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Volume Nr. 9., 29. April 1806

Full text: Berlin oder der preußische Hausfreund (Public Domain) Issue1.1806 (Public Domain)

oder 
d c r Preußische Hausfreund. 
Dienstag, den 29. April. 
Die braven Kriegskameraden. 
Auf dem Bürgerkirchhofe bei Spandow ist die Grab 
stätte des im Anfange des v. I. verstorbenen dastgcn 
MühlcnwagemcisterS S'. Er hatte zuerst in preußi 
schen Militärdiensten als Unteroffizier beim Regiment 
des Prinzen Heinrich von Preußen gestanden, und im 
siebenjährigen Kriege auf die chrenvollsteWeife mit ge 
fochten. Zweimal wurde er schwer verwundet. Elf 
Jahr vor ihm ging seine Gattinn', eine ehrwürdige 
Matrone, in die Ewigkeit. Ihre Gebeine ruhen auf 
dem damaligen Garnisonkirchhvfc, einem Platze, der 
jetzt nicht mehr die Todten aufnimmt, sondern für die 
Lebenden mit grünenden Saaten prangt. S' besuchte 
fast täglich, wenn seine Dienstgeschäfte vollbracht wa 
ren, den Grabhügel der Vollendeten, und weinte der 
treuesten Gefährtinn, der er seine schönsten Lebensfreu 
den dankte, eine Thräne. Auf seinem Zimmer blieb 
ihm ihre Lagerstätte ein unverletzliches Hciligthum. 
Seit ihrem Tode schlief er nur in dem Bette, das die 
Verstorbene gebraucht hatte. Sein Sohn, ei» durch 
saubere artistische Arbeiten, und besonders durch einen 
erst kürzlich herausgegebenen trefflichen Grundriß vc» 
Danzig rühmlichst bekannter Kupferstecher in Berlin, 
bezicht noch zur Sommerzeit die väterliche Wohnung. 
Als er im Jänner v. I. den entschlummerten Vater 
beerdigen lassen wollte, traten unerwartet zwei ehrwür- 
l. 
di'gc Alte, — vormals Kameraden des Verstorbenen — 
die noch in Spandow leben, ins Sterbezimmer, und 
baten, ihnen den Sarg noch einmal offnen zu lassen. 
ES geschah, und mit inniger Rührung legte der Eine 
von ihnen, ein achtzigjähriger Greis, seine Hand auf 
das Gesicht des Erblaßten, und rief auS: Aus den 
Tranchcen vor Schweidnitz hab' ich dich blutend auf 
meinen Armen herausgetragen, und dich gcpflegetz im 
Tote will icb dich zu deiner Ruhestätte begleiten. (Der 
Verstorbene hatte nämlich bei der von Friedrich dem 
Großen am Ende des I. 1757 unternommenen Bela 
gerung von Schweidnitz durch eine Kugel eine tiefe 
Fleischwunde erhalten, die ihn betäubt zur Erde warf.) 
Die braven Krieger folgten dem Zuge. Im vorigen 
Herbste pflanzten sie, ohne eS Jemand zu sagen, einen 
Pfirsich- und einen Pflaumcnbaum auf den Grabhügel. 
Beide gedeihen. Der treueSohn veranstaltet jetzt eine 
Einfassung um das Grab, und ein dabei aufgestellter 
Eranitstein mit einer kleinen Inschrift, di« kindliche 
Dankbarkeit demselben ringräbt, wird den künftigen 
Besuchern dieser Wohnung der Todten sagen, daß hier 
ein treuer llnterthan seiner Könige und ein braver 
Krieger an der Seite seines Sohnes — denn auch die 
ser wird einst neben ihm ruhen — den langen Schlaf 
schläft. 
V. H. Schmidt.
	        
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