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Volume Nr. 29., 11. April 1809

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue3.1809 (Public Domain)

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Hausfreunde verschaffen könnte», weil gerade diese 
patriotische Schrift hier und in der umliegenden Ge 
gend besonders gern gelesen wird. Nur von An 
sehen kenne ich den Kommerzien-Rath Herrn St ren 
ke; ich würde mich aber dennoch freuen, wenn er 
die Bekanntmachung seiner Großthat als einen 
Beweis meiner Achtung und Wcrthschckyung anneh 
men wölbte. 
Geschichte 
der unterm Listen Marz 1S09 geschehenen Berprv- 
viantirnng eines über 3 Meilen N. W. von 
Pillau im Eise gelegenen Schiffes. 
Unterm 18. März kam bei stürmischen S.W. Winde 
ein dreimastige« Schiff, welches im Eise steckte, von 
Süden »ach Norden treibend, allhier zu Gesicht. Nach 
mittags um 5 Uhr war dasselbe N. W. von Pillau 
über 3 Meilen vom Lande entfernt, und da nun der 
Wind von S. W. auf N. W. sprang, so stopfte sich 
das Eis, und da« Schiff blieb in dieser Richtung 
tu:? Entfernung vom Lande, in dem von dem höch 
sten Berge unabsehbaren Eismeere fest liege». Man 
konnte durchaus keine Kenntniß von diesem Schiffe 
erhalten, und, obgleich ich die Möglichkeit, an das 
Schiff zu gelangen, wohl einsah, so durfte ein solches 
Unternehmen theils wegen des Kostenaufwandes, theils 
auch wegen der Lebensgefahr, der flch mehrere Men 
schen aussetzen mußten, doch um so weniger ausge 
führet werden, da.sich das Schiff nach meiner völli 
gen Ueberzeugung in keiner Gefahr befand. Am 
ig. luiju« Abends um 6 Uhr kam der Königl. Preuß. 
Consul Herr Kellner aus Earlscrcna, der sich auf 
gedachtem Schiffe, welches Leres heißet, de» Kauf 
leuten HerrGuttzeit et Comp. in Königsberg zuge- 
höret und vom Lapirain G 0 rrli cbSp rin ge r ge 
führt wird, als Passagier befand, und mit welchem 
er lunlerm ^ten d. M. von Kopenhagen abgesegelt 
war, nebst noch Einem Matrosen nach einer neunstün 
digen, mühsamen Reise zu Fuße, bei Lochstadt Reu- 
Häuser an Land, und .Abends um 8 Uhr hier in Pil 
lau mit der Nachricht an; daß der Schiffer nur noch 
auf 8 Tage Proviant am Bord habe. Ich machte 
also gleich noch in der Nacht Anstalten, engagrrte 
12 freiwillige Leute, größtcntheils Seclothsen, die 
mit einem leichten, auf 2 ebenfalls leichte Schlitten 
gesetzten Böthe, die für den Kapiiain Springer 
nöthigen Lebensmittel den nächst-anbrechenden Tag 
nach dem Schiffe transporliren sollten. Der Pro 
viant ward besorgt und die nöthigen Vorkehrungen 
zum Transporte getroffen, auch die Reise den folgen 
de» Tag unter meiner Anführung unternommen. Wir 
waren aber kaum £ Meile auf dem Eise, al» wir die 
Eisschollen schon so hoch ausgechürml fanden, daß 
ich die Unmöglichkeit unsers Fortkommens einsah, 
und den Transport des Proviantes auf diesem Wege 
einstellen mußte. Der einzige Weg war nur noch 
der: durch Leute, von denen jeder 30 b»s 40 Pfund 
auf den Rücken nehmen konnte, den Proviant nach 
dem Schiffe zu befördern- Mit der größten Mühe 
brachte ich diesen Tag so Menschen zusammen, die 
sich freiwillig verpflichteten, gegen eine Belohnung 
von 10 Rthlr. für den Mann, jeder zc> bis 40 Pfund 
auf dem Rücken zu Fuß an da« Schiff zu bringen. 
Den 2t. d. M. früh um 4 Uhr begann die Reise bei 
sehr schönem Weiter, welcher aber gegen 9 Uhr Vor 
mittags in sehr ungestüme Witterung au« Norden 
überging; dessen ungeachtet war doch das Schiff 
nicht so leicht zu verfehlen, oder ein Unglück zu be 
fürchten, indem ich die Transporteurs mit Kompassen, 
Larcrnen und anderen zu diesem iknrcrnrhmeri nöthi 
gen Gcräthschafkcn hinlänglich versehen hatte. Nach 
dem von mir angeordneten Signale, welche« in ei 
nem Kanonenschüsse und einer Flagge bestaiid, war 
der größte Theil dieser Karavane Mittags um 1 Uhr 
bei dem Schiffe angelangt, von wo sie', sobald der 
Proviant abgeliefert war, sogleich den Rückweg wie 
der antrat. Da ich nun einsah, daß die Leute ,pat 
an Land kommen würden, so hatte ich zum Beistand 
derselben 2 Ober-Lothsen nebst 5 andere» Loch,en mit 
Laternen in der Gegend des Lehmbergs (j Meile 
nördlich von Pillau) etwas über eine halbe Meile 
vom Lande, aufs Eis postirt, um de» Ankommenden 
die beste Stelle anzuweisen. Um 8 Uhr Abends kam 
die erste Abtheilung von 13 Wann glücklich ans Land; 
um 10 Uhr brach das Eis etwa | Meile vom Lande 
mit einem schrecklichen Geröse in Stücken und trieb 
nach Sec. Don 3 Menschen, die wieder angekom 
men waren, hatten Zwei oben das noch am Laude 
feststehende Eis erreicht, der dritte aber, Namens 
Hvldt, trieb mit schrecklichem Jammergeschrei auf 
dem losen Eise nach See. Auf den erhaltenen Rap 
port von diesem Vorfalle eilte ich sogleich mit einer 
kleinen Jolle (Nachen) und den nöthigen Rektungs- 
anstalien, nebst noch 9Mann, welches Alles ich durch 
Pferde transporliren ließ, nach der Gegend hin, wo 
sich der Unglückliche befand. Auf dem halben Hin 
wege begegneten mir aber schon 2 Lothsen, die dort 
zu bleiben beordert waren, mit der Nachricht: daß 
von dem in Gefahr seienden Menschen nia-ts mehr 
zu hören sey, und es nicht der Mühe belohnen wür 
de, in der finstern Nacht noch etwas zu unternehmen; 
ich kehrte mich aber micht daran, sondern ermunterte 
vielmehr den bei mir habenden Lothsen, nicht den 
Muth sinken zu lassen, und mich mit allen Kräften 
zu unterstützen, welches denn auch geschah. Nach 
unsäglicher Mühe und Gefahr, indem wir das klei 
ne Both, welches höchstens 6 Menschen fassen konnte, 
der hohen Eisgebürge wegen mit 10 Mann i Meile 
bei finstrer Nacht über das Eis schleppen, und oft 
solche Stellen paffiren mußten, wo ein Mensch nicht 
allein hinüber konnte, gelang es mir endlich, den üu« 
lücklichen, den man schon verloren glaubte, und der 
ei der rauhen Nacht schon fast gänzlich erstarret 
war, von einer treibenden Eismsel des Nachts um 
3 Uhr zu retten und an's Land zu bringen. Nach Aus 
sage des Geretteten waren die z noch fehlenden Men 
schen ihrer Ermattung wegen am Schiffe zurückge 
blieben, daher denn auch die werteren Bemühungen 
eingestellet wurden. Den Tag darauf, als den 22. 
gegen Abend, entdeckte man diese Leute, die nicht auf 
dem Schiffe zurück geblieben waren, sondern 27 Stun 
den lang sich auf dem Eise herumgetrieben hatten, 
etwa eine Meile südlich von Pillau, wo dar Eis 
aus Norden Hingetrieben war, auf dem Eise, und 
wurden ebenfalls glücklich gerettet. So wurde nun 
defe Expedition, die hier ohne Beispiel ist, und die 
keine Stunde später hätte unternominen werden kön 
nen, ohne da« mindeste Unglück geendet. Das Schiff 
-war den nächsten Tag mit dem Eise schon soweit 
nach See getrieben, daß es nicht mehr zu sehen war. 
3. G . . di. 
Erweckung zur Besonnenheit bei dem Denken an die 
Vergangenheit, an die Gegenwart und an die Zu 
kunft. — Von D. Fr. Sam. Gvttfr Sack 
Königl. erstem Hofprcdiger tc. Zum Besten der 
Berlinischen Erwerbschulen. Preis 6 Gr. Kurant. 
(Ist bei dem Verleger b. Hausf. zu haben.)
	        
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