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Volume No. 55., 11. Juli 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

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Strafkasse wegen Balgereien und Thorhei 
ten, damals so ergiebig gewesen, daß ganze große 
Bauten davon hätten können ausgeführt werden, ist 
fast unmöglich, denn in eine Strafkasse kommen auch 
andere Strafen, z. B. die Sukkumbenzgelder bei Ap 
pellationen u. f. w. gehören auch zu den Strafen, 
und eine solche Haupt st rafkasse geht über da« 
ganze Land. Hiezu kommt, daß man aus den bloß 
von Berlin angeführten Beispielen schließen möchte, 
daß die Strafkasse bloß durch Thorheit und Verge 
hungen in Berlin, große Summen eingebracht halte. 
2ch muß bekennen, daß ich in meinen vieljährigen 
Untersuchungen über das Bauwesen in Berlin und 
über die allmähligen Verbesserungen der öffentlichen 
Anstalten daselbst, nie auch nur die geringste Spur 
gefunden habe, daß eine Polizeistrafkaffe auch nur 
«inen Theil des gewöhnlichen Baufonds zur Zeit 
des Kurfürsten ausgemacht habe. Daß sie aber in der 
damaligen Residenz, worin von 1660 bis 1670 gewiß 
nicht 10,000 Einwohner waren (s. Beschreibung von 
Berlin ». Band S. 21g.) und worin imJ. 1668 noch 
150 Hauser in Ruinen lagen, und alles im größten 
Elende war, (s. Beschreibung von Berlin l. c. und 
Berlinische Monatsschrift März 1809, S. 187.) so 
ergiebig gewesen seyn sollte, und daß man wogendes 
Bau-Lnragö einer solchen Strafkaffe auf die Morali 
tät der Einwohner, einen nachtheiligen Schluß ma 
chen müsse, verdiente erst einen recht vollständigen 
Beweis. 
Mir ist nachgewiesen worden, daß dasjenige, 
«as a. a. O. wegen der Bauten an Kirchen und Kan 
zeln in Berlin, welche in den Jahren 1660 bis 1670 
bloß aus Strafgeldern sollen geschehen seyn, 
fast wörtlich aus einer Stelle in des Herrn Ordens 
raths König: Versuch einer historischen 
Schilderung der Veränderungen der Resi- 
renzstadr Berlin, Th. 2. (Berlin 179z, gr. 8.) 
S. 240 gezogen ist. Dieses Werk ist höchst schätzbar, 
so wie der Fleiß und die gesammelten Kenntnisse des 
würdigen Verfassers, aber ich wage cs, zu vermu 
then, daß er bei dieser Stelle einer unzuverlässigen 
Nachricht allzuviel getrauet hat. Schon die ange, 
führten Bauten in Berlin sind wohl nicht mit der Ge 
nauigkeit, welche die Geschichte erfordert, untersucht 
werden. 
Der Thurm der Marienkirche ward von 
166z bis 1666 errichtet, d. h. der obere Theil. Daß 
dieser Bau bloß auf Kosten des Kurfürsten geschehen 
sey, ist mir in den Archiv-Acten wenigsten» nicht 
vorgekommen; und gesetzt, es wäre dieser, so würde 
doch ein sicherer Beweis anzuführen seyn, daß dieser 
Bau bloß aus Strafgeldern sey vollführe» 
worden. 
An der P e 1 r i ki r ch e ist von 1660 bis 1670 gar 
nichts gebauet worden, am wenigsten ein Thurm. 
Hier ist doch schon eine merkliche historische Unrich 
tigkeit. Erst nach 1670 ward die Kirche inwendig re- 
parirt und ausgeweißt. Daß dies« geringe inner« 
Reparatur einer Lutherischen Kirche, in welche der 
eifrig reformirre Kurfürst nie kam, auf dessen Kosten 
geschehen sey, ist nicht wahrscheinlich. Zm I. 1675 
sollte ein Thurm zu dieser Kirche neu gebauet wer 
den, ( s. Beschreibung v. Berlin S. 121. ) und der 
Kurfürst hatte zur Beihülfe zoo Rlhlr. an Straf 
geldern schenken wollen, welches aber nicht ge 
schah. Als Kurf. Friedrich UI. im 1.1696 den Thurm 
zur Zierde der Stadt gebauet wissen wollte, verlangte 
Er, daß der Magistrat zu Kölln als Patron, den Bau 
auf eigene Kosten fähren sollte, daher kam er auch 
alsdann nicht zu Stande. 
Die Nikolaikirche ist zwischen 1660 und 167s 
gänzlich in ihrem vorigen Zustande geblieben. Erst 
»677 ist sie innerlich erneuen worden, aber kcineswe- 
ges auf Kurfürstliche Kosten. Die Kanzel, von 
welcher gesagt wird, daß sie bloß aus Strafgel 
dern erbauet worden, ward erst im I. 166« neu er 
richtet, und ein Studiosus, Johann Beer, hat 
800 Thlr. dazu vermacht. Dies sagt nicht allein 
eine Inschrift an der Kanzel selbst, sondern ist 
auch in Küsters altem und neuenDcrlin (im 
i.TH. S. az6.) gedruckt zu lesen. 
Es wäre wohl ein imxime curiosnm, wenn die 
Gotteslästerung könnte genau beschrieben werden, 
welche an einem bloßen Handwcrksmann wäre mit 
Loo Thlr. gestraft worden, d. h. mit einer jetzt schon 
nicht unbeträchtlichen, und in damaliger Zeit noch 
viel ansehnlicheren Summe. Man nannte damals frei 
lich Gotteslästerung, wa« man jetzt nicht so nennen 
würde! Es ist auch nicht recht wahrscheinlich, daß 
ein Nadler in Berlin im i7ten Jahrhunderte so 
wohlhabend gewesen, daß er eine so große Strafe hat 
bezahlen können, ohne daß seine Familie ruinirr wor-
	        
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