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Volume Nr. 15., 5. Februar 1807

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue2.1807 (Public Domain)

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Man sagt: Wie war e« möglich, daß der weise 
König glaub«,, konnte, die Tapferkeit der Soldat-» fitze 
mehr am adligen als im bürgerliqen Blute? Man 
sagt: halten wir den Soldaten nach wahrem Verdienst 
ohne Unterschied des Stande» befördert, so hätten wir 
die Echlachien an der Saale nicht verloren, und un 
sere Festungen behalten. Man sagt: die adligen Of 
fiziere haben die Giäben. Hecken und Zäune gesucht, 
um sich ,u verbergen, wie der Kanonendonner erschallte. 
Man sagt: Generale haben ihren Regimentern zuge 
rufen: e« ist alle» verloren, werft die Gewehre weg, 
rettet euch, und lauft was ihr könnt. Man sagt: In 
Mannsfeld sey ein Kavallerie-Regiment < die Offiziere 
ohn« Hüte und Degen) eiligst davon gesprengt, weil 
man den Preußischen Backerei Train, der sich lang 
sam nach der Stadt hinbewegle, für ein Regiment 
Chasseur» in der Entfernung angesehen hatte. Alle« 
die» sagt man. Die drei letzten Sagen enthalten That, 
fachen, di« bewiefcm werden müssen, ehe man sie glau 
ben kann. Man sagte eben solch« Dinge von den 
Franzosen bei Roßbach, und damals war jeder preu 
ßischer Tambour ein Held; dennoch fanden sich auch 
jn dieser damals so tapfern A>mce Offiziere, die die 
Gegenwart des Geistes bei einem Ucberfall verloren, 
so wie die ihnen untergcbcneu Soldaten. Davon, ein 
Beispiel: 
Bei einem Regiment, welche« unter dem General 
Kleist einen Theil de» Avant-Korps des Prinzen Hein 
rich aulmachte, war eine Eskadron de« Abend« in einem 
Dorfe angelangt. Ein Lieutenant fand in seinem Quar 
tiere keinen Pferde-Stall, und mußte seine Picrdr zu 
den Kühe» in den Stall bringen lassen, da er zu gut 
müthig war, diese herauszujagen. Jn der Nacht wurde 
Lärm geblasen, der Feind machte einen Ueberfall, der 
Offizier half seinem Kerl satteln, dieser bringt die 
Pferde im Finstern au» dem Stalle, der Offizier will 
aufsitzen, und hat in der EU sich vergriffen, und statt 
seines Pferdes die Knh feine« Wuchs gesattelt. Diese 
Anekdote ist wahr, ich will dadurch keineewegcs die 
Bravheit dies«» Offizier« anlasten, die er öfter« bewie 
sen hat, auch ist er letzt noch am Leben, aber ich will 
nur dadurch anzeigen, daß auch der tüchtigste Offizier 
sich erschrecken kann. Wäre dieser Soldat dainals in 
der französischen Armee placir« gewesen, so würde man 
dies Faktum al» den stärkste» Beweis von Feigheit 
publizlrt haben, da sie die geschlagene war. 
Doch dies führt nicht zur Beantwortung der Haupt, 
Frage. Daß die Besetzung der Offizier- Stellen durch 
Edelleute, da« Unglück der Armee begründet hätte, 
kann schon deshalb nicht für ausgemacht angenommen 
werden, weil unter Friedrich, der die« Prinzip auf- 
stellre, die nämliche Armee di« unüberwindliche genannt 
wurde. Johannes von Müller sagt in seiner letzter» 
Vorlesung von dem Ruhm Friedrich» über diesen Punkt: 
„Wenn Friedrich nicht leicht einen gcbornen Bürger, 
liche» in den höhern Stufen de« Milrtair« brauchte, 
lag nicht auch wohl darin ein Grund, daß man damal« 
zu viel zu thun hatte, Industrie und Handel zu wek, 
ken, als daß rathsam scheinen konnte, den dritten 
Stand von de» eben entsprießenden Künsten abzuzie 
hen?" Wäre die« der Fall gewesen, so hätten alle 
Fabiikstädie von ber Militair - Conskription eximirt 
werden müssen, und war «in Theil de» dritten Stau, 
de» einmal in der Armee angestellt, so konnte der Ko, 
nig unbeschadet der Industrie unter diesen, den quali, 
sizirlen zum Offizier erheben. Da« war nicht der Be- 
wcggrund, welcher Friedrich zu diesem Schritte leitete. 
Er hat ihn selbst in der Geschichte seiner Zeit angegtkcn, 
wo er sag!: Man findet in dem Bürgerstande bi« setzt 
noch nicht da« Gefühl der Ehre, welches in dem Adel 
ist, dies muß auf den Offizier-Stand übertragen wer« 
den u. s. w. An er'iiem andern Orte sagt aber der 
König: Diejenigen sind Thoren, welche da glauben: 
der Verstand sitze im Blut«, und ein Bürgerliches 
könne nicht das nämliche leisten wie ein Adliger. Die« 
scheinen Widersprüche zu seyn, find es aber nicht: Maw 
wolle nur die wahre Ehre von der mililairiichen, der», 
-k'ldel im Jahre 1740 von dem Adel 1807 unterscheiden. 
Die wahre Ehre ist der Abglanz der Tugend, daran, 
hat. jeder Mensch einen Anspruch, die militairische war 
«ine au» dem Geist der Chcvallerie aus den Adel über» 
»ragene Idee: daß der Edelmann, der ehemal«, so wie. 
er da« Tageslicht erblickte, Soldat war, nie ander», 
im Kriege al« auf Kommando seinen Posten verlassen 
und im gemeinen Leben keine Beleidigung auf sich 
fitzen lassen dürfe, sondern sie mit Blut abwaschen 
müsse. Alle positiven Gesetze sind nicht hinlänglich ge, 
wesen, dieses Phantom auszulöschen, und die Duelle 
aufhören zu machen. 
Es kann jemand sehr gut wahre Ehre und doch? 
nicht die militairische besitzen, und ce kann jemand die 
letzte nie verlegt haben, ohne je auf die erstere. An,, 
spruch machen zu dürfen* Das heißt: es kann-jMemd 
der tugendhafteste Mann sey.», mW doch eür Dmll.
	        
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