holsten nach, 
der sich mit der Flucht gerettet hatte, und im Begriff 
war, in armseliger Pilgertracht nach Rom zuwandern, 
um bei dem Papste Gregor wegen dieser Behand 
lung persönlich Klage zu führen. Die Wülriche aber 
holten ihn in Küstrin ein, und schleppten ihn, unter 
sein Pferd gebunden, nach Stolzenberg, wo er 
fünf Tage und Nächte im Gefängniß zubringen 
mußte. Damit noch nicht zufrieden, brachten sie ihn 
»ach Königsberg, wo sie ihn in einen Thurm 
voll Kröten und Eidexen drei Tage und Nächte, ohne 
ihm Nahrungsmittel zu reichen, einsperrten, und ihn 
von Zeit zu Zeit hohnlachend fragten: ob ihn der 
Papst oder dessen Kardinäle indeß gcspcis't und ge 
tränkt hätten? Nachdem er hier, ungeachtet aller 
Verwendungen der Geistlichkeit, noch 36 Tage in 
dem kläglichsten Zustande geschmachtet hatte, wurde 
er in die Verwahrsam eine» Hauplmanns des Hasso, 
Namen« Buna», gebracht, und nach mehreren Städ 
ten und zuletzt nach Frankfurt geführt, wo ihn 
die Unholde aufs Evangelium in die Hände de« 
Archidiakonus zu Lebus schwören hießen, sie weder 
in Rom noch anderswo zu belangen. Auch mußte 
er zur Versicherung dessen eine Kaution von 2000 Mark 
Münze stellen. Ehe es aber zur Leistung des abgc- 
drungenen Versprechens kam, glückte es ihm, sich 
durch die Flucht seinen Peinigern zu entziehen. 
Seine bei dem Papst erhobene Klage steht um 
ständlich in einer Urkunde, die sich in dem rarhhäuS« 
lichcn Archiv zu Königsberg in der Neumark be 
findet. Da» Auffallendste dabei ist, daß sich die ganze 
Akte mit einer feierlichen Absolution der 
Siraßcnrauber durch einen päpstlichen Auditor 
Roiä endig«, ohne daß man das mindeste von vor-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.