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Volume Nr. 8., 20. Januar 1807

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue2.1807 (Public Domain)

tkli, drei Königlichen Aemtern, ii6Dörfern, und eini 
gen Kolonnen und andern Anlagen, zählt man qegen 
30,000, Einwohner, bei denen Spinnerei ein bedeu 
tende« Nedengewerbe iß. Ein nicht geringer Theil 
derselben bestehe au« Wenden, die seit Jahrhunderten 
unter Deutschen leben, und dennoch ihre altväterlichen 
Sitten, Gebräuche, Tracht und selbst die Sprache 
nicht ganz verläugnet haben: e» wird daher auch noch 
immer Gottesdienst in Wendischer Sprache gehalten. 
Die gegenwärtige Preußische Regierung, die Verände 
rungen der alten Verfassung nur bedachtsam vornimmt, 
machte vor zwei Jahren mit diesem abgesonderten 
Ländchen den Versuch einer unbeschränktern HlmdelS- 
sreiheit, wodurch Leben und Verkehr sehr gewonnen 
haben sollen. 
Die Stadt KottbuS zählt 8oo wohlgebaute Häu 
ser und 5000 Einwohner, die bedeutenden Handel, Lei 
nen- und noch mehr Wolllnwcbcrci, und starke« Brau 
gewerbe treiben. Das Kottbusser, oder wie es auch 
genannt wird, das Kottwiyer Bier hat, nach Ber 
lin besonders, ausnehmend großen Absatz. 
Das Städtchen Peitz, ebenfalls an der Spree, mit 
loa Häusern und über 900 Einwohnern, ist weniger 
ssciner Weberei als seiner Eisenwerke wegen merkwür 
dig. Die ehemaligen Festungswerke sind schon auf Bt- 
fehl König« Friedrich II geschleift. —r. 
Herz und Kopf. 
Eine Erzählung nach Enges. 
Winfried, Rektor in einem kandsiädtchen an der 
Warte, war ein Mann von vielen Talenten, und, war 
in solchem Falle eine Seltenheit ist, von dem bieder 
sten Herzen. Die Natur hatte ihn für «inen großen 
Wirkungskreis bestimmt, aber er glich dem bcscheidc« 
nen Veilchen, das in der Nachbarschaft der prangen 
den Sonnenblume unbemerkt bleibt. Auch strebte er 
nie nach etwas Großem, und lebte in seiner Eingezo 
genheit von dem kärglichen Ertrage seines kleinen 
Amt«, dem er sich mit Elfer und Liebe hingab. 
Der Mann hatt« viel gelesen und noch mehr ge- 
dacht; auch hatte er in frühern Jahren die Welr ge 
sehen, und das Treiben der Menschen kennen gelernt. 
Daraus hatte er sich denn eine Menge von Resultate« 
«nd Grundsätzen gesammelt, die, so einfach sie auch 
waren, doch einen köstlichen Schatz ausmachten, von 
dessen Besitz er nun zum Besten seiner Schälet den 
gewissenhaftesten Gebrauch machte. 
Er war nicht der Meinung, daß man junge Lcure 
für die Welt bilden müsse; den», sagte er, di« Welr 
soll nicht bleiben, wie sie ist, »e soll besser werden, der 
Erzieher muß also seine Zöglinge über die Welt erhe- 
. de», und sic gegen ihre Einflüsse für das Bessere em 
pfänglich machen. 
Wir glauben, der Mann hatte Recht, denn seine 
Erziehungswcise fand — so sehr man auch anfangs 
dagegen eiferte — Beifall, und seine Schüler wur 
den sämmtlich als Menschen von seltner Art geschätzt. 
. Vorzüglich hatte er einen biblischen Dcnkspruch 
lieb gewonnen, den er in sein ganzes Denken und 
" Handeln verwebte, und ihn bei allen schicklichen Ge 
legenheiten im Munde führte, nämlich den: seid klug 
wie di« Schlangen, und ohncFalsch wie die 
Tauben. Er selbst lehrte ihn praktisch« denn in den 
schwierigsten Fällen wußte er immer den besten Rath 
zu geben, und da, wo aiidre die Moral einmal bei 
Seite setzten, wußte er sich immer so zu nehmen, dag 
jeder seine Klugheit und Rechtlichkeit nicht genug rüh 
men konnte. 
Als Erzieher wandte er diesen Grundsatz dahin 
an, daß er Kopf und Herz seiner Schüler gleichmäßig 
auszubilden suchte. An dieser Gleichmäßigkeit, meinte 
er, fehle es den meisten Menschen: denn einige hät 
ten zu viel Kopf und zu wenig Herz, und das gäbe 
Ränkcmachcr, Beutelschn-idcr, Selbstsüchtige, und - 
wen« das Schicksal sie aus einen hohen Standpunkt 
stelle — Menschcnauälcr; -- — — andere hät 
ten wieder zu wenig Kopf und zu viel Herz, und da 
raus würden Einpsindclnde, Schwächlinge, die alles 
gehen ließen, wie «S gehl, und — wenn sie hoch stän 
den — über den Thränen eines alten Weibes die 
Pflichten der Gerechtigkeit und Wahrheit vergäßen. 
AuS dieser Ungleichmäßigkeit in den Kräften deS 
Menschen leitete der Mann nun aller Unglück her, 
d»S seit AdamS Zeiten die Welt heimgesucht hat. 
Auf diese Weise hatte sich der Mann in se nem 
Städtchen beliebt, und zu einer Art von Orakel ge 
macht, da« jeder — der seine Krankheit nicht kannte 
oder nicht kennen wollte — um Rath und Belehrung 
fragte. Unter vielen and/rn kamen denn auch einst, 
mal« zwei ehrsame Bürger zu gleicher Zeit zu ihm, 
die ein ähnliche« Unglück hatten, das aber au« entzo 
gen gefetzten Quellen entspang, und die seine Meinung 
darüber zn hören verlangten.
	        
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