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Volume Nr. 50., 24. Juni 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

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einem Wildfricaffee zu seyn. Ich rief meine älteste 
Tochter, sie bestätigte durch ihre Nase meine Dermu- 
»hung. Aber woher nahm der Doctor das Wild? 
Woher ein Reh in dieser Jahreszeit? Zum Glück er 
innerte ich mich, daß der Oberförster aus Grün- 
heide seinen Jäger vor wenig Tagen in die Stadt 
geschickt, um den Dvcror zu seine,» kranken Rinde 
zu holen. 
Den Tag darauf gab« Gcflügelknochen Es war 
keicht, auch hier Wild zu entdecken; denn Mignon 
frißt alles, nur kein Vogelwild. Das war uns aber 
desto lieber. Wir konnten nun vollständig alles unter 
suchen, und meine jüngste Tochter setzte eine ganze Eine 
zusammen. Die andre mußten sie erst angefangen ha 
ben; es fand sich bloß ein Flügel und eine Keule. 
Doch wozu soll ich Ihnen alle folgenden Tage so 
«veirlanftig beschreiben? Kurz, ich hatte nun Len Schlüs 
sel zu ihren Tischgehetmmsicn und den richtigsten Kü 
chenzettel; denn an den Tellern, worau, die Hanne die 
Knochen brachte, befanden sich auch gewöhnlich noch 
einige Spuren von der Vorkost. Darnach berechnete 
ich ihnen einmal die ganze Woche: 
Sonntag. Rcißfuppe, Schneidebohnen mit Kar, 
hvnade — junge Hüner. 
Montag. (Ich konnte die Suppe nicht heraus 
dringen) Fische — Sauerbraten. 
Dienstag. Weinsuppe — Morüben mit Ham 
melfleisch — Taubenf.icaffee. 
Mittwoch. Brühsuppe — Rindfleisch mit hol 
ländischer Sauce — Büdding. 
Donnerstag. Kirschsuppc— Klöße mir Schinken 
— Kälberbraten. 
Freitag. Habergrüysuppe — Schoten mit Brat 
wurst — Kuchen. 
Sonnabend. Brühsuppe — Rindfleisch mit 
Rosinen — aufgewärmter Kälberbraten. 
Rothen Wein muffen sie wohl trinken. Wir fan 
den hie und da Spuren davon auf den Teller ver 
schüttet. 
Sehen Sie, liebes Vettercheo, so muß man e» 
anfangen, wenn man hinter Geh.imniffe kommen will. 
Dabei hab' ich nur eine Beuenklichke«. Nämlich, 
unser Prediger hat sich neulia) laut gegen solche Auf« 
paffereien erklärt, und a.ie dilätschereien für unerlaubt 
ausgcschrtee». Sie sind doch auch ein kluger Mann. 
Heben Sie mir gelegentlich diese Bedenklichkeiten in 
einem Schreiben, das ich recht bald von Ihrer Güte 
ergebne Dienerin und Muhme 
Johanna Horcher. 
Neuigkeiten und 
Berti« 
Schon vor längerer Zeit machte Herr Doktor 
Haust in Bückeburg im Allgemeinen Anzeiger 
der Deutschen (No. »76 de» I. bekannt, daß die 
gereinigte Spinnenwebe ein sicheres Heilmittel der 
Wechselfieber sey, und berief sich dabei auf seine und 
anderer Aerzte Erfahrungen. — Jetzt, da seit dem 
Monat März die kalten Fieber, auf eine unerhörte 
Art, weit und breit wüthen, empfiehlt er (No 124) 
jene« Mittel aufs Neue, und zwar mit folgenden 
Worten: 
„Auch bei den jetzigen kalten Fiebern, die so 
hartnäckig und bösartig sind, haben | meiner Kran, 
len nach dem Genuß der Spinneweben auf Buner- 
brod da» Fieber verloren, gleich, oder der Anfall 
rvar verändert, und blieb bald nachher au»; auch 
ein neunjähriger Knabe, welcher wußte, was er 
aß, und mit Ekel und Widerwillen seine zwei But 
terbrode speiste; auch ein Mann, der täglich zu ei 
ner bestimmten Zeit (ohne Frost und Hitze) da« 
heftigste Kopfweh hatte, und bei welchem Blutigel, 
Blasenpflastcr rc. nicht« halsen, genas auf zwei 
Portionen. Manche Kranke aßen ihre Portion, 
die aus zwei Broden besteht nur einmal, einige 
zweimal. Der Genuß der Spinnenwebcn < Brode 
bekommt nicht im geringsten übel, und verursacht 
nicht die mindesten Beschwerden rc. Bei einem Er 
wachsenen 20Gran recht gut gereinigte Spinncnwe- 
he mit 5 Quentchen Butter durchs Hacken mit ei 
nem Messer vermischt, zwischen zwei dünne» Schei 
ben Rockenbrod, vier Loth schwer, geschmiert, sechs 
oder acht Stunden; und zo Gran Spinnenwebe 
mit einem Loth Butter und fünf bis sechs Loth 
Brod zwei oder eine Stunde vor dem Eintritt des 
Hieberfroste» gut und wohl gekaut, gespeist und ge, 
«offen. Einige Mahle drei Brode, zu 20, 25 und 
f j Gran, acht, fünf und zwei Stunden vor dem 
icberanfalle, oder bei eintägigen, oder jedesmal 
mehrere Stunden früher kommenden, oder bei dop 
pelt dreitägigen Fiebern zwei Brode, und wenn 
Korrespondenzen. 
der Anfall wieder komm, und zwar nicht so ver, 
ändert, daß man auf sein gänzliche» Ausbleiben 
da» nächste Mal schließen kann, ein Brod eine 
Stunde vor dem zweiten oder doppelten Anfalle. 
Da die Spinnenweben keine Beschwerden verursa 
chen, so kann man ihre Menge verstärken, und ihr« 
Dosen vermehren." 
Da die China, ihre» Mangels und ungeheuren 
Preise» wegen nicht allgemein zur Heilung der 
t ieber angewandt werden kann, und besonder» die 
rmuth sich mit dieser Krankheit ganze Monate hin 
durch, zur Vergrößerung ihre» Elenos, schleppen muß: 
so wäre e» doch gewiß für einen großen Theil der 
Menschen eine unschätzbare Wohlthat, wenn die Spi»- 
nenweben wirklich ein wirk,ames Heilmittel gegen 
ein so allgemeines Uebel Darbieten sollten. Ohne im 
mindeste» denjenigen Männern, die al« Sachverstän 
dige zur Prüfung und Anwendung eine« solchen Mit 
tels berufen sind, vorgreifen zu wollen, ist es doch 
auffallend, daß dieser Vorschlag so fast gar nicht be 
achtet wird. In ander» Fällen könnte man aus die 
sem verächtlichen Stillschweigen schließen, daß e« mit 
der Sache selbst nicht» sey; allein dagegen möchte 
sich hier denn doch manches noch sagen lassen; denn 
1) Herr Doktor F a ust ist ein anerkannt geschick 
ter, und — was hier gar sehr in Anschlag kommt — 
rechtlicher und menschenfreundlicher Arzt; 
2) Er beruft sich nicht bloß auf seine eigenen 
Erfahrungen, sondern auch auf fremde, und nament 
lich auf mehere französische Aerzte und Schriftstel 
ler (S. No. 124 S. 1475 und 76), 
3) Es ist auch von Laien mehrmals der Versuch 
gemacht worden, Fieberkranke durch Kreuzspinnen 
zu heilen, und — die Kranken sind genese» (Auch 
i» Berlin ist dieses Mittel von einem unsrer redlich» 
i sten Mitbürger schon seit viele» Jahren mit gutem 
Erfolg angewandt worden). 
E« mag daher wohl nicht für Bornrtheil, Aber 
laube, oder für unberufene Einmischung und Un, 
escheidenheil ausgelegt werden, wenn ein Laie, dem
	        
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