Der König unter seinem Volke.
einer kurzen Wanderung zu dem an dem lin
ken Ufer der Spree sehr reizend liegenden Dörfchen
Stralow, das von einigen fleißige» Fifcherfamilicn
bewohnt wird, trat ich in eins der letzten Hauser ab
und begab mich sogleich nach drr Wafferseile, um den
schönen Morgen in seiner ganzen Herrlichkeit zu ge
nießen. Hier uingeben zu seyn vcn den einnehmend
sten Gegenständen einer lieblichen Natur, sich vorzu
bereiten zu einem heiligen Geschäft in stiller Andacht
und in dem unmittelbaren Anschauen göttlicher Wer
ke : wie sollte dies nicht dem Herzen die edelsten Ge
fühle und dem Geiste die erhabensten Gedanken zu
führen?
Nachsinnend über das göttliche Wort und die
durch die Erfahrung jetziger Tage bestätigte, aber
tiesbeugendc Wahrheit des göttlichen Lehrers: die
Linder dieser Welt sind klüger denn, die Linder des
Lichts! warf ich einen zufälligen Blick auf die grüne
Gondel des Nachbars, mit welcher die Wellen spiel
ten. Go« und welche selige, frohe Erimierung ward
dadurch in mir erweckt! Ein altes Mütterchen eilte
xugleich auf mich zu und voller Freude und Entzücken
rief sie: In ein Paar Tagen ist Königs Geburtstag
und dann kehrt auch unser großer Fischzug bald wie
der! Da auf jener Gondel stand vor drei Jahren
unser guter König mit seiner geliebten Gattin. Wie
ernst er da schon aussah! aber wie freundlich hat er
mich doch angcschn und so viele Tausende! Und mit
meinem Sohn, der ihn fahren mußte, hat er gespro
chen und ihn artig beschenkt. — Diese herzlichen
Worte brachten mir das ganze feierlich erhabene Ge
mählde jener schönen Abends wieder vor die Seele!
Die Sonne ging so eben unter und ihrer goldnen
Abcndröthe Gluthen spiegelten sich noch schöner auf
der ruhigen Wasserfläche. Kein Hauch bewegte die
Luft. Keine Welle machte den Wasserspiegel uneben.
In der warmen Abendstille ertönte von allen vorüber-
seegclnden Schiffen, die mit fröhlichen Gesellschaften
angefüllt waren, Hörner, Flölrnlöne und ein fest
liches Jauchzen, und eine Menge Gondeln und Kahne
umgaben den Nachen des Königs und der Königin.
Eine unzählbare Menge Volks von allen Ständen
strömte herzu, und ein laures Jubelgeschrei: cs lebe
der König! scholl zu den Klängen herüber. Alle Bäu
me und Mauern des Dorf«, jeder Wagen, jedes Fen
ster war mit Kindern und Erwachsenen wie besäet.
Ernst schien der Monarch dem großen Schauspiel der
Natur zuzusehen. Gewiß nicht ohne die tiefste Rüh
rung stand er in der Mitte seines jubelnden, ihm treu
ergebenen Volks, ach! ob er es ähnele, nach langer
kummervoller Zeit zum lctztenmale. Gerüchte des na
hen Krieges waren schon allgemein verbreitet, und
entscheidenden Augenblicken ging der König entgegen.
Welch eine große Welt von Gedanken und Empsin-
düngen mußte seine Brust erfüllen! Jetzt, ach umge
ben von dem freudigen Jauchze» der Deinen, so
dachte ich damals, verehrter Fürst; an der Hand Dei
ner theuern Gattinn und Kinder, ruhig getragen von
den stillen Fluthen des klaren Stroms, vor dir lie
gend sehen im goldnen Abcndschimmer die Thürme
und Häuser Deiner geliebten Stadt, die Dich gebo,
ren hat, und in der Du erzogen wurdest, ach eilst
Du vielleicht bald entgegen blutigen Schlachtfeldern,
mußt verlassen Dein treues Volk, verlassen die Dich
zärtlich liebenden Pfänder des Herzens! Siehe, die
ruhige Fluth empört ein wilder Sturm, die Sonne
gehl finster unter über der blutrolhen Fläche, und
Dein Nachen wird einsam geführt auf die gefährliche
Höhe des Meers. —
Bei diesen Gedanken stieß der Nachen der Kö
nig!. Kinder vom Ufer ab. Ich versank in eine liefe
Schwermurh, die sich aber erheiterte, als ich sahe,
der Zug wallte nach der reizend liegenden Kirche de«
Dörfchens zu. Wenn in allen Stürmen und Wogen
des Lebens nur diese Richtung unser« Herzens nach
dem Heiligsten und Ewigen bewahrt wird, kann das
leidende Herz nicht wanken »och untergehen; so schloß
ich meine Betrachtung bei dem scheidenden Zug, der
in kurzer Zeit wieder zurückkehrte unter dem lauten
Frcudcnruf de« begeisterten Volks. Der König ver
theilte mit väterlicher Milde unter seine Familie die
Früchte, die er eingekauft halte an dem heiligen Or
te, gleichsam als strömte er sinnbildlich den frommen
Seegen seines guten Herzens in diese kindlichen und
offenen Seelen der Seinen. Ein herrlicher Augen
blick, den Vaicr und Menschen wirken zu sehen, der
sich seiner Krone und seines Scepter« eiye Weile gern
entäußert, um die reinsten Freuden des Daseyns ge
nießen zu können, und wenn ein Volk seinen Fürsten in
solchen Stunden erblickt, warlich dann muß e« sich
glücklicher preisen, als gaffte e» nach prunkenden