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Umstand verdanken wir es wol, daß unsre Monarchen,
mit unübertroffener Milde, und mit der, dem Preußi
schen Hcrscherstamme eignen seltnen Gerechtigkeit S-
liebe so viele herrliche Anstalten gründeten. Die
vornehmsten dieser Ursachen verdienen eine Erwäh
nung.
1) E« giebt unter allen Dolksklasscn Menschen,
denen aus Mangel an Ueberlegung, an Thätigkeit
und Wirihschastlichkeit, auf keine Weise zu helfen ist.
In den höher» Standen werden diese Verschwender,
Glücksritter, Banquerottirer, Schmarotzer, Projekt
macher, Libellisten, Kroupiers, GelegcnheitSmachcr
u. s. w., in den niedrigen gerathen sie bald in gänz,
lichc Armuth.
2) Die Vertauschung der ländlichen Wirthschaft
mit der stadtschen Lebensweise, die in großen Stadien
und, bei dem Ueberhandnehme» der Fabriken, mehr
oder weniger unvermeidlich wird, ist eine neue Quelle
der Armuth. Der Bürger in kleinern Orlen erzeugt
seine Vorkosten selbst, kauft das Brolkorn wohlfeil
ein oder arbeitet cs ab, laßt es auf ähnliche Weise
mahlen, macht Schweine und Ganse fett und gewinnt
durch das Spinnen einen großen Theil der Bekleidung
nicht nur, sondern sorgt auch, durch beständiger An
sammeln von Leincwand und von Federn, für die
Ausstattung seiner Kinder und so für den Wohlstand
kommender Geschlechter. Zn seiner Wirthschaft geht
nicht«, gar nicht« verloren, jede Sache wird so viel
und so lange al« möglich benutzt. Er kann leicht,
auch gegen halbe Arbeit, einen verarmten Ver
wandten, ernähren, den Ausfall des baaren Geldes,
wenn es auch Monate lang an Arbeit fehlt, ertragen,
sich und die Scinigen im Alter und in Krankheiten
selbst versorgen und, wenn er stirbt, setzt die Winw»
da« Handwerk fort. Viele von diesen "Einrichtungen
und Vortheilen fallen in großen Orten weg und der
Fabrikarbeiter muß in denselben immer städtisch leben
v. h. jedes Bedürfniß theuer und baar, un
gleich theuerer noch al« der Reiche bezah
len. Menschen, die eine solche Lebensart führen, haben
keine Vorräthe, sie können daher keinem Unfall trotz
bieten und für ihre Verwandten nichts thun, wenn
diese vor ihnen verarmen. Fehlt es auch nur einen
Monat lang an Arbeit, so müssen sie betteln; stirbt
der Vater, so fallen die Kinder der Kommune zum
Theil zur Last; wird er krank, so muß die Frau ihn i
pstegc» und die Stadt die ganze Familie erhalten. I
(Fortsetzung so Irr.)
Merkwürdige Beiträge zur ältern Sittengeschichte
der Neumark.
Ä-as die von Quitzow in der Kurmark waren,
das waren die von Wedel in der Neumark. Einer
derselben, Hasso, genannt von UchienHagen,
verübte unter andern 1373 an dem Kommendatvr de«
Johanniter-Ordens auf dem Hause Rörke, Wil
helm Holsten, mit seinen verbündeten Brüdern
Wedegen und Tize v. Wedel und einigen Konsuln
und Bürgern zu Königsberg unerhörte Grausam
keiten. Nachdem die Räuberbande bas Ordenshaus
in Brand gesteckt, auch -!ele Kirchengefäße mitge
nommen harte, setzte sie eiligst dem Holsten nach,
der sich mit der Flucht gerettet hatte, und im Begriff
war, in armseliger Pilgertracht nach Rom zuwandern,
um bei dem Papste Gregor wegen dieser Behand
lung persönlich Klage zu führen. Die Wülriche aber
holten ihn in Küstrin ein, und schleppten ihn, unter
sein Pferd gebunden, nach Stolzenberg, wo er
fünf Tage und Nächte im Gefängniß zubringen
mußte. Damit noch nicht zufrieden, brachten sie ihn
»ach Königsberg, wo sie ihn in einen Thurm
voll Kröten und Eidexen drei Tage und Nächte, ohne
ihm Nahrungsmittel zu reichen, einsperrten, und ihn
von Zeit zu Zeit hohnlachend fragten: ob ihn der
Papst oder dessen Kardinäle indeß gcspcis't und ge
tränkt hätten? Nachdem er hier, ungeachtet aller
Verwendungen der Geistlichkeit, noch 36 Tage in
dem kläglichsten Zustande geschmachtet hatte, wurde
er in die Verwahrsam eine» Hauplmanns des Hasso,
Namen« Buna», gebracht, und nach mehreren Städ
ten und zuletzt nach Frankfurt geführt, wo ihn
die Unholde aufs Evangelium in die Hände de«
Archidiakonus zu Lebus schwören hießen, sie weder
in Rom noch anderswo zu belangen. Auch mußte
er zur Versicherung dessen eine Kaution von 2000 Mark
Münze stellen. Ehe es aber zur Leistung des abgc-
drungenen Versprechens kam, glückte es ihm, sich
durch die Flucht seinen Peinigern zu entziehen.
Seine bei dem Papst erhobene Klage steht um
ständlich in einer Urkunde, die sich in dem rarhhäuS«
lichcn Archiv zu Königsberg in der Neumark be
findet. Da» Auffallendste dabei ist, daß sich die ganze
Akte mit einer feierlichen Absolution der
Siraßcnrauber durch einen päpstlichen Auditor
Roiä endig«, ohne daß man das mindeste von vor-