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Volume No. 64., 8. August 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

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die Zukunft sehe, weil ich keine Zukunft bin; meine 
Tugend ist, daß ich auch schlechte Menschen zu Freun 
den habe, bis sie mir nichts nützen; meine Ehrlich 
keit ist nur für mich; meine Politik sorgt für meiye 
Schmeichler; meine Wissenschaft ist in meiner hohen 
Nase und in meinen Titeln; die Erziehung geht mich 
nicht» an, sondern die Zukunft; und meine Ehe ist 
ein freier Genuß. Nennet mich eine Sklavenseele. 
Sklaven werden so alt als die Freien. 
Eine Stimme aus dem Reiche der Ideen. 
Bist du so, Gegenwart, so schäme dich. Ich mir 
allen wahren Geistern bangen uns nach einer bessern 
Zukunft; wer sich aber banget, der sitze nicht mäßig, 
sondern helfe bauen. Lhmn. 
Neuigkeiten und 
Der zweite und dritte August in Potsdam. 
Wie gehr es Ihnen, meine Freundinn, in F .. 
wohin Sie da« unglückliche Schicksal Ihrer kranken 
Mutter geführt hat? Möge der Himmel doch seinen 
Gesundheit« -Luell auch wohlthätig für die Viellei- 
dcnde wirken lqsscn! Ich bin am folgenden Tage so- 
lcich nachJhnen abgereiset, weil ich dieser Zerstreuung 
edurfre, und zwar noch Potsdam, das ich wohl in 
zehn Jahren nicht gesehn haue. Das Wetter war 
am Morgen sehr übel, erheiterte sich aber zur Freude 
meiner Gesellschaft, der würdigen Familie I. Der 
gute Vater derselben tröstete uns mit der Aussicht 
auf einen blauen Himmel. Seine Ergebung und sein 
Vertrauen auf seinen Herrn ließe» ihn weder Miß, 
muth, noch Hoffnungslosigkeit äußern. Sein acht christ 
licher Sinn, der alles mit einem ungestörten Gleich 
mut!) ertragt und Fröhlichkeit mit einer liebenswür 
digen Schwermulh vereinigt, erregte oft eine stille 
Rühr-.ug in mir. Es gibt doch unter den Menschen 
noch manchen Frommen, der den alten heiligen Glau 
ben und die heilige Gesinnung in kindlicher Unschuld 
bewahrt. Wir langte -ch einigen Stunden an den 
Orr unserer Beftimmu.-g an. Die Familie, bei der 
wir wohnten, war eine wohlhabende Bürgcrfamilie, 
der Vater ein jovialer Mann, die Frau eine geschäf 
tige Wirthschafterinn und der Kinder - Verein über 
aus lustig, sie alle sehr hocherfreut über unsre An 
kunft. Es ging sogleich an ein Erzählen von Haus- 
angelegenhenen und an eine Einihcilung der drei 
Tage, wie man sie für uns am angenehmsten machen 
wollte. Der Nachinittag sollte auf einer Höhe der 
reizcndlicgenden Äleinberge um die Stadt zugebracht 
werden, Vorher begleitete ich die jüngste Tochter 
zu einer ihrer Freundinnen, deren Gatte ein sehr an 
genehm liegendes Gartenhaus außer dem Thore be 
wohnt. Wir erreichten es kaum, als ein Regen ein 
fiel, der bi« gegen Abend dauerte, und uns zwang, 
ihn hier abzuwarten. Die schöne Aussicht über dis- 
Havel und die daranstoßendcn Gärten der Stadt, die 
mit einem grauen Nebel überzogen waren, so wie 
das heitere Gespräch meiner anspruchlosen, übernatür 
lich gebildeten Begleiterinn und ihrer Freundinn lie 
ßen uns die üble Witterung vergessen. Nach unsrer 
Wohnung zurückgekehrt, brachten wir den Abend in 
der gastfreundlichen Gesellschaft unsre« Wirthe« zu, 
der zu den sechzig ncuerwahlten Stadtverordneten ge 
hörte, und der mit einem seiner Freunde, einem neu, 
erwählten Siadtraihe, viel über die jetzige unglückliche 
Lage der Stadt sprach, die durch die Bedrückungen 
der Heere vielleicht mehr als irgend ein Or« in 
der Monarchie gelitten hat. Zugleich hörte ich, daß 
am Donnerstag, als am Geburtstage des Königs, der 
neue Magistrat iniroduzirt werden sollte; eine schöne 
Idee, diese Feierlichkeit gerade auf einen, für jeden 
preußischen Unterthanen festliche» Tag zu verlegen. 
Der folgende schöne Morgen am Mittwoch wurde 
mit einer Parihie nach einem nahe liegenden Dörf- I 
chen Bornstäkl zugebracht. Der Himmel war ganz heiler j 
Korrespondenzen. 
und wolkei/.ei und derAufgang der Sonne, die sich über 
dunkle Wälder und Berge glühend erhob, war maje 
stätisch. Der Weg ging über Höhen und durch Thä 
ler und gewährte die schönsten Abwechselungen von 
Naturgegcnständen und Kunstanlagen, durch welche 
letztere der große Geist Friedrichs seine Residenz ver 
schönerte. Auf dem Rückwege gingen wir über Sans 
souci. Der Eindruck, den ich hier empfang, gehört 
zu den unvergeßlichsten meines Leben«. Schon auf 
dem Wege dahin hatte jede Höhe, die irgend ein 
Tempel zierte, mein Gemüth mit den erhebendesten 
Erinnerungen an eine große Vergangenheit erfüllt. 
Ueberall Denkmähler eines tiefen schaffenden Geiste« 
zu sehen, überall erinnert zu werden, auch hier auf 
diesem Hügel war er rastlos geschäftig, eine wohl 
thätige Spur seines Daseins zurückzulassen, um eine 
heitere Aussicht zu eröffnen, sollte das den Wanderer 
nicht zur Bewunderung und zumSlauncn hinreißen? 
Und dann sich wieder sagen zu müssen, die alles wan 
delnde Zeit ist auch über diese Denkmähler, über diese 
Spuren nicht schonend hinweggeschrillcn; der Krieg 
ist auch in diese Heiligthümer eingedrungen, und hat 
auch da« Ehrwürdigste nicht verschont: ach, sollte da« 
nicht mit Wehmuthslhrancn das freudige Auge wieder 
erfüllen? — 
Eingetreten in die stillen und dunkeln Gänge der 
Friedrichsruhe, wanderte ich mir meiner Begleitung 
durch die unwegsamsten Baumallee». Jedes Ruhe- 
playchcn, jede sich eröffnende Aussicht rief mir gleich 
sam zu: Hier stehst du, wo Er so oft ruhte, wo Er 
so oft stand und in die weile Unendlichkeit hinaus 
blickte, der Große! Der runde Play, mit Statuen 
umgebe», lag vor mir, und Minervens wcishcitsvol- 
lcr Blick und Mars streildrohcndes Antlitz, das den 
Eintretenden empfängt, führte mich im Innern hin 
zu Dem, der den Scepter über Europa lenkte mit tic, 
fcm Verstände und Furchrgebielender Rechte. Die 
hohe, über mehrere hundert Stufen führende Terrasse 
lag vor mir auf dem grunprangenden Hügel, und die 
stille Kuppel mit ihrem Tempel des Friedens glänzte 
im freundlichen Morgenschimmer. Ich zitterte, die 
heiligen Steine zu berühren. Du wirst c« mir vcr» 
zeihen, mein Gott, wenn ich in diesem Augenblick 
jene Stätte wie ein Heiligthum betrachtete, in da« 
ich treten wollte. Könige sind ja nach der Schrift 
auch deine Söhne, und dieser Friedrich war gewiß 
auch einer deiner größten Gesandten, durch den du 
einen Theil deine» verborgenen Willens hast kund 
werden lassen auf Erden. Ich stieg langsam hinauf 
dieselben Stufen, die der große Fürst so oft betreten 
hatte, aber, dachte ich zugleich, die auch so mancher 
Fuß entheiligt har. Ich betrat die letzte, und da lag 
e« dicht vor mir das einsame Schloß mit seiner Ro 
tunde. 
E« ist da« edelste Gcbäu, da« ich kenne. Nicht« tritt 
prunkend hervor, alle« athmet Friede» und Sorgen!» < 
sigkeil und die einfachen goldenen Worte San, üouci 
sprechen den gesummten innern und äußern Charakter
	        
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