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Volume No. 62., 3. August 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

Der König unter seinem Volke. 
einer kurzen Wanderung zu dem an dem lin 
ken Ufer der Spree sehr reizend liegenden Dörfchen 
Stralow, das von einigen fleißige» Fifcherfamilicn 
bewohnt wird, trat ich in eins der letzten Hauser ab 
und begab mich sogleich nach drr Wafferseile, um den 
schönen Morgen in seiner ganzen Herrlichkeit zu ge 
nießen. Hier uingeben zu seyn vcn den einnehmend 
sten Gegenständen einer lieblichen Natur, sich vorzu 
bereiten zu einem heiligen Geschäft in stiller Andacht 
und in dem unmittelbaren Anschauen göttlicher Wer 
ke : wie sollte dies nicht dem Herzen die edelsten Ge 
fühle und dem Geiste die erhabensten Gedanken zu 
führen? 
Nachsinnend über das göttliche Wort und die 
durch die Erfahrung jetziger Tage bestätigte, aber 
tiesbeugendc Wahrheit des göttlichen Lehrers: die 
Linder dieser Welt sind klüger denn, die Linder des 
Lichts! warf ich einen zufälligen Blick auf die grüne 
Gondel des Nachbars, mit welcher die Wellen spiel 
ten. Go« und welche selige, frohe Erimierung ward 
dadurch in mir erweckt! Ein altes Mütterchen eilte 
xugleich auf mich zu und voller Freude und Entzücken 
rief sie: In ein Paar Tagen ist Königs Geburtstag 
und dann kehrt auch unser großer Fischzug bald wie 
der! Da auf jener Gondel stand vor drei Jahren 
unser guter König mit seiner geliebten Gattin. Wie 
ernst er da schon aussah! aber wie freundlich hat er 
mich doch angcschn und so viele Tausende! Und mit 
meinem Sohn, der ihn fahren mußte, hat er gespro 
chen und ihn artig beschenkt. — Diese herzlichen 
Worte brachten mir das ganze feierlich erhabene Ge 
mählde jener schönen Abends wieder vor die Seele! 
Die Sonne ging so eben unter und ihrer goldnen 
Abcndröthe Gluthen spiegelten sich noch schöner auf 
der ruhigen Wasserfläche. Kein Hauch bewegte die 
Luft. Keine Welle machte den Wasserspiegel uneben. 
In der warmen Abendstille ertönte von allen vorüber- 
seegclnden Schiffen, die mit fröhlichen Gesellschaften 
angefüllt waren, Hörner, Flölrnlöne und ein fest 
liches Jauchzen, und eine Menge Gondeln und Kahne 
umgaben den Nachen des Königs und der Königin. 
Eine unzählbare Menge Volks von allen Ständen 
strömte herzu, und ein laures Jubelgeschrei: cs lebe 
der König! scholl zu den Klängen herüber. Alle Bäu 
me und Mauern des Dorf«, jeder Wagen, jedes Fen 
ster war mit Kindern und Erwachsenen wie besäet. 
Ernst schien der Monarch dem großen Schauspiel der 
Natur zuzusehen. Gewiß nicht ohne die tiefste Rüh 
rung stand er in der Mitte seines jubelnden, ihm treu 
ergebenen Volks, ach! ob er es ähnele, nach langer 
kummervoller Zeit zum lctztenmale. Gerüchte des na 
hen Krieges waren schon allgemein verbreitet, und 
entscheidenden Augenblicken ging der König entgegen. 
Welch eine große Welt von Gedanken und Empsin- 
düngen mußte seine Brust erfüllen! Jetzt, ach umge 
ben von dem freudigen Jauchze» der Deinen, so 
dachte ich damals, verehrter Fürst; an der Hand Dei 
ner theuern Gattinn und Kinder, ruhig getragen von 
den stillen Fluthen des klaren Stroms, vor dir lie 
gend sehen im goldnen Abcndschimmer die Thürme 
und Häuser Deiner geliebten Stadt, die Dich gebo, 
ren hat, und in der Du erzogen wurdest, ach eilst 
Du vielleicht bald entgegen blutigen Schlachtfeldern, 
mußt verlassen Dein treues Volk, verlassen die Dich 
zärtlich liebenden Pfänder des Herzens! Siehe, die 
ruhige Fluth empört ein wilder Sturm, die Sonne 
gehl finster unter über der blutrolhen Fläche, und 
Dein Nachen wird einsam geführt auf die gefährliche 
Höhe des Meers. — 
Bei diesen Gedanken stieß der Nachen der Kö 
nig!. Kinder vom Ufer ab. Ich versank in eine liefe 
Schwermurh, die sich aber erheiterte, als ich sahe, 
der Zug wallte nach der reizend liegenden Kirche de« 
Dörfchens zu. Wenn in allen Stürmen und Wogen 
des Lebens nur diese Richtung unser« Herzens nach 
dem Heiligsten und Ewigen bewahrt wird, kann das 
leidende Herz nicht wanken »och untergehen; so schloß 
ich meine Betrachtung bei dem scheidenden Zug, der 
in kurzer Zeit wieder zurückkehrte unter dem lauten 
Frcudcnruf de« begeisterten Volks. Der König ver 
theilte mit väterlicher Milde unter seine Familie die 
Früchte, die er eingekauft halte an dem heiligen Or 
te, gleichsam als strömte er sinnbildlich den frommen 
Seegen seines guten Herzens in diese kindlichen und 
offenen Seelen der Seinen. Ein herrlicher Augen 
blick, den Vaicr und Menschen wirken zu sehen, der 
sich seiner Krone und seines Scepter« eiye Weile gern 
entäußert, um die reinsten Freuden des Daseyns ge 
nießen zu können, und wenn ein Volk seinen Fürsten in 
solchen Stunden erblickt, warlich dann muß e« sich 
glücklicher preisen, als gaffte e» nach prunkenden
	        
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