- 345 -
Menschheit mehr zu beleben im Stande, als wenn
man noch zuweilen den Einzelnen so gut und edel
handeln fleht, daß hiedurch auf's neue Hoffnung er<
wach«: auch mehrere Menschen würden, bei ähnli
cher Veranlassung und unter ähnlichen Umständen,
auf die nämliche Weise zu handeln im Stande seyn.
Wenn ich daher von einer schonen und edel» That
höre, so forsche ich ihr nach, und freue mich herzlich,
so bald ich darüber Gewißheit erhalte. Vielleicht
giebt cs so Manchen, der, um seinen gesunkenen Glau»
bcn an die Menschheit wieder zu erwecken, oder wc,
nigsten« nicht zu verlieren, ein solches Rcitzmittel
bedarf. Daher werde ich zuweilen, im Hausfreunde
Nachrichten von cdclcn Handlungen mittheilen, da
bei aber nie den Namen dessen, der sie ausübte, nen
nen, damit ihm die That nicht etwa durch Lob be
zahlt werde, und sie hiedurch ihren Lohn in dieser
Well erhalte; sondern ich wünsche vielmehr: daß ihm
der Lohn bei dem großen Vergelter zu Gute bleibe,
auf den wir alle doch unsere letzte Hoffnung richten.
Fest aber können die Leser überzeugt seyn, daß ich
weder edle Handlungen erdichten, noch diese verschö
nern werde; und deshalb wird auch mein Vortrag
ungekünstelt, einfach und ruhig seyn.
Ein leichtsinniger, junger Mann hciratheie eine
alte, gutmüthige, zum Theil schwache Frau, bloß um
ihres Vermögens willen, ließ sich in Unternehmun
gen ein, denen er nicht gewachsen war, erlaubte sich
so Manches, entwich endlich, und ließ die alte, kranke
und gebrechliche Frau in der größten Hülflosigkcit
zurück. Sie wollte sich jetzt aus Armuth von einem
Dienstmädchen trennen, die »z Jahre laug in ihrem
Dienste gewesen war. Sie können, sagte das Dienst
mädchen, mich in Ihren Krankheiten nicht entbehren,
und ich habe mir so viele Kleidungsstücke gesammelt,
daß ich sobald nichts Neues bedarf, folglich ohne
Lohn dienen kann; auch weiß ich, daß Sie für mei
nen Unterhalt nicht so gut, wie ehemals, sorgen kön
nen, und werde deshalb auch dieses nicht fordern;
darum aber müssen Sie mich in Ihrem Dienste be
halten, den ich, so lange Sie leben, nicht verlassen
werde. Drei Jahre lang, bis der Tod der unglück
lichen alten Frau erfolgte, hielt das redliche Dienst
mädchen treulich Wort. , -
Ein junger Studirendcr fühlte herzliche Anhäng
lichkeit für ein junges Frauenzimmer und wurde wie
der geliebt. Beide waren arm, und daher vergingen
beinahe 20 Jahre, ehe der junge Mann eine Stelle
erhielt, die ihn in den Stand setzte, seine Geliebte
heiralhen zu können. Die erste häusliche Einrich
tung nöthigte ihn, einige Schulden zu machen, die,
als er nach wenig Jahren starb, noch nicht Hanen
getilgt werden können. Man rielh der Wirrwc, die
ein Einkommen von 200 Rthlr. aus der Witlwcn-
kaffe erhielt, sich der Erbschaft zu begeben, dam« sie
nicht einige hundert Rrhlr. Schulden bezahlen dürfe.
Diese aber erklärte: gerade aus diesem Grunde die
Erbschaft antreren zu wollen, und aus Achtung für
das Andenken ihre« Mannes, durch den Niemand
Etwas verlieren, und dessen Ruf folglich auch Nie
mand verkleinern solle, die hinterlassenen Schulden
desselben, von dem, was sie von ihrem Witlwenge-
halrc ersparen und durch eignen Fleiß erwerben könne,
allmälig zu bezahlen; und sie hat diese Zusage, ge
wiß mit mancher Aufopferung, redlich erfüllt.
Einem thätigen und einsichtsvollen Oekonomcn
trug eine benachbarte Wittwe ihr Gulh zum Ver
kaufe an, weil sie von Pächtern gedrückt würde, die
noch zum Theil das Guth vernachläßigtcn, welches sie
selbst nicht bewirthschaften könne. Der Ockonom gab
ihr den Rath: da« Guth einige Jahre lang admini«
striren zu lassen, versprach darüber unenrgeldlich die
Aufsicht zu führen, und ihr dar Guth um Johanni
1807, weil er alsdann erst sein eignes Guth schulden,
frei habe, und sich in eine größere Unternehmung
einlassen könne, für einen mündlich verabredeten Preis
abzukaufen. Der Antrag wurde von dcrüWitlwe an
genommen; die Administration wurde für sie äußerst
vorthcilhaft; aber nun brach der Krieg aus, dessen
Schauplatz Preußen wurde. Schüchtern fragte nun
die Wittwe, als sich der Zeitpunkt näherte: ob sic den
Verkauf hoffen dürfte? Wir haben, erwiederte der
redliche Mann, zwar nichts schriftlich aufgesetzt; Ihr
Guth har durch den Krieg- gelitten, und ich könnte
c» daher wohl, unter den jetzigen Umständen, um den
vierten Theil wohlfeiler kaufen. Allein ich bin durch
meine Zusage gebunden, und rechne, wenn ich diese
erfülle, auf den Segen dos Himmel«. Die jetzt ein
getretenen Zeitumsta'nde haben wir beide »ich» geah-