244
einem Wildfricaffee zu seyn. Ich rief meine älteste
Tochter, sie bestätigte durch ihre Nase meine Dermu-
»hung. Aber woher nahm der Doctor das Wild?
Woher ein Reh in dieser Jahreszeit? Zum Glück er
innerte ich mich, daß der Oberförster aus Grün-
heide seinen Jäger vor wenig Tagen in die Stadt
geschickt, um den Dvcror zu seine,» kranken Rinde
zu holen.
Den Tag darauf gab« Gcflügelknochen Es war
keicht, auch hier Wild zu entdecken; denn Mignon
frißt alles, nur kein Vogelwild. Das war uns aber
desto lieber. Wir konnten nun vollständig alles unter
suchen, und meine jüngste Tochter setzte eine ganze Eine
zusammen. Die andre mußten sie erst angefangen ha
ben; es fand sich bloß ein Flügel und eine Keule.
Doch wozu soll ich Ihnen alle folgenden Tage so
«veirlanftig beschreiben? Kurz, ich hatte nun Len Schlüs
sel zu ihren Tischgehetmmsicn und den richtigsten Kü
chenzettel; denn an den Tellern, worau, die Hanne die
Knochen brachte, befanden sich auch gewöhnlich noch
einige Spuren von der Vorkost. Darnach berechnete
ich ihnen einmal die ganze Woche:
Sonntag. Rcißfuppe, Schneidebohnen mit Kar,
hvnade — junge Hüner.
Montag. (Ich konnte die Suppe nicht heraus
dringen) Fische — Sauerbraten.
Dienstag. Weinsuppe — Morüben mit Ham
melfleisch — Taubenf.icaffee.
Mittwoch. Brühsuppe — Rindfleisch mit hol
ländischer Sauce — Büdding.
Donnerstag. Kirschsuppc— Klöße mir Schinken
— Kälberbraten.
Freitag. Habergrüysuppe — Schoten mit Brat
wurst — Kuchen.
Sonnabend. Brühsuppe — Rindfleisch mit
Rosinen — aufgewärmter Kälberbraten.
Rothen Wein muffen sie wohl trinken. Wir fan
den hie und da Spuren davon auf den Teller ver
schüttet.
Sehen Sie, liebes Vettercheo, so muß man e»
anfangen, wenn man hinter Geh.imniffe kommen will.
Dabei hab' ich nur eine Beuenklichke«. Nämlich,
unser Prediger hat sich neulia) laut gegen solche Auf«
paffereien erklärt, und a.ie dilätschereien für unerlaubt
ausgcschrtee». Sie sind doch auch ein kluger Mann.
Heben Sie mir gelegentlich diese Bedenklichkeiten in
einem Schreiben, das ich recht bald von Ihrer Güte
ergebne Dienerin und Muhme
Johanna Horcher.
Neuigkeiten und
Berti«
Schon vor längerer Zeit machte Herr Doktor
Haust in Bückeburg im Allgemeinen Anzeiger
der Deutschen (No. »76 de» I. bekannt, daß die
gereinigte Spinnenwebe ein sicheres Heilmittel der
Wechselfieber sey, und berief sich dabei auf seine und
anderer Aerzte Erfahrungen. — Jetzt, da seit dem
Monat März die kalten Fieber, auf eine unerhörte
Art, weit und breit wüthen, empfiehlt er (No 124)
jene« Mittel aufs Neue, und zwar mit folgenden
Worten:
„Auch bei den jetzigen kalten Fiebern, die so
hartnäckig und bösartig sind, haben | meiner Kran,
len nach dem Genuß der Spinneweben auf Buner-
brod da» Fieber verloren, gleich, oder der Anfall
rvar verändert, und blieb bald nachher au»; auch
ein neunjähriger Knabe, welcher wußte, was er
aß, und mit Ekel und Widerwillen seine zwei But
terbrode speiste; auch ein Mann, der täglich zu ei
ner bestimmten Zeit (ohne Frost und Hitze) da«
heftigste Kopfweh hatte, und bei welchem Blutigel,
Blasenpflastcr rc. nicht« halsen, genas auf zwei
Portionen. Manche Kranke aßen ihre Portion,
die aus zwei Broden besteht nur einmal, einige
zweimal. Der Genuß der Spinnenwebcn < Brode
bekommt nicht im geringsten übel, und verursacht
nicht die mindesten Beschwerden rc. Bei einem Er
wachsenen 20Gran recht gut gereinigte Spinncnwe-
he mit 5 Quentchen Butter durchs Hacken mit ei
nem Messer vermischt, zwischen zwei dünne» Schei
ben Rockenbrod, vier Loth schwer, geschmiert, sechs
oder acht Stunden; und zo Gran Spinnenwebe
mit einem Loth Butter und fünf bis sechs Loth
Brod zwei oder eine Stunde vor dem Eintritt des
Hieberfroste» gut und wohl gekaut, gespeist und ge,
«offen. Einige Mahle drei Brode, zu 20, 25 und
f j Gran, acht, fünf und zwei Stunden vor dem
icberanfalle, oder bei eintägigen, oder jedesmal
mehrere Stunden früher kommenden, oder bei dop
pelt dreitägigen Fiebern zwei Brode, und wenn
Korrespondenzen.
der Anfall wieder komm, und zwar nicht so ver,
ändert, daß man auf sein gänzliche» Ausbleiben
da» nächste Mal schließen kann, ein Brod eine
Stunde vor dem zweiten oder doppelten Anfalle.
Da die Spinnenweben keine Beschwerden verursa
chen, so kann man ihre Menge verstärken, und ihr«
Dosen vermehren."
Da die China, ihre» Mangels und ungeheuren
Preise» wegen nicht allgemein zur Heilung der
t ieber angewandt werden kann, und besonder» die
rmuth sich mit dieser Krankheit ganze Monate hin
durch, zur Vergrößerung ihre» Elenos, schleppen muß:
so wäre e» doch gewiß für einen großen Theil der
Menschen eine unschätzbare Wohlthat, wenn die Spi»-
nenweben wirklich ein wirk,ames Heilmittel gegen
ein so allgemeines Uebel Darbieten sollten. Ohne im
mindeste» denjenigen Männern, die al« Sachverstän
dige zur Prüfung und Anwendung eine« solchen Mit
tels berufen sind, vorgreifen zu wollen, ist es doch
auffallend, daß dieser Vorschlag so fast gar nicht be
achtet wird. In ander» Fällen könnte man aus die
sem verächtlichen Stillschweigen schließen, daß e« mit
der Sache selbst nicht» sey; allein dagegen möchte
sich hier denn doch manches noch sagen lassen; denn
1) Herr Doktor F a ust ist ein anerkannt geschick
ter, und — was hier gar sehr in Anschlag kommt —
rechtlicher und menschenfreundlicher Arzt;
2) Er beruft sich nicht bloß auf seine eigenen
Erfahrungen, sondern auch auf fremde, und nament
lich auf mehere französische Aerzte und Schriftstel
ler (S. No. 124 S. 1475 und 76),
3) Es ist auch von Laien mehrmals der Versuch
gemacht worden, Fieberkranke durch Kreuzspinnen
zu heilen, und — die Kranken sind genese» (Auch
i» Berlin ist dieses Mittel von einem unsrer redlich»
i sten Mitbürger schon seit viele» Jahren mit gutem
Erfolg angewandt worden).
E« mag daher wohl nicht für Bornrtheil, Aber
laube, oder für unberufene Einmischung und Un,
escheidenheil ausgelegt werden, wenn ein Laie, dem