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Full text: Migration, Integration, Asyl (Rights reserved) Ausgabe 2014 (Rights reserved)

Migration, Integration, Asyl Politische Entwicklungen in Deutschland 2014 Jährlicher Bericht der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) Kofinanziert durch die Europäische Union Migration, Integration, Asyl Politische Entwicklungen in Deutschland 2014 Jährlicher Bericht der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015 5 Zusammenfassung Zusammenfassung Der Politikbericht 2014 der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) gibt einen Überblick über die wichtigsten politischen Diskussionen sowie politischen und legislativen Entwicklungen in den Bereichen Migration, Integration und Asyl in der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2014. Dabei nimmt der Bericht besonderen Bezug auf Maßnahmen, welche die Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung des Gesamtansatzes für Migration und Mobilität, der EU-Aktion gegen Migrationsdruck, der EU-Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels sowie der Europäischen Agenda zur Integration von Drittstaatsangehörigen getroffen hat. Zudem stellt der Bericht die allgemeine Struktur des politischen und rechtlichen Systems in Deutschland dar und skizziert die wichtigsten politischen und institutionellen Veränderungen im Jahr 2014 in diesen Politikbereichen. Zentrale migrations-, integrations- und asylpolitische Debatten des Jahres 2014 betrafen die Themen: „„ Steigende Asylbewerberzahlen und die politischen Reaktionen darauf, „„ Flüchtlingsproteste, „„ Optionspflicht und die Akzeptanz doppelter Staatsangehörigkeit. Der Bundestag hat im Laufe des Jahres 2014 eine Reihe von gesetzlichen Änderungen beschlossen; diese umfassen u. a. die folgenden Maßnahmen: „„ Neufassung des Asylverfahrensgesetzes zur Einstufung von Bosnien und Herzegowina, Serbien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (EJR Mazedonien) als sichere Herkunftsstaaten sowie zur Abschaffung der Residenzpflicht, „„ Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, „„ Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes zur weitgehenden Einschränkung der Optionspflicht. Unterhalb der gesetzgeberischen Tätigkeit des Bundestags hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Jahr 2014 die Beschäftigungsverordnung (BeschV) überarbeitet, welche die Grundlage der berufs- und qualifikationsgruppenspezifischen Zulassung von Erwerbsmigration bildet (s. Abschnitte 4.2 und 6.1.2). 7 Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht Zusammenfassung 5 1 2 3 4 5 6 7 Einleitung 12 Politische, rechtliche und institutionelle Entwicklungen 18 Legale Zuwanderung und Mobilität 23 Irreguläre Migration 40 Rückkehrmigration 43 Internationaler Schutz und Asyl 50 Unbegleitete Minderjährige und andere Gruppen mit besonderen Schutzbedürfnissen 59 8 9 Maßnahmen gegen Menschenhandel 62 Migration und Entwicklung 65 Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis/Tabellenverzeichnis 67 83 85 9 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 2 3 Zusammenfassung 5 Einleitung 12 1.1 1.2 13 15 Allgemeine Struktur des politischen Systems und der Institutionen im Bereich Migration und Asyl Allgemeine Struktur des Rechtssystems im Bereich Migration und Asyl Politische, rechtliche und institutionelle Entwicklungen 2.1 2.2 Allgemeine politische Entwicklungen Überblick über die wichtigsten politischen Entwicklungen und Debatten im Bereich Migration und Asyl Legale Zuwanderung und Mobilität 18 18 19 3.1 Erwerbsmigration 3.1.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext 3.1.2 Nationale Entwicklungen 3.1.3 Entwicklungen mit Bezug zur EU 23 23 23 23 24 3.2 Familienzusammenführung 3.2.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext 3.2.2 Nationale Entwicklungen 3.2.3 Entwicklungen mit Bezug zur EU 25 25 25 25 3.3 3.3.1 3.3.2 Studierende und Forscher Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen 26 26 27 3.4 3.4.1 3.4.2 Sonstige legale Migration Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen 27 27 28 3.5 Integration 3.5.1 Hintergrund und Kontext 3.5.2 Nationale Entwicklungen 28 28 32 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 34 34 36 37 Staatsangehörigkeit und Einbürgerung Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen Entwicklungen mit Bezug zur EU 10 Inhaltsverzeichnis 4 5 6 3.7 Management von Migration und Mobilität 3.7.1 Kontrolle der Grenzen 3.7.1.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext 3.7.1.2 Nationale Entwicklungen 3.7.2 Frontex 3.7.2.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext 3.7.2.2 Entwicklungen mit Bezug zur EU 37 37 37 38 38 38 39 Irreguläre Migration 40 40 41 4.1 4.2 Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen Rückkehrmigration 5.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext 43 43 5.2 5.2.1 5.2.2 Nationale Entwicklungen Freiwillige Rückkehr Zwangsweise Rückkehr 44 44 46 5.3 5.3.1 5.3.2 Entwicklungen mit Bezug zur EU Freiwillige Rückkehr, Mobilitätspartnerschaften und Rückübernahmeabkommen Zwangsweise Rückkehr 47 47 48 Internationaler Schutz und Asyl 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 Nationales Asylsystem Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen Entwicklungen mit Bezug zur EU 50 50 50 51 55 6.2 6.2.1 6.2.2 Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen Hintergrund und allgemeiner Kontext Entwicklung mit Bezug zur EU 57 57 57 6.3 6.3.1 6.3.2 Kooperation mit Drittstaaten, inklusive Neuansiedlung (Resettlement) Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen 58 58 58 11 Inhaltsverzeichnis 7 8 9 Unbegleitete Minderjährige und andere Gruppen mit besonderen Schutzbedürfnissen 59 7.1 7.1.1 7.1.2 Unbegleitete Minderjährige Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen  59 59 59 7.2 7.2.1 7.2.2 Andere besonders schutzbedürftige Gruppen Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen 61 61 61 Maßnahmen gegen Menschenhandel 8.1 8.2 8.3 Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen Entwicklungen mit internationalem Bezug Migration und Entwicklung 9.1 9.2 9.3 Hintergrund und allgemeiner Kontext Nationale Entwicklungen Entwicklungen mit Bezug zur EU 62 62 63 64 65 65 66 66 Literaturverzeichnis 67 Abkürzungsverzeichnis 83 Abbildungsverzeichnis/Tabellenverzeichnis 85 12 Einleitung 1 Einleitung Aufbau und Inhalt Der Politikbericht 2014 bietet einen Überblick über die wichtigsten politischen Diskussionen sowie politischen und legislativen Entwicklungen des Jahres 2014 im Migrations-, Integrations- und Asylbereich in der Bundesrepublik, der aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellen kann. Der Bericht wurde von der deutschen Kontaktstelle des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg erstellt. Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Entscheidung 2008/381/EG des Rates der EU vom 14. Mai 2008 über die Einrichtung eines Europäischen Migrationsnetzwerks legt jede nationale EMN-Kontaktstelle jährlich einen Bericht über die „Migrations- und Asylsituation in dem betreffenden Mitgliedstaat“ vor, in dem neben rechtlichen Änderungen auch Weiterentwicklungen der Politik und einige grundlegende Statistiken abgebildet werden. Dieser jährliche Bericht über die Themenbereiche Migration, Integration und Asyl (kurz: „Politikbericht“) soll den Informationsbedarf der Gemeinschaftsorgane der EU sowie der Behörden und Einrichtungen der Mitgliedstaaten durch „Bereitstellung aktueller, objektiver, verlässlicher und vergleichbarer Informationen zu Migration und Asyl“ decken und dadurch die Politikgestaltung in der EU unterstützen (Art. 1 Abs. 2 Entscheidung 2008/381/EG). Darüber hinaus sollen die im Rahmen des EMN aufbereiteten Erkenntnisse auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Die Europäische Kommission, bei der das EMN organisatorisch angesiedelt ist, erstellt zusätzlich zur Veröffentlichung der einzelnen nationalen Politikberichte zu diesen Zwecken in eigener Verantwortung auch themenspezifische EMN-Informs, die auf den Politikberichten aus den einzelnen Mitgliedstaaten aufbauen und einen europäischen Vergleich der nationalen Ergebnisse bieten. Inhaltlich orientiert sich dieser mittlerweile zehnte EMN-Politikbericht an den Berichten der Vorjahre. Er folgt dabei weitgehend einer durch das EMN vorgegebenen Kapitelstruktur, die auch die anderen beteiligten EMN-Kontaktstellen der EU-Staaten bei der Erstellung ihrer nationalen Berichte wählen. Kapitel 1 gibt einen Überblick über die Struktur des politischen Systems, die bestehenden Institutionen, Veränderungen dieser Strukturen sowie allgemeine politische Entwicklungen im Jahr 2014. Kapitel 2 skizziert themenrelevante politische und legislative Entwicklungen sowie wichtige politische Debatten in Bezug auf Migration, Integration und Asyl. Die Kapitel 3 bis 8 sind den konkreten politischen und rechtlichen Maßnahmen in spezifischen Bereichen der Einwanderungs- bzw. Asylpolitik gewidmet. Kapitel 9 nimmt Entwicklungen in den Blick, die den globalen Gesamtansatz zur Migrationsfrage betreffen. Methoden Dem Politikbericht 2014 liegen zahlreiche Daten- und Informationsquellen zugrunde. Die Ausführungen basieren zum einen auf Informationen aus den Bundesbehörden sowie auf Sachinformationen aus den relevanten Organisationseinheiten des BAMF. Zum anderen wurde hinsichtlich politischer Debatten oder des Sachstandes zu rechtlichen Entwicklungen vorrangig auf Publikationen des BAMF und der Nationalen Kontaktstelle des Europäischen Migrationsnetzwerkes sowie auf Internetquellen zurückgegriffen, so etwa auf die Drucksachen und Plenarprotokolle des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, Verordnungs- und Gesetzesblätter sowie Verlautbarungen von Ministerien, Behörden und Parteien in Presseerklärungen oder öffentlichen Programmen. Themenbezogen wurden auch Mitteilungen oder Publikationen von Nichtregierungsorganisationen oder internationalen Organisationen einbezogen. Ergänzend wurde auch eine themenspezifische Auswertung überregionaler Medien durchgeführt. Alle externen Quellen werden explizit ausgewiesen. 13 Einleitung Die verwendeten Zahlen und Statistiken stammen überwiegend aus dem BAMF, dem Statistischen Bundesamt (StBA) sowie der Bundesagentur für Arbeit (BA). Angesichts der redaktionellen Fertigstellung des EMN-Politikberichts 2014 im Februar 2015 standen einige Daten zu Migrationssachverhalten für das Jahr 2014 noch nicht zur Verfügung. Kriterium bei der Auswahl und Gewichtung der Ereignisse war die Frage, welche Tatbestände bzw. Entwicklungen besonders relevant für die Arbeit politischer Entscheidungsträger – sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene – sein könnten. Eine Eingrenzung musste insbesondere hinsichtlich des Abschnitts über „wichtige politische und legislative Debatten in Bezug auf Migration, Integration und Asyl“ (Abschnitt 2.2) erfolgen. Um das mögliche Themenspektrum nicht allzu breit zu fassen, wurden lediglich solche Debatten als „wichtige politische Debatten“ gewertet und in die Analyse aufgenommen, die ausführlich in Leitmedien (überregionale Tageszeitungen, öffentlichrechtliche und private Fernsehsender) behandelt wurden und mit denen sich die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag oder die Landesparlamente befasst haben. Begriffe und Definitionen Die in diesem Bericht verwendete Terminologie orientiert sich weitgehend am Glossar1 des Europäischen Migrationsnetzwerks. Begrifflichkeiten, die speziell die Rechtslage in Deutschland betreffen, werden regelmäßig innerhalb des Textes bzw. in Fußnoten erläutert. Bei Zusammenhängen, die bereits Inhalt früherer EMN-Politikberichte waren, wird auf die entsprechenden Textstellen dieser Berichte verwiesen. 1.1 Allgemeine Struktur des politischen Systems und der Institutionen im Bereich Migration und Asyl In der Bundesrepublik Deutschland erfolgen Politikformulierung und Politikdurchführung im Rahmen eines politischen Systems, in dem legislative und 1 Glossar des Europäischen Migrationsnetzwerks: http:// www.bamf.de/DE/DasBAMF/EMN/Glossary/glossarynode.html;jsessionid=9833F2EF3845F7409CD198CA0F64 C8AB.1_cid368 (02.03.2015). exekutive Kompetenzen zwischen dem Bund und den 16 Ländern aufgeteilt sind. Das exekutive System der Bundesrepublik ist durch drei Arbeitsgrundsätze gekennzeichnet: das Kanzlerprinzip, das Kollegialprinzip sowie das Ressortprinzip. Nach dem Kanzlerprinzip bestimmt die Bundeskanzlerin bzw. der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik und leitet die Geschäfte der Bundesregierung. Infolge des Kollegial- bzw. Kabinettsprinzips müssen Fragen von allgemeiner politischer Bedeutung jedoch mit den Ministerinnen und Ministern gemeinsam entschieden werden; das Kabinett muss mit Mehrheit zu einer Entscheidung finden. Aus dem Ressortprinzip ergibt sich schließlich eine spezielle Verantwortung für den jeweiligen ministeriellen Aufgabenbereich mit eigenen Handlungsund Gestaltungsbefugnissen des Amtsinhabers. Im Folgenden werden die Aufgaben- und Tätigkeitsfelder der wichtigsten, in den Bereichen der Asyl-, Zuwanderungs- und Integrationspolitik zuständigen Akteure in knapper Form skizziert (für einen Überblick s. Fehsenfeld et al. 2008; Schneider 2012a). „„ Vorrangig ist das Bundesministerium des Innern (BMI) zuständig. Es befasst sich neben der Vorbereitung von Gesetzen auch mit der europäischen Harmonisierung und übt die Dienst- und Fachaufsicht über das BAMF sowie die Bundespolizei (BPOL) als zentrale operative Behörden aus. „„ Ein wichtiger Ort der Politikformulierung ist daneben die Ständige Konferenz der Innenminister2 und Innensenatoren der Länder (IMK), an der beratend auch der Bundesminister des Innern teilnimmt. Die Konferenz findet gewöhnlich zweimal pro Jahr statt, wobei die jeweils einstimmig gefassten Beschlüsse als politische Empfehlungen eine hohe Bindungswirkung entfalten und sowohl auf Landes- wie auf Bundesebene bei der Gesetzgebung und in der Verwaltungspraxis berücksichtigt werden. „„ Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) befasst sich in Abstimmung mit dem BMI 2 Um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten, wird im Folenden auch bei nicht geschlechtsneutralen Bezeichnungen lediglich die männliche Form verwendet. Damit sind männliche wie auch weibliche Personen gleichermaßen gemeint. 14 Einleitung vor allem mit den Grundlagen der Ausländerbeschäftigung sowie der berufsspezifischen Integration in den Arbeitsmarkt. „„ Fragen der Arbeitsmigration sowie der Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt sind darüber hinaus Gegenstand der Konferenz der Minister bzw. Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder (ASMK), die – ähnlich der IMK – der Zusammenarbeit und der Koordinierung der Länderinteressen im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik dient. „„ Im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes (AA) sind die Auslandsvertretungen für Pass- und Visumangelegenheiten im Ausland zuständig. „„ Der Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration wird von der Bundesregierung bestellt. Seit 2005 ist das Amt des Beauftragten im Rang eines Staatsministers im Bundeskanzleramt angesiedelt. Die bzw. der Beauftragte hat die Aufgabe, „insbesondere die Bundesregierung bei der Weiterentwicklung ihrer Integrationspolitik […] zu unterstützen“ (§ 93 Nr. 1 AufenthG) und ist bei einschlägigen Gesetzgebungsvorhaben einzubeziehen (§ 94 Abs. 1 AufenthG). Zu den weiteren Aufgaben gehören die Förderung der Integration der in Deutschland ansässigen Migranten sowie das Vorgehen gegen Fremdenfeindlichkeit.3 „„ Ähnlich der IMK treffen sich die für Integration zuständigen Minister bzw. Senatoren der Länder regelmäßig zu Konsultationen und zur Abstimmung politischer Vorhaben im Bereich der Integration (Integrationsministerkonferenz – IntMK). „„ Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten ist beim BMI angesiedelt und für die Koordinierung aller aussiedlerbezogenen Maßnahmen zuständig. Im Hinblick auf nationale Minderheiten fungiert der Beauftragte als zentraler Ansprechpartner, vertritt die Bundesregierung in bestehenden oder zukünftig zu schaffenden Kontaktgremien und leistet Informationsarbeit. 3 Vgl. §§ 92ff. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). „„ Das BAMF ist eine zentrale Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMI und nimmt als Kompetenzzentrum für Migration, Integration und Asyl vielfältige Aufgaben wahr. Es prüft den in Deutschland verfassungsrechtlich verankerten Schutz von Flüchtlingen vor Verfolgung und führt alle Asylverfahren in Deutschland einschließlich der Dublin-Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit im Asylverfahren durch; es stellt sowohl die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention als auch die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie sowie für nationale Abschiebungsverbote4 fest. Falls kein Schutzbedarf festgestellt wird, erlässt das BAMF ebenfalls die Abschiebungsandrohung und/oder -anordnung. Neben der Durchführung des Asylverfahrens koordiniert das Bundesamt auch das humanitäre Aufnahmeprogramm des Bundes und der Länder sowie die Beteiligung Deutschlands am Resettlement-Programm des UNHCR (s. Abschnitt 6.3). Weitere Zuständigkeiten des BAMF betreffen die Entwicklung und Durchführung des bundesweiten Integrationsprogramms, angewandte bzw. politiknahe Migrationsforschung, die Förderung der freiwilligen Rückkehr, die Führung des Ausländerzentralregisters (Registerbehörde), die Anerkennung von Forschungseinrichtungen im Rahmen der sog. EU-Forscherrichtlinie, das Aufnahmeverfahren für jüdische Zuwanderer, die Koordination zwischen den für Erwerbsmigration zuständigen Behörden sowie ausländer-, asyl- und staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen bei Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit (für eine detaillierte Darstellung s. Fehsenfeld et al. 2008; Schneider 2012a). „„ Die rund 570 Ausländerbehörden der 16 Länder sind zuständig für praktisch alle aufenthalts- und 4 Subsidiären Schutz erhalten Ausländer, weil ihnen im Herkunftsland die konkrete Gefahr der Todesstrafe oder der Folter oder anderer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung droht oder weil sie im Herkunftsland durch einen bewaffneten Konflikt erheblich gefährdet sind. Die Unzulässigkeit einer Abschiebung kann aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention resultieren oder wenn die Abschiebung zu einer erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Zielstaat der Abschiebung führen würde. Diese Gefahr kann auch aus einer schweren, im Zielstaat nicht oder nicht angemessen behandelbaren Krankheit resultieren. 15 Einleitung passrechtlichen Maßnahmen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) und die Umsetzung der weiteren ausländerrechtlichen Vorschriften, einschließlich Entscheidungen über Abschiebungen und deren Organisation sowie für die Prüfung von Abschiebungshindernissen, die außerhalb der Zuständigkeit des BAMF liegen. Jährlich findet zweimal ein Erfahrungsaustausch der Ausländerbehörden der großen Städte statt. „„ Die Bundespolizei ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMI. Ihr obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), um unerlaubte Einreisen zu verhindern und Schleusungskriminalität nachhaltig zu bekämpfen. Der Grenzschutz umfasst dabei die polizeiliche Überwachung der Grenzen, die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich der Überprüfung der mitgeführten Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt, die Grenzfahndung und im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, welche die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen. Die Aufgaben der Bundespolizei ergeben sich aus dem Gesetz über die Bundespolizei (BPolG) und anderen Rechtsvorschriften des Bundes, z. B. aus dem Aufenthaltsgesetz (§ 71 Abs. 3 AufenthG) oder dem Asylverfahrensgesetz (§ 18 AsylVfG). Die aufenthaltsrechtlichen Zuständigkeiten der BPOL beziehen sich u. a. auf die Zurückweisung und die Zurückschiebung von Ausländern, die nicht über ein Visum oder einen gültigen Aufenthaltstitel verfügen, den Widerruf eines Visums in bestimmten Fällen sowie die damit einhergehenden ausländerrechtlichen Begleitmaßnahmen (Schneider 2012: 34). Im Rahmen der Rückführung von Drittstaatsangehörigen, die sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten, ist die Bundespolizei u. a. für die Koordination von begleiteten Rückführungen auf dem Luftweg zuständig und arbeitet dabei eng mit anderen Behörden, insbesondere mit den Ausländerbehörden, zusammen (Schneider 2012b: 34). „„ Das Bundesverwaltungsamt (BVA) ist – neben einer Vielzahl sonstiger administrativer Aufgaben im Bereich des Bundes – für die Einreise- und Aufnahmeverfahren von Spätaussiedlern zuständig. Ferner verarbeitet es die Daten des Schengener Informationssystems (SIS)5, des Visa-Informationssystems (VIS) sowie im Auftrag des BAMF die Datensätze des Ausländerzentralregisters (AZR), bestehend aus dem allgemeinen Datenbestand und der Visadatei. 1.2 Allgemeine Struktur des Rechtssystems im Bereich Migration und Asyl Auch im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz sind die Zuständigkeiten auf Bund und Länder verteilt. Grundsätzlich haben die Länder in allen Bereichen, für die nicht explizit eine Bundeszuständigkeit festgelegt ist, das Recht, Gesetze zu erlassen. Einige Politikbereiche unterliegen hingegen der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes, während der überwiegende Teil der sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung zugeordnet ist. Bei der konkurrierenden Gesetzgebung haben die 16 Landesparlamente die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn der Bund von seiner Zuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 70-74 GG). Faktisch sind die meisten Themen der konkurrierenden Gesetzgebung durch Bundesgesetz geregelt. Migrationsrelevante Fragen wie Staatsangehörigkeit, Freizügigkeit, Ein- und Auswanderung, Passwesen, Melde- und Ausweiswesen sowie das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht für Ausländer sind in Gesetzen auf Bundesebene geregelt. Gleichermaßen wurden alle übergreifenden Gesetze im Bereich des Flüchtlings- und Vertriebenenrechts bundesweit verabschiedet. Die einzigen bedeutsamen Politikfelder mit Migrationsbezug, die nahezu ausschließlich im Kompetenzbereich der Bundesländer angesiedelt sind, sind Bildung, Forschung und das Polizeiwesen, wobei Rückführungen ausreisepflichtiger Ausländer sowie 5 Daneben betreibt das Bundeskriminalamt (BKA) mit der SIRENE-Datenbank eine Schnittstelle zwischen dem SIS und nationalen Fahndungssystemen; s. auch https:// www.bka.de/nn_196810/sid_1060E19D06B682598573A E8761A07191/DE/ThemenABisZ/ElektronischeFahndungssysteme/elektronischeFahndungssysteme.html?__ nnn=true (10.03.2015). 16 Einleitung Überstellungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei bzw. dem Bundesamt organisiert werden.6 Auf der Ebene der Länder liegt die Zuständigkeit für asyl- und ausländerrechtliche Fragen jeweils bei den Innenministern und -senatoren. Berlin und Nordrhein-Westfalen haben als einzige Bundesländer bisher ein Integrationsgesetz7 verabschiedet. Auch wenn es ansonsten keine eigenen Landesgesetze in den Bereichen Zuwanderung, Asyl und Integration gibt, prägen die Bundesländer durch Erlasse und Verwaltungsvorschriften insbesondere das Vollzugshandeln der Ausländerbehörden, also die administrative Umsetzung, nachhaltig mit. Außerdem nehmen sie Einfluss auf die Gesetze des Bundes: Hier verfügen sie über den Bundesrat, der aus Vertretern der 16 Landesregierungen gebildet wird, über umfassende Beteiligungsrechte und Veto-Möglichkeiten. Bei der Verabschiedung von Gesetzen kommt dem Bundesrat eine ähnliche Rolle zu wie den Oberhäusern oder Senatskammern in den parlamentarischen Demokratien anderer Staaten. Im Bundesrat wird jeder seitens des Deutschen Bundestages gebilligte Gesetzentwurf beraten. Jedoch benötigen nur diejenigen Gesetze die Zustimmung des Bundesrates, die die Beziehungen zwischen Bund und Ländern besonders berühren (sog. Zustimmungsgesetze). In allen anderen Fällen (bei sog. Einspruchsgesetzen) kann die Ablehnung des Bundesrates durch eine qualifizierte Mehrheit im Bundestag überstimmt werden. Da so gut wie alle politischen Maßnahmen im Bereich Migration und Asyl irgendeine Art von unmittelbarem Einfluss auf die Bundesländer haben und ihnen zudem administrative Aufgaben abverlangen, müssen entsprechende Gesetze in der Regel die Länderkammer passieren. 6 7 Aufenthaltsrechtliche Fragen werden darüber hinaus in einer Vielzahl von Bund-Länder-Arbeitsgruppen erörtert. Vollzugsprobleme im Bereich der Rückführung von ausreisepflichtigen Drittstaatsangehörigen sind Gegenstand der Arbeitsgruppe Rückführung (AG Rück), einer Unterarbeitsgruppe der IMK (siehe Abschnitt 1.1). In der AG Rück kooperieren die zuständigen Organisationseinheiten der Innenministerien von Bund und Ländern, wobei es auch zur Zusammenarbeit mit anderen Behörden kommt. In Nordrhein-Westfalen gilt seit dem 14.02.2012 das „Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration“. In Berlin trat am 28.12.2010 das „Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration in Berlin“ in Kraft. Gesetze und Verordnungen Die Grundlagen für das in Deutschland geltende Ausländerrecht finden sich im Völkerrecht, im europäischen Gemeinschaftsrecht sowie im deutschen Verfassungs- und Gesetzesrecht. „„ Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährt politisch Verfolgten einen Anspruch auf Asyl. Die Prüfung des Anspruchs findet im Rahmen des Asylverfahrens auf Grundlage des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) statt. „„ Ausländern, denen politische Verfolgung droht, wird nach Maßgabe der Vorschriften im AsylVfG und im Aufenthaltsgesetz die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK) zuerkannt. Auch die Regelungen zur Erteilung von Aufenthaltstiteln an Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte und Personen, bei denen nationale Abschiebungsverbote festgestellt wurden, finden sich im Aufenthaltsgesetz (§ 25 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG). „„ Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ist die gesetzliche Grundlage für Unterstützungsleistungen an Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens sowie an andere Ausländer, deren Aufenthalt nicht auf Dauer angelegt ist. „„ Das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz – ZuwG)8, dessen Hauptinhalte am 1. Januar 2005 in Kraft traten, markiert eine grundlegende Novellierung des Ausländerrechts. Das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) – Hauptbestandteil des Zuwanderungsgesetzes – ist die wichtigste Rechtsgrundlage für die Bereiche Einreise, Aufenthalt und Beschäftigung 8 Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz – ZuwG) vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950); einzelne Teile des Zuwanderungsgesetzes traten bereits am 06.08.2004 sowie am 01.09.2004 in Kraft (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 ZuwG). 17 Einleitung von Drittstaatsangehörigen. Es bestimmt ferner den gesetzlichen Mindestrahmen staatlicher Angebote zur Förderung der Integration, der vor allem Sprach- und Orientierungskurse vorsieht. Das Aufenthaltsgesetz wird seit 2007 kontinuierlich überarbeitet. Die Ersteinreise von Drittstaatsangehörigen mit anschließendem Kurzaufenthalt richtet sich hingegen nach den Regeln des Schengener Grenzkodex (Verordnung (EG) Nr. 562/2006).9 „„ Im Oktober 2009 trat die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVwV) in Kraft; sie hat das vorrangige Ziel, die administrative Praxis bei der Anwendung des Aufenthaltsgesetzes im gesamten Bundesgebiet zu vereinheitlichen und entsprechende Mindeststandards zu garantieren.10 „„ Die wichtigste Rechtsgrundlage zur Verwaltung des behördlichen Datenbestandes über ausländische Staatsbürger ist das Ausländerzentralregistergesetz (AZRG). „„ Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird durch das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt. Es legt unter anderem fest, unter welchen Voraussetzungen Zuwanderer eingebürgert werden können, unter welchen Bedingungen in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und inwiefern eine mehrfache Staatsangehörigkeit möglich ist. Unterhalb der Ebene der Bundesgesetze ist eine Reihe von Verordnungen erlassen worden, die den rechtlichen Rahmen im Bereich des Aufenthaltes, der Beschäftigung und der Integration von Ausländern 9 Fragen des Aufenthalts und der Freizügigkeit von Bürgern anderer EU-Staaten sind im zweiten Bestandteil des Zuwanderungsgesetzes geregelt, dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern. 10 GMBl. Nr. 42-61 vom 30.10.2009, S. 877. sowie im Bereich der Versorgung und der Verfahren beim Umgang mit Asylbewerbern spezifizieren. „„ Die Aufenthaltsverordnung (AufenthV) regelt Detailfragen in Zusammenhang mit der Einreise und dem Aufenthalt im Bundesgebiet, Gebühren sowie Verfahrensvorschriften bei der Vergabe von Aufenthaltstiteln. „„ Die Beschäftigungsverordnung (BeschV) regelt die Verfahren der Zulassung zur Beschäftigung von Ausländern, die zum Zwecke der Arbeitsaufnahme aus einem Drittstaat in die Bundesrepublik einreisen wollen, und nennt die entsprechenden Tätigkeitsbereiche. „„ Die Integrationskursverordnung (IntV) enthält Details zur Umsetzung der Integrationskurse nach dem Aufenthaltsgesetz, darunter Teilnahmebedingungen, Datenübermittlung, Gebühren sowie die Grundstruktur der Kurse, Kursdauer sowie Kursinhalte. Ferner regelt sie die Zulassungsverfahren für öffentliche und private Kursanbieter. „„ Die Asylzuständigkeitsbestimmungsverordnung (AsylZBV) enthält Bestimmungen zu den Kompetenzen und Zuständigkeiten der wichtigsten operativen Behörden im Asylverfahren. Dabei berücksichtigt sie wichtige Rechtsakte der Europäischen Union wie das Dubliner Übereinkommen oder die „EURODAC“-Verordnung. „„ Die Einbürgerungstestverordnung (EinbTestV) regelt das Testverfahren bei Einbürgerungen. 18 Politische, rechtliche und institutionelle Entwicklungen 2 Politische, rechtliche und institutionelle Entwicklungen 2.1 Allgemeine politische Entwicklungen 2014 wurden die Landesparlamente in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neu gewählt. Landtagswahl in Sachsen Bei den Wahlen zum sächsischen Landtag am 31. August 2014 entfielen 39,4 % der abgegebenen Stimmen auf die CDU, 18,9 % auf die Partei DIE LINKE, 12,4 % auf die SPD und 5,7 % auf Bündnis 90/Die Grünen. 9,7 % der abgegebenen Stimmen entfielen auf die neu gegründete Alternative für Deutschland (AfD), die mit der Forderung nach einer restriktiveren Zuwanderungs- und Asylpolitik in den Wahlkampf zog. Die noch in der vorangegangenen Legislaturperiode im sächsischen Landtag vertretenen Parteien FDP (3,8 %) und NPD (4,9 %) scheiterten am Wiedereinzug ins Parlament. CDU und SPD einigten sich auf die Bildung einer Koalitionsregierung und bestätigten Stanislaw Tillich (CDU) im Amt des Ministerpräsidenten. Markus Ulbig (CDU) blieb Staatsminister des Innern. Das Parlament des Freistaates Sachsen stimmte Ende 2014 über die Neuvergabe des Postens des Ausländerbeauftragten ab. Geert Mackenroth (CDU) übernahm dieses Amt am 17. Dezember 2014 von Martin Gillo (CDU). Landtagswahl in Thüringen Am 14. September 2014 wurde der Landtag Thüringens neu gewählt. Dabei erhielt die CDU 33,5 % der abgegebenen Stimmen. Die Partei DIE LINKE konnte 28,2 % der Stimmen auf sich vereinen. Die SPD erhielt 12,4 %, die neu im thüringischen Landesparlament vertretene AfD 10,6 % und Bündnis 90/Die Grünen 5,7 % der Stimmen. Auf die FDP entfielen 2,5 % der Wählerstimmen, die damit den Wiedereinzug in den Thüringer Landtag verfehlte. Die Partei DIE LINKE, SPD und Bündnis 90/Die Grünen einigten sich auf die Bildung einer Koalition und am 5. Dezember 2014 wählte der thüringische Landtag mit Bodo Ramelow zum ersten Mal in Deutschland ein Mitglied der Partei DIE LINKE zum Ministerpräsidenten. Der ursprünglich dem Innenministerium unterstehende Bereich der Asyl- und Einwanderungspolitik wurde dem Justizressort angegliedert, das von Dieter Lauinger (Bündnis 90/Die Grünen) geleitet wird. Zusammen mit dem Ressort Verbraucherschutz bildet die neue Einrichtung das „Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz“. Ferner sieht der Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien vor, sowohl die Kompetenzen des Integrationsbeirates zu stärken als auch die Aufgaben des Ausländerbeauftragten neu zu fassen. Aus dem Ausländerbeauftragten soll mittelfristig ein „Beauftragter für Integration, Migration und Flüchtlinge“ werden (DIE LINKE/SPD/Bündnis 90/ Die Grünen 2014: 25). Das Amt hat seit dem 1. Oktober 2010 Petra Heß (SPD) inne. Landtagswahl in Brandenburg Ebenfalls am 14. September 2014 wurden in Brandenburg Landtagswahlen abgehalten. Dabei gewann die SPD als stärkste Kraft 31,9 % der Stimmen, die CDU 23,0 % und DIE LINKE 18,6 %. Während Bündnis 90/ Die Grünen mit 6,2 % den Wiedereinzug ins Parlament schafften, ist die FDP mit 1,5 % nicht mehr vertreten. Erstmals vertreten ist die AfD mit 12,2 %. SPD und DIE LINKE einigten sich auf die Bildung einer Koalitionsregierung, die Dietmar Woidke (SPD) im Amt des Ministerpräsidenten bestätigte. Innenminister wurde Karl-Heinz Schröter (SPD). Integrationsbeauftrage des Landes ist seit Januar 2013 Doris Lemmermeier. Bildung der hessischen Landesregierung Als Konsequenz der bereits am 22. September 2013 in Hessen abgehaltenen Landtagswahl haben sich CDU und Bündnis 90/Die Grünen am 21. Dezember 2013 auf die erste schwarz-grüne Landesregierung in einem Flächenstaat geeinigt. Der Landtag wählte in seiner konstituierenden Sitzung am 18. Januar 2014 Volker Bouffier (CDU) zum Ministerpräsidenten. Das Amt 19 Politische, rechtliche und institutionelle Entwicklungen des Innenministers bekleidet seit dem 18. Januar 2014 Peter Beuth (CDU). Bevollmächtigter für Integration wurde Jo Dreiseitel (Bündnis 90/Die Grünen). 2.2 Überblick über die wichtigsten politischen Entwicklungen und Debatten im Bereich Migration und Asyl Im Jahr 2014 prägte eine Vielzahl an Themen den öffentlichen Diskurs zu den Themenkomplexen Asyl, Migration und Integration. Im Folgenden werden diejenigen Debatten kursorisch wiedergegeben, die sich ebenfalls in parlamentarischen Vorgängen niedergeschlagen haben. Diese kreisten um das Flüchtlingsunglück von Lampedusa, die Reform des Asylrechts, die öffentlichkeitswirksamen Proteste von Asylbewerbern sowie die Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht. Reaktionen auf das Flüchtlingsunglück von Lampedusa Als Reaktion auf das Flüchtlingsunglück von Lampedusa am 3. Oktober 2013 stellte die Bundestagsfraktion DIE LINKE einen Antrag für eine Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik (Deutscher Bundestag 2014a). Am 17. Januar 2014 nutzten die im Bundestag vertretenen Parteien diesen Antrag, um ihre Betroffenheit und Erschütterung über das Unglück zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig ihre flüchtlings- und asylpolitischen Schlussfolgerungen zu diskutieren. Vertreter der CDU/CSU-Fraktion forderten eine Bekämpfung der Schleusungstätigkeiten, die sie für das Flüchtlingsunglück verantwortlich machen, sowie verstärkte Anstrengungen, die Situation in den Herkunftsländern zu verbessern. Darüber hinaus betonten sie den Beitrag, den die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX zur Seenotrettung leistet. Vertreter der Partei DIE LINKE machten dagegen die Grenzsicherungspolitik der EU dafür verantwortlich, dass Schutzsuchende auf riskantere Routen über das Mittelmeer ausweichen müssen und dafür auf die Hilfe von Schleusern angewiesen sind. Als Alternative forderte die Fraktion legale Einreisemöglichkeiten in die EU für Asylsuchende sowie eine Auflösung von FRONTEX, in der sie eine Einrichtung zur Verhinderung von Fluchtbewegungen sieht. Ähnliche Positionen vertraten die Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Dagegen forderten die Vertreter der SPD eine an den Menschenrechten ori- entierte Grenzschutzpolitik sowie ein Quotensystem zur Aufnahme und Verteilung von Asylbewerbern in der EU, um dadurch die südlichen Randstaaten der EU zu entlasten (Deutscher Bundestag 2014j). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wiederum kritisierte an den Seenotrettungsmaßnahmen, dass diese als Nothilfe gedacht waren, sich jedoch „als Brücke nach Europa“ herausgestellt hätten (BMI 2014d). Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten Als Reaktion auf den Anstieg der Asylbewerberzahlen aus den Herkunftsländern Bosnien und Herzegowina, Serbien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (EJR Mazedonien) sowie aufgrund der geringen Schutzquote bei Anträgen aus diesen Staaten legte die Bundesregierung dem Bundestag am 26. Mai 2014 einen Gesetzentwurf zur Einstufung Serbiens, der EJR Mazedonien und Bosnien und Herzegowinas als sichere Herkunftsstaaten vor (Deutscher Bundestag 2014h). Die Gesetzesänderung war bereits im Jahr 2013 in den Koalitionsverhandlungen der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD beschlossen und im Koalitionsvertrag festgehalten worden (CDU et al. 2013: 109). Eine Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten um Albanien und Montenegro trug die SPD nicht mit (Gajevic 2014a). Durch das Gesetz werden Serbien, die EJR Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina, neben den bereits seit 1993 als sichere Herkunftsstaaten eingestuften Ghana und Senegal, in die Liste der sicheren Herkunftsländer nach Art. 16a Abs. 3 des Grundgesetzes und § 29a Abs. 2 i. V. m. Anlage II zu § 29a AsylVfG aufgenommen (Deutscher Bundestag 2014h). Dies sind Staaten, bei denen aufgrund der allgemeinen politischen Verhältnisse die gesetzliche Vermutung besteht, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Diese Vermutung besteht, solange ein Asylbewerber aus einem solchen Staat nicht glaubhaft Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung doch verfolgt wird. Im Fall einer negativen Entscheidung wird der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt (für eine detailliertere Darstellung s. Abschnitt 6.1.2). Die Bundesregierung verwies bei der Begründung auf Kapazitätsengpässe bei den Asylverfahren sowie der Versorgung und Unterbringung der Asylsuchenden (Deutscher Bundestag 2014h). Das Gesetz soll vor allem dazu dienen, das Asylverfahren sowie die Aufenthalts- 20 Politische, rechtliche und institutionelle Entwicklungen dauer in den betroffenen Fällen zu verkürzen und damit Bund, Länder und Kommunen zu entlasten sowie eine abschreckende Wirkung zu entfalten (Deutscher Bundestag 2014h). Die Einstufung als sichere Herkunftsländer wurde u. a. von Oppositionsparteien (insb. den Parteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen), Kirchenverbänden (EKD 2014), dem UNHCR (2014), dem Deutschen Institut für Menschenrechte (2014) und Nichtregierungsorganisationen (u. a. PRO ASYL 2014; Amnesty International 2014) deutlich kritisiert. Gegen den Gesetzentwurf wurden die Diskriminierung und Notlage von Roma in den Westbalkanstaaten angeführt sowie, dass die niedrigen Schutzquoten selbstgeschaffene Fakten darstellen und damit nicht als Rechtfertigung für das Gesetz dienen dürften (Deutscher Bundestag 2014i). Mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD stimmte der Bundestag dem Gesetzentwurf am 3. Juli 2014 zu (Deutscher Bundestag 2014o). Für eine Verabschiedung im Bundesrat war die Zustimmung mindestens eines der sieben von Grünen oder Linken mitregierten Bundesländer nötig. Das grün-rot regierte Baden-Württemberg forderte als Voraussetzung für seine Zustimmung weitergehende asyl- und aufenthaltsrechtliche Erleichterungen. Die darauf einsetzende Debatte innerhalb der Partei Bündnis 90/ Die Grünen über das Abstimmungsverhalten des Bundeslandes wurde kontrovers in der Öffentlichkeit ausgetragen, wobei sich die Mehrheit der Parteimitglieder gegen eine Zustimmung zu dem Gesetz aussprach. Gegen den Widerstand innerhalb der Partei stimmte die baden-württembergische Landesregierung am 19. September 2014 dem Gesetzentwurf im Bundesrat zu und gab so die ausschlaggebende Stimme für die Annahme des Gesetzes durch den Bundesrat (Bundesrat 2014c: 277). Das Gesetz trat zum 6. November 2014 in Kraft. Der ausgehandelte Kompromiss sieht zahlreiche weitergehende Lockerungen für Asylbewerber und geduldete Personen vor, die u. a. mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern am 23. Dezember 2014 verabschiedet wurden und am 1. Januar 2015 in Kraft traten (vgl. im Detail Kapitel 6.1.2). So wurde die Wartezeit bis zur möglichen Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung für Asylbewerber von neun auf drei Monate und für Inhaber einer Duldung von einem Jahr auf ebenfalls drei Monate verkürzt. Zudem entfällt künftig die Residenzpflicht nach drei Monaten Aufenthalt, wobei zunächst vier Monate angedacht waren. Auch die Vorrangprüfung11 am Arbeitsmarkt entfällt spätestens nach fünfzehn Monaten (Bundesrat 2014c: 279; s. auch 2. Verordnung zur Änderung der BeschV vom 06.11.2014, die seit dem 11.11.2014 in Kraft ist: BGBl. I S. 1683). Sachleistungen sollen wiederum nur noch für die Aufenthaltszeit in Erstaufnahmeeinrichtungen vorrangig gelten und eine Kostenentlastung der Länder und Kommunen soll im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehung, besonders im Bereich der Gesundheitsversorgung, beschlossen werden (Bundesrat 2014c: 279). Die Landesregierungen von Hessen und Rheinland-Pfalz, an denen Bündnis 90/Die Grünen beteiligt sind, enthielten sich (Zeit Online 2014a). Flüchtlingsproteste Wie in den Vorjahren kam es im Jahr 2014 zu zahlreichen Protesten von Asylsuchenden, Flüchtlingen und Unterstützergruppen, u. a. in Hamburg, Berlin, Freiburg, Hannover, Konstanz, München, Osnabrück und Regensburg (BAMF/EMN 2013; BAMF/EMN 2014; Freiburger Forum 2014; Morchner 2014; Schinkel 2014). Zu den Aktionsformen zählten u. a. Demonstrationen (Flakin 2014; Norddeutscher Rundfunk 2014b; Süddeutsche Zeitung 2014b), Hungerstreiks (Amjahid/ Kather 2014; Bayerischer Rundfunk 2014), Platz- und Hausbesetzungen (Nordbayern.de 2014b), direkte Verhandlungen mit politischen Vertretern (Mai et al. 2014; Rennefanz/Zylka 2013), mehrtägige Protestmärsche (Balzer 2014) sowie Sitzblockaden zur Verhinderung von Abschiebungen (Schmidt 2014). Die Forderungen der Flüchtlinge beinhalteten die Abschaffung der Residenzpflicht, erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt, bessere Wohnbedingungen, die Aussetzung von Abschiebungen und den Erwerb eines Aufenthaltstitels. In Berlin setzten sich Proteste am Oranienplatz und an der Gerhart-Hauptmann-Schule fort, die seit 2012 11 In bestimmten Berufen, die in der Beschäftigungsverordnung geregelt sind, ist Drittstaatsangehörigen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nur dann möglich, wenn kein Deutscher, EU-Staatsbürger oder Drittstaatsangehöriger mit unbefristetem Aufenthaltstitel für einen konkreten Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird mit der Vorrangprüfung sichergestellt. 21 Politische, rechtliche und institutionelle Entwicklungen von Flüchtlingen besetzt worden waren (Zeit Online 2014b; Straub 2014a). Der Konflikt konnte nach langen Verhandlungen durch einen Kompromiss mit dem Berliner Senat zunächst gelöst werden. Im Gegenzug für die Räumung des Protestcamps am Oranienplatz und an der Gerhart-Hauptmann-Schule erklärte sich der Senat zu einer umfassenden Einzelfallprüfung, der Beratung der Flüchtlinge bei ihren Asylverfahren und einer Aussetzung der Abschiebungen bzw. Überstellungen in andere Mitgliedstaaten bereit (Senatskanzlei Berlin 2014). Zu weiteren Auseinandersetzungen kam es bei der Frage der Umsetzung des Kompromisspapiers (Süddeutsche Zeitung 2014a; Mai et al. 2014; s. auch Abschnitt 6.1.2). In Hamburg konnten ähnliche Prozesse, insb. in Bezug auf die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“, beobachtet werden (Twickel 2014; Kaiser/ von Appen 2014). Auch in anderen Bundesländern kam es zu Protesten; so besetzten Flüchtlinge und Unterstützungsgruppen für zwei Tage den Vorplatz der Zentrale des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg (Die Welt 2014b). Optionspflicht und Mehrstaatigkeit Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD im November 2013 bildeten die Optionspflicht und die Frage einer generellen Akzeptanz von Mehrstaatigkeit einen zentralen Diskussionspunkt. Der Koalitionsvertrag enthält als Kompromiss, dass die Optionspflicht12 „für in Deutschland geborene und aufgewachsene Personen“ abgeschafft werden soll, ansonsten aber das Staatsangehörigkeitsrecht unverändert bleibt (CDU/CSU/SPD 2013: 105). Über die Frage, wie die Voraussetzung „aufgewachsen“ zu definieren sei, wurde in der Folge unter den im Bundestag vertretenen Parteien und auch innerhalb der Regierungskoalition intensiv diskutiert (Alscher 2014). 12 Optionspflicht „bedeutet in vereinfachter Form, dass sich die betreffenden Kinder zwischen ihren beiden Staatsangehörigkeiten entscheiden müssen, sobald sie volljährig geworden sind. Hierfür wird ihnen eine fünfjährige Frist eingeräumt. Wird bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres durch die jungen Erwachsenen keine Erklärung abgegeben oder erklärt, dass die ausländische Staatsangehörigkeit beibehalten werden soll, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Dies geschieht auch dann, wenn die oder der Betroffene zwar Deutscher bleiben will, aber nicht rechtzeitig nachweist, dass die ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben wurde oder verloren ging“ (Worbs 2014: 17). Die Fraktionen der Oppositionsparteien Bündnis 90/ Die Grünen und DIE LINKE setzten sich bereits kurz nach der Konstituierung des neuen Bundestages in Anträgen und Gesetzentwürfen (Deutscher Bundestag 2013b, 2013c und 2014f) für eine rasche und vollständige Abschaffung der Optionsregelung und Lösungen für Betroffene, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit bereits verloren haben, ein (Worbs 2014: 58f.). Ein erster Arbeitsentwurf des Bundesministeriums des Innern von Anfang Februar 2014 sah zunächst vor, dass von der Wahl der Staatsangehörigkeit befreit werden sollte, wer entweder mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt hat (davon mindestens vier Jahre zwischen dem 10. und dem 16. Lebensjahr) oder einen deutschen Schulabschluss nachweisen kann. Nach Abstimmungsgesprächen mit dem Bundesministerium der Justiz wurde schließlich am 27. März 2014 ein Gesetzentwurf vorgelegt, der „in Deutschland aufgewachsen“ wie folgt definiert: bei Vollendung des 21. Lebensjahrs mindestens acht Jahre gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland oder sechs Jahre Schulbesuch in Deutschland oder ein deutscher Schul- oder Berufsabschluss. Personen mit einer zweiten Staatsangehörigkeit aus einem anderen EU-Staat oder der Schweiz sind nunmehr generell (also ohne den bisher notwendigen Antrag auf eine Beibehaltungsgenehmigung) von der Optionspflicht befreit. Eine Härtefallklausel soll zudem in Fällen, bei denen keines der genannten Kriterien zutrifft, sicherstellen, dass die Optionspflicht nicht greift, wenn der oder die Betroffene „einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und […] die Optionspflicht nach den Umständen des Falles eine besondere Härte bedeuten würde“ (Deutscher Bundestag 2014g). Nachdem der Bundestag den Gesetzentwurf am 3. Juli 2014 beschlossen hat und der Bundesrat in seiner 925. Sitzung am 19. September 2014 auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtete, ist das geänderte Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) am 20. Dezember 2014 in Kraft getreten. Trotz der Tatsache, dass der Großteil der bislang optionspflichtigen Personen damit künftig beide Staatsangehörigkeiten behalten kann,13 wurde der Grundsatz der Vermeidung 13 Der Bundesminister des Innern hat diesen Anteil bereits auf Basis des Gesetzentwurfs mit strengeren Kriterien auf 90 % geschätzt, vgl. http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-02/doppelte-staatsbuergerschaft-kritik-demaiziere-oezuguz (18.12.2014). 22 Politische, rechtliche und institutionelle Entwicklungen von Mehrstaatigkeit im deutschen Recht beibehalten. Einbürgerungsbewerber müssen damit weiterhin im Regelfall ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG), allerdings auch hier mit zahlreichen Ausnahmeregelungen (§ 12 StAG). Bundespräsident Gauck hat in einer vielbeachteten Rede am 22. Mai 2014 die doppelte Staatsangehörigkeit als „Ausdruck der Lebenswirklichkeit einer wachsenden Zahl von Menschen“ bezeichnet; niemand solle zu einem „lebensfremden Purismus“ gezwungen werden (Bundespräsidialamt 2014: 5; vgl. auch Hailbronner 2014, Langenfeld 2014, Oltmer 2014, Pfaff 2014). Diskussion um Entzug der Staatsangehörigkeit bei Einsatz für eine ausländische Terrororganisation Im Hinblick auf Personen, die aus Deutschland nach Syrien oder in den Irak ausreisen (wollen), um sich dort als Kämpfer dem „Islamischen Staat“ anzuschließen, gibt es Überlegungen, insbesondere Doppelstaatern den deutschen Pass zu entziehen. Damit wäre auch eine Abschiebung aus Deutschland möglich. Ein entsprechender Vorschlag kam u. a. vom bayerischen Innenminister Herrmann (CSU).14 Das Grundgesetz verbietet in Art. 16 Abs. 1 zwar den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit, ein Verlust ist jedoch auch gegen den Willen des Betroffenen möglich, sofern dieser dadurch nicht staatenlos wird.15 Die Innenministerkonferenz hat auf ihrer 200. Sitzung am 11./12. Dezember 2014 in Köln das Bundesministerium des Innern gebeten zu prüfen, „ob insbesondere durch Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes eine Verlustregelung geschaffen werden kann“. Diese würde bei „Teilnahme an Kampfhandlungen terroristischer Organisationen in Krisengebieten […] der erfolgten Abkehr des Betroffenen vom deutschen Rechtsstaat Rechnung tragen und könnte eine Wiedereinreise erschweren oder nach Strafverbüßung eine Ausweisung und Abschiebung ermöglichen“ (Innenministerkonferenz 2014: 4). 14 Vgl. http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/radikaleislamisten-bayerns-innenminister-herrmann-fordertabschiebung-von-salafisten-13229573.html (18.12.2014). 15 Anders als beim Verlust der Staatsangehörigkeit, steht bei einer Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung in der Regel nicht entgegen, dass die betreffende Person dadurch staatenlos wird (§ 35 Abs. 2 StAG). Zugang zu Integrationskursen für EU-Bürger, Ausländer mit humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Aufenthaltserlaubnissen, Asylbewerber und Geduldete Bereits am 19. Dezember 2013 legte der Bundesrat den „Entwurf eines Gesetzes zur Öffnung der Integrationskurse für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, Ausländerinnen und Ausländer mit humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Aufenthaltserlaubnissen sowie für Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren und Geduldete“ vor. Dagegen sah die Bundesregierung hierzu keine Notwendigkeit, da EU-Bürger und Drittstaatsangehörige mit humanitären, politischen oder völkerrechtlichen Aufenthaltstiteln ohnehin im Rahmen verfügbarer Kursplätze zu den Integrationskursen zugelassen würden. Im Unterschied zu diesen Personengruppen ist der Aufenthalt von Asylsuchenden und Geduldeten nicht auf Dauer angelegt, weshalb bei diesen Personengruppen die Voraussetzung zur Teilnahme an Integrationskursen nicht gegeben sei. Jedoch soll der Gesetzentwurf dahingehend geprüft werden, inwieweit die Vorgaben bei dem im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ziel behilflich sein könnten, Asylbewerbern und Geduldeten einen frühen Spracherwerb zu ermöglichen (Deutscher Bundestag 2014l: 12). Nach Auffassung des BMI könne bei Personen mit humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Aufenthaltserlaubnissen ein Teilnahmeanspruch als „möglicherweise sinnvoll“ erachtet werden (BMI 2014h: 10). In Hinblick auf Asylbewerber und Geduldete wird eine Öffnung der Integrationskurse aus Kostengründen hingegen vorerst ausgeschlossen. 23 Legale Zuwanderung und Mobilität 3 Legale Zuwanderung und Mobilität 3.1 Erwerbsmigration 3.1.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, den aktuellen regionalen, berufsspezifischen und sektoralen Fachkräftebedarf vorrangig durch das inländische Erwerbspersonenpotenzial zu decken. Verstärkte Aus- und Weiterbildung inländischer Arbeitskräfte, die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Menschen, die Senkung der beruflichen und akademischen Abbrecherquoten und die Qualifizierung der bereits in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund gehören zu den entsprechenden Handlungsfeldern. Zuwanderung aus der Europäischen Union und Drittstaaten soll laut Bundesregierung ergänzend erfolgen, da davon auszugehen ist, dass der Bedarf an Fachkräften auch durch eine bessere Mobilisierung des inländischen Erwerbspersonenpotenzials nicht vollständig gedeckt werden kann (BMAS 2015). Die §§ 16 bis 21 AufenthG sowie die Beschäftigungsverordnung eröffnen zahlreiche Wege für teils dauerhafte, teils temporäre Aufenthalte von Drittstaatsangehörigen in Deutschland zum Zweck der Erwerbstätigkeit, etwa für ausländische Werkvertragsarbeitnehmer, Absolventen deutscher Hochschulen und Berufsausbildungen, Fachkräfte, Hochqualifizierte, Forscher und Selbständige. Nachdem es bereits 2009 zu zahlreichen Neuerungen u. a. durch das Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz gekommen war (BAMF/EMN 2010: 25–27), trat am 1. August 2012 das Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union in Kraft, mit dem die Blaue Karte EU als Aufenthaltstitel in Deutschland eingeführt und der Arbeitsmarktzugang für Hochqualifizierte sowie ausländische Studierende erleichtert wurde (BAMF/EMN 2013: 23). Die Blaue Karte EU hat sich dabei zu einem aufenthaltsrechtlichen Zuwanderungsinstrument ent- wickelt, das sich wachsender Nachfrage erfreut. Waren am 31. Dezember 2013 13.551 Drittstaatsangehörige mit einer Blauen Karte EU in Deutschland aufhältig, so stieg ihre Zahl bis zum 31. Dezember 2014 auf 20.421. 3.1.2 Nationale Entwicklungen Landesgesetzgebung zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen Bereits am 1. April 2012 war das „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ (sog. Anerkennungsgesetz, BQFG) in Kraft getreten (BAMF/EMN 2013: 22f.). Damit wurden erstmalig ein allgemeiner Rechtsanspruch auf Überprüfung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Berufsabschlusses mit dem deutschen Referenzberuf auf Bundesebene geschaffen und die Verfahren sowie Kriterien für die bundesrechtlich geregelten Berufe vereinheitlicht und erweitert. Das Statistische Bundesamt hat am 12. Dezember 2014 die Zahlen für Anerkennungsverfahren für 2013 veröffentlicht. Demnach wurden 2013 bundesweit 11.868 im Ausland erworbene Berufsabschlüsse als vollständig oder eingeschränkt gleichwertig anerkannt. Insgesamt sind im Jahr 2013 16.695 Anerkennungsverfahren bearbeitet worden. 1.476 wurden negativ beschieden, bei 3.348 Anträgen stand eine Entscheidung zu Beginn des Jahres 2014 noch aus. Der überwiegende Teil der bearbeiteten Anerkennungsverfahren betraf dabei medizinische Berufe. Von 11.868 positiv beschiedenen Anträgen entfielen allein 6.030 auf Ärzte, 2.403 weitere auf Gesundheits- und Krankenpfleger. Neben dem Bund haben mittlerweile auch alle Bundesländer Gesetze zur Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen für die landesrechtlich geregelten Berufe (bspw. Lehrer, Erzieher, Ingenieure, 24 Legale Zuwanderung und Mobilität Sozialpädagogen, etc.) erlassen: Hamburg (1. August 2012), Saarland (1. Dezember 2012), Niedersachsen (19. Dezember 2012), Hessen (21. Dezember 2012), Mecklenburg-Vorpommern (29. Dezember 2012), Nordrhein-Westfalen (15. Mai 2013), Bayern (1. August 2013), Rheinland-Pfalz (16. Oktober 2013), Brandenburg (1. Januar 2014), Sachsen (1. Januar 2014), Baden-Württemberg (11. Januar 2014), Bremen (5. Februar 2014), Berlin (19. Februar 2014), Thüringen (10. April 2014), Schleswig-Holstein (27. Juni 2014), Sachsen-Anhalt (1. Juli 2014).16 Die parallel zum Anerkennungsgesetz 2012 eingeführten Informations- und Beratungsangebote (BAMF/ EMN 2013: 23) zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen wurden in den Jahren 2013 und 2014 rege genutzt. Die Nachfrage nach derartigen Angeboten ist anhaltend hoch. Neben dem Online-Portal „www. anerkennung-in-deutschland.de“ wurde die zentrale Hotline des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) häufig von Interessierten aus dem In- und Ausland kontaktiert. Zwischen dem 2. April 2012 und 30. September 2014 hat es insgesamt 23.931 telefonische Beratungen zu 395 Referenzberufen mit Personen aus 164 verschiedenen Staaten gegeben. Zum Vergleich: Zum Stichtag 30. September 2013 waren es insgesamt 14.100 Beratungsgespräche mit Staatsangehörigen aus 147 Ländern.17 Rund ein Drittel aller Ratsuchenden verfügte dabei über Abschlüsse, die in der Russischen Föderation (8,9 Prozent), in Polen (8,6 Prozent), in der Türkei (6,4 Prozent), in Rumänien (4,9 Prozent) oder in der Ukraine (4,5 Prozent) erworben wurden.18 In den rund 40 Erstanlaufstellen, die im Rahmen des vom BMAS, BMBF und der BA getragenen Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung – IQ“19 gefördert werden, wurden den an einer Anerkennung ihrer Berufsqualifikation interessierten Ausländern Erstinformationen bereitgestellt (BAMF/EMN 2013: 23). Im Zeitraum zwischen dem 1. August 2012 und dem 30. September 2014 sind 32.674 Personen aus 165 Ländern zu 428 Referenzberufen von IQ-Anlaufstellen beraten worden. Da viele Interessenten mehrere Beratungskontakte hatten, liegt die Beratungsleistung mit insgesamt 48.951 Beratungskontakten weit darüber (1. August 2012 – 30. September 2013: 15.074 Personen aus 153 Ländern, 20.478 Beratungskontakte). Auch hier verfügte rund ein Drittel aller Ratsuchenden über Abschlüsse, die in der Russischen Föderation (11,5 Prozent), in Polen (11,4 Prozent), in der Ukraine (6,0 Prozent), in Rumänien (5,1 Prozent) oder in der Türkei (4,5 Prozent) erworben wurden.20 Die Koordination des vom BMAS ins Leben gerufenen Netzwerks ging 2014 auf das BAMF über. Im Rahmen der Demographie-Strategie der Bundesregierung hat am 1. Dezember 2014 die „Hotline Arbeiten und Leben in Deutschland“ den Servicebetrieb aufgenommen. Hierdurch wurde ein mehrsprachiges Angebot geschaffen, das zuwanderungsinteressierten Fachkräften, Studenten und Auszubildenden eine persönliche telefonische Beratung zu Themen wie Einreise, Aufenthalt, Ausbildungsmöglichkeiten, Arbeitsplatzsuche und Berufsanerkennung bietet. Hierzu wurde die Hotline des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mit der der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA) zusammengeschlossen.21 3.1.3 Entwicklungen mit Bezug zur EU Die für Bulgarien und Rumänien geltenden Übergangsfristen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit endeten am 31. Dezember 2013. Angehörige der beiden genannten Staaten genießen seit dem 1. Januar 2014 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit (Hanganu et al. 2014). Am 1. Juli 2013 ist die Republik Kroatien als 28. Mitgliedstaat der EU beigetreten. Die mit der EU-Mitgliedschaft einhergehende Arbeitnehmerfreizügigkeit ist von der Bundesregierung nach der sogenannten „2+3+2-Regelung“ eingeschränkt worden. Nach dieser 16 Vgl. https://www.bq-portal.de/de/seiten/bund-länderzuständigkeiten (08.01.2015). 17 Vgl. www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/891. php (25.02.2014). 18 Vgl. http://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/ de/daten_bamf_hotline.php (13.01.2015). 19 Vgl. www.netzwerk-iq.de (25.02.2014). 20 Vgl. http://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/ de/daten_beratung.php (12.01.2015). 21 Vgl. http://www.make-it-in-germany.com/de/fuer-fachkraefte/make-it-in-germany/hotline (15.01.2015). 25 Legale Zuwanderung und Mobilität Regelung kann die Gewährung der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit – gerechnet ab dem Beitrittszeitpunkt – um zunächst zwei, danach um weitere drei und gegebenenfalls um nochmals zwei Jahre hinausgeschoben werden. Die derzeitigen Einschränkungen gelten bis zum 30. Juni 2015. Für kroatische Staatsangehörige wurde für dieselbe Übergangsfrist auch die Dienstleistungsfreiheit für die Sektoren Baugewerbe, Gebäudereinigung und Innendekoration eingeschränkt (Deutscher Bundestag 2012a: 73ff.). 3.2 Familienzusammenführung 3.2.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Zum Schutz der Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG kann Ausländern der Aufenthalt in Deutschland bei ihren dort aufenthaltsberechtigten Angehörigen erlaubt werden. Die Einreise und der Aufenthalt ausländischer Ehegatten und Kinder sowie von Eltern und sonstigen Familienangehörigen von in Deutschland lebenden Personen sind in §§ 27-36 AufenthG geregelt. Um die Integration des Ehegatten in Deutschland zu erleichtern, müssen ausländische Ehepartner von in Deutschland lebenden Drittstaatsangehörigen und Deutschen seit September 2007 vor der Einreise nach Deutschland einfache Sprachkenntnisse nachweisen. Diese Regelung soll zugleich Zwangsheiraten verhindern. Beim Nachzug zu Personen aus bestimmten Ländern wird auf den Nachweis von Sprachkenntnissen verzichtet (bspw. Australien, Japan und die USA), gleiches gilt beim Nachzug zu in Deutschland aufenthaltsberechtigten Personen, die Inhaber bestimmter Aufenthaltstitel sind, etwa einer Blauen Karte EU. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 4. September 2012 in einem Grundsatzurteil entschieden, dass das gesetzliche Erfordernis des Nachweises deutscher Sprachkenntnisse beim Nachzug ausländischer Ehegatten zu Deutschen nur eingeschränkt gilt. Das Visum zum Ehegattennachzug muss demnach bereits dann ausgestellt werden, wenn Bemühungen zum Erwerb einfacher Sprachkenntnisse im Einzelfall nicht möglich, nicht zumutbar oder nicht innerhalb eines Jahres erfolgreich sind. Beim Nachzug von Ehegatten zu ausländischen Staatsangehörigen gelten diese Einschränkungen nicht, jedoch kann im Einzelfall eine unverhältnismäßige Trennung der Ehegatten zunächst durch Erteilung eines Aufenthalts- titels zum Spracherwerb im Bundesgebiet vermieden werden (BVerwG 10 C 12.12, Urt. v. 04.09.2012) (vgl. BAMF/EMN 2013: 24f.). Der Visumantragsteller muss in der deutschen Auslandsvertretung bereits vor der Einreise nach Deutschland einen Sprachnachweis über einfache Deutschkenntnisse auf der Kompetenzstufe A1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) erbringen (BAMF/EMN 2011: 25; BAMF/EMN 2012: 33; 41f.). 3.2.2 Nationale Entwicklungen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Abschaffung des erlaubnisfreien Aufenthalts für türkische Kinder Das Bundesverwaltungsgericht hat am 6. November 2014 entschieden, dass ein im Bundesgebiet geborenes Kind eines türkischen Arbeitnehmers, das nach der derzeitigen Rechtslage einer Aufenthaltserlaubnis bedarf (geregelt in § 33 AufenthG), sich nicht auf die früher geltende Befreiung von der Aufenthaltserlaubnispflicht berufen kann (BVerwG 1 C 4.14). Zwar verbietet das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei grundsätzlich eine nachteilige Veränderung der Rechtslage. Die Erstreckung der Aufenthaltserlaubnispflicht auf unter 16-jährige Ausländer ist jedoch durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses – hier die damit beabsichtigte effektive Zuwanderungskontrolle – gerechtfertigt (BVerwG 2014). 3.2.3 Entwicklungen mit Bezug zur EU Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Sprachnachweis im Herkunftsland für türkische Ehegatten Am 10. Juli 2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (C-138/13), dass das 2007 eingeführte Spracherfordernis beim Nachzug türkischer Ehegatten nicht mit der sog. Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei vereinbar ist (EuGH 2014). Die Stillhalteklausel verbietet die Einführung neuer Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit (d. h. Beschränkungen, die nicht schon bestanden, als diese Klausel am 1. Januar 1973 in Deutschland in Kraft trat). Der 2007 eingeführte Sprachnachweis im Herkunftsland erschwere die Familienzusammenführung und stelle deshalb eine neue Beschränkung der Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch die 26 Legale Zuwanderung und Mobilität türkischen Staatsangehörigen im Sinne dieser Klausel dar. Der EuGH hebt hervor, „dass die Familienzusammenführung ein unerlässliches Mittel zur Ermöglichung des Familienlebens türkischer Erwerbstätiger ist, die dem Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten angehören, und sowohl zur Verbesserung der Qualität ihres Aufenthalts als auch zur Förderung ihrer Integration in diesen Staaten beiträgt“. Der EuGH hält jedoch auch fest, dass die Einführung einer neuen Beschränkung zugelassen werden könne, sofern sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet ist, „die Erreichung des angestrebten legitimen Zieles zu erreichen“, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehe. Das BMI weist darauf hin, dass sich die Entscheidung des EuGH nur auf den Ehegattennachzug zu assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen beziehe. Der Sprachnachweis für drittstaatsangehörige Ehegatten sei auch nach dem Urteil des EuGH weiterhin mit Unionsrecht vereinbar (BMI 2014c). Der Verstoß gegen das Assoziierungsabkommen bestehe nach Auffassung des EuGH darin, dass bei der Entscheidung über den Nachweis einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache kein Raum für die Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalls besteht. Die Bundesregierung prüft derzeit Auswirkungen und Reichweite der Entscheidung des EuGH (Deutscher Bundestag 2014c: 4). Für eine Übergangszeit haben sich das Auswärtige Amt und das BMI auf einen an alle Auslandsvertretungen gerichteten Erlass geeinigt (Deutscher Bundestag 2014d: 7; 2014c: 3). Künftig wird ausländischen Ehegatten, die zu ihren assoziationsberechtigten türkischen Ehegatten nachziehen möchten, ein Visum ohne den Nachweis einfacher Deutschkenntnisse erteilt werden, wenn ein Härtefall vorliegt. Die Auslandsvertretungen werden in begründeten Einzelfällen Härten auch bei dem Zuzug zu sonstigen Ausländern angemessen Rechnung tragen. Ein Härtefall ist dann gegeben, wenn es dem ausländischen Ehegatten nicht zugemutet werden kann, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher deutscher Sprachkenntnisse zu unternehmen, oder es ihm trotz ernsthafter Bemühungen von einem Jahr Dauer nicht gelungen ist, das erforderliche Sprachniveau zu erreichen. Diese Entscheidung des EuGH stellt nach Ansicht der Bundesregierung kein unmittelbares Präjudiz für die Frage nach der Vereinbarkeit des Sprachnachwei- ses mit der Familienzusammenführungsrichtlinie (2003/86/EG) dar (Deutscher Bundestag 2014c: 5). 3.3 Studierende und Forscher 3.3.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Studierende Ausländische Studierende benötigen vor der Einreise nach Deutschland ein nationales Visum der zuständigen deutschen Auslandsvertretung. Davon ausgenommen sind neben Studierenden aus den Staaten der Europäischen Union auch Studierende aus Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, Neuseeland sowie den USA. Ausländische Studierende aus Drittstaaten müssen die Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken (§ 16 Abs. 1 AufenthG) erfüllen. Im Regelfall sind das der Zulassungsbescheid22 einer anerkannten deutschen Hochschule sowie Nachweise über die Finanzierung des ersten Studienjahrs und über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Für die Zulassung an einer Hochschule wird in der Regel ein Nachweis über vorhandene Kenntnisse der Unterrichtssprache verlangt (Mayer et al. 2012: 24ff.). Die Visa für ausländische Studierende werden in einem beschleunigten Verfahren erteilt. Das Visum bedarf zwar grundsätzlich der ausdrücklichen Zustimmung der für den künftigen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde. Sofern jedoch innerhalb einer Frist von drei Wochen und zwei Arbeitstagen (Verschweigefrist) diese Behörde gegenüber der Auslandsvertretung, bei der das Visum beantragt wurde, keine Bedenken erhebt, gilt die Zustimmung als erteilt und das Visum wird ausgestellt. In bestimmten Fällen ist keine Zustimmung erforderlich, z. B. bei Stipendiaten einer deutschen Wissenschaftsorganisation oder einer deutschen öffentlichen Stelle (Mayer et al. 2012: 24–28). 22 Wer noch auf den Zulassungsbescheid wartet oder eine Aufnahmeprüfung machen muss, hat die Möglichkeit, ein Studienbewerbervisum zu beantragen. In Deutschland angekommen, muss das Visum dann bei der Ausländerbehörde am Studienort vorgelegt werden, die es in eine Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken umwandelt. 27 Legale Zuwanderung und Mobilität Nach der Einreise wird dem ausländischen Studierenden eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Dabei umfasst der Zweck des Studiums im weiteren Sinn auch Sprachkurse und andere studienvorbereitende Maßnahmen. Die Zahl der an deutschen Hochschulen immatrikulierten ausländischen Studierenden ist in den letzten Jahren stetig gestiegen: Waren im Wintersemester 2012/13 rund 280.000 ausländische Studierende (Bildungsinländer und -ausländer) an deutschen Hochschulen eingeschrieben (StBA 2013a), waren es im Wintersemester 2013/14 bereits 301.350, von denen wiederum knapp die Hälfte (148.675) weiblich war (StBA 2014a: 13). Laut Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen (CDU/CSU/SPD 2013: 29) soll die Zahl bis 2020 auf 350.000 erhöht werden. Forscher Rechtsgrundlage für die Zuwanderung von Forschern aus Drittstaaten ist seit August 2007 § 20 AufenthG, mit dem die sog. EU-Forscherrichtlinie (RL 2007/71/ EG) umgesetzt wurde. Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Forschungszwecken ist eine wirksam abgeschlossene Aufnahmevereinbarung zur Durchführung eines Forschungsvorhabens mit einer vom BAMF akkreditierten Forschungseinrichtung (BAMF 2012: 91). Die Aufenthaltserlaubnis ist nicht an das durchzuführende Forschungsvorhaben gekoppelt und erlaubt Forschenden darüber hinaus auch Lehrtätigkeiten (§ 20 Abs. 6 AufenthG). Das Visum für eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 20 AufenthG wird in der Regel in einem beschleunigten Verfahren erteilt. Ehegatten von Forschern sind zur Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 27 Abs. 5 AufenthG). Die Zahl der zugewanderten Personen aus Drittstaaten, die ins Bundesgebiet eingereist sind und eine Aufenthaltserlaubnis zu Forschungszwecken (§ 20 Abs. 1 AufenthG) erhalten haben, ist laut Angaben des AZR von 64 im Jahr 2008 bis zum 31. Dezember 2013 auf insgesamt 826 gestiegen (BAMF 2013a). Die Gesamtpersonenzahl stieg im Jahr 2014 um 216 Personen, so dass zum Stichtag 31. Dezember 2014 nach vorläufigen Angaben des AZR insgesamt 1.042 Forscher nach § 20 Abs. 1 AufenthG in Deutschland lebten, wovon 261 Personen nach dem 31. Dezember 2013 eingereist sind. Neben der Aufenthaltserlaubnis nach § 20 AufenthG werden Forschungstätigkeiten auch (und überwie- gend) im Rahmen eines Aufenthalts nach den §§ 16, 18, 19 oder 21 AufenthG ausgeübt (vgl. Klingert/Block 2013), seit dem 1. August 2012 auch auf der Basis einer Blauen Karte EU gemäß § 19a AufenthG (Beirat für Forschungsmigration 2013: 22). 3.3.2 Nationale Entwicklungen Auf nationaler Ebene sind in diesem Politikfeld für das Jahr 2014 keine rechtlich relevanten Entwicklungen zu verzeichnen. 3.4 Sonstige legale Migration 3.4.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Neben der Migration aus humanitären Gründen, zu Ausbildungs- und Erwerbszwecken sowie zu Zwecken der Familienzusammenführung bestehen auch für jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion und für deutsche Spätaussiedler Wege für eine Zuwanderung nach Deutschland. Jüdische Zuwanderer Seit 1990 nimmt Deutschland jüdische Zuwanderer und ihre Familienangehörigen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion auf.23 Dies ist vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung Deutschlands für den Holocaust zu sehen. Die Integration der Zuwanderer sowohl in die jüdischen Gemeinden als auch in die deutsche Gesellschaft soll gefördert werden. Aufnahmevoraussetzungen wie der Nachweis der jüdischen Herkunft, eine positive Integrationsprognose, Grundkenntnisse der deutschen Sprache und die Aufnahmemöglichkeit in einer jüdischen Gemeinde sollen die Zielerreichung gewährleisten. Ausnahmeregelungen bestehen für Opfer des Nationalsozialismus. Diese sind von der ansonsten verpflichtenden Integrationsprognose ebenso ausgenommen wie vom Nachweis von Deutschkenntnissen. Familienangehörige von Antragstellern können mit aufgenommen werden. Die Rechtsgrundlage für die Aufnahme jüdischer Zuwanderer ist § 23 Abs. 2 in Verbindung mit § 75 Nr. 8 23 Vgl. Beschluss des Ministerrats der DDR vom 11.07.1990, Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 09.01.1991. 28 Legale Zuwanderung und Mobilität AufenthG und der Anordnung (AO) des BMI vom 24. Mai 2007 sowie der Neufassung der AO BMI vom 21. Dezember 2011. § 23 Abs. 2 AufenthG gestattet es dem BMI unter Beteiligung der obersten Landesbehörden, Ausländer aus einem besonderen politischen Interesse aufzunehmen. Mit dieser Regelung wurde eine Rechtsgrundlage für die Aufnahme jüdischer Emigranten aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion geschaffen, um den Wegfall des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge auszugleichen (Storr 2008: Rn. 2). Die Zahl der in Deutschland aufgenommenen jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion ist seit dem Jahr 2002 stark rückläufig.24 Kamen im Jahr 2002 noch 19.262 jüdische Personen und ihre Familienangehörigen aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland, waren es 2014 nur noch 237 Personen (2013: 246). Gleichwohl sind die Anträge jüdischer Zuwanderer auf Aufnahme in Deutschland seit dem Jahr 2014 wegen der politischen Ereignisse in der Ukraine stark angestiegen. Es ist daher damit zu rechnen, dass dies zu einem Anstieg der nach Deutschland einreisenden jüdischen Zuwanderer führen wird. (Spät-)Aussiedler Seit 1950 sind über 4,5 Millionen (Spät-)Aussiedler25 einschließlich ihrer Familienangehörigen in Deutschland aufgenommen worden. Sie bilden eine der größten Zuwanderergruppen in der Bundesrepublik, was vor allem auf die hohen Zuzugszahlen während der 1990er Jahre zurückzuführen ist. Kamen im Jahr 1990 noch 397.073 (Spät-)Aussiedler nach Deutschland, so ist deren Zahl in den Folgejahren stark rückläufig gewesen. Ein vorläufiger Tiefpunkt der Zuwandererzahlen war 2012 mit 1.817 Personen erreicht (Worbs et al. 2013). Seitdem steigen die Zahlen wieder leicht an. 2013 sind 2.429 Spätaussiedler und deren Familienangehörige nach Deutschland gezogen, im Jahr 2014 waren es insgesamt 5.649. Davon kamen 5.613 aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, 23 aus Polen und 13 aus Rumänien.26 24 Eine Ausnahme bildet lediglich das Jahr 2006. 25 Bis Ende 1992 zugewanderte Personen werden als Aussiedler bezeichnet, alle danach gekommenen als Spätaussiedler. Grundlage dieser Unterscheidung ist das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG). 26 Vgl. http://www.bund-der-vertriebenen.de/infopool/spaetauss1.php3 (02.02.2015). 3.4.2 Nationale Entwicklungen In diesem Bereich sind für das Jahr 2014 keine Entwicklungen zu verzeichnen. 3.5 Integration 3.5.1 Hintergrund und Kontext Integration ist eine Querschnittsaufgabe und bildet einen politischen Schwerpunkt der Bundesregierung. Die Grundsatzzuständigkeit für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Zuwanderung und Integration fällt in den Aufgabenbereich des Bundesministeriums des Innern (BMI). Daneben sind auch weitere Ministerien zuständig: insbesondere das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Der Bund hat im föderalen Gefüge der Staatsaufgaben in erster Linie gesetzgeberische Funktionen, führt jedoch außerdem konkrete, operative Integrationsmaßnahmen durch, z. B. durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Bundespolitische Schritte werden überdies durch strategische Gesamtkonzepte und Leitlinien der Bundesländer flankiert. Auch die Kommunen treten als wichtige Akteure bei der Ermöglichung von Teilhabe in Erscheinung (BAMF/EMN 2012). Mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz wurden zum ersten Mal Integrationsangebote auf Bundesebene gesetzlich verankert (§§ 4345 AufenthG). Integration wird in Deutschland als Aufgabe verstanden, für die sowohl der Bund als auch die Länder und Kommunen Verantwortung übernehmen. Mit dem ersten Integrationsgipfel im Jahr 2006 und dem „Nationalen Aktionsplan Integration“ (2012) wurde eine Reihe wesentlicher Handlungsfelder für die Integrationsarbeit auf Bundesebene identifiziert. Damit einher ging eine Ergänzung der bis dahin leitenden Vorstellung einer einseitigen Integrationsleistung der Zugewanderten an die aufnehmende Gesellschaft. Die aufnehmende Gesellschaft selbst sowie die strukturellen und institutionellen Voraussetzungen zur Teilhabe werden seither in die Integrationsarbeit stärker mit einbezogen, etwa bei der Verwirklichung von Chancengerechtigkeit im Bildungssystem und am Ausbildungs-, Arbeits- und Wohnungsmarkt, indem 29 Legale Zuwanderung und Mobilität interkulturelle Kompetenzen gestärkt und der Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund in Schule, Verwaltung und Unternehmen gefördert werden. Im Jahr 2006 wurde die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) eingerichtet und das Antidiskriminierungsgesetz trat in Kraft. Dieses umfasst auch ethnisch und religiös motivierte Diskriminierung. Mehr als ein Viertel aller Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle betreffen die Themen Rassismus und ethnische Herkunft (ADS 2014: 2). Die ADS informiert Betroffene u. a. über Ansprüche, zeigt Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens im Rahmen gesetzlicher Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen auf, vermittelt Beratungen durch andere Stellen und strebt eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten an (ADS 2015). Integrationskurs Um ihre Teilhabe an der Gesellschaft zu unterstützen, erhalten alle legal Zugewanderten mit auf Dauer angelegtem Aufenthalt die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Integrationskurs als staatliches Grundangebot.27 Neben dem allgemeinen Integrationskurs, der einen 600-stündigen Sprachkurs und einen 60-stündigen Orientierungskurs umfasst, gibt es Integrationskurse für Analphabeten, Frauen/Eltern und Jugendliche sowie Förderkurse mit einem 900-stündigen Sprachkurs und 60-stündigen Orientierungskurs. Wird die Abschlussprüfung des Sprachkurses nicht bestanden, besteht die Möglichkeit, an weiteren 300 geförderten Unterrichtsstunden teilzunehmen. Daneben stehen sog. Intensivkurse für Zugewanderte bereit, die z. B. einen Schul- oder Ausbildungsabschluss vorweisen können, der der Hochschulreife in Deutschland entspricht oder die eine zeitnahe Arbeitsaufnahme anstreben (vgl. BAMF 2013g: 10). Der Intensivkurs umfasst 400 Stunden Sprachkurs und 30 Stunden Orientierungskurs. Die Integrationskurse werden bundesweit von ca. 1.300 Trägern durchgeführt (v. a. von Volkshochschulen, privaten Sprach- und Fachschulen, 27 Die genauen Bedingungen für die Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs sind in §§ 44 und 44a AufenthG festgelegt. Neben Neuzuwanderern können auch bereits im Inland lebende Migranten und deutsche Staatsangehörige einen solchen Kurs besuchen. Unter bestimmten Voraussetzungen – insb. bei Bezug einer Grundsicherung für Arbeitsuchende oder bei besonderer Integrationsbedürftigkeit – können Personen zudem zur Teilnahme verpflichtet werden. Teilnehmer zahlen in der Regel einen Beitrag von 1,20 Euro pro Stunde, werden unter bestimmten Voraussetzungen aber davon befreit. Bildungsstätten, Initiativgruppen und kirchlichen Trägern). Von 2005 bis Mitte 2014 haben über eine Million Personen einen Integrationskurs begonnen – inkl. Kurs-Wiederholern waren es 1,2 Millionen Teilnehmende (BAMF 2014f: 2). Insgesamt wurden für die Integrationskurse von Anfang 2005 bis Ende 2014 1,75 Mrd. € ausgegeben. Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) Die MBE ist ein den Integrationskurs ergänzendes, zeitlich befristetes, individuelles, bedarfsorientiertes Grundberatungsangebot, das mit dem Aufenthaltsgesetz 2005 flächendeckend eingerichtet wurde (§ 75 Nr. 9 i. V. m. § 45 Satz 1 AufenthG). Zu den Klienten der MBE zählen Neuzuwanderer über 27 Jahre. Bei einem „nachholenden Integrationsbedarf“ werden auch bereits länger hier lebende Zuwanderer in der MBE beraten. Die Schwerpunktsetzung der Migrationsberatung liegt auf der Initiierung und Unterstützung des Integrationsprozesses durch eine professionelle Einzelfallberatung. Sie dient dazu, die Kompetenzen der Zuwanderer festzustellen, mit ihnen gemeinsam einen individuellen Förderplan zu erstellen und dessen Umsetzung zu begleiten. Mit der Durchführung der MBE sind die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege28 und der Bund der Vertriebenen beauftragt. Sie erhalten dafür Fördermittel aus dem Bundeshaushalt. In den Jahren 2013 und 2014 wurden im Bundeshaushalt rund 26 Mio. Euro für die MBE veranschlagt.29 Bundesweit gab es im Jahr 2013 581 Beratungseinrichtungen, die fast 240.000 Beratungsgespräche durchführten. Die Hauptherkunftsländer der beratenen Personen waren die Türkei (15 %), Russland (11 %) und Polen (6 %). Zu Beginn der Beratung waren 47 Prozent der beratenen Personen mehr als fünf Jahre in Deutschland aufhältig (BAMF 2014g: 16f.). Jugendmigrationsdienste (JMD) Die Jugendmigrationsdienste (JMD) bieten migrationsspezifische Beratung und Betreuung für junge 28 Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband, Deutsches Rotes Kreuz, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband und Zentralwohlfahrtsstelle der Juden. 29 Vgl. http://www.bamf.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2013/20130503-0012-pressemitteilung-mbe. html (11.03.2014). 30 Legale Zuwanderung und Mobilität Menschen mit Migrationshintergrund bis zum Alter von 27 Jahren (§ 45 Satz 1 AufenthG/§ 9 Abs. 1 Satz 4 BVFG) an. Die Einrichtungen sind zuständig für die sozialpädagogische Begleitung vor, während und nach den Integrationskursen und unterstützen junge Migranten bei ihrer sozialen und beruflichen Integration. Die JMD sind Teil der Initiative JUGEND STÄRKEN (Grundlage: §§ 83; 13 SGB VIII). Unter dem Dach dieser Initiative bieten vier Programme an 800 Standorten in Deutschland individuelle Unterstützung zur besseren Integration von sozial benachteiligten jungen Menschen, die von Regelangeboten nicht (mehr) erreicht werden und in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind. Ergänzt wird die Begleitung durch ein breites Spektrum an spezifischen Gruppenmaßnahmen, z. B. sportliche, kulturelle und handwerkliche Angebote sowie Sprachergänzungsmaßnahmen und Bewerbungstrainings. Projekte zur Förderung der Integration von Zuwanderern Die Bundesregierung fördert Projekte zur sozialen und gesellschaftlichen Integration von Zuwanderern. Die Projekte sollen die gesetzlichen Integrationsangebote des Bundes, wie Integrationskurse und Migrationsberatung, ergänzen. Sie setzen dort an, wo alltägliche Kontaktmöglichkeiten zwischen Zugewanderten und Aufnahmegesellschaft bestehen, etwa im Wohnumfeld und den dazugehörigen Einrichtungen und Vereinen. Durch die Projektarbeit vor Ort sollen gezielt Begegnungsmöglichkeiten zwischen Zuwanderern und Einheimischen geschaffen, die gegenseitige Akzeptanz verbessert und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Weitere Ziele sind, die individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten der Zuwanderer zu stärken und ihre gesellschaftliche Teilhabe zu unterstützen. Da eine nachhaltige Integration nur gelingen kann, wenn auch die Aufnahmegesellschaft Integrationsleistungen erbringt und eine grundsätzliche Offenheit, Toleranz und Nicht-Diskriminierung gegenüber Zugewanderten entwickelt, gilt es, auch mit Hilfe der Projektarbeit eine Kultur des Willkommens und der Anerkennung zu etablieren. Ziel einer „Willkommenskultur“ ist es, „die bestehenden strukturellen Rahmenbedingungen, die für Neuzuwandernde relevant sind, zu verbessern. Hierzu gehören beispielsweise Informations- und Beratungsangebote, Maßnahmen der Vorintegration im Herkunftsland oder die Optimierung des Einreiseverfahrens“ (Kolland/Kretzschmar 2014: 4). Neben der Willkommenskultur verweist die Anerkennungskultur „im Sinne eines wechselseitigen Integrationsverständnisses auf die interkulturelle Öffnung der Aufnahmegesellschaft mit dem Ziel, eine umfassende Anerkennung und Wertschätzung gegenüber den Leistungen und Qualifikationen von Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen. ‚Anerkennungskultur‘ betrifft demnach u. a. die Anerkennung kultureller und religiöser Vielfalt, den Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung in der Gesellschaft sowie die Förderung von Diversität“ (Kolland/Kretzschmar 2014: 4). Einen Baustein der Anerkennungskultur stellt das im Jahr 2012 in Kraft getretene Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) dar, das einen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren des ausländischen Bildungsabschlusses bzw. der Berufsausbildung beinhaltet. Die nationale Projektförderung erfolgt aus Haushaltsmitteln des BMI (für altersunabhängige Projekte) und des BMFSFJ (Projekte für Jugendliche und junge Erwachsene). Durchgeführt werden die Projekte von Verbänden, Vereinen, Migrantenorganisationen, Stiftungen, Initiativen sowie Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. 2014 wurden Projekte zur sozialen und gesellschaftlichen Integration von Zuwanderern mit insgesamt rund 20,4 Mio. Euro gefördert. Ein weiteres wichtiges Programm auf Bundesebene ist das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte und vom BAMF organisierte Programm zur berufsbezogenen Sprachförderung für Personen mit Migrationshintergrund, das seit 2007 besteht und in einer zweiten Periode bis zum Jahr 2020 gefördert wird.30 Die Zielgruppe umschließt arbeitssuchend gemeldete Personen mit Migrationshintergrund,31 die die Schulpflicht erfüllt und bereits einen Integrationskurs absolviert sowie ausreichende Deutschkenntnisse für eine Teilnahme am Programm erworben haben, die jedoch noch zu geringe Sprachkenntnisse haben und zu wenig qualifiziert sind, um einen Arbeitsplatz 30 Weitergehende Informationen zum Programm und der Förderperiode 2014-2020 finden sich Online: http:// www.bamf.de/DE/Infothek/ESFProgramm/Foerderperiode_2014-2020/foerderperiode_14-20-node.html (02.02.2015). 31 „ Staatsangehörigkeit und der Zeitpunkt der Zuwanderung sind egal – auch Spätaussiedler, in Deutschland geborene Personen, ausländische Familien und sogenannte Passdeutsche gehören dazu“ (BAMF 2015b). 31 Legale Zuwanderung und Mobilität zu finden. Auch Teilnehmer der Bundesprogramme „ESF-Integrationsrichtlinie Bund“ oder „ESF-Bundesprogramm für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge II“ können an ESF-BAMF-Kursen teilnehmen (BAMF 2015b). Finanzierung der Integrationsprojekte über den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) Seit dem 1. Januar 2014 werden Integrationsmaßnahmen für Drittstaatsangehörige u. a. über den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU gefördert (Artikel 8 bis 10 der VO 516/2014/EU). Die Förderperiode des AMIF umfasst die Jahre 2014-2020 und löst den SOLID-Fonds ab (2007-2013), zu dem der Europäische Flüchtlingsfonds (EFF), der Europäische Integrationsfonds (EIF) sowie der Europäische Rückkehrfonds (RF) gehören. Zahlreiche der über den SOLID-Fonds geförderten Projekte liefen 2014 aus bzw. werden 2015 auslaufen. Von den für die Förderperiode zur Verfügung stehenden 208 Mio. Euro sollen dem Integrationsbereich ca. 92 Mio. € zukommen (BAMF 2015e). In der zweiten Phase (2009 bis 2013) wurden drei Schwerpunkte bearbeitet: Unter dem Punkt „Institutionalisierte Kooperation und integrationsbezogene Projektarbeit fördern“ wurden die Einführung des islamischen Religionsunterrichts und die Entstehung der islamischen Theologie an deutschen Universitäten begleitet sowie gesellschafts- und sprachkundliche Fortbildungen von muslimischen und alevitischen32 Religionsbediensteten gefördert. Die Verbesserung der Teilhabe von Muslimen, etwa beim Zugang zum Arbeitsmarkt, wurde unter der Überschrift „Teilhabe und Geschlechtergerechtigkeit“ erörtert. Außerdem wurde hier der Einfluss von Religion auf Rollenbilder untersucht (vgl. Becher/El-Menour 2014). Im Schwerpunkt „Prävention von Extremismus, Radikalisierung und gesellschaftlicher Polarisierung“ wurden Maßnahmen gegen Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus und religiös begründetem Extremismus unter Muslimen entwickelt. Die DIK wird auch in der laufenden Legislaturperiode mit Neuerungen in Struktur, Teilnehmern und Themen fortgesetzt (s. Abschnitt 3.5.2). Nationaler Aktionsplan Integration Deutsche Islam Konferenz (DIK) Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) ist ein Dialogforum zwischen Staat und Muslimen in Deutschland auf Bundesebene. Die DIK wurde 2006 ins Leben gerufen mit dem Ziel, die religionsrechtliche Integration des Islams und gesellschaftliche Teilhabe der Muslime in Deutschland zu fördern. Auf staatlicher Seite sind neben dem Innenminister Vertreter fachlich betroffener Ressorts auf Bundesebene, von Länderfachkonferenzen sowie ausgewählter Kommunen beteiligt. Auf muslimischer Seite waren neben den Vertretern islamischer Dachverbände auch zehn muslimische Einzelpersonen geladen worden, die keinem Verband angehörten. Darüber hinaus nahmen Experten aus Wissenschaft und Praxis an den verschiedenen Arbeitsgruppen teil. In der ersten Phase 2006 bis 2009 wurden drei Themenschwerpunkte bearbeitet: „Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens“, „Religionsfragen im Verfassungsverständnis“ und „Wirtschaft und Medien als Brücke“. Außerdem wurden im Gesprächskreis „Sicherheit und Islamismus“ Kooperationsstrategien zwischen Muslimen und Sicherheitsbehörden diskutiert. Eines der wichtigsten Ergebnisse der ersten Phase war die Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ (Haug et al. 2009), die u. a. erstmals die Zahl der Muslime in Deutschland erhob (zwischen 3,8 und 4,3 Millionen). Mit dem Nationalen Integrationsplan (NIP) liegt seit 2007 ein integrationspolitisches Gesamtkonzept auf Bundesebene vor. An seiner Erstellung und Umsetzung waren Bund, Länder und Kommunen, aber auch Migrantenvertreter sowie viele nichtstaatliche Organisationen beteiligt. Mit dem Ziel einer stärkeren Überprüfbarkeit der Integrationsförderung wurde auf dem 5. Integrationsgipfel am 31. Januar 2012 der Nationale Aktionsplan Integration (NAP-I) vorgestellt. Strategische und operative Ziele sowie konkrete Einzelmaßnahmen sind in insgesamt elf Dialogforen unter Federführung der jeweils zuständigen Bundesressorts entwickelt worden. Daneben enthält der NAP-I auch Beiträge der Länder und Kommunen, die diese in Eigenverantwortung umsetzen. Maßnahmen des NAP-I wurden auch 2014 umgesetzt. 32 Das Alevitentum ist hier neben weiteren muslimischen Glaubensgemeinschaften gesondert aufgeführt, da mindestens ein Teil der alevitischen Glaubensangehörigen das Alevitentum als eigenständigen Glauben begreift und sich – anders als die verbreitete Fremdzuschreibung in der deutschen Öffentlichkeit – nicht als Muslime bezeichnet (Sökefeld 2008: 37; Haug et al. 2009: 22; Kaplan o. A.: 6; Engin 2014: 156). 32 Legale Zuwanderung und Mobilität Strukturelle Förderung von Migrantenorganisationen Siebter Integrationsgipfel, Allianz für Aus- und Weiterbildung und „wir sind bund“ Migrantenorganisationen (MO) gelten als Experten bei der bedarfsgerechten Ausgestaltung von Teilhabemöglichkeiten von Migranten vor Ort. Viele MO arbeiten jedoch ehrenamtlich mit relativ geringem Organisationsgrad und wenig personellen Ressourcen. Das Bundesamt fördert daher im Rahmen seiner nationalen Projektförderung seit dem 1. November 2013 insgesamt zehn Projekte, die den Aufbau von Strukturen und die Netzwerkbildung professionell arbeitender, bundesweit tätiger Migrantenorganisationen verfolgen. Am 1. Dezember 2014 lud das Bundeskanzleramt zum siebten Integrationsgipfel. Inhaltlich wurde der Fokus auf das Thema Ausbildung gelegt, wobei sowohl die Ausbildungsbeteiligung – insbesondere von Jugendlichen mit Migrationshintergrund – als auch die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe besprochen wurden (Bundesregierung 2014b). Hierzu sollen u. a. neben bewährten Mitteln wie der Berufseinstiegsbegleitung und Bildungsketten zusätzliche Maßnahmen entwickelt werden, um Jugendliche beim Berufseinstieg zu unterstützen. Auch Bundeskanzlerin Merkel (CDU) verurteilte in diesem Zusammenhang bestehende Diskriminierungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei Bewerbungsgesprächen und der Einstellungspraxis (Bundesregierung 2014b). Bundesinnenminister de Maizière unterstrich auf der Veranstaltung wiederum die Verantwortung des Bundes als Arbeitgeber: „Der Bund ist auch als Arbeitgeber gefordert, sich frühzeitig um seinen Nachwuchs zu kümmern. Wenn wir heute über Ausbildung von jungen Menschen reden, dann müssen wir dabei unser Augenmerk verstärkt auch auf diese Zielgruppe richten, damit der öffentliche Dienst aus der Mitte der Gesellschaft stammt“ (BAMF 2014h). Die Bundesverwaltung hat diesbezüglich bereits reagiert. So finden sich Informationen zu den wichtigsten Ausbildungsinhalten der 130 Ausbildungsberufe der Bundesverwaltung nicht nur in deutscher Sprache, sondern mittlerweile auch in sieben weiteren Sprachen.33 Die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration Özoğuz ergänzte, dass auch „die interkulturellen Kompetenzen bei Unternehmen und in der Verwaltung“ verbessert werden sollen, „um so Diskriminierungen entgegenzuwirken“ (Bundesregierung 2014b). 3.5.2 Nationale Entwicklungen Ausländerbehörden zu Willkommensbehörden Das BAMF fördert seit Oktober 2013 das zweijährige Modellprojekt „Ausländerbehörden – Willkommensbehörden“, an dem sich zehn Bundesländer beteiligen. Ziel des Projekts ist es, Ausländerbehörden auf dem Weg zu „Willkommensbehörden“ gemeinsam mit den beteiligten Ländern zu begleiten und zu unterstützen. Dies betrifft u. a. die Reorganisation interner Prozesse und Arbeitsabläufe, die Durchführung von Schulungen zur interkulturellen Kompetenz oder zur Rollenklärung im Spannungsfeld „Ordnungsbehörde – Willkommensbehörde“, die externe Vernetzung mit relevanten Akteuren vor Ort sowie die Vernetzung innerhalb der Verwaltung (BAMF o. A.). Auf ihrer Tagung vom 19.-20. März 2014 beschloss die Integrationsministerkonferenz einstimmig, „flächendeckend“ die interkulturelle Öffnung in Ausländerund Meldebehörden voranzutreiben und diese zu „Willkommensbehörden“ umzugestalten (Grote 2014a: 1). Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) Am 13. November 2014 wurde in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages zum Haushalt 2015 beschlossen, dass die Mittel der MBE von 26 Mio. Euro um 8 Mio. Euro auf insgesamt 34 Mio. Euro erhöht werden sollen (BMI 2014f.). Durch die Budgeterhöhung sollen bis zu 120 zusätzliche Beraterstellen geschaffen werden. Am 12. Dezember 2014 unterzeichneten Vertreter von Wirtschaft, Gewerkschaften und der Länder im BMWi die „Allianz für Aus- und Weiterbildung“. Ziel ist es u. a. „jungen Menschen mit migrationsbedingten Problemlagen […] eine betriebliche Berufsausbildung zu ermöglichen“. Die Allianz für Aus- und Weiterbildung löst dabei den zum Ende des Jahres 2014 ausgelaufenen „Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“ ab (BMWi 2014). 33 Arabisch, Englisch, Französisch, Polnisch, Russisch, Serbokroatisch und Türkisch (BAMF 2014a). 33 Legale Zuwanderung und Mobilität Projekt „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ Mit dem neuen Programm „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ wird das BMFSFJ seine Aktivitäten zur Steigerung der Erwerbsintegration von Müttern mit Migrationshintergrund forcieren. Als Teil der Fachkräftestrategie der Bundesregierung wird mit dem Programm das Ziel verfolgt, Mütter mit Migrationshintergrund am Arbeitsmarkt sichtbarer zu machen. Dafür sollen bundesweit im Zeitraum zwischen 2015 und 2020 rund 80 Projekte gefördert werden, die Mütter mit Migrationshintergrund auf ihrem beruflichen Weg individuell begleiten. Auch Asylbewerberinnen, die über einen nachrangigen Arbeitsmarktzugang verfügen, sollen Wege in den Arbeitsmarkt eröffnet werden. Neben einer gezielten Aktivierung, Beratung und Qualifizierung der Frauen sollen verstärkt auch Arbeitgeber für eine Beschäftigung von Müttern mit Migrationshintergrund gewonnen werden. Im Fokus des sechsjährigen Programms stehen zudem Maßnahmen auf struktureller Ebene mit dem Ziel, bestehende Arbeitsmarktinstrumente besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abzustimmen und die relevanten Arbeitsmarktakteure vor Ort besser zu vernetzen. Programm „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ Wie das BMFSFJ am 24. Juli 2014 bekannt gab, wird das seit 2011 bestehende Bundesprogramm „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ zunächst bis zum 31. Dezember 2015 fortgesetzt. Dabei sollen rund 4.000 Schwerpunkt-Kitas bundesweit gefördert werden, wofür der Bund zusätzlich rund 100 Mio. Euro jährlich zur Verfügung stellt (BMFSFJ 2014a). „Das Bundesprogramm will dazu beitragen, allen Kindern unabhängig von Herkunft und sozialen Rahmenbedingungen frühe Chancen auf Bildung und Teilhabe zu gewährleisten. In Schwerpunkt-Kitas soll das sprachliche Bildungsangebot insbesondere für Kinder unter drei Jahren, Kinder aus bildungsfernen Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund verbessert werden“ (BMFSFJ/Offensive Frühe Chancen 2014).34 Ein Unterstützungsfokus liegt auf dem Ausbau „alltagsintegrierter sprachlicher Bildung“ für die Kinder, wobei die Kitateams durch Sprachexperten beraten und begleitet werden (BMFSFJ 2013a). 34 Weitere Informationen finden sich auf der Programmhomepage: www.fruehe-chancen.de. Deutsche Islam Konferenz Die Fortsetzung der DIK in der 18. Legislaturperiode wurde im Koalitionsvertrag 2013 festgeschrieben. Zu Beginn des Jahres 2014 einigten sich der Bundesminister des Innern und die Vertreter der islamischen Spitzenverbände35 auf ein gemeinsames Arbeitsprogramm sowie neue Themen, Struktur und Ziele für die dritte Phase der DIK. Inhaltlich wird sich die DIK mit zwei Sachthemen beschäftigen, die die Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften betreffen: zunächst die Stärkung islamischer Wohlfahrtspflege und anschließend die Klärung organisatorischer Rahmenbedingungen zur Einführung islamischer Seelsorge in Bund, Ländern und Kommunen (Militär, Justizvollzugsanstalten, Krankenhäuser). Statt dem bisher jährlichen Plenum der DIK kommen die Vertreter nun etwa alle zwei Monate zu einem thematisch ausgerichteten Arbeitsausschuss zusammen. Ein Lenkungsausschuss, der aus Vertretern der islamischen Spitzenverbände sowie staatlichen Vertretern der betroffenen Ressorts aus Bund, Ländern und Kommunen besteht, beruft und besetzt den Arbeitsausschuss. Einzelpersonen nehmen nicht mehr teil, dafür werden gemeinsam ausgewählte Experten der jeweiligen Themen eingeladen. Der Lenkungsausschuss trifft sich wiederum einbis zweimal im Jahr, um die Ergebnisse des Arbeitsausschusses zu diskutieren und zu verkünden. Strukturelle Förderung von Migrantenorganisationen Ende September 2014 wurde vom BMFSFJ in Kooperation mit dem BMI die bundesweite, herkunftsübergreifende Dachorganisation der Migrantinnenorganisationen (DaMigra) gegründet, womit ein Beitrag zur sozialen und rechtlichen Gleichstellung von Migrantinnen und ihren Organisationen in Deutschland geleistet werden soll. Die Dachorganisation soll in erster Linie migrations- und frauenspezifische Themen auf bundespolitischer Ebene in den Medien und der brei- 35 An der DIK der aktuellen Legislaturperiode nehmen Vertreterinnen und Vertreter der folgenden Verbände und Organisationen teil: Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ), Alevitische Gemeinde Deutschlands (AABF), Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland - Zentralrat e. V. (IGBD), Islamische Gemeinschaft der Schiitischen Gemeinden in Deutschland (IGS), Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V. (IRD), Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD), Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), Zentralrat der Marokkaner in Deutschland e. V. (ZMaD, auch ZRMD), Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) (DIK 2014). 34 Legale Zuwanderung und Mobilität ten Öffentlichkeit vertreten sowie zur Vernetzung und Professionalisierung von Migrantenorganisationen beitragen (BMFSFJ 2014b). Desweiteren förderte das BMFSFJ von 2012 bis 2014 gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung das Projekt „MIGoVITA“ (Junge Menschen mit Migrationshintergrund: Vielfalt und Teilhabe am Übergang Schule-Beruf). Mit dem interkulturell angelegten Vorhaben erprobte die Otto Benecke Stiftung e.V. zusammen mit PHOENIX-Köln e. V., Amaro Drom e. V. und dem Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung, unter welchen Rahmenbedingungen Migrantenorganisationen verschiedener Bevölkerungsgruppen gemeinsam im Themenfeld Übergang Schule-Beruf qualifiziert werden können, um junge Migrantinnen und Migranten gezielter zu fördern und ihre Teilhabechancen zu verbessern. Die erfolgreichen Ansätze des Vorhabens sollen ab 2015 gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung in dem neuen Projekt „Junge Roma aktiv“ weiterentwickelt werden (BMI 2014i: 6). Zugang zu Integrationskursen für subsidiär Schutzberechtigte Um auch subsidiär Schutzberechtigten den Zugang zu Integrationskursen zu ermöglichen, wurde bereits 2013 § 44 Abs. 1 AufenthG dahingehend geändert, dass bei einer Aufenthaltserlaubnis von wenigstens einem Jahr ein Anspruch auf Zulassung zum Integrationskurs besteht. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Ausländerbehörden die Aufenthaltserlaubnis bei subsidiär Schutzberechtigten i. d. R. auf ein Jahr befristen (BAMF 2014d). 3.6 Staatsangehörigkeit und Einbürgerung 3.6.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Am 1. Januar 2000 wurde die Regelung über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach dem Abstammungsprinzip (ius sanguinis) um das Geburtsortsprinzip (ius soli) ergänzt. Seither erwerben in Deutschland geborene Kinder, deren beide Elternteile ausländische Staatsangehörige sind, bereits mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern sich mindestens ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig und gewöhnlich in Deutschland aufhält und über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügt. Diese Form des Staatsangehörigkeitserwerbs war bis zum 20. Dezember 2014 generell mit einer Optionspflicht verknüpft: Gemäß § 29 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) mussten sich die betreffenden Kinder nach dem Erreichen der Volljährigkeit und einem entsprechenden Hinweis der zuständigen Behörde bis zur Vollendung ihres 23. Lebensjahres zwischen der deutschen und der im Regelfall über ihre Eltern erworbenen ausländischen Staatsangehörigkeit entscheiden. Das Gleiche galt auch für nach dem 1. Januar 1990 geborene Kinder, die gemäß einer Übergangsregelung (§ 40b StAG) über einen im Jahr 2000 gestellten Antrag ihrer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung unter den Voraussetzungen des ius soli erworben haben.36 Mit der 2014 erfolgten gesetzlichen Neuregelung der Optionspflicht wird diese Entscheidungspflicht in Zukunft für die meisten Betroffenen entfallen, weil sie als „in Deutschland geboren und aufgewachsen“ gelten (s. auch Abschnitt 2.2). Neben dem ius soli können Ausländer, die bereits seit längerer Zeit rechtmäßig in Deutschland leben, die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erwerben. Eine Reihe von Bedingungen muss erfüllt sein, damit ein Anspruch auf Einbürgerung erwächst. Dazu gehören ein Aufenthaltsstatus (Aufenthaltsrecht oder Aufenthaltstitel) für einen auf Dauer angelegten Aufenthalt sowie acht (bei nachgewiesenen Integrationsleistungen: sieben bzw. sechs) Jahre rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland, Sicherung des Lebensunterhaltes aus eigener Kraft37 sowie keine Verurteilungen aufgrund von Straftaten (§ 10 Abs. 1 StAG). Die Einbürgerung von Drittstaatsangehörigen setzt grundsätzlich die Aufgabe bzw. den Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit voraus; es gibt jedoch zahlreiche gesetzliche Ausnahmetatbestände, etwa bei Personen aus Ländern, die in der Regel eine Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit verweigern (BAMF 2011). Für Einbürgerungswillige mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder der Schweiz besteht generell keine Verpflichtung, diese aufzugeben. 36 Für eine umfassende Analyse der bis Ende 2014 bestehenden Optionsregelung und des Entscheidungsverhaltens der davon betroffenen Personen siehe Worbs (2014). 37 Diese Voraussetzung muss nicht erfüllt sein, wenn die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht vom Ausländer zu vertreten ist. 35 Legale Zuwanderung und Mobilität Die Einbürgerung setzt weiterhin ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache voraus (Niveau B1 GER). Seit 1. September 2008 müssen Einbürgerungswillige zudem Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland in einem bundeseinheitlichen Einbürgerungstest nachweisen. Ausgenommen hiervon sind Personen mit deutschem Schulabschluss (Weinmann et al. 2012: 209). Abbildung 1 zeigt, dass die Zahl der Einbürgerungen zwischen den Jahren 2000 und 2013 von rund 186.700 auf rund 112.300 gesunken ist. Das ist ein Rückgang um knapp 40 %. Der Tiefpunkt lag im Jahr 2008 bei rund 94.500 Einbürgerungen. Danach ist die Zahl der Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, bis 2013 wieder leicht angestiegen (von 2010 auf 2011 um 5,2 % und von 2011 auf 2012 um 5,1 %; im Jahr 2013 gab es gegenüber dem Vorjahr praktisch keine Veränderung). Sie liegt seit 2010 wieder konstant über 100.000 Personen jährlich. ähnlichen Verlauf. Diese vom Statistischen Bundesamt berechnete Kennziffer bezieht die Zahl der Einbürgerungen im Inland auf die Zahl der Ausländer/-innen im Inland, die sich zu Beginn des Berichtsjahrs seit mindestens zehn Jahren in Deutschland aufhielten. Die Aufenthaltsdauer wird dabei vereinfachend mit dem Sachverhalt gleichgesetzt, dass alle Anforderungen für eine Einbürgerung erfüllt sind (StBA 2014b: 6). Analog zu den absoluten Zahlen ging auch das ausgeschöpfte Einbürgerungspotenzial zwischen den Jahren 2000 und 2013 von 4,9 % auf 2,4 % zurück; der Tiefpunkt von 2,1 % lag dabei ebenfalls im Jahr 2008 (s. Abbildung 2). Bei der Zahl der Einbürgerungen ist zu berücksichtigen, dass zwischen 2000 und 2012 etwa 460.200 Kinder ausländischer Eltern bereits durch Geburt in Deutschland kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben (ius soli) und somit eine Einbürgerung von vornherein entfallen ist (Worbs 2014: 79). Die Entwicklung des sog. ausgeschöpften Einbürgerungspotenzials (Abbildung 2) zeigt einen sehr Abbildung 1: Einbürgerungen in 1.000 Personen, 2000 - 2013 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: StBA (2014b) 36 Legale Zuwanderung und Mobilität Abbildung 2: Ausgeschöpftes Einbürgerungspotenzial in Prozent, 2000 - 2013 6 5 4 3 2 1 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: StBA (2014b) 3.6.2 Nationale Entwicklungen Einbürgerungskampagnen und Informationskampagne zur gesetzlichen Neuregelung der Optionspflicht Auch im Jahr 2014 haben wieder mehrere Bundesländer Einbürgerungskampagnen gestartet bzw. fortgesetzt. Sie werben damit bei Ausländern, die die rechtlichen Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erfüllen, für einen Antrag auf Einbürgerung. Dies gilt unter anderem für die Kampagne „Deine Stadt. Dein Land. Dein Pass“ des Berliner Senats,38 die baden-württembergische Kampagne „Deutsche Sprache. Deutsche Vielfalt. Deutscher Pass“,39 die rheinland-pfälzische Einbürgerungsinitiative „Ja zur Einbürgerung!“40 und die Einbürgerungsoffensive des Landes Nordrhein-Westfalen41 unter dem Motto „Ja, ich will. Einbürgerung jetzt.“ In Hamburg läuft die Kampagne „Hamburg. Mein Hafen. Deutschland. Mein Zuhause“; seit 2011 werden schrittweise alle 137.000 potenziell Einbürgerungsberechtigten ab 38 Vgl. http://einbuergerung-jetzt.de (18.12.2014). 39 Vgl. http://www.mein-deutscher-pass.de/startseite.html (18.12.2014). 40 Vgl. http://www.einbuergerung.rlp.de/ (18.12.2014). 41 Vgl. http://www.integration.nrw.de/Einbuergerung/index.php (18.12.2014). 16 Jahren persönlich vom Ersten Bürgermeister angeschrieben, um sie für eine Einbürgerung zu interessieren.42 Auch ostdeutsche Bundesländer sind inzwischen auf diesem Gebiet aktiv, so Sachsen-Anhalt mit der Kampagne „Deine Wahl. Deine Heimat“.43 Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration hat zudem am 15. Dezember 2014 eine Online-Informationskampagne zur gesetzlichen Neuregelung der Optionspflicht gestartet. Unter dem Motto „Ein Leben. Zwei Pässe“ werden Betroffene und Angehörige informiert.44 Rechtsprechung zur Einbürgerung Das Bundesverwaltungsgericht hat am 5. Juni 2014 geurteilt, dass frühere Versäumnisse beim Spracherwerb kein Hinderungsgrund für eine Einbürgerung sind. Auslösend war der Fall einer 75-jährigen iranischen 42 Vgl. http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/ Downloads/Infothek/Themendossiers/TagungDeutscher-werden-2012/20120702-tagung-einbuergerung-7-celikkol-kersten.pdf?__blob=publicationFile (04.12.2014). 43 Vgl. http://www.einbuergerung.sachsen-anhalt.de/ (18.12.2014). 44 Vgl. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/IB/Artikel/Staatsangehoerigkeitskampagne/201412-16-kampagne-heimat-oder-herkunft.html;jsessionid= 7536DF729BE47A32FFB05230E151A70C.s2t2 (18.12.2014). 37 Legale Zuwanderung und Mobilität Staatsangehörigen, deren Einbürgerungsersuchen wiederholt wegen mangelnder deutscher Sprachkenntnisse abgelehnt wurden. Bei der Frau wurde ein Grad der Behinderung von 70 % festgestellt; eine amtsärztliche Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankungen und des Alters nicht in der Lage ist, eine schulische Einrichtung zu besuchen. Das Bundesverwaltungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass gemäß § 10 Abs. 6 StAG von den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG (u. a. ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache) schon dann abzusehen ist, „wenn der Ausländer diese im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag wegen einer Behinderung oder krankheits- oder altersbedingt nicht erfüllen kann. Unerheblich ist, ob er die geforderten Kenntnisse zu einem früheren Zeitpunkt hätte erwerben können.“45 In einem Urteil vom gleichen Tag entschied das Bundesverwaltungsgericht außerdem, dass die Verurteilung zu einer Jugendstrafe im Einbürgerungsverfahren auch dann zu berücksichtigen ist, wenn das Jugendgericht nachträglich die Beseitigung des Strafmakels angeordnet hat. Geklagt hatte in diesem Fall ein 31-jähriger türkischer Einbürgerungsbewerber. Die „Entmakelung“ hatte zwar zur Folge, dass die Registerbehörde der Staatsangehörigkeitsbehörde diese Verurteilung nicht mehr mitteilen durfte. Ein materielles Verwertungsverbot entsteht aber erst mit der Tilgung aus dem Register, die hier bei weiterer Straffreiheit erst 2017 erfolgen wird. Eine Verurteilung ist aber auch zu berücksichtigen, „wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde von ihr nicht durch Auskunft aus dem Bundeszentralregister, sondern auf anderem Wege rechtmäßig Kenntnis erlangt hat (hier: durch Beiziehung der Ausländerakte).“46 3.6.3 Entwicklungen mit Bezug zur EU Im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung der Optionspflicht (s. Abschnitt 2.2) sind seit dem 20. Dezember 2014 Betroffene dieser Regelung, deren zweite Staatsangehörigkeit die eines EU-Staates oder der 45 Vgl. http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=050614U10C2.14.0 (19.12.2014). 46 Vgl. http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=050614U10C4.14.0 (19.12.2014). Schweiz ist, generell von der Verpflichtung befreit, zwischen dieser und der deutschen Staatsangehörigkeit zu wählen. Der bisher notwendige Antrag auf eine Beibehaltungsgenehmigung entfällt. Damit erfolgt eine Angleichung an die bereits geltenden Regelungen bei der Einbürgerung. Für EU-Bürger, egal ob sie den deutschen Pass über das ius soli oder über Einbürgerung erworben haben, ist nunmehr generell die Beibehaltung ihrer anderen Staatsangehörigkeit erlaubt. Zugleich gibt es im Rahmen dieser gesetzlichen Neuregelung unterschiedliche Auffassungen, ob die Kriterien für „in Deutschland aufgewachsen“ und damit für eine Befreiung von der Optionspflicht unionsrechtskonform sind, sofern es sich um Betroffene handelt, die neben der deutschen noch eine Drittstaatsangehörigkeit besitzen. Dabei geht es insbesondere um das Kriterium eines achtjährigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalts, worin Kritiker eine Einschränkung der Freizügigkeit sehen. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht (Deutscher Bundestag 2014p). 3.7 Management von Migration und Mobilität 3.7.1 Kontrolle der Grenzen 3.7.1.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Seit am 21. Dezember 2007 die stationären Grenzkontrollen zwischen Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik sowie am 18. Dezember 2008 auch zwischen Deutschland und der Schweiz weggefallen sind, führt die Bundespolizei Außengrenzkontrollen nur noch an den internationalen Flughäfen sowie in den Seehäfen durch. An den Schengen-Binnengrenzen ist auch nach Wegfall der stationären Grenzkontrollen die Ausübung polizeilicher Befugnisse zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität nach Maßgabe des Schengener Grenzkodex ausdrücklich zulässig. Aufenthaltsrechtliche Kontrollen werden durch die Bundespolizei auf Basis konkreter Lageerkenntnisse und in Form von Stichproben darüber hinaus auch auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes, in Zügen sowie an Seehäfen wahrgenommen. Der Grenzschutz beinhaltet die Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreisen, die Bekämpfung der grenzüber- 38 Legale Zuwanderung und Mobilität schreitenden Schleusungskriminalität und weiterer im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Kriminalität stehender Deliktfelder. Die Kontrolle der Außengrenzen erfolgt auf Grundlage der Regularien des Schengener Grenzkodex. In Deutschland sind moderne Dokumentenlese- und Dokumentenprüfgeräte im Einsatz, die eine effiziente Überprüfung der Dokumentenechtheit auf Basis optischer und digitaler Merkmale ermöglichen. In Zukunft wird der Einsatz biometrischer Verfahren bei der Grenzkontrolle, insbesondere bei der Überprüfung der Identität von Dokumenteninhabern, eine immer wichtigere Rolle spielen (Visumkontrolle, Kontrolle von ePässen, automatisierte Grenzkontrollsysteme). Vor allem die Auslandsvertretungen und die Bundespolizei sind an der nationalen Umsetzung des europäischen Visa-Informationssystems (VIS) beteiligt (Parusel/Schneider 2012). 3.7.1.2 Nationale Entwicklungen Teil des integrierten Grenzmanagements zur Kontrolle der EU-Außengrenzen dar. Sie beinhaltet neben Personalentsendungen auch das Instrument der (grenz-) polizeilichen Aufbauhilfe. Diese umfasst im Wesentlichen Ausbildungshilfe im Rahmen von bilateralen Einzelmaßnahmen als auch EU-geförderten Projekten wie beispielsweise EUTwinning oder EU-TAIEX Projekte. Ziel dieser Maßnahmen – und damit auch konkreter Mehrwert für die Bundespolizei – ist die Verbesserung der Zusammenarbeit mit den jeweiligen ausländischen (Grenz-) Polizeibehörden unter Beachtung von migrationsrelevanten Schwerpunkten. Sie dient im Ergebnis dem Zweck, die grenzpolizeiliche Aufgabenwahrnehmung an der EU-Außengrenze effizienter durchzuführen und die illegale Migration (einschl. Binnenmigration) sowie internationale Schleuserkriminalität erfolgreicher bekämpfen zu können. Zudem werden die grenzpolizeilichen Strukturen in den Staaten gestärkt, die im Rahmen der grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung für die Bundespolizei von hoher Bedeutung sind. Ausbau des Grenzkontrollsystems EasyPASS Bis zum Ende des Jahres 2014 wurden an den Flughäfen München, Frankfurt a. M., Düsseldorf und Hamburg insgesamt 74 Kontrollspuren der automatisierten Grenzkontrolle (EasyPASS) in Betrieb genommen. In diesem Zeitraum nutzten über 2 Millionen Passagiere das EasyPASS-Kontrollsystem. Bis Ende 2015 sollen 140 solcher eGates an den Flughäfen München, Frankfurt a. M., Düsseldorf, Hamburg, Berlin-Tegel und Köln-Bonn in Betrieb sein. Grundlage von EasyPASS ist das im Reisepass sowie optional im deutschen Personalausweis gespeicherte Gesichtsbild. Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich der Grenzsicherung Die nationale Sicherheit lässt sich in Zeiten der Globalisierung nicht mehr allein innerhalb herkömmlicher Landesgrenzen gewährleisten, sondern setzt auch eine enge internationale (grenz-)polizeiliche Zusammenarbeit voraus. Die Zusammenarbeit der Bundespolizei mit Polizeibehörden der EU-Mitgliedstaaten und auch sogenannter Drittstaaten ist anlassbezogen auf die jeweils zuständigen Behörden mit grenzpolizeilichen Aufgaben oder Aufgaben der Luftsicherheitskontrolle ausgerichtet. Die grenzpolizeiliche Zusammenarbeit der Bundespolizei mit Drittstaaten stellt im Rahmen der eigenen Vorverlagerungsstrategie einen wichtigen Im Rahmen der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe (AHH) wurden im Jahr 2014 insgesamt 71 Ausbildungs- und 14 Ausstattungshilfemaßnahmen schwerpunktmäßig mit den südost- und osteuropäischen Staaten, der Arabischen Halbinsel sowie Nordafrika umgesetzt. 3.7.2 Frontex 3.7.2.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (FRONTEX) FRONTEX koordiniert unter Wahrung der nationalen Zuständigkeiten die operative Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen, unterstützt die Mitgliedstaaten als „Dienstleister“ bei der Ausbildung von nationalen Grenzschutzbeamten mit dem Ziel der Harmonisierung, erstellt Risikoanalysen und unterstützt die Mitgliedstaaten technisch und operativ, insbesondere durch gemeinsame Einsätze oder sonstige Dienstleistungen (Informationsnetzwerk „EUROSUR“, Forschung und Entwicklung, Studien/ Handlungsempfehlungen etc.). Legale Zuwanderung und Mobilität Dabei kommt der strikten Beachtung der Grund- und Menschenrechte, insbesondere der flüchtlingsrechtlichen Vorgaben, hohe Bedeutung zu. Seit 2013 befassen sich eine unabhängige Grundrechtsbeauftragte der Agentur und das Konsultativforum für Grundrechtsfragen mit der Beachtung der Grund- und Menschenrechte bei allen FRONTEX-Aktivitäten. Grundlage hierfür ist eine Änderung der FRONTEX-VO aus dem Jahr 2011 (VO 1168/2011/EU). Dies wird durch ein etabliertes, kritisches Berichtswesen, Monitoring und Einsatzevaluierungen mit daraus resultierenden Handlungsempfehlungen für Einsätze und Ausbildung oder ggf. Konsequenzen wie der Aussetzung oder Beendigung gemeinsamer Maßnahmen ergänzt. FRONTEX tritt mit großem Engagement dafür ein, dass die jeweils uneingeschränkt zuständigen, nationalen Behörden entsprechende Standards einhalten. 3.7.2.2 Entwicklungen mit Bezug zur EU Beteiligung an FRONTEX-Operationen Im Jahr 2014 hat sich Deutschland mit Beamten der Bundespolizei an ca. 5.000 Einsatztagen an FRONTEXkoordinierten Maßnahmen beteiligt. Schwerpunkte bildeten hierbei die Operationen Poseidon Land im Bereich der bulgarisch-türkischen Landgrenze sowie die Focal Point Operationen an EU-Land- und Luftaußengrenzen. EUROSUR Seit Oktober 2014 ist die Bundespolizei an das europäische Grenzüberwachungssystem EUROSUR angeschlossen, bei dem „Nationale Kontrollzentren“ der EU-Mitgliedstaaten, Islands, der Schweiz und Liechtensteins miteinander vernetzt werden. Die Einzelinformationen laufen im Hauptquartier von FRONTEX zusammen, wodurch ein Informationsaustausch über Grenzangelegenheiten quasi in Echtzeit ermöglicht wird. 39 40 Irreguläre Migration 4 Irreguläre Migration 4.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Der Umgang mit illegalen Wanderungsbewegungen in Deutschland47 umfasst vorbeugende Maßnahmen und Maßnahmen der Migrationskontrolle, etwa im Visumverfahren und bei der Sicherung der Außengrenzen, Maßnahmen der Rückkehrförderung bzw. der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht durch Abschiebungen und Zurückschiebungen, aber auch pragmatische Antworten auf die Situation unerlaubt aufhältiger Personen, deren Ausreisepflicht nicht durchgesetzt werden kann. Dazu gehören unter anderem die Erteilung von Aufenthaltstiteln an Geduldete sowie der erleichterte Zugang zu Schulbildung und Gesundheitsversorgung für irreguläre Migranten (Schneider 2012b). Die unerlaubte Einreise bzw. der unerlaubte Aufenthalt sind strafbar und werden grundsätzlich mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet. Strafbar macht sich ebenfalls, wer einen anderen zur unerlaubten Einreise bzw. zum unerlaubten Aufenthalt anstiftet bzw. dazu Hilfe leistet und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt oder wiederholt oder zu Gunsten von mehreren Ausländern handelt. Hiervon abgegrenzt werden jedoch Hilfeleistungen, die menschenrechtlich motiviert sind. Erfolgen die Einschleusungen gewerbs- und bandenmäßig oder wird dabei der Tod des Geschleusten verursacht, erfüllt dies einen Verbrechenstatbestand (§ 97 AufenthG) mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bei bandenmäßiger Einschleusung oder von nicht unter drei Jahren für Einschleusung mit Todesfolge. Personen, die im Rahmen ihres Berufes oder ihres sozial anerkannten Ehrenamts tätig sind (insbesondere Apotheker, Ärzte, Hebammen, Angehörige von Pflegeberufen, Psychiater, Seelsorger, Lehrer, Sozialarbeiter), werden in 47 Eine detaillierte Darstellung der deutschen Maßnahmen zur Verhinderung irregulärer Migration findet sich bei Schneider 2012b sowie BAMF/EMN 2012: 45ff. der Regel keine Beihilfe zu den o. g. Straftaten leisten, soweit sich ihre Handlungen objektiv auf die Erfüllung ihrer rechtlich festgelegten bzw. anerkannten berufsoder ehrenamtsspezifischen Pflichten beschränken (Nummer 95.1.4 AVwV-AufenthG). Zu den irregulär aufhältigen Personen zählen auch Personen mit einer Duldung (§ 60a AufenthG), da diese über keine Aufenthaltserlaubnis verfügen und prinzipiell ausreisepflichtig sind, die Abschiebung jedoch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Die Duldung bescheinigt, dass die Abschiebung vorerst ausgesetzt ist. Der 2011 geschaffene § 24a Abs. 1 AufenthG ermöglicht es allerdings, gut integrierten Jugendlichen, die lediglich im Besitz einer Duldung sind, unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Zu den Voraussetzungen gehört u. a., dass der Betreffende keine falschen Angaben hinsichtlich seiner Identität oder Staatsangehörigkeit macht. Den Ausländerbehörden steht bei der Aufenthaltsgewährung für „gut integrierte“ Jugendliche ein Ermessensspielraum zu, wenn die Identität des Antragstellers nicht geklärt ist. Zum deutschen System der Migrationskontrolle und der Verhinderung illegaler Migration gehören auch externe Kontrollen (z. B. über das Visumverfahren und Außengrenzkontrollen, s. Abschnitt 3.7) sowie ein System von internen Kontrollen der Aufenthaltserlaubnisse (Deutscher Bundestag 2011). Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Visumerteilung durch eine deutsche Auslandsvertretung ist die Bereitschaft des Visumantragstellers, vor Gültigkeitsablauf des Visums wieder in sein Herkunftsland zurückzukehren. Hinzu kommen Kontrollmechanismen, die über Datenaustausch, Arbeitsplatzüberprüfungen, enge Behördenkooperation und Übermittlungspflichten öffentlicher Stellen ablaufen. Besondere Bedeutung kommt auf nationaler Ebene dem Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM) zu, das Erkenntnisse zur allgemeinen und zur organisierten Kriminali- 41 Irreguläre Migration tät, insbesondere zur Schleusungskriminalität, zur illegalen Beschäftigung und zum Missbrauch von Sozialleistungen von den beteiligten Behörden und Stellen48 zusammenträgt und auswertet (BMI 2014m). Informationsgewinnung im Ausland betreibt die Bundespolizei durch den Einsatz von grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten sowie den Einsatz von Dokumenten- und Visumberatern in Herkunfts- bzw. Transitländern der illegal eingereisten Migranten. Ähnliches gilt für Liaison-Personal und Verbindungsbeamte des BAMF in ausgewählten EU- und Drittstaaten. Weiterer Bestandteil der Erkenntnisgewinnung ist die Zusammenarbeit mit FRONTEX und dem Europäischen Polizeiamt (Europol) durch Erarbeitung oder Übermittlung periodischer und/oder themenbezogener gemeinsamer Auswertungsprodukte. hat, hinreichende mündliche Deutschkenntnisse vorliegen und Kinder im schulpflichtigen Alter die Schule besuchen. Darüber hinaus muss sich der Ausländer zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Er muss seinen Lebensunterhalt überwiegend eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichern oder bei Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation muss zu erwarten stehen, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne des § 2 Absatz 3 sichern wird. Duldungen werden regelmäßig für Zeiträume zwischen drei und sechs Monaten erteilt. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b des Aufenthaltsgesetzes hätte eine Dauer von längstens zwei Jahren und könnte, wiederum bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, nach den allgemeinen Regeln verlängert werden“ (BMI 2014j: 8). Die Bundespolizei sowie die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs betrauten Behörden der Bundesländer Bayern und Hamburg sowie die Zollverwaltung registrierten im Jahr 2013 insgesamt 32.533 unerlaubt eingereiste Personen (2012: 25.670) 4.498 Personen (4.417) wurden zurückgeschoben (Kohls 2014: 17), während 3.856 Personen (3.829) bei ihrem Versuch der Einreise zurückgewiesen wurden (vgl. Abschnitt 5.2.2; auch Grote 2014b: 24). Arbeitsmarkterleichterungen für Geduldete 4.2 Nationale Entwicklungen 2014 wurde die Beschäftigungsverordnung (BeschV) überarbeitet, so dass Geduldeten die Arbeitsaufnahme erleichtert wird. Damit dürfen sie nach drei Monaten eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, vorausgesetzt die Bundesagentur für Arbeit stimmt dem zu (§ 32 Abs. 1 BeschV). Vollständig entfällt das Erfordernis einer Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit für die folgenden Berufsgruppen: „„ Hochschulabsolventen in Engpassberufen, die die Voraussetzungen für eine Blaue Karte EU erfüllen, oder Aufenthaltserlaubnis für Geduldete Die Bundesregierung beschloss am 3. Dezember 2014 einen Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung.49 Darin ist u. a. eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung vorgesehen. Neu geschaffen wird danach § 25b des Aufenthaltsgesetzes. „Für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis wird danach regelmäßig vorausgesetzt, dass sich der Ausländer seit acht beziehungsweise sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten 48 Am GASIM sind u. a. die folgenden Behörden beteiligt: Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Zoll - Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und auch Auswärtiges Amt. 49 Die Bundesregierung brachte den Gesetzentwurf am 06.03.2015 im Bundestag ein (vgl. Deutscher Bundestag 2015b). Die Ergebnisse des Gesetzgebungsverfahrens im Jahr 2015 werden im Politikbericht 2015 aufbereitet. „„ Fachkräfte, die eine anerkannte Ausbildung für einen Engpassberuf nach der Positivliste der Bundesagentur für Arbeit haben beziehungsweise an einer Maßnahme für die Berufsanerkennung teilnehmen. Ebenfalls entfällt die Vorrangprüfung bei Menschen, die sich seit 15 Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung in Deutschland aufhalten (§ 32 BeschV). Dagegen ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit grundsätzlich untersagt, wenn sich die/der Betreffende in das Bundesgebiet begeben hat, um Sozialleistungen zu beziehen oder das Abschiebehindernis selbst herbeigeführt oder zu vertreten hat (§ 33 BeschV). 42 Irreguläre Migration Untergetauchte Asylbewerber bzw. „Reiseschwund“ Im Jahr 2014 wurden bundesweit insgesamt 238.676 asylsuchende Personen innerhalb des Bundesgebietes nach Stellung ihres Asylgesuchs auf die einzelnen Erstaufnahmeeinrichtungen der Bundesländer verteilt. Die Zuordnung zur zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung erfolgt mithilfe des EASY-Systems (Erstverteilung von Asylbegehrenden). Bei der an die Erstaufnahmeeinrichtung angegliederten Außenstelle des BAMF ist der Asylantrag zu stellen (Müller 2013). Der Entscheidung, sich zu der Erstaufnahmeeinrichtung zu begeben, kamen im Jahr 2014 allerdings 17.470 Personen nicht nach, sondern tauchten nach Stellung des Asylgesuchs unter (sog. Reiseschwund). Diese Anzahl lässt jedoch keinen Rückschluss auf die sich dauerhaft irregulär in Deutschland aufhältigen Personen zu, da für einen Teil der untergetauchten Personen gelten dürfte, dass Deutschland als Transitland zur Weiterreise in einen anderen EUMitgliedstaat dient und sie nach einem Erstaufgriff in Deutschland die Phase der EASY-Verteilung nutzen, um zu ihrem eigentlichen Zielstaat zu gelangen (s. jedoch auch Scholz 2013). Ge- und verfälschte Grenzübertrittsdokumente Von Januar bis Oktober 2014 wurden von der Bundespolizei 3.285 Personen mit ge- oder verfälschten Grenzübertrittsdokumenten festgestellt (3.296 Personen im selben Zeitraum 2013). Diese Feststellungen betrafen überwiegend Personen aus Krisenregionen wie Somalia, Syrien, Eritrea und Afghanistan (vgl. auch physikalisch-technische Urkundenuntersuchung im BAMF, Kapitel 6.1.2). Anonyme Krankenscheine für illegal aufhältige Migranten Mit einem anonymen Krankenschein soll es illegal aufhältigen Migranten ermöglicht werden, sich in den jeweiligen Bundesländern ärztlich behandeln zu lassen, ohne wie bisher beim zuständigen Sozialträger einen Krankenschein beantragen zu müssen. Letztere sind in einem solchen Fall verpflichtet, die nicht aufenthaltsberechtigte Person an die Ausländerbehörde zu melden, was in der Folge zu einer Abschiebung der betreffenden Person führen kann. Aus diesem Grund vermeiden oder verzögern illegal aufhältige Personen oftmals notwendige medizinische Behandlungen, was laut Bundesärztekammer (BÄK) „zu einer Verschlimmerung und sogar Chronifizierung von Erkrankungen“ führen kann (BÄK 2013). Die von SPD und Bündnis 90/Die Grünen geführte Regierung in Niedersachsen hat aufgrund dessen Mitte 2014 Planungen für ein Modellprojekt zur Einführung des anonymen Krankenscheins in Göttingen begonnen, wobei auch die Oppositionsparteien CDU und FDP die Pläne befürworteten (HAZ 2014). Die aus den Parteien DIE LINKE, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen bestehende und seit Ende 2014 regierende Koalition in Thüringen legte in ihrem Koalitionsvertrag vom 20. November 2014 fest, sich ebenfalls „für die Einführung von anonymisierten Krankenscheinen für Menschen ohne Papiere im Rahmen eines Modellprojektes“ einzusetzen (DIE LINKE et al. 2014: 26). Kürzungen bei den Asylbewerberleistungen wegen nicht geleisteter „Ehrenerklärung“ Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) sind Anspruchseinschränkungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht zulässig, nur weil sich der ausreisepflichtige Betroffene weigert, im Rahmen der Botschaftsvorführung eine „Ehrenerklärung“ über die Freiwilligkeit der Rückkehr ins Herkunftsland zu unterzeichnen. Im vorliegenden Fall hatte sich eine malische Staatsangehörige, die sich geduldet in Deutschland aufhält, im Rahmen der Botschaftsvorführung zur Passbeschaffung geweigert, eine Erklärung zu unterzeichnen, nach der sie freiwillig in ihr Herkunftsland zurückkehren würde. Die Auslandsvertretung Malis stellt Reisedokumente nur gegen Vorlage einer Freiwilligkeitserklärung aus. Aufgrund ihrer Weigerung wurden der Betroffenen die Asylbewerberleistungen gekürzt. Diese Kürzung wurde durch das Gericht als rechtswidrig eingestuft, da niemand gezwungen werden könne, eine in der Sache freiwillige Erklärung abzugeben (BSG, Entscheidung vom 30.10.2014, B 7 AY 7). 43 Rückkehrmigration 5 Rückkehrmigration 5.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Rückkehrpolitik ist ein Steuerungsinstrument der Migrationspolitik. Zur Rückkehrpolitik gehören sowohl Maßnahmen zur Förderung der freiwilligen Rückkehr bzw. Weiterwanderung, der Reintegration sowie der Rückübernahme durch die Herkunftsländer (zur entwicklungspolitischen Bedeutung des Themas Reintegration s. Kapitel 9) als auch Maßnahmen zur zwangsweisen Rückführung (z. B. Zurückweisung, Zurückschiebung, Abschiebung und Überstellung im Rahmen der Dublin-Regularien). Die freiwillige Ausreise sowie die freiwillige Rückkehr haben dabei Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung, was sowohl im nationalen Recht (u. a. Aufenthaltsgesetz) als auch in verschiedenen EU-Richtlinien und Verordnungen festgelegt ist (z. B. Rückführungsrichtline 2008/115/ EG). Freiwillige Rückkehr Im Bereich der freiwilligen Rückkehr/Weiterwanderung verfügt Deutschland seit 1979 über das BundLänder-Rückkehrförderprogramm REAG – seit 1989 ergänzt durch GARP50. Das REAG/GARP-Programm bietet neben der Übernahme von Reisekosten auch Reisebeihilfen und Starthilfen zur Wiedereingliederung. Die Höhe der Fördersätze sowie die Liste der migrationspolitisch bedeutsamen Herkunftsstaaten werden jährlich vom BMI und den Bundesländern unter Berücksichtigung aktueller politischer Entwicklungen festgelegt. Leistungen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr bzw. Weiterwanderung können Leistungsberechtigte nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz, anerkannte Flüchtlinge, sonstige Ausländer, denen der Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen gewährt worden ist, sowie Opfer von Zwangsprostitution oder Menschenhandel 50 REAG: Reintegration and Emigration Program for Asylum-Seekers in Germany; GARP: Government Assisted Repatriation Program; s. a. Schneider/Kreienbrink (2009). beantragen. Ausschließlich die Reisekosten, jedoch keine Starthilfe und zusätzliche Reisebeihilfe erhalten Staatsangehörige aus „sicheren Drittstaaten“51 sowie europäischen Drittstaaten, d. h. Nicht-EU-Staaten, aus denen eine visumfreie Einreise in das Bundesgebiet möglich ist und deren Staatsangehörige nach dem Beginn der jeweiligen Visumfreiheit nach Deutschland eingereist sind52 (IOM 2014: 1). Ausgenommen von diesen Vorgaben sind Opfer von Menschenhandel, die im Rahmen des REAG/GARP-Programms auch dann unterstützt werden können, wenn sie aus Mitgliedstaaten der EU oder visafreien EU-Drittstaaten kommen. Des Weiteren kann eine Person nur einmal durch das REAG/GARP-Programm gefördert werden. Daneben existiert eine Vielzahl von Projekten, die die individuellen Bedürfnisse sowie die besonderen Umstände vor Ort in einigen Rückkehrländern berücksichtigen sollen. Beispielsweise sollen Kooperationen mit lokalen Partnerorganisationen den Rückkehrenden bei ihrer beruflichen und sozialen Wiedereingliederung helfen. Dabei steigt die Bedeutung gemeinsamer europäischer Maßnahmen und Projekte im Rückkehrbereich. So waren und sind transnationale Projekte zur gemeinsamen Reintegrationsförderung im Rückkehrland (z. B. ERIN – European Reintegration Instrument Network, s. u., oder das vornehmlich durch NGOs getragene ERSO-Projekt - European Reintegration Support Organisations) bzw. zur Vernetzung zuständiger Stellen (z. B. seit 2013: CSI – Common Support Initiative) wichtige Schritte zu einem harmonisierten Vorgehen. 51 Als „sichere Drittstaaten“ gelten die EU-Mitgliedsländer sowie Norwegen und die Schweiz (§ 26a Abs. 2 i. V. m. Anlage I zu § 26a AsylVfG). 52 „Dies gilt insbesondere für Staatsangehörige aus der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Montenegro und Serbien (Visumfreiheit seit 19.12.2009) sowie Bosnien und Herzegowina und Albanien (Visumfreiheit seit 15.12.2010) – vWEB-Staaten (visafreie Länder des Westlichen Balkans)“ (IOM 2014: 1). 44 Rückkehrmigration Neben den unterstützenden Maßnahmen zur freiwilligen Rückkehr bestehen zahlreiche Möglichkeiten für die zuständigen Behörden, eine Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen bzw. eine Einreise zu verweigern. Hierzu zählen die Zurückschiebung aus dem grenznahen Gebiet, die Abschiebung sowie die Überstellung im Dublin-Verfahren. Den verantwortlichen Behörden stehen dabei verschiedene Zwangsmaßnahmen zur Verfügung, die die Abschiebungshaft oder Alternativen zur Abschiebungshaft umfassen (vgl. im Detail Grote 2014b). AufenthG).53 Kommt die Person der Ausreisepflicht nicht nach, wurde eine Ausreisefrist nicht gewährt oder ist diese abgelaufen und die freiwillige Ausreise nicht gesichert „oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich“, so wird eine Abschiebung vollzogen (§ 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Für die (zwangsweise) Durchsetzung der Ausreisepflicht sind weitgehend die Bundesländer zuständig. Daneben ist die Bundespolizei gem. § 71 Abs. 3 Nr. 1 d AufenthG für die Rückführung zuständig. Zurückweisung, Zurückschiebung, Abschiebung und Überstellungen Mit einigen Herkunftsstaaten hat der Bund Rückübernahmeabkommen geschlossen, durch die die Verpflichtung zur Rückübernahme eigener Staatsangehöriger konkretisiert wird. Darüber hinaus enthalten die in den letzten Jahren geschlossenen Abkommen regelmäßig die an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte Verpflichtung zur Übernahme und Durchbeförderung von ausreisepflichtigen Personen, die nicht Staatsangehörige der jeweiligen Vertragspartner sind (Drittstaatsangehörige und staatenlose Personen). Damit entsprechen diese Abkommen den aktuellen EU-Standards. Daneben schließt auch die EU verstärkt Rückübernahmeabkommen für ihre Mitgliedstaaten mit Herkunftsstaaten ab.54 Die Einreise in die Bundesrepublik kann von den Grenzkontrollbehörden bereits an der Grenze verweigert werden, wenn ein Drittstaatsangehöriger über keine gültigen oder erforderlichen Grenzübertrittspapiere oder keinen entsprechenden Aufenthaltstitel verfügt und der Verdacht des Versuchs einer unerlaubten Einreise besteht (§ 14 AufenthG). Bestätigt sich der Verdacht, führt dies zur Zurückweisung nach § 15 AufenthG – also zu einer aufenthaltsverhindernden Maßnahme (Hailbronner 2014: Rn. 1088; Dienelt 2011: Rn. 2 und 3). Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme kann wiederum in unterschiedlichen Fallkonstellationen vollzogen werden, wobei zwischen Zurückschiebung, Abschiebung und Überstellung zu unterscheiden ist. Im Gegensatz zur Zurückweisung setzen die Zurückschiebung und die Abschiebung voraus, dass eine Person ohne gültige Aufenthaltsberechtigung bereits nach Deutschland eingereist ist und in Verbindung mit der unerlaubten Einreise aufgegriffen wird (§ 57 Abs. 1 AufenthG). Die Zurückschiebung wird allerdings nur dann zur Option, wenn die unerlaubte Einreise in einem 30-Kilometer-Korridor entlang der Grenze zu EU-Nachbarstaaten und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise geschieht. Ist eine Person hingegen bereits eingereist und länger aufhältig, aber nicht im Besitz gültiger Aufenthaltstitel, weil diese beispielsweise abgelaufen sind, ist sie grundsätzlich ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Der ausländische Staatsbürger muss „das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist“ verlassen, sofern er bei Aufgriff kein Asylgesuch stellt (§ 50 Abs. 2 5.2 Nationale Entwicklungen 5.2.1 Freiwillige Rückkehr Rückkehrförderung REAG/GARP Im Jahr 2014 wurden insgesamt 13.574 Förderungsbewilligungen zur freiwilligen Ausreise über das Programm REAG/GARP erteilt, davon 8.563 für abge- 53 „Für die Ausreise ist der ausreisepflichtigen Person grundsätzlich so viel Zeit zu geben, dass sie die Bundesrepublik Deutschland „freiwillig“ verlassen und die Ausreise entsprechend vorbereiten kann (vgl. Dienelt 2011: Rn. 12). In der Regel geht mit der Ausreiseverpflichtung eine Abschiebungsandrohung seitens der Ausländerbehörden einher, die wiederum eine Frist zur Ausreise zwischen sieben und 30 Tagen vorsieht (§ 59 AufenthG)“ (Grote 2014b: 17). 54 Eine Auflistung sämtlicher Rückübernahmeabkommen ist auf der Internetseite des Bundesministeriums des Innern veröffentlicht: http://www.bmi.bund.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Themen/MigrationIntegration/AsylZuwanderung/RueckkehrFluechtlinge. pdf?__blob=publicationFile (08.01.2015). 45 Rückkehrmigration lehnte Asylbewerber. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme um rund 31 % (2013: 10.375 Förderungsbewilligungen). Abbildung 3 zeigt, dass das Gros der Bewilligungen auf Staatsangehörige Serbiens entfiel (absolut: 3.990, d. h. rd. 29 % aller Bewilligungen) und auf die Russische Föderation (2.135, rd. 16 %). Weitere wichtige Gruppen unter den Rückkehrern waren Staatsangehörige der EJR Mazedonien (2.098: 15 %), Bosnien und Herzegowinas (1.249: 9 %) und Albaniens (1.042: 8 %). Abbildung 3: Förderungsbewilligungen REAG/GARP 2014 3.990 Serbien 2.135 Russische Föderation 2.098 1.249 1.042 504 338 273 182 155 1.608 Mazedonien, ehem. jugoslawische Republik Bosnien und Herzegowina Albanien Georgien Kosovo Iran, Islamische Republik Irak China Sonstige Quelle: IOM Deutschland 2015 Nationale Rückkehrprogramme Das Basisprogramm REAG/GARP bietet für zahlreiche Rückkehrländer Unterstützungshilfen an. Aus migrationspolitisch relevanten Gründen stehen für bestimmte Zielländer zusätzliche Reintegrationshilfen für einen erfolgreichen Neubeginn zur Verfügung. Im Kosovo wurde auch 2014 das 2009 aufgelegte Rückkehrprojekt „URA 2“ (albanisch für „Brücke“) weitergeführt. Das Projekt unterstützt freiwillig sowie zwangsweise rückgeführte Kosovaren aus Deutschland bei ihrer Wohnungsuche, der medizinischen Behandlung, ihrer beruflichen Fortbildung sowie Existenzgründung (BAMF 2014i). URA 2 wird ausschließlich national gefördert durch eine Kooperation zwischen dem Bund und den Bundesländern Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NordrheinWestfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. „Integplan“ ist ein Zusammenschluss (Netzwerk) von „Micado Migration“ (NGO) und den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Hauptziele dieses Netzwerkes sind die Bereitstellung qualifizierter Informationen für Rückkehrberatungsstellen, Kooperationen mit Organisationen in Drittstaaten sowie individuelle Unterstützungen für Rückkehrer. Dieses Projekt finanziert sich vorwiegend über europäische und nationale Mittel. Ferner erhalten freiwillige Rückkehrer in die autonome Republik Kurdistan (Nordirak) mit Unterstützung eines Vertragspartners (IOM) eine Sonderförderung, die die besonderen Umstände in einer Krisenregion berücksichtigt. Vor Ort tätige Mitarbeiter von IOM begleiten Rückkehrer bei ihrem Neuanfang. Rückkehrer 46 Rückkehrmigration in diese Region haben insbesondere Bedarf an sozialer und medizinischer Betreuung sowie einer beruflichen Wiedereingliederung in den dortigen (prosperierenden) Arbeitsmarkt. Dieses im Jahr 2012 begonnene Projekt hat bereits vielen Rückkehrern und ihren Familien eine neue Existenz verschafft, so dass eine Fortsetzung bis mindestens 2016 vorgesehen ist. In Berlin wurde auch 2014 die „Integrierte Rückkehrplanung Vietnam“ fortgeführt, die durch IOM durchgeführt wird. Jährlich können über diesen Weg 19 Vietnamesinnen und Vietnamesen bei einer freiwilligen Rückkehr, neben Leistungen aus dem REAG/GARP-Programm, zusätzlich bis zu 2.000 Euro für Sachleistungen zur erleichterten Reintegration zur Verfügung gestellt bekommen (vgl. IOM 2013). Finanziert wurde das Programm bis Ende 2014 zur Hälfte aus Mitteln des Europäischen Rückkehrfonds (ab 2015: Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds) sowie der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Für 2015 ist eine Erhöhung der zur Verfügung stehenden Plätze auf 30 Personen geplant. Transnationale Rückkehr- und Reintegrationsprogramme Deutschland beteiligte sich im Jahr 2014 unter anderem an dem transnationalen Rückkehr- und Reintegrationsprogramm ERIN (European Reintegration Instrument Network), das von sechs europäischen Partnerstaaten (Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Niederlande, Vereinigtes Königreich) sowie Norwegen mit Sonderstatus als Nicht-EU-Staat durchgeführt wird. Das zweijährige Projekt wird vorwiegend von der EU-Kommission gefördert und hat am 1. Juni 2014 begonnen. Seit Juni 2014 wird durch eine spezielle Budgetlinie (specific actions) der EU-Kommission die europäische Harmonisierung auf dem Gebiet der Rückkehrförderung gestärkt. Ziel ist eine hohe Beteiligung vieler Mitgliedstaaten an gemeinsamen Rückkehrmaßnahmen, um die Ausreisebereitschaft zu fördern und gleichzeitig die tatsächliche Reintegration mit geringen Hürden gelingen zu lassen. Vorbild ist hierbei wiederum das ERIN-Projekt, wo mit Hilfe eines Vertragspartners Rückkehrer bei ihrem Neuanfang aktiv unterstützt werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat hierzu bereits eine grundsätzliche Beteiligungserklärung abgegeben. Französisch-deutsche Rückkehr-Kooperation Das französisch-deutsche Projekt RACOB (Return Assistance in Armenia), das am 1. November 2012 ursprünglich als Pilotprojekt gestartet und für zwei Jahre aufgesetzt war, wurde bis zum 31. Dezember 2014 verlängert. Schwerpunkte des Projekts lagen in der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und der Hilfe zur Existenzgründung. Dabei wird die von der französischen Partnerbehörde Office Français de l´Immigration et de l´Intégration - OFII (Amt für Einwanderung und Integration) langjährig erprobte Reintegrationsinfrastruktur in Armenien auch für Rückkehrer aus Deutschland nutzbar gemacht (BAMF 2014a). 5.2.2 Zwangsweise Rückkehr Statistiken Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 10.884 Abschiebungen, 2.967 Zurückschiebungen und 3.612 Zurückweisungen vollzogen (vgl. zu den Vorjahren Tabelle 1). Tabelle 1: Anzahl der vollzogenen Abschiebungen, Zurückschiebungen und Zurückweisungen (2011 - 2014) 2011 2012 2013 2014 Abschiebungen 7.917 7.651 10.198 10.884 Zurückschiebungen 5.281 4.417 4.498 2.967 Zurückweisungen 3.378 3.829 3.856 3.612 Quelle: Deutscher Bundestag 2012b, 2013d, 2014r, 2015a 47 Rückkehrmigration Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung Am 3. Dezember 2014 beschloss die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung.55 Dieser umfasst auch mehrere Rechtsänderungen in Bezug auf die Durchsetzung zwangsweiser Rückkehr bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern (BMI 2014k). Die Änderungen betreffen unter anderem die Möglichkeiten zur Identitätsfeststellung bei ausländischen Staatsbürgern. So soll es laut Gesetzentwurf künftig ermöglicht werden, „Datenträger eines Ausländers auszulesen“, wobei „auch eine Rechtsgrundlage für die Abfrage von notwendigen Zugangsdaten bei Telekommunikationsdienstleistern im Gesetz verankert“ wird. Des Weiteren soll im Fall einer konkret terminierten und bevorstehenden Abschiebung die sog. „Kleine Sicherungshaft“ (§ 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) durch ein sog. „Ausreisegewahrsam“ von maximal vier Tagen ersetzt werden. Dies wird im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft vollzogen werden, von wo aus die Ausreise möglich ist (BMI 2014k: 16f.). Des Weiteren werden im Gesetzentwurf objektive Kriterien festgelegt, „die zu der Annahme Anlass geben können, dass sich der Ausländer einer Abschiebung bzw. Überstellung möglicherweise durch Flucht entziehen könnte“ (s. hierzu Abschnitt 5.3.2). Keine Abschiebungen nach Syrien Bereits 2011 haben die Bundesländer – einer Empfehlung des Bundesministeriums des Innern folgend – aufgrund der zu erwartenden humanitären Härten im Land Abschiebungen nach Syrien ausgesetzt. Die Aussetzung von Abschiebungen nach Syrien hatte auch 2014 Bestand. ration, Serbien, Türkei, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Pakistan und Ukraine. Ausgeschlossen von diesem Abschiebestopp sind allerdings straffällig gewordene Staatsbürger dieser Länder. In Bremen, wo im Jahr zuvor noch ein Winterabschiebestopp in Balkan-Staaten erlassen wurde, kündigte Innensenator Mäurer (SPD) für den Winter 2014/2015 keinen offiziellen Winterabschiebestopp an. Allerdings würde bis Ende März 2015 wohl dennoch niemand gezwungen, das Land zu verlassen (radiobremen 2014). 5.3 Entwicklungen mit Bezug zur EU 5.3.1 Freiwillige Rückkehr, Mobilitätspartnerschaften und Rückübernahmeabkommen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) Seit dem 01. Januar 2014 ersetzt der europäische Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) die seit 2007 bestehenden drei SOLID-Fonds56 Europäischer Flüchtlingsfonds (EFF), Europäischer Integrationsfonds (EIF) und Europäischer Rückkehrfonds (RF). Einer der AMIF-Förderschwerpunkte sind RückkehrProjekte. In diesem Bereich „wird der Fokus weiterhin auf der freiwilligen Rückkehr und stärker als bisher auf der Reintegration im Herkunftsland liegen. Deutschland wird hier auch transnationale Projekte wie ERIN zusammen mit anderen EU-Mitgliedstaaten weiterführen“ (BAMF 2015c). Die maximal geförderte Projektlaufzeit beträgt 36 Monate. Projekte werden grundsätzlich zu 75 % durch die EU kofinanziert, wobei die Mindestfördersumme pro Projekt und Jahr bei 100.000 Euro liegt. Mobilitätspartnerschaften Abschiebestopps im Winter 2014/2015 in einzelnen Bundesländern Wie bereits in den Vorjahren beschlossen die Innenminister Schleswig-Holsteins (SPD) sowie Thüringens (DIE LINKE) Anfang Dezember 2014 einen Abschiebestopp für den Winter 2014/2015. In beiden Bundesländern gilt dieser für ausreisepflichtige Staatsangehörige aus Afghanistan, Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Irak, Iran, Kosovo, EJR Mazedonien, Russische Föde- Am 3. März 2014 vereinbarten die EU und Tunesien (KOM 2014a) sowie am 9. Oktober 2014 die EU und Jordanien (KOM 2014b) sog. Mobilitätspartnerschaften.57 „Mobilitätspartnerschaften sind Teil der EU-Migrationspolitik, deren Grundlinien 2005 durch das Programm ‚Gesamtansatz für Migration und Mobilität‘ (GAMM) entstanden. In Kooperation 56 SOLID: Solidarität und Steuerung der Migrationsströme. 55 Die Bundesregierung brachte den Gesetzentwurf am 06.03.2015 im Bundestag ein (vgl. Deutscher Bundestag 2015b). Die Ergebnisse des Gesetzgebungsverfahrens im Jahr 2015 werden im Politikbericht 2015 aufbereitet. 57 Mobilitätspartnerschaften der EU bestehen bisher mit Kap Verde (2008), Moldau (2008), Georgien (2009), Armenien (2011), Aserbaidschan (2013) und Marokko (2013), wobei Deutschland außer bei Kap Verde und Aserbaidschan an allen Partnerschaften beteiligt ist. 48 Rückkehrmigration mit den Herkunftsländern von Migranten soll zum gegenseitigen Nutzen unter Wahrung des Flüchtlingsschutzes insbesondere die legale Migration optimiert und irregulärer Migration entgegengewirkt werden“ (Hitz 2014: 2). So sind in den aktuellen Vereinbarungen mit Tunesien und Jordanien u. a. Verhandlungen über Visa-Erleichterungen für tunesische Staatsbürger vorgesehen (KOM 2014c). In Bezug auf rückkehrpolitische Maßnahmen sind sowohl Abkommen zur Rückübernahme von illegal über Tunesien und Jordanien in die EU eingereiste Migranten (KOM 2014c) als auch effizientere Reintegrationsmaßnahmen von Tunesiern und Jordaniern in ihrem Herkunftsland geplant. Am Beispiel Marokkos bedeutet letzteres etwa die Förderung qualifizierter Rückkehrer, um sich selbständig machen zu können (BAMF 2014b: 3). rechtswidrig. Die Wirkungen eines ausländerrechtlichen Einreiseverbots dürfen grundsätzlich nur dann länger als fünf Jahre aufrechterhalten werden, wenn der Betroffene aktuell eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bzw. die nationale Sicherheit darstellt. Dies gilt nach Rechtsprechung EuGH auch für Altfälle. In Umsetzung der o. g. Rechtsprechung musste ein Bereinigungsverfahren durchgeführt werden, um den Altbestand der unbefristeten ausländerrechtlichen Einreiseverbote abzutragen (vgl. Kohls 2014: 14).59 Der Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (s. o.) sieht die Befristung der Wiedereinreisesperre von Amts wegen zusammen mit der aufenthaltsbeendenden Entscheidung vor. EU-Rückübernahmeabkommen und bilaterale Durchführungsprotokolle zu EU-Rückübernahmeabkommen 5.3.2 Zwangsweise Rückkehr Am 1. Januar 2014 trat ein EU-Rückübernahmeabkommen mit Armenien in Kraft. Damit verpflichten sich sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch Armenien zur Rückübernahme ihrer ausreisepflichtigen Staatsangehörigen. Letzteres betrifft zudem unerlaubt aufhältige Drittstaatsangehörige und Staatenlose, die über das Staatsgebiet des jeweils anderen Vertragspartners eingereist sind. Am 15. Januar 2014 wurde das bilaterale Durchführungsprotokoll zum EU-Rückübernahmeabkommen mit Bosnien und Herzegowina (vom 18. September 2007) unterzeichnet. Darin werden die rechtlichen und technisch-operativen Rahmenbedingungen sowohl für Rückübernahme- als auch Durchbeförderungsverfahren festgelegt.58 EU-Rückführungsrichtlinie und die Unterbringung von Abschiebungshäftlingen Der EuGH entschied mit Urteil vom 19. September 2013 (C-297/12) über die Auslegung von Art. 11 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115). Die bis dahin gültige deutsche Praxis, Einreiseverbote nach § 11 AufenthG infolge einer Rückkehrentscheidung in der Regel unbefristet zu verhängen und nur auf Antrag des Betroffenen zu befristen, erklärte der EuGH für Am 17. Juli 2014 urteilte der EuGH, dass sich auch ein föderal organisierter Mitgliedstaat wie Deutschland nicht auf das Fehlen spezieller Hafteinrichtungen in einem Teil seines Hoheitsgebiets berufen darf, um abzuschiebende Drittstaatsangehörige in gewöhnlichen Haftanstalten unterzubringen, sofern im Mitgliedstaat als Ganzes eine spezielle Hafteinrichtung vorhanden ist (EuGH C-473/13, EuGH C-514/13 und EuGH C-474/13). Auch eine räumliche Trennung der Abschiebehäftlinge von den Strafgefangenen innerhalb derselben Haftanstalt genügt dieser Vorgabe nicht. Hintergrund ist die Einführung der EU-Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG), wonach „die Inhaftierung […] grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen [erfolgt]. Sind in einem Mitgliedstaat solche speziellen Hafteinrichtungen nicht vorhanden und muss die Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten erfolgen, so werden in Haft genommene Drittstaatsangehörige gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht“ (Art. 16 Abs. 1 RL 2008/115/EG). Bis zur Urteilsverkündung des EuGH wurden Abschiebungshäftlinge in einigen Bundesländern in gesonderten 58 Bekanntmachung des deutsch-bosnisch-herzegowinischen Durchführungsprotokolls zur Umsetzung des Abkommens vom 18. September 2007 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Bosnien und Herzegowina über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (BGBl II Nr. 5 vom 21.02.2014, S. 156). 59 Insgesamt existierten über 500.000 Einreiseverbote, davon ein weit überwiegender Anteil von Altfällen. „Eine Kontaktierung und Unterrichtung der Betroffenen, dass unbefristete Ausweisungen bzw. Einreisesperren von Amts wegen befristet werden bzw. nicht mehr gültig wären, ist mangels Kontaktdaten nicht geplant“ (Kohls 2014: 14). Wiedereinreisesperre Rückkehrmigration Abschiebungshaftabteilungen in Justizvollzugsanstalten untergebracht. Andere Bundesländer verfügten hingegen über spezielle Abschiebungshafteinrichtungen. Einige Bundesländer hatten der Urteilsverkündung des EuGH vorgegriffen und bereits zuvor ihre Abschiebungshaft neu organisiert, Kooperationen mit anderen Bundesländern oder neue spezielle Abschiebungshafteinrichtungen geschaffen (im Detail Grote 2014b: 33ff.). Aufgrund der EuGH-Urteile wurde in allen weiteren Bundesländern die Unterbringung in gesonderten Abschiebungshaftabteilungen in Justizvollzugsanstalten eingestellt; Abschiebungshäftlinge wurden teilweise in spezielle Abschiebungshafteinrichtungen in anderen Bundesländern verlegt (vgl. Hessischer Landtag 2014: 2; Brandes 2014). Einzelne Bundesländer planen zudem, spezielle Abschiebungshafteinrichtungen zu errichten (vgl. Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 2014). Der EuGH entschied darüber hinaus, „dass das Trennungsgebot selbst dann gilt, wenn der betroffene Drittstaatsangehörige in die Unterbringung in einer gewöhnlichen Haftanstalt einwilligt. Denn im Rahmen der Rückführungsrichtlinie gelte das Gebot der Trennung von Abschiebungshäftlingen und gewöhnlichen Strafgefangenen ohne Ausnahme“ (Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2014: 465). 49 50 Internationaler Schutz und Asyl 6 Internationaler Schutz und Asyl 6.1 Nationales Asylsystem 6.1.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Der Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen zählt zu den quantitativ bedeutendsten Aufenthaltszwecken in Deutschland. Die Voraussetzungen für die Aufnahme politisch Verfolgter sowie anderer Schutzsuchender sind in Art. 16a Grundgesetz, in den §§ 22-25 und 60 AufenthG sowie im Asylverfahrensgesetz geregelt. Das BAMF entscheidet über die Asylanträge. Für die Dauer des Asylverfahrens wird dem Asylbewerber eine Aufenthaltsgestattung erteilt, mit der ein Aufenthalt für die Durchführung des Verfahrens gestattet wird (§ 55 AsylVfG). Solange der Asylbewerber in der Aufnahmeeinrichtung zu wohnen verpflichtet ist, ist das Bundesamt für die Ausstellung der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung zuständig (§ 63 Abs. 3 AsylVfG). Anschließend ist die Ausländerbehörde des Bezirks, in dem der Asylbewerber zu wohnen verpflichtet ist, für die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung zuständig (§ 63 Abs. 3 AsylVfG). Seit 2005 ist die Aufnahme von Asylbewerbern und Schutzsuchenden in Deutschland stark von EU-Verordnungen sowie der Umsetzung von EU-Richtlinien in deutsches Recht geprägt. Nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005, das mit der Berücksichtigung nichtstaatlicher Verfolgungsakteure bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung bereits markante Änderungen einführte, wurden mit Umsetzung der Aufnahmerichtlinie (2003/9/EG), der neugefassten Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) und der Verfahrensrichtlinie (2005/85/EG) der EU in nationales Recht die Grundsteine für die Errichtung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gelegt. Trotz der EU-weiten Harmonisierung im Asylbereich besteht in der Bundesrepublik eine Reihe von Formen der Schutzgewährung fort (Asyl nach Art. 16 a GG, humanitäre Aufnahmeaktionen, vorübergehender Aufenthalt, nationale Abschiebeverbote), die allein auf nationaler Rechtsgrundlage erteilt werden. Auch wenn das Recht auf Asyl nach Art. 16a GG aufgrund der zunehmenden Internationalisierung an Bedeutung verloren hat, stellt es doch ein in der Verfassung verankertes Grundrecht dar. Grundsätzlich stehen nationale Schutzformen nicht in Konkurrenz zum europarechtlichen Schutzsystem, sondern ergänzen dieses (Parusel 2010). Seit 1953 haben mehr als 3,5 Millionen Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt, davon mehr als 2,5 Millionen seit 1990 (BAMF 2014a: 8). Die meisten Anträge wurden im Jahr 1992 registriert (438.191). Danach war die Zahl der Asylanträge stark rückläufig. Nach einem Tiefststand von 19.165 Erstantragstellern im Jahr 2007 zeigt sich seither wieder ein Anstieg der Antragszahlen. Im Jahr 2014 wurden 173.070 Erstanträge erfasst. Im Vergleich zum Vorjahr (109.580) bedeutete dies einen Zuwachs um 57,9 %. 2014 wurden insgesamt 202.815 Erst- und Folgeanträge auf Asyl gestellt. Dies entspricht einem Anstieg um 59,7 % gegenüber dem Vorjahr (2013: 126.995 Asylanträge, Quelle: Eurostat). 51 Internationaler Schutz und Asyl 6.1.2 Nationale Entwicklungen Entwicklung der Asylantragszahlen Tabelle 2: Asylerstanträge in den Jahren 2013 und 2014, Hauptherkunftsländer   2013 2014 Veränderung der Asylerstanträge in % Veränderung der Asylerstanträge absolut Asylerstanträge Asylanträge insgesamt Asylerstanträge Asylanträge insgesamt 109.580 126.995 173.070 202.815 57,9 63.490 Syrien 11.850 12.855 39.330 41.100 231,9 27.480 Serbien 11.460 18.000 17.170 27.145 49,8 5.710 Eritrea 3.615 3.640 13.200 13.255 265,1 9.585 Afghanistan 7.735 8.240 9.115 9.675 17,8 1.380 Albanien 1.245 1.295 7.865 8.110 531,7 6.620 Kosovo 3.395 4.425 6.910 8.920 103,5 3.515 Bosnien und Herzegowina 3.325 4.845 5.705 8.475 71,6 2.380 EJR Mazedonien 6.210 9.415 5.615 8.905 -9,6 -595 Somalia 3.785 3.875 5.530 5.685 46,1 1.745 3.960 4.195 5.345 9.495 35,0 1.385 Insgesamt Irak Quelle: Eurostat. Die Reihenfolge richtet sich nach den zehn quantitativ bedeutsamsten Herkunftsländern im Jahr 2014. Im Jahr 2014 wurden beim BAMF 173.070 Asylerstanträge gestellt, 63.490 mehr als im Jahr 2013 (+57,9 %). Die Asylbewerberzahlen stiegen dabei bereits das siebte Jahr in Folge an. Wie Tabelle 2 zeigt, entfällt der Anstieg vor allem auf die Hauptherkunftsländer Syrien (+27.480 Erstanträge, +231,9 %), Eritrea (+9.585 Erstanträge, +265,1 %), Albanien (+6.620 Erstanträge, +531,7 %) und Serbien (+5.710 Erstanträge, +49,8 %), wobei der prozentuale Zuwachs am stärksten bei Asylbewerbern aus Albanien, Eritrea und Syrien ausfiel. Lediglich die Zahl von Asylerstanträgen von mazedonischen Staatsangehörigen ist zurückgegangen (-9,6 %). Die Hauptherkunftsländer der Asylantragsteller des Jahres 2014 waren Syrien, Serbien, Eritrea, Afghanistan, Albanien, Kosovo, Bosnien und Herzegowina, EJR Mazedonien, Somalia und Irak (BAMF 2015a). Die Gesamtschutzquote stieg gegenüber dem Vorjahr von 26,4 % auf 41,6 % merklich an.60 Sowohl die absoluten Zahlen derer, die einen Schutzstatus erhielten, als auch der Anteil der Schutzberechtigten an den Asylsuchenden stieg gegenüber dem Vorjahr an: So wurden im Jahr 2014 33.310 Personen entweder als asylberechtigt nach Art. 16a GG oder als Flüchtlinge gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (2013: 10.915). Subsidiären Schutz erhielten 5.175 Personen (2013: 7.005); nationale Abschiebeverbote wurden in 2.075 Fällen festgestellt (2013: 2.205). Hinsichtlich der wichtigsten Herkunftsländer war die Schutzquote im Jahr 2014 bei Asylsuchenden aus Syrien (93,6 %), Irak (87,3 %) und Eritrea (85,7 %) am höchsten. Bei den Herkunftsländern Syrien, Irak und Afghanistan wird zu einem Großteil Flüchtlingsschutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt, 60 Die Angaben zur Schutzgewährung wurden auf Basis der Eurostat-Zahlen berechnet, um eine EU-weite Vergleichbarkeit zu gewährleisten. In der Eurostat-Statistik werden die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention als eine Form der Schutzgewährung statistisch erfasst. Die Angaben zur Schutzgewährung umfassen sowohl Entscheidungen über Erst- als auch über Folgeanträge. 52 Internationaler Schutz und Asyl während subsidiärer Schutz hier nur eine nachrangige Rolle spielt. Aufgrund des seit Januar 2012 in Syrien eskalierenden Bürgerkriegs stellt das Bundesamt bei Antragstellern aus Syrien nunmehr grundsätzlich Flüchtlingsschutz fest. Von 25.490 Entscheidungen zum Herkunftsland Syrien wurden 20.505 Personen als asylberechtigt oder als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, während 3.245 Personen subsidiärer Schutz gewährt wurde. Bei weiteren 105 Personen aus Syrien wurden nationale Abschiebeverbote festgestellt. Reform des Asylrechts/sichere Herkunftsstaaten Seit dem 6. November 2014 gelten zusätzlich zu Senegal und Ghana auch Bosnien und Herzegowina, Serbien sowie die EJR Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten gemäß § 29a AsylVfG (s. Abschnitt 2.2 sowie BMI 2014e). Damit werden Asylanträge von Staatsangehörigen dieser Herkunftsländer grundsätzlich als offensichtlich unbegründet abgelehnt, solange der Sachvortrag des Antragstellers bzw. die von ihm vorgelegten Beweise nicht die Annahme einer politischen Verfolgung im Herkunftsstaat begründen. Im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beträgt die Ausreisefrist lediglich eine Woche (§ 36 Abs. 1 AsylVfG) statt der sonst üblichen 30 Tage (§ 38 Abs. 1 AsylVfG). Bei der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beträgt die Frist für die Klage eine Woche; diese entfaltet keine aufschiebende Wirkung. Anträge auf Aussetzung der Abschiebung bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts müssen innerhalb einer Woche gestellt werden (§ 36 Abs. 3 AslyVfG). Darüber hinaus entsteht durch die Ablehnung als offensichtlich unbegründet eine Sperrwirkung nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, so dass dem Antragsteller kein anderweitiger Aufenthaltstitel erteilt werden kann, es sei denn, es besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung, etwa im Fall des Familiennachzugs, oder es wurde ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt. Es wird vermutet, dass sich durch die Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsländer die Bearbeitungsdauer von Asylverfahren für die Staatsangehörigen dieser Länder im Schnitt um zehn Minuten verkürzt (Bundesrat 2014d: 3). Über die gesetzlichen Neuregelungen hinaus wurden die Asylanträge von Staatsangehörigen der benannten Westbalkanstaaten auch bei der Bearbeitung im BAMF priorisiert, also den Asylanträgen von Staatsangehörigen aus anderen Herkunftsländern vorgezogen. Erleichterungen für Asylbewerber Mit dem Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31. Oktober 2014 ist die Wartezeit bis zur möglichen Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung für Asylbewerber von neun auf drei Monate und für Inhaber einer Duldung von einem Jahr auf ebenfalls drei Monate verkürzt worden. Aufgrund der Zweiten Verordnung zur Änderung der Beschäftigungsverordnung vom 6. November 2014 wird im Falle von Asylbewerbern und Inhabern einer Duldung die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit ohne Vorrangprüfung erteilt, wenn der Ausländer in einem Mangelberuf oder einem Ausbildungsberuf tätig sein oder eine praktische Tätigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung seiner ausländischen Berufsqualifikation absolvieren will oder wenn er sich seit mindestens 15 Monaten legal in Deutschland aufhält (s. auch Abschnitt 4.2). Die räumliche Beschränkung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern (Residenzpflicht) ist mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23. Dezember 2014 auf die ersten drei Monate des Aufenthalts beschränkt worden, kann aber im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung, bei Rauschgiftdelikten oder wenn konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen bevorstehen wieder angeordnet werden. Bei Bezug öffentlicher Sozialleistungen kann eine Wohnsitzauflage erteilt werden. Mit dem Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 10. Dezember 2014 ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2012 umgesetzt worden, die Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf eine das menschenwürdige Existenzminimum gewährende Höhe heraufzusetzen, diese Leistungssätze auf einer nachvollziehbaren Grundlage angemessen zu berechnen und regelmäßig zu aktualisieren. Des Weiteren ist u. a. geregelt worden: Die Wartezeit für den Wechsel zu Leistungen entsprechend der allgemeinen Sozialhilfe ist von 48 auf 15 Monate verkürzt worden. Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4a und 4b AufenthG sind aus dem Kreis der Leistungsberechtigten heraus- 53 Internationaler Schutz und Asyl genommen worden und erhalten künftig Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bzw. Sozialhilfe. Verhaltensbedingte Leistungseinschränkungen erstrecken sich nicht mehr auf Familienangehörige. Die wesentlichen Rechtsänderungen traten zum 1. März 2015 in Kraft (bis zu diesem Zeitpunkt gelten hinsichtlich der Leistungssätze Übergangsregelungen des Bundesverfassungsgerichts fort). Darüber hinaus wurde das Asylbewerberleistungsgesetz dahingehend geändert, dass der Vorrang von Sachleistungen gegenüber Geldleistungen nur für die Dauer des Aufenthalts in einer Aufnahmeeinrichtung gilt. Nach Auszug aus der Aufnahmeeinrichtung wird der zum Lebensunterhalt notwendige Bedarf als Geldleistung erbracht, es sei denn, die Umstände machen es erforderlich, dies in Form von Sachleistungen oder Wertgutscheinen zu erbringen. Reform des Bauplanungsrechts zur Schaffung neuer Flüchtlingsunterkünfte Angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen und der damit einhergehenden Herausforderung, geeignete Unterkünfte bereitzustellen, hat das Bundeskabinett auf Initiative des Bundesrates eine Reform des Bauplanungsrechts beschlossen. Dadurch soll es den Kommunen vorübergehend ermöglicht werden, Unterkünfte auch in Gewerbegebieten und auf unbebauten Flächen zu errichten, um die Unterbringung in Zelten zu verhindern (Deutscher Bundestag 2014q). Der Bundestag beschloss das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen am 20. November 2014 und es trat am Tag nach seiner Verkündung am 26. November 2014 in Kraft (BGBl. I 2014 Nr. 53). Neue Außenstelle des Bundesamts Das BAMF hat 2014 eine neue Außenstelle in Bramsche (Niedersachsen) eröffnet. Dort wird mittlerweile eine breite Palette an Herkunftsländern bearbeitet. Personalzuwachs des Bundesamts zur Bewältigung steigender Asylantragszahlen 2014 besetzte das BAMF 300 neue Stellen (BAMF 2015d). Im Rahmen der Verabschiedung des Bundeshaushalts für das Jahr 2015 wurden dem Bundesamt 350 zusätzliche Stellen bewilligt, um dem Anstieg der Asylbewerberzahlen gerecht zu werden (BMI 2014f). Beschleunigte Asylverfahren für die Herkunftsländer Syrien und Irak Bei Asylbewerbern aus Syrien sowie bei schutzsuchenden Yeziden, Christen und Mandäern aus dem Irak beschleunigt das Bundesamt die Asylverfahren. Dazu wird mittels eines Fragebogens festgestellt, ob es möglich ist, die Flüchtlingseigenschaft nach § 24 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG ohne Anhörung des Antragstellers zuzuerkennen. Die Möglichkeit hierzu besteht, wenn der Asylantrag auf die Gewährung von internationalem Schutz beschränkt wird und kein anderer EUMitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (BAMF 2014d). Residenzpflicht Seit dem 29. Januar 2014 sind Asylsuchenden in Schleswig-Holstein und seit dem 19. Februar 2014 in Bremen Reisen in das gesamte Bundesgebiet gestattet. Die Hansestadt Hamburg schaffte die sogenannte Residenzpflicht, mit der es Asylsuchenden untersagt war, ein bestimmtes Gebiet zu verlassen, bereits am 17. Dezember 2013 ab (Wendel 2014: 9). Mit Inkrafttreten der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes zum 1. Januar 2015 (s. o.) entfällt die Residenzpflicht bundesweit nach dreimonatigem Aufenthalt vollständig. Bei Bezug öffentlicher Sozialleistungen kann jedoch eine Wohnsitzauflage erteilt werden. Physikalisch-technische Urkundenuntersuchung (PTU) und Sprach- und Textanalyse (S-T-A) im BAMF Im Rahmen der physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung im BAMF (PTU) können im Asylverfahren vorgelegte Dokumente auf deren Echtheit untersucht werden. Im Jahr 2014 hat die PTU 770 Prüffälle beanstandet. Sie verteilten sich größtenteils auf die Herkunftsländer Syrien, Irak und Iran. Beanstandete Dokumente im Asylverfahren können auch sog. Fluchtdokumente sein, ohne die ein Asylsuchender nicht einreisen könnte. Daneben kann das BAMF auch Sprach- und Textanalysen (S-T-A) durchführen lassen, falls Zweifel an den Angaben zum Herkunftsland eines Asylbewerbers bestehen. Mit Hilfe dieses Verfahrens soll festgestellt werden, in welcher geografischen Region ein Asylbewerber sozialisiert wurde. Im Jahr 2014 ließ das Bundesamt 634 Gutachten anfertigen, davon 68 für andere Behörden. 54 Internationaler Schutz und Asyl Haftung für Sozialleistungen durch Bürgen auch bei Anerkennung Nach einer Entscheidung des BVerwG vom 13. Februar 2014 muss jemand, der für einen Asylbewerber bürgt, für die Sozialleistungen während des Asylverfahrens aufkommen, auch wenn später eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfolgt (BVerwG, 1 C 4.13). länder bereits in einem anderen Staat als Flüchtling anerkannt worden ist oder internationalen subsidiären Schutz erhalten hat, muss das Gericht ebenfalls von Amts wegen aufklären, inwieweit dies zutrifft, auch wenn dazu die Mitwirkung ausländischer Behörden vonnöten ist (BVerwG, Beschluss vom 18.02.2015, 1 B 2.15.). Verfolgungsrelevanz von Ausreisebeschränkungen Fremdsprachige Dokumente im Gerichtsverfahren Wie das VG Hamburg am 8. Januar 2014 feststellte, sind fremdsprachige Dokumente im Gerichtsverfahren nicht automatisch unbeachtlich, nur weil sie nicht auf Deutsch vorgelegt werden. Stattdessen hat das Gericht die Möglichkeit, eine Übersetzung anzuordnen. Erst wenn diese nicht vorgelegt wird, wird die Urkunde unbeachtlich. Dies wird dann als unbedenklich angesehen, wenn Gerichte im Fall der Mittellosigkeit des Betroffenen die Übersetzungen der Dokumente selbst einholen (VG Hamburg, Beschluss vom 08.01.2014, 17 AE 4953/13). Widerruf des Familienasyls bei Einbürgerung oder Tod des Asylberechtigten Nimmt ein Asylberechtigter die deutsche Staatsangehörigkeit an, so entsteht damit die Möglichkeit, die Gewährung von Familienasyl an dessen Angehörige zu widerrufen, falls keine eigenen Asylgründe vorliegen. Dies ist möglich, da mit der Einbürgerung die Stellung als Asylberechtigter erlischt und die Gewährung von Familienasyl nur für die Angehörigen eines Asylberechtigten möglich ist (Hessischer VGH, Beschluss vom 03.04. 2014, 6 A 588/13.A). Diese Erwägungen gelten entsprechend bei Flüchtlingsanerkennung (Bell 2014: 7). Verstirbt ein Asylberechtigter, ist ebenfalls das den Angehörigen zuerkannte Familienasyl zu widerrufen (OVG Saarlouis, Urteil vom 18.09.2014, 2 A 231/14). Sachverhaltsklärung und -feststellung von Amts wegen Nach einer Entscheidung des BVerwG vom 13. Februar 2014 (10 C 6.13) obliegt es den Behörden und dem zuständigen Gericht, sich im Rahmen der Tatsachenfeststellung um die Klärung des Herkunftslands eines Asylbewerbers zu bemühen, auch wenn dieser nicht an der Identitätsfeststellung mitwirkt. Erst wenn sich das Herkunftsland aufgrund der fehlenden Mitwirkung nicht ermitteln lässt, ist dies im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (BAMF 2014c, 4). Ergeben sich konkrete Hinweise dafür, dass ein Aus- Ausreisebeschränkungen in Serbien (s. Politikbericht 2013) werden durch das VG Stuttgart als Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gewertet (VG Stuttgart, Urteil vom 25.03.2014, A 11 K 5036/13). Dagegen vertritt das Bundesamt die Auffassung, dass sich die Bestimmungen von § 350a des serbischen Strafgesetzbuches nicht gegen Asylsuchende richten, sondern gegen Unterstützer, welche die Ausreise ermöglichen oder organisieren (Heindel 2014b). Eine dem Bundesamt ähnliche Auffassung vertritt auch das VG Sigmaringen in seinem Urteil vom 23. April 2014 (A 1 K 1148/13). Der VGH BadenWürttemberg hat inzwischen die Berufung zu der Frage zugelassen, ob die Auffassung des VG Stuttgart haltbar ist oder nicht (VGH Baden-Württemberg, z. B. Beschluss vom 02.07.2014, A 6 S 891 /14). Das VG Münster hält für problematisch, ob die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat verfassungskonform ist und hat daher umfangreiche Beweiserhebungen veranlasst (Beschluss vom 27.11.2014, 4 L 867/14.A). Andere Verwaltungsgerichte teilen diese Ansicht jedenfalls derzeit ausdrücklich nicht (VG Berlin, Beschluss vom 04.12.2014, VG 7 L 596.14 A; VG Schwerin, Beschluss vom 26.01.2015, 5 B 116/15 As). Flüchtlingsschutz bei drohender Zwangsheirat Nach einer Entscheidung des VG Frankfurt/a. M. (Urteil vom 07.04.2014, 7 K 4431/13.FA) besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn der Antragstellerin im Herkunftsland eine Zwangsverheiratung droht und der Staat nicht in der Lage ist, sie vor dieser Gefahr zu schützen. Es handelt sich um sog. Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 3 c Nr. 1 AsylVfG). Einigungspapier „Oranienplatz“ rechtskräftig Nach einer Entscheidung des VG Berlin (VG Berlin, 04.11.2014, Az. 24 L 293.14) ist das Einigungspapier, das im Zuge der Flüchtlingsproteste auf dem Berliner Oranienplatz zwischen den Protestierenden und 55 Internationaler Schutz und Asyl dem Berliner Senat ausgehandelt und im März 2014 unterzeichnet wurde, bindend (zum Hintergrund s. Abschnitt 2.2). Demnach ist das Land Berlin zuständig, jeweils im Einzelverfahren alle Möglichkeiten zu prüfen, ob eine Bleibemöglichkeit in Deutschland existiert, und von einer Verteilung in andere Bundesländer abzusehen. Pilotprojekt zur Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt Das Pilotprojekt „Jeder Mensch hat Potenzial - frühzeitige Arbeitsmarktintegration von Asylbewerbern“ wurde Ende 2013 in Vorbereitung auf die Umsetzung der politischen Ziele des Koalitionsvertrages angestoßen. Darin wurde vereinbart, Asylbewerbern frühzeitig auch während des Verfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und hierzu das Arbeitsverbot von neun auf drei Monate zu reduzieren. Die Gesetzesänderung zum Arbeitsverbot von Asylsuchenden und Flüchtlingen ist Ende 2014 in Kraft getreten. Im Rahmen des Pilotprojekts werden die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen an sechs Modellstandorten (seit 2015 drei weitere Standorte) in die Praxis umgesetzt. Nach dem Prinzip „Early Intervention“ sollen Asylbewerber noch bevor es zum Abschluss des Asylverfahrens und der eventuellen Erteilung eines Aufenthaltstitels kommt, in die Vermittlungsstrukturen aufgenommen und ihrem Qualifikationsprofil entsprechend in spezifische Unterstützungsmaßnahmen einbezogen werden. Die Sperrfrist für den Arbeitsmarktzugang kann damit bereits zur Vorbereitung genutzt werden: Analyse der Potenziale von Asylbewerbern, Spracherwerb, Anerkennung von Abschlüssen etc. Das Pilotprojekt wird gemeinsam von der Bundesagentur für Arbeit (BA; Federführung), dem BAMF sowie Bleiberechtsnetzwerken des durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten Bundesprogramms „XENOS – arbeitsmarktliche Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge“ durchgeführt. Angesiedelt ist das Pilotprojekt beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Das BAMF stellt den Kontakt zu den Asylsuchenden her und stellt pro Standort einen ESF-BAMF-Sprachkurs zur Verfügung. Die BA trägt auf Grundlage eines Profilings zu Bildungs- und beruflichen Qualifikationen die Verantwortlichkeit für die Auswahl der Teilnehmenden und deren Arbeitsmarktintegrati- on. Damit Maßnahmen der Arbeitsförderung und Vermittlungsangebote nach SGB III aufgenommen werden können, ist als eine Teilnahmevoraussetzung am Modellprojekt eine längerfristige Bleibeprognose verankert. Letzteres betrifft etwa Herkunftsländer mit überdurchschnittlicher Schutzquote und niedrigen Rückführungszahlen. Personen im Dublin-Verfahren (s. Kapitel 6.1.3) sind von dem Projekt hingegen ausgeschlossen. 6.1.3 Entwicklungen mit Bezug zur EU Überstellungen in andere Mitgliedstaaten Zahlreiche Gerichtsurteile befassten sich im Jahr 2014 mit Überstellungen von Asylbewerbern aufgrund der Dublin-III-Verordnung in andere Mitgliedstaaten und der Frage, inwiefern dortige Mängel des Asylsystems einer Überstellung entgegenstehen. Für Bulgarien stellte der VGH Baden-Württemberg fest, dass weder systemische Mängel der Aufnahmebedingungen noch des Asylverfahrens vorliegen, die einer Überstellung entgegenstehen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.2014, A 11 S 1778/14). Im Hinblick auf Italien haben bisher alle damit befassten Oberverwaltungsgerichte eine Selbsteintrittsverpflichtung wegen systemischer Mängel des Asylsystems oder der Aufnahmebedingungen verneint (Bayerischer VGH, Urteil vom 28.02.2014, 13a B 13.30295; OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.05.2014, 2 LA 308/13; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.05.2014, 9 A 233/13.A). Das gilt laut dem Bayerischen VGH zumindest für nicht vulnerable Gruppen oder Einzelpersonen. Für Familien mit kleinen Kindern hat der VGH wieder die Berufung zugelassen (Bayerischer VGH, Beschluss vom 16.07.2014, 13a ZB 14.50007). Der EGMR hat allerdings für die Rückführung von Familien mit Kleinkindern hohe Hürden errichtet. Mit Urteil vom 4. November 2014 (No. 29217/12, Tarakhel ./. Schweiz) entschied er, dass vor deren Überstellung in den Mitgliedstaat dessen Zusicherung einzuholen ist, dass die Betroffenen ausreichende Aufnahmebedingungen vorfinden und insbesondere auch die Familieneinheit gewahrt und eine kindgerechte Unterbringung geboten wird. Mit Urteil vom 21. Oktober 2014 (No. 16643/09) hatte sich der EGMR mit dem Fall von 32 afghanischen, zwei sudanesischen und einem 56 Internationaler Schutz und Asyl eritreischen Staatsbürger befasst, die über Griechenland illegal nach Italien eingereist und von dort unverzüglich nach Griechenland zurückgeschoben worden waren, ohne die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs zu erhalten. In vier der Fälle kam der EGMR zu dem Schluss, dass gegen Art. 13 und Art. 3 EMRK verstoßen wurde. Bei der umgehenden Rückführung im Hafen von Ancona habe es sich um eine kollektive und willkürliche Ausweisung gehandelt. Griechenland hatte den Beschwerdeführern eine Entschädigung zu zahlen. Der Bundesminister des Innern hatte bereits mit Erlass vom 16. Dezember 2013 verfügt, Überstellungen nach Griechenland bis zum 12. Januar 2015 auszusetzen und das BAMF angewiesen, in diesen Fällen das Selbsteintrittsrecht auszuüben und die betreffenden Asylverfahren durchzuführen. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beschäftigte sich 2014 mit Überstellungen in andere Mitgliedstaaten. Dabei entschied es, dass bei Überstellungen sowohl von Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat bereits als schutzberechtigt anerkannt wurden, als auch bei Personen, deren Asylverfahren nach der Dublin-III-Verordnung in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt werden müssen, das BAMF und nicht die örtliche Ausländerbehörde für die Prüfung von inlandsbezogenen Abschiebehindernissen zuständig ist. Im Rahmen derselben Entscheidung legte das Gericht – ähnlich wie wenig später der EGMR – auch fest, dass das BAMF vor der Überstellung von Familien mit Kleinkindern bis zum Alter von drei Jahren nach Italien die Wahrung der Familieneinheit gewährleisten und sich darüber hinaus vergewissern muss, dass diese eine gesicherte Unterkunft erhalten (BVerfG, Urteil vom 17.09.2014, 2 BvR 1795/14). Am 6. Juni 2014 bestätigte das BVerwG, dass ein Asylbewerber seiner Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nur entgegentreten kann, wenn Asylverfahren und Aufnahmebedingungen dort systemische Mängel aufweisen. Ob es in Einzelfällen zu unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gekommen ist, ist unerheblich; auch ob der Asylbewerber selbst davon betroffen war (BVerwG, Beschluss vom 06.06.2014, 10 B 35.14). Im Rahmen des Dublin-Verfahrens überstellte Deutschland im Jahr 2014 4.772 Personen an andere Staaten, die meisten davon an Polen (1.218), Belgien (844), Italien (782), Frankreich (374) und die Schweiz (292). 35.115 Übernahmeersuchen stellte Deutschland insgesamt an die Mitgliedstaaten. Die Zahl der Übernahmeersuchen der anderen Mitgliedstaaten an Deutschland lag im Jahr 2014 bei 5.091 Personen. Dublin-III-Verordnung und Sicherungshaft Der BGH stellte in seinen Beschlüssen vom 26. Juni 2014 bzw. 23. Juli 2014 fest (V ZB 31/14), dass die Inhaftnahme von Drittstaatsangehörigen zum Zweck einer Überstellung im Dublin-Verfahren auf der bisherigen nationalen Rechtsgrundlage (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG) rechtswidrig ist. Seit dem 19. Juli 2013 ist die Dublin-III-Verordnung (EU) Nr. 604/2013 in Kraft. Sie findet seit dem 1. Januar 2014 in den EU-Mitgliedstaaten Anwendung. Artikel 28 der VO spezifiziert die Gründe und Fristen, wobei eine Inhaftnahme grundsätzlich nur bei erheblicher Fluchtgefahr in Betracht kommt. Artikel 2 Buchst. n der DublinIII-VO definiert den Begriff der Fluchtgefahr. Im Sinne von Art. 2 Buchst. n der Dublin-III-Verordnung bezeichnet der Ausdruck ‚Fluchtgefahr‘ „das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte“. In Deutschland wurden diese Vorgaben in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG übertragen. Der BGH entschied allerdings, dass diese Norm keine objektiven Kriterien für die Annahme einer Fluchtgefahr festlegt – anders als § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 AufenthG, auf deren Grundlage auch weiterhin Inhaftnahmen möglich sind. Personen, die aufgrund dieser Norm inhaftiert waren, wurden nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs von Amts wegen durch die Haftgerichte aus der Haft entlassen. Das Bundeskabinett beschloss daraufhin am 3. Dezember 2014 in einem Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung eine Definition der Fluchtgefahr im Sinne der Dublin-III-Verordnung, die voraussichtlich im Jahr 2015 zum Tragen kommen wird (BMI 2014l; vgl. auch Grote 2014b: 20). Die entsprechende gesetzliche Regelung findet sich im neu gefassten § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG mit Bezug auf die neu geschaffenen Absätze 14 und 15 in § 2 AufenthG, in denen die konkreten Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr definiert werden. 57 Internationaler Schutz und Asyl Unzulässigkeit des Antrags bei Zuerkennung von internationalem Schutz im Ausland 6.2.2 Entwicklung mit Bezug zur EU Nach Entscheidung des BVerwG vom 17. Juni 2014 ist ein erneutes Anerkennungsverfahren in Deutschland unzulässig, wenn dem Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer internationaler Schutz im Sinne der EU-Richtlinie 2001/95/EU zuerkannt worden ist (BVerwG 10 C 7.13). Auch die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Bereits mit Urteil vom 13. Februar 2014 (10 C 6.13) hatte das BVerwG festgestellt, dass das BAMF von der Prüfung des Antrags absehen und das Verfahren einstellen darf, wenn festgestellt werden kann, dass dem Antragsteller schon in einem anderen Mitgliedstaat Schutz gewährt worden ist (vgl. Heindel 2014a). Gemäß seines Jahresarbeitsprogramms 2014 hatte sich EASO folgende Arbeitsschwerpunkte gesetzt: 6.2 Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen 6.2.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) ist eine Einrichtung des europäischen Rechts mit Sitz auf Malta. Die Rechtsgrundlage für EASO bildet die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 vom 19. Mai 2010. Hauptaufgaben von EASO gemäß der Verordnung sind: „„ Beitrag leisten zur besseren Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) einschließlich der externen Dimension des GEAS, „„ Stärkung der praktischen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Asylbereich und „„ Unterstützung von Mitgliedstaaten, deren Asylund Aufnahmesysteme besonderem Druck ausgesetzt sind, mit operativen Maßnahmen und/oder Koordinierung einer solchen Unterstützung. Darüber hinaus koordiniert EASO neben der Hilfe im operativen Bereich auch die multilateralen Komponenten des innereuropäischen Umverteilungsprogramms (Relocation), über das EU-Staaten Flüchtlinge aus solchen Mitgliedstaaten aufnehmen, in denen eine besonders hohe Zahl an Asylbewerbern ankommt. „„ Unterstützung der Umsetzung des neu verfassten Asylpakets durch die Mitgliedstaaten durch Schulung, praktische Zusammenarbeit, Herkunftsland(Country of Origin – COI) und Qualitätsberichte, „„ Weiterentwicklung des Frühwarn- und Vorsorgesystems des EASO und „„ Leistung operativer Unterstützung Griechenlands im Rahmen der Phase II des Operationsplans und besonderer Unterstützung für Italien. Zu diesen Arbeitsschwerpunkten kamen 2014 die Themen „Externe Dimension des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS)“, die Fortsetzung der ASTUnterstützungsleistungen (Asylum Support Team) für Bulgarien und die AST-Unterstützungsleistungen für Zypern hinzu. Unterstützungsleistungen für Italien und Griechenland wurden 2014 fortgesetzt. Deutschland stellt Mitarbeiter für verschiedene ASTProfile zur Verfügung. Im Rahmen der 2014 durchgeführten Unterstützungsmaßnahmen beteiligte sich das Bundesamt mit Personal an AST-Einsätzen in Italien sowie in Bulgarien. Des Weiteren waren Mitarbeiter des BAMF auch an den Aktivitäten des Europäischen Schulungssystems im Rahmen von EASO beteiligt. So fungierten sie bei drei Einsätzen als Trainer für internationale Kollegen, arbeiteten an der Weiter- und/oder Neuentwicklung von zwei Schulungsmodulen mit und nahmen selbst an Schulungen teil. Umgekehrt sind 2014 in Deutschland Schulungen insbesondere neuer Mitarbeiter des BAMF anhand der ins Deutsche übersetzten ETC-Core-Module „Inclusion“ und „Evidence Assessment“ angelaufen; die Verwendung des Moduls „Interview Technics“ in deutscher Übersetzung steht unmittelbar bevor. Darüber hinaus sind zwei Mitarbeiterinnen des BAMF als nationale Experten dem EASO zugewiesen worden. Eine der Mitarbeiterinnen ist als Koordinatorin für die 58 Internationaler Schutz und Asyl Unterstützungspläne für Griechenland und Zypern zuständig, die andere Mitarbeiterin ist mit für die Administration der Herkunftslandinformationen betraut. 6.3 Kooperation mit Drittstaaten, inklusive Neuansiedlung (Resettlement) 6.3.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Am 9. Dezember 2011 sprach sich die Innenministerkonferenz (IMK) im Interesse einer Fortentwicklung und Verbesserung des Flüchtlingsschutzes für eine permanente Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Aufnahme und Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge aus Drittstaaten (Resettlement) aus. Die Durchführung des Resettlements erfolgt regelmäßig in Zusammenarbeit mit dem UNHCR, IOM, den entsprechenden nationalen Stellen der Erstzufluchtsländer sowie den dortigen deutschen Auslandsvertretungen sowie unter finanzieller Beteiligung der EU-Kommission. Die entsprechenden Aufnahmeanordnungen werden vom BMI im Benehmen mit den Ländern erlassen. Aufstockung des humanitären Aufnahmeprogramms für Flüchtlinge aus Syrien Auf ihrer Frühjahrstagung 2014 beschloss die Konferenz der Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern das im Mai 2013 aufgelegte und im Dezember 2013 erweiterte humanitäre Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus Syrien um weitere 10.000 Plätze auf damit insgesamt 20.000 Plätze aufzustocken. Die Flüchtlinge erhalten eine zunächst auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG. Bis Ende 2014 erfolgten etwa 17.000 Aufnahmezusagen. Zusätzlich zu dieser Maßnahme haben alle Bundesländer mit Ausnahme Bayerns eigene Aufnahmeprogramme für syrische Flüchtlinge aufgelegt, mit denen bereits in Deutschland lebende Syrer Verwandte nachholen können. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die bereits hier befindlichen Syrer dazu verpflichten, die Lebenshaltungskosten ihrer Verwandten aus eigener Kraft zu tragen.61 Im Juni 2014 beschlossen die Innenminister von Bund und Ländern anlässlich der Innenministerkonferenz, Erleichterungen für die Verpflichtungsgeber zu ermöglichen, indem die Krankenkosten von der Verpflichtungserklärung ausgenommen und stattdessen durch die öffentliche Hand getragen werden (BMI 2014b). 6.3.2 Nationale Entwicklungen Resettlement Im Rahmen der Beteiligung am Resettlement-Verfahren nahm Deutschland im Jahr 2014 207 Flüchtlinge aus Syrien (Drittstaatsangehörige) sowie 114 Flüchtlinge aus Indonesien auf. Es handelt sich dabei um afghanische, äthiopische, chinesische, irakische, palästinensische, somalische, sudanesische und srilankische Flüchtlinge, die zum Teil in Flüchtlingslagern untergekommen waren. Bereits im Dezember 2013 sprach sich die Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder dafür aus, die deutsche Beteiligung am Resettlement-Programm fortzusetzen und deren Umfang auszuweiten. Ab 2015 sollen im Rahmen des Programms jährlich 500 Personen aufgenommen werden; das Programm selbst soll unbefristet weitergeführt werden. 61 Die Finanzierung kann dabei auch von dritten Personen, die nicht der Familie angehören, übernommen werden. Unbegleitete Minderjährige und andere Gruppen mit besonderen Schutzbedürfnissen 7 Unbegleitete Minderjährige und andere Gruppen mit besonderen Schutzbedürfnissen 7.1 Unbegleitete Minderjährige 7.1.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Unbegleitete Minderjährige (UM) kommen nach Deutschland, da sie vor Kriegshandlungen, Menschenrechtsverletzungen oder wirtschaftlicher Not fliehen und Schutz bzw. bessere Lebensumstände suchen. Manche verlieren ihre Angehörigen, andere werden auf der Flucht von ihren Eltern getrennt, wieder andere werden von ihren Familien nach Europa geschickt. Die verschiedenen aufenthalts-, asyl- und sozialrechtlichen Maßnahmen und Verfahren, die im Zusammenhang mit der Einreise, der Aufnahme und einer eventuellen Rückkehr von UM zum Einsatz kommen, unterliegen aufgrund nationaler und internationaler Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen besonderen Anforderungen. Nach erfolgter Inobhutnahme kommt dem sogenannten „Clearingverfahren“ eine wichtige Rolle zu. Es dient u. a. dazu, den individuellen Bedarf an Jugendhilfemaßnahmen zu ermitteln und zu prüfen, ob die in Obhut genommenen UM Verwandte in Deutschland oder einem anderen EU-Land haben und ob die Stellung eines Asylantrags sinnvoll erscheint. Bislang wird das „Clearingverfahren“, sofern es zur Verfügung steht, je nach Bundesland unterschiedlich gehandhabt. Das Asylverfahren folgt dagegen einheitlichen Kriterien. Im BAMF sind Asylentscheider als „Sonderbeauftragte“ für den Umgang mit UM geschult. Sie sollen darauf achten, dass die Anhörung bei UM weniger formal verläuft als bei Volljährigen. Auch sind sie gehalten, auf die Bedürfnisse Minderjähriger besonders sensibel einzugehen (Müller 2014). In Deutschland bezeichnet der Begriff „Unbegleitete Minderjährige“ Personen unter 18 Jahren, die von beiden Elternteilen getrennt sind und nicht von einem Erwachsenen betreut werden, dem die Betreuung des Kindes obliegt. Unbegleitete Minderjährige, die einen Antrag auf Asyl stellen oder die vorläufigen Abschiebungsschutz bei einer Ausländerbehörde beantragen, gelten jedoch derzeit nicht erst ab 18 Jahren, sondern gemäß § 12 Abs. 1 AsylVfG bzw. § 80 Abs. 1 AufenthG bereits mit dem vollendeten 16. Lebensjahr als verfahrens- bzw. handlungsfähig.62 Dies bedeutet, dass 16- und 17-Jährige in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahrensfragen derzeit auch ohne Vormund rechtlich wirksame Handlungen vornehmen können (Müller 2014). Voraussichtlich wird die Altersgrenze für die Handlungsfähigkeit in aufenthalts- und asylrechtlichen Verfahren noch im Laufe dieser Legislaturperiode auf 18 Jahre angehoben (CDU/CSU/SPD 2013: 77). 7.1.2 Nationale Entwicklungen Entwicklung der Asylantragszahlen unbegleiteter Minderjähriger Nach einem Rückgang der Asylantragszahlen von UM zwischen 2002 (873 Anträge) und 2007 (180) steigt die Zahl seit 2008 (324) wieder kontinuierlich an. 2014 lag die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Asylantragstellenden bei 4.399 Personen (vgl. Abbildung 4). Dies stellt einen Anstieg um 77,0 % gegenüber dem Vorjahr dar (2013: 2.485, s. auch Abbildung 4). Die fünf Hauptherkunftsländer 2014 waren Afghanistan (1.052 UM, +52,2 % zum Vorjahr), Eritrea (922 UM, +568,1 %), 62 „Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist auch ein Ausländer, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig oder im Falle seiner Volljährigkeit in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt zu unterstellen wäre“ (§ 12 Abs. 1 AsylVfG). 59 60 Unbegleitete Minderjährige und andere Gruppen mit besonderen Schutzbedürfnissen Syrien (657 UM, +128,9 %) und Somalia (568 UM, +60,5 %).63 rungen von internationalem Schutz (Flüchtlingsschutz und subsidiärem Schutz) sowie der Feststellungen von Abschiebeverboten bezogen auf die Gesamtzahl der Entscheidungen im betreffenden Zeitraum, stieg 2014 auf 73,1 %. Diese hohe Schutzquote liegt vor allem an der großen Anzahl von UM aus Herkunftsländern, bei denen allgemein eine hohe Schutzwürdigkeit gegeben ist (z. B. AFG, SYR). Die Gesamtschutzquote von UM (vgl. Abbildung 5), d. h. die Anzahl der Asylanerkennungen, der Gewäh- 63 Quelle: BAMF. Abbildung 4: Unbegleitete Minderjährige, Erstantragsteller in Personen 5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 UM < 16 Jahren 2014 UM gesamt Quelle: BAMF (bis einschließlich 2007 wurden 16- und 17-jährige UM nicht separat statistisch erfasst) Abbildung 5: Unbegleitete Minderjährige, Gesamtschutzquote in Prozent 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 UM < 16 Jahren 2014 UM gesamt Quelle: BAMF (bis einschließlich 2007 wurden 16- und 17-jährige UM nicht separat statistisch erfasst) Unbegleitete Minderjährige und andere Gruppen mit besonderen Schutzbedürfnissen Vorstoß zur bundesweiten Verteilung von unbegleiteten Minderjährigen Aufgrund steigender Aufgriffszahlen bei UM brachte der Freistaat Bayern im September 2014 einen Antrag in den Bundesrat ein, UM nach der aufgrund des Königsteiner Schlüssels ermittelten Quote auf die einzelnen Bundesländer zu verteilen (Bundesrat 2014a). Bei Fachverbänden und Nichtregierungsorganisationen stieß dieses Vorhaben u. a. deshalb auf Kritik, da es das Primat des Kindeswohls infrage stellen würde (BUMF 2014).64 7.2 Andere besonders schutzbedürftige Gruppen 7.2.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Als besonders schutzbedürftige Personen gelten Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien. Im Rahmen von Asylverfahren werden von den Antragstellern regelmäßig gesundheitliche Beeinträchtigungen vorgetragen. Das BAMF prüft in derartigen Fällen, wenn nicht bereits internationaler Schutz zuzuerkennen ist, ob bei Rückkehr die Gefahr einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung droht und deshalb die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes in Betracht kommt. 64 Das BMFSFJ hat aufgrund einer Gesetzesinitiative von Hamburg und zweier Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenzen der Länder am 24.02.2015 die Eckpunkte eines Gesetzentwurfs zur bundesweiten Verteilung von UM vorgestellt, der zunächst eine landesweite, bei Bedarf jedoch auch eine bundesweite Verteilung vorsieht. Dadurch sollen vor allem die stark belasteten grenznahen Gebiete und die Großstädte entlastet werden. Das neue Gesetz soll im Herbst 2015 in Kraft treten (vgl. IGfH 2015: 4). Die Mitarbeiter des BAMF sind selbst nicht dafür ausgebildet, Erkrankungen zu diagnostizieren. Sie sind jedoch im Umgang mit besonders schutzbedürftigen Gruppen geschult, um konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Erkrankung erkennen zu können. Darüber hinaus stehen „Sonderbeauftragte“ als Entscheider für besonders schutzbedürftige Personengruppen zur Verfügung. Kommt es für die Verfahrensfähigkeit oder die Entscheidung in der Sache darauf an, ob eine Erkrankung vorliegt, dann ist gegebenenfalls ein ärztliches Gutachten beizubringen. 7.2.2 Nationale Entwicklungen In diesem Bereich sind für das Jahr 2014 keine relevanten Entwicklungen zu berichten. 61 62 Maßnahmen gegen Menschenhandel 8 Maßnahmen gegen Menschenhandel 8.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Das Strafgesetzbuch (StGB) unterscheidet im Bereich des Menschenhandels folgende Tatbestände: Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB), Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB) sowie Förderung des Menschenhandels (§ 233a StGB). Nach § 25 Abs. 4a AufenthG soll einem Ausländer, der Opfer des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft oder der Förderung des Menschenhandels wurde, für einen vorübergehenden Aufenthalt ein Aufenthaltstitel gewährt werden, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist. Die Voraussetzungen dafür sind, dass die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers für die Durchführung eines Strafverfahrens als sachgerecht erachtet wird, dass er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen. Dies gilt auch für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer. Mit der Vorschrift wurde die „Opferschutzrichtlinie“ der EU vom 29. April 2004 umgesetzt. Die Vorschrift dient dazu, den organisierten Menschenhandel zu bekämpfen. Die Dauer der Aufenthaltserlaubnis beträgt bei der erstmaligen Erteilung ein Jahr (§ 25 Abs. 4a Satz 1 Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung). Zusätzlich hierzu gewährt § 59 Abs. 7 AufenthG Opfern von Menschenhandel eine Bedenkund Stabilisierungsfrist, innerhalb derer sie nicht mit aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen rechnen müssen, unabhängig davon, ob sie später tatsächlich als Zeugen von Gericht auftreten (Hoffmann 2013). Um die Bekämpfung insbesondere des Frauenhandels besser zu koordinieren, wurde in Deutschland im Jahr 1997 die „Bund-Länder-Arbeitsgruppe Frauenhandel“ eingerichtet und im November 2012 in „Bund-LänderArbeitsgruppe Menschenhandel“ umbenannt. Zu den Aufgaben der Arbeitsgruppe gehören „ein kontinuierlicher Informationsaustausch über die vielfältigen Aktivitäten in den Bundesländern sowie in den nationalen und internationalen Gremien, eine Analyse der konkreten Probleme bei der Bekämpfung des Menschenhandels sowie die Erarbeitung von Empfehlungen und gegebenenfalls gemeinsamen Aktionen zur Bekämpfung des Menschenhandels.65 2007 hat das BMFSFJ in Zusammenarbeit mit dem von der Bundesregierung geförderten „Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V. (KOK)“ deutschlandweit abgestimmte Aus- und Fortbildungsprogramme für Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung entwickelt. Die Programme richten sich an Polizei, Fachberatungsstellen, Justiz, Zoll, Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Justizvollzugsanstalten und sonstige Behörden (BMFSFJ 2007). Seit 1976 ist in der Bundesrepublik das Opferentschädigungsgesetz in Kraft, das 1993 und zuletzt 2009 aktualisiert wurde. Opfern von Gewalttaten kommen demnach unabhängig von anderen Sozialsystemen die gleichen Leistungen zu wie Kriegsopfern. Mit der Broschüre „Hilfe für Opfer von Gewalttaten“66 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Handreichung für die Polizei und spezielle Opferbetreuer entwickelt, durch die u. a. Opfer von Men- 65 Vgl. http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/ gleichstellung,did=73008.html (25.02.2014). 66 Vgl. http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/ PDF-Publikationen/a719-hilfe-fuer-opfer-von-gewalttaten-256.pdf?__blob=publicationFile (25.02.2014). 63 Maßnahmen gegen Menschenhandel schenhandel schnell und übersichtlich über etwaige Entschädigungen informiert werden können. Seit dem 6. März 2013 betreibt das Bundesamt für Familien und zivilgesellschaftliche Aufgaben das Hilfstelefon „Gewalt gegen Frauen“. Unter der Nummer 08000 116 016 erhalten Betroffene unentgeltliche und auf Wunsch anonyme Beratung bei allen Formen von Gewalt gegen Frauen einschließlich Frauenhandel, Gewalt im Rahmen von Prostitution sowie spezielle Gewaltkontexte, wie u. a. bei Migrantinnen. Die insgesamt 80 weiblichen Fachkräfte des Hilfstelefons vermitteln die betroffenen Frauen in erster Linie an Beratungs- und Schutzeinrichtungen vor Ort. Das Angebot ist mehrsprachig (Dolmetscherinnen für 15 Sprachen) und für Gehörlose oder Hörgeschädigte gibt es einen Gebärdensprachdolmetschdienst (BMFSFJ 2013b: 1). 8.2 Nationale Entwicklungen Statistik Seit 1999 erstellt das Bundeskriminalamt (BKA) jedes Jahr ein „Bundeslagebild“ zum Thema Menschenhandel. Es enthält in gestraffter Form die jeweils aktuellen Erkenntnisse zu Lage und Entwicklung in den Bereichen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sowie Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft. Im Berichtsjahr 2013 wurden 425 Ermittlungsverfahren mit insgesamt 625 registrierten Tatverdächtigen im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Rückgang von 13 % bei den Ermittlungsverfahren und einen Rückgang von 19 % hinsichtlich der Tatverdächtigen. Auch die Anzahl der offiziell erfassten Opfer des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist im Vergleich zu 2012 um rund 11 % gesunken, nachdem sie bereits im Vorjahr um 5 % zurückgegangen waren; insgesamt wurden im Jahr 2013 542 Personen als Opfer sexueller Ausbeutung ermittelt. Bei ihnen handelte es sich überwiegend um Frauen (96 %). Zwei Drittel der Opfer hatte einen osteuropäischen Migrationshintergrund, wobei die Mehrzahl der Opfer nicht deutscher Herkunft aus Bulgarien (26,4 %), Rumänien (23,1 %), Ungarn (6,1 %), Polen (3,5 %) und Nigeria (2,8 %) kamen. 70 Betroffene waren minderjährig, wobei neun unter 14 Jahre alt waren. Sieben dieser neun unter 14-jährigen Opfer wurden in Berlin festgestellt. Laut BKA könne dies daran liegen, „dass Berlin eine Spezialdienststelle für die Bekämpfung dieses Kontrolldelikts eingerichtete hat“ (BKA 2014). Im Bereich Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB) wurden 2013 53 Ermittlungsverfahren abgeschlossen und damit 42 mehr als im Vorjahr (11). 2013 wurden insgesamt 23 Tatverdächtige ermittelt, 16 mehr als im Vorjahr (7). Im Jahr 2013 wurden 61 Opfer von Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft registriert, 47 mehr als im Vorjahr (14). Die überwiegende Mehrheit stammte aus Rumänien. Das BKA begründet die Vervielfachung der Opfer- und Tatverdächtigenzahlen insbesondere mit einem Sammelverfahren in Hessen: „Es richtete sich gegen zwei Beschuldigte, die ein Gewerbe für Prospektverteilung betrieben und sich fast ausschließlich illegal im Bundesgebiet aufhältiger afghanischer und pakistanischer Arbeitnehmer bedienten, die für sie ohne Arbeitserlaubnis Prospekte sortierten“ und die „unter Androhung von Gewalt zur Arbeit gezwungen und unter menschenunwürdigen Umständen untergebracht waren“ (BKA 2014: 7). Asylverfahren Das Bundesamt setzt seit 2014 auch für Opfer des Menschenhandels besonders geschulte „Sonderbeauftragte“ als Entscheider ein. Erteilung eines Aufenthaltstitels Am 3. Dezember 2014 beschloss die Bundesregierung eine Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, die auch aufenthaltsrechtliche Änderungen und Erleichterungen für Opfer von Menschenhandel beinhalteten. So soll § 25 Abs. 4a Satz 1 AufenthG dahingehend geändert werden, dass Opfer von Menschenhandel, die im Strafverfahren aussagen wollen, eine Aufenthaltserlaubnis nicht mehr nur erteilt werden „kann“ sondern „soll“. Die Änderung der „Kann-“ zu einer „Soll-Regelung“ betrifft auch die in § 25 Abs. 4a Satz 3 AufenthG festgelegte Verlängerung des Aufenthalts nach dem Strafverfahren (KOK 2014). Der Bundestag muss dem Gesetz noch zustimmen. Familiennachzug Die beschlossene Neuregelung des Aufenthaltsgesetzes zu Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung beinhaltet eine Erleichterung des Familiennachzugs zu Opfern 64 Maßnahmen gegen Menschenhandel von Menschenhandel: „Durch die Aufnahme des Verweises auf § 25 Abs. 4a Satz 1 wird der Familiennachzug zu Opfern von Menschenhandel auch bereits während des laufenden Strafverfahrens unter den Voraussetzungen von § 29 Abs. 3 Satz 1 [Nachzug nur aus humanitären oder anderen höherrangigen Gründen] zugelassen. Neben einem besseren Schutz der Betroffenen soll dadurch auch die Kooperationsbereitschaft im Strafverfahren erhöht werden: Zum einen wird die Erpressbarkeit der Betroffenen durch Drohungen gegen Angehörige im Herkunftsstaat verringert, zum anderen wirkt sich die Anwesenheit der Kernfamilie stabilisierend auf die Betroffenen aus. Für Opfer von Menschenhandel mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 3, d.h. nach Beendigung des Strafverfahrens, gelten die zusätzlichen Anforderungen von § 29 Abs. 3 nicht. Der Familiennachzug richtet sich in diesen Fällen nach den allgemeinen Regeln der §§ 27ff.“ (BMI 2014j: 30). Integration Mit dem beschlossenen Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung sind auch Änderungen in Bezug auf die Integration von Opfern von Menschenhandel einhergegangen. So haben nach Inkrafttreten auch diejenigen Personen Anrecht auf den Besuch von Integrationskursen, deren Aufenthalt nach § 25 Abs. 4a Satz 3 AufenthG verlängert wurde (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c AufenthG-E). 8.3 Entwicklungen mit internationalem Bezug Seit November 2014 wird das im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erarbeitete Projekt “Improvement of structures in asylum procedures in order to combat trafficking in human beings“ in der RomaLyon-Gruppe der G7-Staaten67 bearbeitet. Im Rahmen des Projekts werden die aktuellen Vorgehensweisen der G7-Mitgliedsstaaten in Bezug auf den Umgang mit Opfern von Menschenhandel im Asylverfahren erhoben und, soweit möglich, zu einer Best-Practice-Vorgehensweise zusammengeführt. Der Abschlussbericht wird voraussichtlich im November 2015 vorliegen. 67 Zu den G7-Staaten gehören Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Vereinigtes Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika. 65 Migration und Entwicklung 9 Migration und Entwicklung 9.1 Hintergrund und allgemeiner Kontext Während die Wechselwirkungen zwischen Migration und Entwicklung in der wissenschaftlichen Debatte seit längerem thematisiert werden, wird in Deutschland auf politischer Ebene verstärkt erst seit 2006/07 über eine engere Verzahnung von Migrations- und Entwicklungspolitik diskutiert. Als Referenzrahmen gelten die Millenniumsziele der Vereinten Nationen (VN) sowie der Gesamtansatz der EU zu Migration und Mobilität (GAMM). In den vergangenen Jahren ist der deutsche Ansatz zur Migrations- und Entwicklungspolitik thematisch auf ein deutlich breiteres Fundament gestellt worden. Standen zu Beginn des Jahrtausends die „Zusammenarbeit mit der Diaspora“ oder die „Erleichterung des Geldtransfers“ im Vordergrund, so werden mittlerweile verstärkt Themen wie „Migrationspolitikberatung für Partnerländer“, „Privatwirtschaftsförderung durch Migration“, „entwicklungsorientierte Arbeitsmobilität“, „Klimawandel und Migration“ sowie „ländliche Entwicklung und Migration“ abgedeckt (Deutscher Bundestag 2014m: 3). Dennoch können sich in den Bereichen der Migrations- und Entwicklungspolitik sehr unterschiedliche Ziele und Interessen gegenüberstehen, die nicht immer miteinander in Einklang zu bringen sind und die daher einer besonderen Koordination bedürfen, um die Widersprüche der einzelnen Politikfelder aufzulösen und zu einer stärkeren Kohärenz beizutragen. Herausforderungen ergeben sich beispielsweise aus den unterschiedlichen Zielvorstellungen der beiden Politikfelder: Während Migrationspolitik vor allem auf die Steuerung von Migrationsströmen abzielt und dabei auch das Instrument der gezielten Anwerbung nutzt, steht in der Entwicklungspolitik die Förderung von Strukturen in den ärmeren Ländern im Vordergrund (Baraulina et al. 2012). Der Anspruch, beide Politikbereiche stärker zu verzahnen, erhöht auch den Koordinationsbedarf zwischen den beteiligten Akteuren. Auf Bundesebene sind dabei vor allem das BMI sowie das für die Entwicklungspolitik zuständige Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu nennen. Auf operativer Ebene spielen die Durchführungsorganisationen und -behörden der beiden Ministerien eine herausgehobene Rolle. Im Bereich des BMZ handelt es sich dabei um die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM). Zentraler Akteur für die Umsetzung der Migrationspolitik ist das BAMF. Migrationspolitisch relevant ist vor allem das Entwicklungsprogramm „Rückkehrende Fachkräfte“ sowie das Sektorvorhaben „Migration und Entwicklung“, zu dem auch das Programm „Förderung des entwicklungspolitischen Engagements von Migrantenorganisationen“ zählt. Im Rahmen von „Rückkehrende Fachkräfte“ fördert CIM (akademisch) qualifizierte Rückkehrer in Entwicklungsländern durch finanzielle Unterstützung, Vermittlungsangebote und ein Netzwerk von Beratern vor Ort. 439 rückkehrende Fachkräfte wurden 2013 finanziell oder durch Beratungs- und Serviceleistungen unterstützt (GIZ 2014: 2). Im Rahmen des Programms „Förderung des entwicklungspolitischen Engagements von Migrantenorganisationen“ können sich seit 2011 Migrantenorganisationen in Deutschland um Fördergelder für entwicklungspolitische Projekte in ihren Herkunftsländern bewerben. Bis Mai 2014 wurden insgesamt 43 Projekte gefördert – insbesondere in Ländern Subsahara-Afrikas (Deutscher Bundestag 2014m: 4f.). Daneben gibt es das REAG/GARP-Programm, ein humanitäres Hilfsprogramm, das die freiwillige Rückkehr/Weiterwanderung von Asylbewerbern fördert, Starthilfen bietet und der Steuerung der Migrationsbewegung dient (s. Kapitel 5). 66 Migration und Entwicklung 9.2 Nationale Entwicklungen Verhandlungen zu den Millenniumszielen der Vereinten Nationen 2015 ist das Jahr, in dem die von den Vereinten Nationen ausgegebenen acht Millenniumsziele erreicht sein sollten. In den laufenden Verhandlungen für eine „Post 2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung“ bekennt sich die Bundesregierung in ihrem Positionspapier vom 3. Dezember 2014 zu den Beschlüssen der Sicherheitsratsresolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit. Gleiches gilt für die Folgeresolutionen der Vereinten Nationen. Aufgrund einer wachsenden Zahl an fragilen Staaten und regionalen Krisen und der daraus resultierenden Flüchtlingsströme setzt sich die Bundesregierung auch weiterhin dafür ein, Fluchtursachen zu bekämpfen und Flüchtlinge in ihren Herkunftsstaaten zu reintegrieren. Ein Schwerpunkt beim Thema „Frieden und Sicherheit“ soll dabei die internationale Kooperation im Kampf gegen das organisierte Verbrechen sein, etwa im Bereich der Bekämpfung von Schlepper- und Schleuserkriminalität (Bundesregierung 2014c: 12). Stärkere Einbindung migrationspolitischer Aspekte in die Entwicklungszusammenarbeit Sowohl nach Auffassung der Bundesregierung als auch der Koalitionsfraktionen besteht eine Notwendigkeit, migrationspolitische Aspekte stärker in der Entwicklungszusammenarbeit zu verankern (CDU/ CSU/SPD 2013: 109; Deutscher Bundestag 2014n). Um eine engere Abstimmung zwischen den Ressorts im Rahmen des Migrationsmanagements zu gewährleisten, hat sich am 15. Oktober 2014 unter Vorsitz von AA und BMI die Staatsekretärs-Arbeitsgruppe „Internationale Migration“ konstituiert, an der auch das BMZ und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration teilnehmen. Eine Unterarbeitsgruppe dieses Forums widmet sich dabei dem Themenschwerpunkt „Migration und Entwicklung“ (Deutscher Bundestag 2014n). 27 Mio. €.68 In der Ukraine ist Deutschland – ebenfalls über die GIZ – an der Schaffung von Unterkünften für Binnenflüchtlinge beteiligt, um diesen ein winterfestes Quartier zu verschaffen.69 9.3 Entwicklungen mit Bezug zur EU Mobilitätspartnerschaften Mobilitätspartnerschaften zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten sind Teil der EU-Migrationspolitik, deren Grundlinien 2005 im GAMM festgelegt wurden. Ein Schwerpunkt des GAMM besteht darin, für eine bessere Wiedereingliederung von Migranten in ihren Herkunftsländern zu sorgen, „um die Entwicklung der Herkunftsstaaten wirkungsvoll voranzutreiben“ (Hitz 2014: 2). Migrations- und Entwicklungspolitik sollen so auf effektive Weise miteinander verknüpft werden. So werden beispielsweise in Marokko qualifizierte Rückkehrer darin unterstützt, sich selbständig zu machen. Gleichzeitig sollen diese Abkommen den Weg für Visa-Erleichterungen ebnen. Mobilitätspartnerschaften sind bisher mit Kap Verde (2008), Moldau (2008), Georgien (2009), Armenien (2011), Aserbaidschan (2013) und Marokko (2013) geschlossen worden. Im Jahr 2014 wurden Abkommen mit Tunesien (März) und Jordanien (Oktober) unterzeichnet. Mit Ausnahme von Kap Verde und Aserbaidschan ist Deutschland an allen Mobilitätspartnerschaften beteiligt. Unterstützung für Binnenvertriebene Seit November 2014 führt die GIZ ein Projekt im Irak durch, mit dem die Lebensbedingungen der intern Vertriebenen und lokalen Bevölkerung im Gebiet Dohuk verbessert werden sollen. Das Projekt soll bis Ende Juni 2015 laufen und hat ein Volumen von 68 Vgl. https://www.giz.de/projektdaten/index.action#?regi on=2&countries=IQ,JO,SY,LB (04.03.2015). 69 Vgl. http://www.giz.de/de/mediathek/28837.html (04.03.2015). Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis ADS - Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2014): Dokumentation des bundesweiten Aktionstages „Gleiche Chancen. Immer.“ im Themenjahr 2014 gegen Rassismus, 18.09.2014, Online: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Dokumentationen/Dokumentation_Aktionstag_20141210.pdf?__blob=publicationFile (15.01.2015). 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Zeit Online (2014a): Kretschmann rechtfertigt Ja zum Asyl-Kompromiss, 19.09.2014, Online: http://www.zeit.de/ politik/deutschland/2014-09/gruene-tragen-asyl-kompromiss-im-bundesrat-mit (29.10.2014). Zeit Online (2014b): Flüchtlinge räumen Camp in Berlin-Kreuzberg, 08.04.2014, Online: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-04/fluechtlinge-camp-berlin-kreuzerg (25.11.2014). Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis AA Auswärtiges Amt AAH Ausbildungs- und Ausstattungshilfe ABG Automatisierte und Biometriegestützte Grenzkontrolle AG Rück Arbeitsgruppe Rückführung (Unterarbeitsgruppe der IMK) ASMK Konferenz der Ministerinnen und Minister bzw. Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder AsylbLG Asylbewerberleistungsgesetz AsylVfG Asylverfahrensgesetz AsylZBV Asylzuständigkeitsbestimmungsverordnung AST Asylum Support Teams (Asyl-Unterstützungsteam) AufenthG Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) AufenthV Aufenthaltsverordnung AVwV Allgemeine Verwaltungsvorschrift AZR Ausländerzentralregister AZRG Gesetz über das Ausländerzentralregister BA Bundesagentur für Arbeit BÄK Bundesärztekammer BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BeschV Beschäftigungsverordnung BGBl Bundesgesetzblatt BKA Bundeskriminalamt BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend BMI Bundesministerium des Innern BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BPOL Bundespolizei BPolG Bundespolizeigesetz BVA Bundesverwaltungsamt BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVFG Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz) BVFGÄndG Änderungsgesetz zum Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz COI Country of Origin (Herkunftsland) CDU Christlich Demokratische Union CSU Christlich-Soziale Union DAV Datenabgleichverfahren DIK Deutsche Islam Konferenz DPA Deutsche Presse-Agentur DVAsyl Asyldurchführungsverordnung EAC European Asylum Curriculum (Europäisches Schulungsprogramm im Asylbereich) EASO European Asylum Support Office (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen) 83 84 Abkürzungsverzeichnis EFF Europäischer Flüchtlingsfonds EG Europäische Gemeinschaft EinbTestV Einbürgerungstestverordnung EMN Europäisches Migrationsnetzwerk ESF Europäischer Sozialfonds EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof Eurostat Statistisches Amt der Europäischen Union FDP Freie Demokratische Partei FRONTEX Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen GAMM Gesamtansatz für Migration und Mobilität/Gesamtansatz zur Migrationsfrage GASIM Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration GEAS Gemeinsames Europäisches Asylsystem GER Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GMBl Gemeinsames Ministerialblatt IMK Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder IntMK Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder IntV Integrationskursverordnung IOM Internationale Organisation für Migration KOK Bundesweiter Koordinationskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess KOM Europäische Kommission MBE Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer NAP-I Nationaler Aktionsplan Integration NIP Nationaler Integrationsplan OFII Office Français de l’Immigration et de l’Integration (Französisches Amt für Einwanderung und Integration) PTU Physikalisch-technische Urkundenuntersuchung RABIT Rapid Border Intervention Team REAG/GARP Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany/ Government Assisted Repatriation Programme SIS Schengener Informationssystem SGB Sozialgesetzbuch SOE Stabilitätspakt Südosteuropa SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands S-T-A Sprach- und Textanalyse StAG Staatsangehörigkeitsgesetz StBA Statistisches Bundesamt StGB Strafgesetzbuch UM Unbegleitete Minderjährige UMF Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge UNHCR Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen URA Befristetes Rückkehr- und Reintegrationsprojekt in der Republik Kosovo VG Verwaltungsgericht VIS Visa-Informationssystem ZAV Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit ZuwG Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern 85 Abbildungsverzeichnis / Tabellenverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Einbürgerungen in 1.000 Personen, 2000 - 2013 Ausgeschöpftes Einbürgerungspotenzial in Prozent, 2000 - 2013 Förderungsbewilligungen REAG/GARP 2014 Unbegleitete Minderjährige, Erstantragsteller in Personen Unbegleitete Minderjährige, Gesamtschutzquote in Prozent 35 36 45 60 60 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Anzahl der vollzogenen Abschiebungen, Zurückschiebungen und Zurückweisungen (2011 - 2014) Tabelle 2: Asylerstanträge in den Jahren 2013 und 2014, Hauptherkunftsländer 46 51 Impressum Herausgeber: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Nationale Kontaktstelle des EMN Frankenstraße 210 90461 Nürnberg www.emn-germany.de E-Mail: emn@bamf.bund.de Gesamtverantwortung: Dr. Axel Kreienbrink (Migrationsforschung) Birgit Gößmann (Nationale EMN-Kontaktstelle) Bezugsquelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Referat 230 Frankenstraße 210 90461 Nürnberg www.bamf.de E-Mail:info@bamf.bund.de Redaktion: Dr. Andreas Müller Janne Grote Michael Vollmer Stand: März 2015 Layout: Gertraude Wichtrey Bildnachweis: Thomas Gütlhuber Zitat: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge/EMN (2015): Migration, Integration, Asyl. Politische Entwicklungen in Deutschland 2014. Jährlicher Bericht der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN). Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kostenlos herausgegeben. Für nichtgewerbliche Zwecke sind Vervielfältigungen und unentgeltliche Verbreitung, auch auszugsweise, mit Quellenangaben gestattet. Die Verbreitung, auch auszugsweise, über elektronische Systeme oder Datenträger bedarf der vorherigen Zustimmung des Bundesamtes. Alle übrigen Rechte bleiben vorbehalten.
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