Nr. 46,
Berlin
oder
d e r Preußische Hausfreund.
Sonnabend, den 10. Zuni.
0000000ooo^ooocooojooocwcocöo
Vorschlag, bas Auffinden verirrter Kinderzu
erleichtern.
«
On einer so weitlauftigen Stadt wie Berlin ereig
ne« es sich nicht selten, daß kleine Kinder auf der
Straße sich verirren, und von ihren Angehörigen oft
geraume Zeit hindurch nicht wieder ausfindig gemacht
werden können, daher denn die wiederholten Nach
fragen in den Jnrelligenzblattern, wegen Kinder, die
vermißt oder aufgegriffen worden. Welche Nachtheile
aus diesem Aufschub erwachsen, fallt in die Augen.
Die Kleinen ängstigen sich; die Gutherzigen, die
jene zu sich genommen, werden zuweilen in Verle
genheit gefetzt, weil es ihnen an Wasche, an andern
Bedürfnissen, an Raum oder auch an Personen zur
Aussicht und Verpflegung des neuen Schützlings fehlt;
Eltern aber, die ihr Kind vermiffen, werden diese
ganze Zeit hindurch gleichsam auf die Folter gespannt,
indem sie nicht wissen, was aus dem verirrten Schäf
chen geworden, ob cs nicht etwa in üble Hände ge
rathen, ob es nicht gar verunglückt sey? Die Ver
zweiflung einer Mutter, der vor Kurzem ein Mägd
lein abhänden gekommen war, zeigte selbst dem kalt
blütigsten Zuschauer einen erschütternden Anblick.
Zwar fand sich dieKlcine am folgenden Morgen wie
der, aber wer wollte seinem ärgsten Feinde eine solche
Nacht wünschen, als das arme Weib bis zum Auf,
M.
gang der Sonne verbrach« haben mag, zumal da
ihre Wohnung nicht weit vom Strome lag!
Ware es nun nicht menschenfreundlich, ja wäre
es nicht Pflicht, irgend eine Einrichtung zu treffen,
um das Ausforschen der Verirrten oder ihrer Ange
hörigen, leichter, sichrer und schneller zu bewirken?
So schwer zu ersinnen dürfte sie eben nicht seyn.
Wie, z.B. wenn von der Obrigkeit selbst, öffentlich,
und ein für allemal der Befehl gegeben, und wie an
dre »schliche Verordnungen gelegentlich wieder in Er
innerung gebracht würde: daß jeder, der ein Kind
vermißt oder es aufnimmt, dies sogleich der Polizcy
melde, bei der man also auch wieder prompte Aus
kunft erhalten könnte. Zn der Ausführung hat dieser
Vorschlag keine Schwierigkeit; denn wer so barm
herzig ist, ein hülfloses Kind in Schutz zu nehmen,
wird ja auch die kleine Beschwerde, einen Gang nach
dein Polizei-Bureau zu thun oder «hu» zu lassen,
nicht scheuen, zumal wenn er bedenkt, welche Beäng
stigung er dadurch vielleicht trostlosen Eltern, welche
Ungemachlichkeiten er sich selbst erspart.
Außerdem wäre es zu empfehlen, Kinder, sobald
sie nur etwas heranwachsen, mit dem Familiennamen
und dem Stande ihrer Angehörigen, und dem Namen
der Straße, worin diese wohnen, bekannt zu machen,
damit wohlwollende Leute sie allenfalls ohne jene
Umstände den Ihrigen wieder zuführen können.