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Volume No. 72., 5. September 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

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Menschheit mehr zu beleben im Stande, als wenn 
man noch zuweilen den Einzelnen so gut und edel 
handeln fleht, daß hiedurch auf's neue Hoffnung er< 
wach«: auch mehrere Menschen würden, bei ähnli 
cher Veranlassung und unter ähnlichen Umständen, 
auf die nämliche Weise zu handeln im Stande seyn. 
Wenn ich daher von einer schonen und edel» That 
höre, so forsche ich ihr nach, und freue mich herzlich, 
so bald ich darüber Gewißheit erhalte. Vielleicht 
giebt cs so Manchen, der, um seinen gesunkenen Glau» 
bcn an die Menschheit wieder zu erwecken, oder wc, 
nigsten« nicht zu verlieren, ein solches Rcitzmittel 
bedarf. Daher werde ich zuweilen, im Hausfreunde 
Nachrichten von cdclcn Handlungen mittheilen, da 
bei aber nie den Namen dessen, der sie ausübte, nen 
nen, damit ihm die That nicht etwa durch Lob be 
zahlt werde, und sie hiedurch ihren Lohn in dieser 
Well erhalte; sondern ich wünsche vielmehr: daß ihm 
der Lohn bei dem großen Vergelter zu Gute bleibe, 
auf den wir alle doch unsere letzte Hoffnung richten. 
Fest aber können die Leser überzeugt seyn, daß ich 
weder edle Handlungen erdichten, noch diese verschö 
nern werde; und deshalb wird auch mein Vortrag 
ungekünstelt, einfach und ruhig seyn. 
Ein leichtsinniger, junger Mann hciratheie eine 
alte, gutmüthige, zum Theil schwache Frau, bloß um 
ihres Vermögens willen, ließ sich in Unternehmun 
gen ein, denen er nicht gewachsen war, erlaubte sich 
so Manches, entwich endlich, und ließ die alte, kranke 
und gebrechliche Frau in der größten Hülflosigkcit 
zurück. Sie wollte sich jetzt aus Armuth von einem 
Dienstmädchen trennen, die »z Jahre laug in ihrem 
Dienste gewesen war. Sie können, sagte das Dienst 
mädchen, mich in Ihren Krankheiten nicht entbehren, 
und ich habe mir so viele Kleidungsstücke gesammelt, 
daß ich sobald nichts Neues bedarf, folglich ohne 
Lohn dienen kann; auch weiß ich, daß Sie für mei 
nen Unterhalt nicht so gut, wie ehemals, sorgen kön 
nen, und werde deshalb auch dieses nicht fordern; 
darum aber müssen Sie mich in Ihrem Dienste be 
halten, den ich, so lange Sie leben, nicht verlassen 
werde. Drei Jahre lang, bis der Tod der unglück 
lichen alten Frau erfolgte, hielt das redliche Dienst 
mädchen treulich Wort. , - 
Ein junger Studirendcr fühlte herzliche Anhäng 
lichkeit für ein junges Frauenzimmer und wurde wie 
der geliebt. Beide waren arm, und daher vergingen 
beinahe 20 Jahre, ehe der junge Mann eine Stelle 
erhielt, die ihn in den Stand setzte, seine Geliebte 
heiralhen zu können. Die erste häusliche Einrich 
tung nöthigte ihn, einige Schulden zu machen, die, 
als er nach wenig Jahren starb, noch nicht Hanen 
getilgt werden können. Man rielh der Wirrwc, die 
ein Einkommen von 200 Rthlr. aus der Witlwcn- 
kaffe erhielt, sich der Erbschaft zu begeben, dam« sie 
nicht einige hundert Rrhlr. Schulden bezahlen dürfe. 
Diese aber erklärte: gerade aus diesem Grunde die 
Erbschaft antreren zu wollen, und aus Achtung für 
das Andenken ihre« Mannes, durch den Niemand 
Etwas verlieren, und dessen Ruf folglich auch Nie 
mand verkleinern solle, die hinterlassenen Schulden 
desselben, von dem, was sie von ihrem Witlwenge- 
halrc ersparen und durch eignen Fleiß erwerben könne, 
allmälig zu bezahlen; und sie hat diese Zusage, ge 
wiß mit mancher Aufopferung, redlich erfüllt. 
Einem thätigen und einsichtsvollen Oekonomcn 
trug eine benachbarte Wittwe ihr Gulh zum Ver 
kaufe an, weil sie von Pächtern gedrückt würde, die 
noch zum Theil das Guth vernachläßigtcn, welches sie 
selbst nicht bewirthschaften könne. Der Ockonom gab 
ihr den Rath: da« Guth einige Jahre lang admini« 
striren zu lassen, versprach darüber unenrgeldlich die 
Aufsicht zu führen, und ihr dar Guth um Johanni 
1807, weil er alsdann erst sein eignes Guth schulden, 
frei habe, und sich in eine größere Unternehmung 
einlassen könne, für einen mündlich verabredeten Preis 
abzukaufen. Der Antrag wurde von dcrüWitlwe an 
genommen; die Administration wurde für sie äußerst 
vorthcilhaft; aber nun brach der Krieg aus, dessen 
Schauplatz Preußen wurde. Schüchtern fragte nun 
die Wittwe, als sich der Zeitpunkt näherte: ob sic den 
Verkauf hoffen dürfte? Wir haben, erwiederte der 
redliche Mann, zwar nichts schriftlich aufgesetzt; Ihr 
Guth har durch den Krieg- gelitten, und ich könnte 
c» daher wohl, unter den jetzigen Umständen, um den 
vierten Theil wohlfeiler kaufen. Allein ich bin durch 
meine Zusage gebunden, und rechne, wenn ich diese 
erfülle, auf den Segen dos Himmel«. Die jetzt ein 
getretenen Zeitumsta'nde haben wir beide »ich» geah-
	        
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