POWER TO GAS
Chancen und Risiken für kommunale Unternehmen
2
EHENT AMUSDEAS IMET OMNIIIT UT FUGA MUS · SOLORIA TURIONSEQUE NATURE
IMPRESSUM
Herausgeber
Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU)
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Jana Dimmey, Art Direction VKU Verlag, Berlin
Bildnachweis
ITM-Power (Titel), Erich Westendarp/pixelio.de (Seite 6), ENERTRAG AG (Seite 12),
VKU/regentaucher.com (Seite 16), THÜGA AG (Seite 19), Rainer Sturm/pixelio.de (Seite 20),
ENERTRAG AG (Seite 26)
Die nachfolgenden Ausführungen sollen ohne Anspruch auf Vollständigkeit einen Überblick über die aus Sicht des VKU grundsätzlichen und
typischen Sorgfaltspflichten vermitteln, die für kommunale Unternehmen in den einzelnen genannten Betätigungsfeldern prinzipiell relevant
sind. Zugleich sollen sie als unverbindliche Orientierungshilfe die wesentlichen Grundsätze des Compliance-Managements in einer speziell auf
kommunale Unternehmen zugeschnittenen Form erläutern; Rechts- und/oder Handlungspflichten werden dadurch mithin nicht begründet.
© VKU Verlag GmbH Dezember 2015
POWER TO GAS
INHALT
Vorwort 4
01
Wenn’s stürmt, wird Strom zu Wasserstoff
Power to Gas als Antwort auf Schwankungen in der Energieerzeugung
02
Power to Gas in der Praxis
Wirkungsgrade und Anlagensteuerung
13
03
Austauschgas ja, Zusatzgas nur bedingt
Potenziale und Grenzen des deutschen Gasnetzes
17
04
Vom Gasnetz zum Verbraucher
Märkte, Absatzmöglichkeiten und Investitionen
21
05
Smarte Speicherlösung aus einer Hand
Power to Gas als Option für Mehrspartenunternehmen
27
7
Abkürzungsverzeichnis / Glossar
30
3
4
VORWORT
POWER TO GAS
Der Ausstoß von Treibhausgasemissionen bis 2050 soll in
Mithilfe von Power to Gas wird Strom aus erneuerbarer Erzeu-
Deutschland gegenüber 1990 um mindestens 80 Prozent redu-
gung örtlich und zeitlich flexibel nutzbar gemacht. Einmal in
ziert werden. Dazu soll der Anteil der erneuerbaren Energien an
der Gasinfrastruktur gespeichert, kann die Energie bei Bedarf
der Stromerzeugung im Jahr 2050 auf mindestens 80 Prozent an-
in Kraftwerken zurückverstromt, als Brennstoff im Wärmemarkt
wachsen und durch Steigerung der Energieeffizienz der Energie-
oder auch als Kraftstoff in Erdgasfahrzeugen eingesetzt werden.
verbrauch um 50 Prozent reduziert werden.
Power to Gas kann damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und ist ein weiteres Instrument zur Flexibilisierung
Die Unterstützung der klima- und energiepolitischen Ziele der
der Energieversorgung. Daneben ist mit weiteren Power-to-X-
Bundesregierung und der damit einhergehende Transformati-
Konzepten, wie Power to Liquid, Power to Compression, Power to
onsprozess des Energiesystems ist für die Stadtwerke mit beacht-
Heat oder Power to Chemicals, die Speicherung oder der direkte
lichen Herausforderungen verbunden: Elektrizität sowie Heiz-
Einsatz von nicht bedarfsgerecht erzeugtem Strom in verschiede-
und Prozesswärme aus erneuerbaren Energieträgern können
nen Anwendungspfaden möglich.
nicht immer verfügbar sein, da die daraus resultierende Energieerzeugung witterungsbedingten Verfügbarkeitsschwankungen
Derzeit sind Power-to-Gas-Anlagen wirtschaftlich nicht renta-
unterworfen ist.
bel. Um den Übergang zum wirtschaftlichen Betreib einer Anlage
zu erreichen, bedarf es einerseits Fortschritten in der Forschung
Für eine sichere Energieversorgung braucht es darum zum
und Entwicklung der Anlagentechnik, andererseits aber auch
einen ergänzende – konventionelle, vorzugsweise hocheffizien-
Anpassungen des ordnungspolitischen Rahmens.
te, KWK-basierte – Erzeugungskapazitäten, die Wind- und Sonnenflauten abfangen können. Zum anderen ist eine dichte und
Für Stadtwerke kann Power to Gas eine attraktive Option sein,
stabile Netzinfrastruktur notwendig, über die vor allem off- und
vor allem wenn Energieerzeugung, Strom- und Gasnetzbetrieb in
onshore produzierter Windstrom von der norddeutschen Küste
kommunalen Händen liegen. Einige kommunale Unternehmen
und aus den windstarken ostdeutschen ländlichen Regionen in
sind bereits dabei, Erfahrungen mit Power to Gas zu sammeln
die industriellen Zentren West- und Süddeutschlands transpor-
und Synergien im Querverbund zu heben – einige Praxisbeispiele
tiert sowie über intelligent aus- und umgebaute Verteilnetze zu
finden Sie in der vorliegenden Broschüre.
den Verbrauchern vor Ort gelangen kann.
Power to Gas kann im „Zeitalter der Erneuerbaren“ und auf dem
Ohne ein zielgerichtetes Erzeugungs- und Lastmanagement, den
Weg in die „Dekarbonisierung“ der Energieversorgung einen
Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze sowie deutlich aus-
wertvollen Beitrag zum Ausgleich von Erzeugungsschwankungen
geweitete Speicherkapazitäten wird die Umstrukturierung des
leisten. Es liegt an der Politik, dieses Potenzial durch geeignete
Energiesystems nicht zu erreichen sein.
Anreize zu erschließen.
Eine interessante und zukunftsträchtige Speicheroption stellt die
Weitere Eindrücke zu den Entwicklungen am Speichermarkt
Power-to-Gas-Technologie dar: Strom aus erneuerbaren Quellen
können Sie auch dem VKU-Speicherleitfaden - Marktüberblick
wird in Wasserstoff oder synthetisches Erdgas umgewandelt.
„Energiespeicher in der Kommunalwirtschaft“ entnehmen.
Michael Ebling
Katherina Reiche
Präsident
Hauptgeschäftsführerin
5
6
WENN´S STÜRMT, WIRD STROM ZU WASSERSTOFF
01
POWER TO GAS
WENN’S STÜRMT,
WIRD STROM ZU WASSERSTOFF
Power to Gas als Antwort
auf Schwankungen in der Energieerzeugung
Wie funktioniert Power to Gas? Welche Standorte sind
für Power-to-Gas-Anlagen besonders gut geeignet?
Und ab wann könnte die Technologie systemrelevant
werden?
7
8
WENN´S STÜRMT, WIRD STROM ZU WASSERSTOFF
Energie aus Sonne, Wind, Biomasse und Wasser – so lautet, kurz
… durch Ausbau der Übertragungsnetze
gesagt, das Ziel der deutschen Energiewende. Vor allem Windkraft- und Photovoltaikanlagen sollen Kohle- und Kernkraft-
Eine Notwendigkeit, um den Schwankungen in der Erzeugung
werke ersetzen. Die Neuausrichtung der Erzeugung bringt jedoch
zu begegnen, ist die großräumige Verteilung des EE-Stroms.
immense Herausforderungen mit sich, die über die reine Ener-
Hierzu müssen die Übertragungsnetze ausgebaut werden. Gäbe
giegewinnung weit hinausgehen. Während Kohle- oder Kern-
es mehr und leistungsstärkere dieser sogenannten Stromauto-
kraftwerke stetig Energie liefern, ist die Erzeugung aus erneu-
bahnen, so könnte für den Norden überschüssig erzeugter Wind-
erbaren Quellen schwankend. Die Stromausbeute aus Windkraft
strom aus Offshore-Windparks in der Nordsee zum Beispiel nach
und Sonnenenergie ist wetterabhängig – an windstillen Tagen
Süddeutschland transportiert werden, wo es nach dem vollstän-
ohne Sonne wird zu wenig Strom produziert, an Tagen mit Wind
digen Ausstieg aus der Kernenergie an Erzeugungskapazität zur
und Sonnenschein gibt es mehr Elektrizität, als von den Netzen
Deckung des Verbrauchs mangeln wird.
aufgenommen und von Verbrauchern genutzt werden kann.
Doch der Bau neuer Höchstspannungsleitungen ist ein län-
Im Zuge der Energiewende und der wachsenden Erzeugung
gerfristiges Projekt. Obwohl der Gesetzgeber bereits mehrfach die
aus erneuerbaren Quellen werden die Unterschiede zwischen
Beschleunigung des Netzausbaus in Angriff genommen hat, liegt
Stromangebot und -nachfrage weiter bestehen – die Energie-
der Übertragungsnetzausbau weit hinter den Planungen zurück.
erzeugung wird weniger stetig und es gilt, Fluktuationen auszugleichen.
… durch Anpassungen in den Verteilnetzen
Fluktuationen ausgleichen…
Die Dezentralisierung der Erzeugung auf die Hoch-, Mittel- und
Niederspannungsebene erfordert aber vor allem Anpassungen in
Den Ausgleich soll der Strommarkt schaffen: Hier ergibt sich
Verteilnetzen – immerhin speisen rund 97 Prozent der Erneuer-
jederzeit im Verhältnis von Stromangebot und -nachfrage ein
bare-Energien-Anlagen in diese Netzebenen ein. Energie muss
Strompreis. Bei Stromknappheit kommt es zu Preisspitzen, die
dort nicht mehr nur verteilt werden, sondern aufgenommen, in-
ein Hochfahren von Erzeugungsanlagen anreizen sollen. So kann
tegriert und – im Falle regional überschüssig erzeugten Stroms
zum Beispiel ein modernes Gaskraftwerk für Ausgleich sorgen,
– in höhere Netzebenen abtransportiert werden. Hierzu sind
wenn Wind- und Sonnenenergie fehlen, da es sich innerhalb
Investitionen in die Infrastruktur, etwa für Kabel und Leitun-
von wenigen Minuten hochfahren lässt und damit deutlich fle-
gen, regelbare Trafos und die Erneuerung von Ortsnetzstationen,
xibler reagiert als alte Anlagen. In Zeiten von Stromüberschuss
erforderlich. Darüber hinaus erhalten zeitnahe Informationen
sollen die sehr niedrigen Strompreise dann ein Herunterfahren
über Netzzustände eine größere Bedeutung für die Netzsteue-
von Erzeugungsanlagen bewirken.
rung. Bei den Netznutzern entstehen mit Smart Metering gro-
Auch Verbraucher können ihren Beitrag leisten: Bei Strom-
ße Datenmengen, die bewältigt werden müssen. Hier bedarf es
knappheit schalten sie den flexiblen Teil ihres Verbrauchs ab, bei
einer Umgestaltung und Erneuerung der IT-Landschaft bei den
Stromüberschuss zu. Hier können intelligente Messeinrichtungen
Verteilnetzbetreibern. Wesentliche Trends sind demnach Ausbau
(Smart Meter) zum Beispiel darüber informieren, ob gerade zu
von und Investitionen in IT und Infrastruktur und Investitionen
viel oder zu wenig Strom erzeugt wird – und entsprechend kann
in die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter zur Bewältigung der
etwa die Wärmepumpe dann eingeschaltet werden, wenn viel
neuen Aufgaben.
Wind- und Sonnenenergie zu einem Stromüberschuss führen.
Neben den technischen Voraussetzungen stehen und fallen
diese Anreize mit der Preisspreizung am Markt. Häufig auftretende und hohe Preisunterschiede am Strommarkt fördern eine
… durch Erzeugungs- und Lastmanagement
Flexibilisierung zum Ausgleich der Fluktuationen aber nur, wenn
die Preisunterschiede die Verbraucher und Erzeuger auch errei-
Und auch der Aus- und Umbau auf allen Netzebenen reicht
chen und das marktorientierte Verhalten nicht durch Netzeng-
allein nicht aus: Die Stromnetze müssen durch den Einzug von
pässe behindert wird.
Informations- und Kommunikationstechnologien in Verbindung
mit Steuerungstechnik intelligenter werden. Denn auch nach
.
erfolgtem Netzausbau können die volatile Stromeinspeisung aus
Erneuerbare-Energien-Anlagen und der verstärkt marktorientierte Stromverbrauch zu Netzengpässen führen. Immer dann ist
ein intelligentes Erzeugungs- und Lastmanagement erforderlich,
je nachdem, wie es die Netzsituation gerade erfordert und die
Region an Flexibilität hergibt.
POWER TO GAS
SCHNITTSTELLEN VON STROM- UND GASNETZ SOWIE ERDGASSPEICHER IN DEUTSCHLAND
Ferngasleitungsnetz
Stromnetz 220 kV
Stromnetz 380 kV
Kavernenspeicher
Porenspeicher
Entry-Point
Exit-Point
Scheibengasbehälter
Teleskopgasbehälter
Röhrenspeicher
Kugelgasbehälter
© DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH, Stand: Ende 2015
… und durch Speicherlösungen
lung von Strom in speicherbares Gas (Power to Gas) möglich.
Die Wahrnehmung von Power to Gas in der Öffentlichkeit ist noch
Eine Lösung aber, die schon jetzt verfügbar ist, sind Speicher,
recht diffus. Deswegen hat sich der VKU zusammen mit seinen
die überschüssigen Wind- und Sonnenstrom aufnehmen und
Mitgliedsunternehmen und unter Verweis auf die einschlägige
bei Bedarf wieder abgeben. In Batterien und Druckluftspeichern
Fachliteratur mit den Chancen und Risiken dieser noch jungen
kann Strom für einige Tage vorgehalten werden. Soll Energie län-
Technologie ergebnisoffen auseinandergesetzt. Kommunalen
ger gespeichert werden, so ist dies durch Pumpspeicherkraftwer-
Unternehmen bleibt nun die Aufgabe, vor dem Hintergrund ihrer
ke, etwa in Österreich oder Skandinavien, in Form von Wärme
konkreten Situation – beispielsweise durch Synergien im Quer-
(Power to Heat) oder – noch dauerhafter – durch die Umwand-
verbund – das Für und Wider von Power to Gas abzuwägen.
9
10 WENN´S STÜRMT, WIRD STROM ZU WASSERSTOFF
Wie kommt die Power ins Gas?
Netze zu stabilisieren und die Versorgung flexibler zu machen,
sind sie an Orten ideal, wo die Stromnetze stark belastet sind und
Power to Gas ermöglicht die chemische Speicherung von regional
die Gasnetze ausreichend Kapazitäten zur Aufnahme von Was-
überschüssigem Strom. Die Technologie besteht darin, Strom in
serstoff oder synthetischem Erdgas haben. Das ist beispielsweise
Wasserstoff oder – in einem zweiten Schritt – in synthetisches
in Norddeutschland der Fall, wo die Stromleitungen durch große
Erdgas umzuwandeln und das gewonnene Gas zu speichern oder
Mengen an Windstrom stark belastet sind und gleichzeitig eine
zu transportieren. Mithilfe von Power to Gas kann Strom aus er-
gute Gasnetzinfrastruktur vorhanden ist. Ein weiterer Faktor für
neuerbarer Erzeugung also örtlich und zeitlich flexibel nutzbar
die Standortauswahl ist eine technisch verfügbare CO²-Quelle.
In der Praxis läuft die Umwandlung von Strom in Gas, die
gemacht werden.
Einmal im Gasnetz gespeichert, kann die Energie bei Bedarf
sogenannte Elektrolyse, wie folgt ab: Aus Strom wird mittels
in Kraftwerken zurückverstromt, als Brennstoff im Wärmemarkt
Wasserelektrolyse Wasserstoff gewonnen. Dieser Wasserstoff kann
oder auch als Kraftstoff in Erdgasfahrzeugen eingesetzt werden.
in begrenzter Konzentration ins vorhandene Erdgasnetz und
Power to Gas kann durch diese Sektorkopplung mittelfristig einen
dessen unterirdische Speicher eingespeist werden. Denkbar ist
wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und als Instrument
auch, Wasserstoff in Großspeichern wie Salzkavernen zwischen-
zur Flexibilisierung unserer Energieversorgung dienen. Daneben
zuspeichern.
ist mit weiteren Power-to-X-Konzepten, wie Power to Liquid,
Alternativ kann der Wasserstoff auch durch Reaktion mit
Power to Compression, Power to Heat oder Power to Chemicals,
Kohlendioxid in synthetisches Erdgas (SNG) umgewandelt, also
die Speicherung oder der direkte Einsatz von nicht bedarfsgerecht
methanisiert werden. Das so gewonnene Gas kann – anders als
erzeugtem Strom in verschiedenen Anwendungspfaden möglich.
Wasserstoff – zu 100 Prozent ins bestehende Erdgasnetz geleitet
Power-to-Gas-Anlagen sind an manchen Standorten sinn-
werden. Das benötigte Kohlendioxid kann aus Kraftwerken, der
voller zu betreiben als an anderen. Die Deutschlandkarte auf
Industrie, Biogas-, Kläranlagen oder direkt aus der Umgebungs-
Seite 9 bildet die Stromübertragungsnetze, die Gasfernleitungs-
luft gewonnen werden.
netze und ihre Schnittpunkte, sowie die Gasspeicher ab. Um die
PRENZLAU: ENERTRAG-HYBRIDKRAFTWERK LIEFERT BEDARFSGERECHTE ENERGIE
brandenburgischen
sung von Wasserstoff ins Erdgasnetz ist seit Dezember 2014
Prenzlau zielt darauf ab, die Machbarkeit einer sicheren und
in Betrieb. Das Gasnetz nimmt nun den größten Anteil des
nachhaltigen Energieversorgung und Energiespeicherung mit
grünen Wasserstoffs ab und liefert ihn als Windgas an End-
einem Mix aus rein erneuerbaren Energiequellen im Praxis-
verbraucher in ganz Deutschland.
Das
ENERTRAG-Hybridkraftwerk
im
test nachzuweisen. Erstmals werden Wind, Wasserstoff und
Biogas zu einem System vereint.
Der in drei Windenergieanlagen erzeugte Strom wird
Standort:
Prenzlau, Brandenburg
anteilig zur Herstellung von CO²-freiem Wasserstoff eingesetzt und gespeichert. Für die Erzeugung des Wasserstoffs
Projektpartner:
wird ein druckloser alkalischer Elektrolyseur eingesetzt.
ENERTRAG AG, TOTAL Deutschland GmbH,
Der als Wasserstoff gespeicherte Strom wird in Zeiten von
Vattenfall Europe Innovation GmbH, Deutsche Bahn AG
hoher Energienachfrage und wenig Wind in zwei Blockheizkraftwerken rückverstromt und versorgt zudem einen Teil
Inbetriebnahme:
des Nahwärmenetzes der Stadt Prenzlau. Der Wasserstoff
Oktober 2011
wird dem Biogas mit einem Anteil von bis zu 30 Prozent beigemischt. Zusätzlich kann der hochreine Wasserstoff kom-
Ansprechpartner:
primiert für die Mobilität bereitgestellt werden. Die Einspei-
ENERTRAG AG, enertrag@enertrag.com
POWER TO GAS 11
FUNKTIONSWEISE POWER TO GAS
ERDGASNETZ
ERDGASNETZ
STROMNETZ
Industrielle
Nutzung
Stromerzeugung
Mobilität
Wärmeversorgung
Verbraucher
GuD-/BHKraftwerke
ElektrolyseeG
H2
Gasspeicher
erneuerbare Energien
Methanisierung
CH4
Bio-Erdgas
Verbandkommunaler
kommunalerUnternehmen
Unternehmen(VKU)
(VKU)
©©Verband
Mit einem zunehmenden Anteil von EE-Strom steigt der Flexibili-
brauch aus. Gemäß den Zielen der Bundesregierung wäre dies
tätsbedarf und unter den derzeitigen Bedingungen der Anteil an
also etwa ab 2035 der Fall. Der Bedarf an Kurzzeitspeichern für
„Überschussstrom“: Im Jahr 2014 konnten bereits 1.581 Gigawatt-
die Bereitstellung von Systemdienstleistungen zur Stromnetzsta-
stunden Strom aus erneuerbaren Energien nicht in das Stromnetz
bilisierung steigt dagegen deutlich früher.
integriert werden und mussten im Rahmen des Einspeisema-
Zudem könnten Ausgleichtechniken wie das Power-to-Gas-
nagements abgeregelt werden. Das entspricht im Vergleich zum
Konzept schon früher nachgefragt werden – dann nämlich, wenn
Vorjahr einer Verdreifachung und hat Kosten in Höhe von rund
eine der folgenden Situationen eintritt:
187 Mio. Euro (2013: 44 Mio. Euro) verursacht. Die Ausfallarbeit
• Der bestehende Kraftwerkspark erweist sich als weniger flexi-
kann sich perspektivisch noch deutlich erhöhen.
bel als in den Studien angenommen, woraus sich zusätzliche
Speicherbedarfe ergeben.
ENTWICKLUNG DER AUSFALLARBEIT (IN GWh)
• Der tatsächliche Stromnetzausbau hinkt weiterhin dem Plan
hinterher.
• Es treten zunehmend kritische Stromnetzsituationen auf, weil
Gesamt
Windenergie
Solarenergie
Biomasse
1.580,6
1.122,5
steigende Transportaufgaben und die Dezentralisierung der
Energieerzeugung die Netze an den Rand ihrer Belastbarkeit
bringen.
• Anlagen, die Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen,
müssen immer häufiger abgeregelt werden, das heißt, Strom
wird nicht produziert beziehungsweise eingespeist. Die Kos-
555,8
480,3
65,5
8,8
2009
2010
2011
2012
2013
245,2
112,1
2014
Quelle: Monitoringbericht 2015 (BNetzA/BKartA) | © Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
ten für Ausfallarbeit, also die Entschädigungszahlungen der
Netzbetreiber an die betroffenen Erzeuger, steigen deutlich
an und belasten die Stromkunden zunehmend.
• Wenn in einem neuen Marktmodell EE-Anlagen gesicherte
Leistung anbieten, das heißt, ein Teil des erzeugten Stroms
etwa in Form von synthetischem Erdgas gespeichert wird
Einschlägige Studien gehen von einem Bedarf an Langfristspei-
und so in windarmen Zeiten zur Absicherung des Fahrplanes
chern für mehrere Tage oder Wochen bei einem Anteil von min-
rückverstromt werden kann.
destens 60 bis 80 Prozent erneuerbarer Energien am Stromver-
12 POWER TO GAS IN DER PRAXIS
02
POWER TO GAS 13
POWER TO GAS IN DER PRAXIS
Wirkungsgrade und Anlagensteuerung
Wie viel Energie bleibt trotz Umwandlung von Strom
in Gas erhalten? Kann eine Power-to-Gas-Anlage
nach Bedarf im wechselnden Betrieb laufen? Und
welche Verfahren gibt es zur Elektrolyse?
14 POWER TO GAS IN DER PRAXIS
Die Umwandlung von Strom in Gas und gegebenenfalls wieder
das heißt nicht dauerhaften, Betrieb ausgerichtet sein und häu-
in Strom durch das Power-to-Gas-Verfahren geht mit einem ge-
figes Hoch- und Herunterfahren der Anlage tolerieren können.
wissen Energieverlust einher. Wird Strom in Gas umgewandelt,
Herstellern zufolge ist der intermittierende Betrieb mit
so kostet dies rund ein Drittel der Energie (Abbildung, Pfad A).
Standard-Elektrolyseuren möglich, kann sich jedoch auf die
Wird das Gas anschließend in Strom transformiert, so liegt der
Lebensdauer und den Wirkungsgrad der Anlage auswirken. Die
Wirkungsgrad bei rund 30 Prozent (Abbildung, Pfad B). Mit 50
Geschwindigkeit des Hoch- und Herunterfahrens, Reaktions-
Prozent wäre der Wirkungsgrad höher, wenn bei der Verstromung
zeiten, Nutzungsdauerbeschränkungen und andere Merkmale
des Gases in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen die entstehende
der Betriebsführung unterscheiden sich je nach Art der Elektroly-
Wärme genutzt wird (Abbildung, Pfad C).
se. Aktuell gibt es zwei standardisierte Verfahren, die alkalische
Ein Einsatzfeld von Power to Gas liegt in der Verwendung
von Strom aus erneuerbaren Quellen. Genau dies stellt eine He-
Elektrolyse und die Proton Exchange Membran-Elektrolyse (PEMElektrolyse).
rausforderung dar, denn das schwankende Energieangebot führt
Der intermittierende Betrieb von Methanisierungsanlagen ist
dazu, dass eine Power-to-Gas-Anlage nicht im Dauerbetrieb
nur bedingt möglich. Auch die Auswirkungen des Ab- und An-
laufen kann: Viel Sonne und Wind bedeuten Hochbetrieb, bei
fahrens der Anlage auf die Stabilität des Katalysators sind nicht
Dunkelflaute steht die Anlage still. Power-to-Gas-Anlagen müs-
endgültig untersucht. Dies ist aber nicht prioritär, da der aus der
sen also flexibel gesteuert werden können: Elektrolyseure und
Elektrolyse gewonnene Wasserstoff ja bereits eine Möglichkeit
Methanisierungsanlagen müssen auf einen intermittierenden,
bietet, den Überschussstrom chemisch zwischenzuspeichern.
WIRKUNGSGRADE VON POWER TO GAS
Pfad
Wirkungsgrad
2/3
A) Strom zu Gas
Strom => Wasserstoff
Strom => Methan (SNG)
Strom => Wasserstoff
64-77%
ohne Kompression
1/3
B) Strom zu Gas zu Strom
2/3
bei Verstromung mit 60% und Kompression
auf 80 bar
34-44%
30-38%
1/2
C) Strom zu Gas zu KWK (Wärme und Strom)
Strom => Methan => KWK
bei Kompression auf 80 bar
(Einspeisung Fern-/Transportleitung)
57-73%
Strom => Wasserstoff
Strom => Wasserstoff => KWK
bei Kompression auf 200 bar
(Arbeitsdruck der meisten Gasspeicher)
49-64%
50-64%
Strom => Methan => Strom
2/3
54-72%
Strom => Methan (SNG)
Strom => Wasserstoff => Strom
Randbedingung
2/3
48-62%
bei 40% Strom und 45% Wärme
und Kompression auf 80 bar
43-54%
• versus 65-68% mit norwegischen Pumpspeichern (75% vor Ort plus 7-10% Verlust durch Stromtransport)
• versus 0% durch Abregelung oder
• versus effizientere, aber kapazitätslimitierendere Speicheralternativen
Daten: Michael Sterner
© Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
POWER TO GAS 15
ELEKTROLYSEVERFAHREN IM VERGLEICH
Technologie
Alkalische Elektrolyse
PEM-Elektrolyse
Erprobtheit
etablierte Technologie
für kontinuierlichen Betrieb
neue Technologie, wird derzeit noch erforscht
– Investitionskosten höher als bei alkalischer
Elektrolyse
max. Kapazität in m³/h (NTP) pro Einheit
760
30
Druck in bar
<30
<30
Temperatur in °C
50–80
50–80
Teillastbereich in %
20–100
0–100
Anfahrtszeit von Stand-by auf Nennlast
unter 5 Minuten
weniger als 10 Sekunden
Auswirkungen eines
intermittierenden Betriebs
durch schwankende Eingangsleistung
können Elektroden degradieren
=> mechanische Stabilität und Effizienz
sinken
=> negative Auswirkungen auf Lebensdauer, Verfügbarkeit und Wirkungsgrad
kann intermittierenden Betrieb besser
tolerieren als alkalische Elektrolyse
verfügbare Stackgröße
450 m³/h
250 m³/h
Investitionskosten
1.000–5.000 €/kW*
>2.000 €/kW
* die Spannbreite entsteht durch Skaleneffekt; unterer Wert bezieht sich auf Anlagen im MW-Maßstab
© xxx
© Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
WERLTE: AUDI NUTZT CO² AUS BIOGASAUFBEREITUNGSANLAGE DER EWE
FÜR WASSERSTOFF-METHANISIERUNG
Im Auftrag der Audi AG entstand im niedersächsischen Werl-
Damit das synthetische Erdgas ins Netz eingespeist werden
te eine industrielle Pilotanlage, in der synthetisches Methan
kann, betreibt der Netzbetreiber, hier die EWE NETZ GmbH,
erzeugt und ins Erdgasnetz der EWE NETZ GmbH eingespeist
die Einspeiseanlage mit der erforderlichen Druckanpas-
wird. Der Standort Werlte wurde gewählt, weil die EWE
sung, Druckabsicherung, Sicherung der Gasbeschaffenheit,
ERNEUERBARE ENERGIEN GmbH dort seit 2002 Biogas aus Ab-
Gasmessung und Odorierung. Das konditionierte syntheti-
fällen erzeugt, aufbereitet und anschließend in das Netz
sche Erdgas wird über diese Einspeiseanlage in das Mittel-
der EWE NETZ GmbH einspeist. Das für die Methanisierung
und Hochdrucknetz der EWE NETZ GmbH geleitet.
benötigte Kohlendioxid wird direkt aus dieser Biogasaufbereitungsanlage bezogen.
Standort:
Werlte, Niedersachsen
Die Anlage nutzt überschüssigen regenerativ erzeugten
Projektpartner:
Wind- und Solarstrom zur Elektrolyse. Der dabei entstehende
Audi AG, EWE AG
Wasserstoff kann als Kraftstoff für künftige Brennstoffzellen-
Inbetriebnahme:
Fahrzeuge dienen. Da die dazu erforderliche Infrastruktur
August 2013
momentan noch nicht vorhanden ist, wird vorerst synthe-
Ansprechpartner:
tisches Erdgas erzeugt. Die Anlage bindet das CO², das sonst
ungenutzt in die Atmosphäre gelangen würde, in den Kraft-
Jan-Bernd Meyer,
stoff ein. Das CO² wird dadurch klimaneutral.
jan-bernd.meyer@ewe.de
Projektmanager Biogasaufbereitungsanlagen
16 AUSTAUSCHGAS JA, ZUSATZGAS NUR BEDINGT
03
POWER TO GAS 17
AUSTAUSCHGAS JA,
ZUSATZGAS NUR BEDINGT
Potenziale und Grenzen des deutschen Gasnetzes
Wie viel Speicherpotenzial bietet das deutsche
Erdgasnetz? Inwiefern unterscheiden sich Wasserstoff
und synthetisches Erdgas vom Gas im Netz?
Und welches Gas darf wie ins Netz eingespeist
werden?
18 AUSTAUSCHGAS JA, ZUSATZGAS NUR BEDINGT
Im Vergleich zu bestehenden Speicherlösungen kann das
speichern können, beläuft sich das Speicherreservoir des Erd-
Erdgasnetz ein Vielfaches an Energie aufnehmen. Mit über
gasnetzes auf 60-100 Terawattstundenel. Kurz: Das Erdgasnetz
500.000 Kilometern Leitungen und Speichermöglichkeiten für
kann 1.500- bis 3.000-mal so viel Elektrizität speichern wie die
24 Milliarden Kubikmeter Gas ist das bestehende Erdgasnetz
vorhandenen Pumpspeicher und bietet damit ein enorme Kapa-
in der Lage, in synthetisches Erdgas umgewandelte Elektrizität
zität, um Energie vorzuhalten und je nach Bedarf als Kraft- oder
in großen Mengen aufzunehmen: Während die bestehenden
Brennstoff einzusetzen oder in Strom umzuwandeln.
Pumpspeicher in Deutschland maximal 0,04 Terawattstundenel
LANGFRISTIG VERFÜGBARE SPEICHERKAPAZITÄT IN DEUTSCHLAND
Speicher
speicherbares Volumen
langfristig in Mrd. m³ (Vn)
darin Speicherkapazität
Wasserstoff in TWh
Speicherkapazität Methan
in TWh
Porenspeicher/Aquifere
10,8
-
119
Kavernenspeicher
19,8
70,3
218
Summe
30,6
Gasspeicher gesamt
0,612
2,17
Gasspeicher gesamt 10 Vol.-%Wasserstoff
3,06
10,9
337
© Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
Bei der Speicherung muss zwischen Wasserstoff und syntheti-
te signifikant verändern. Damit das festgelegte Brennverhalten
schem Erdgas (SNG/ EE-Methan) unterschieden werden: Wasser-
nicht von der erlaubten Bandbreite abweicht, kann ein Zusatz-
stoff kann nur in begrenztem Umfang ins Erdgasnetz eingespeist
gas wie Wasserstoff lediglich zugemischt werden. Im Falle von
und ausschließlich in Kavernenspeichern gelagert werden. Syn-
Wasserstoff liegt der zulässige Anteil bei 5 Volumenprozent. Ist
thetisches Erdgas hingegen kann problemlos vom Netz aufge-
eine Erdgastankstelle ans Netz angeschlossen, so darf der Was-
nommen und sowohl in Kavernen- als auch in Porenspeichern
serstoffanteil sogar nur bei maximal 2 Volumenprozent liegen.
gelagert werden. Hierdurch erschließt sich ein zusätzliches
Denkbar ist, dass in Zukunft mehr Wasserstoff als bisher in
technisches Speicherpotenzial für Wasserstoff von rund 0,6 bis
die Netze geleitet werden darf. Aktuell wird untersucht, wie das
3,1 Milliarden Kubikmetern (abhängig von der Höhe der Wasser-
Netz und Endanwendungen auf höhere Wasserstoffkonzent-
stoffbeimischung). Zum Vergleich: Der Erdgasverbrauch lag 2014
rationen reagieren. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind Gas-
in Deutschland bei rund 85 Mrd. Kubikmetern. Stellt man dieser
turbinen,
Zahl das Speicherpotenzial gegenüber (30,6 Milliarden Kubikme-
Obertage-Anlage, in Fahrzeugen: CNG-Tanks und Großbrenner
ter (Vn)), so wird klar: Allein die bestehende Speicherinfrastruk-
die wesentlichen kritischen Komponenten.
tur ermöglicht es, die Erdgasversorgung Deutschlands für einige
Monate zu sichern.
Wie muss Gas beschaffen sein, um ins deutsche Erdgasnetz
zu dürfen? Diese Frage regelt der Deutsche Verein des Gas- und
Wasserfaches (DVGW) in seinen Arbeitsblättern. Wenn gasförmige Verbindungen ins Erdgasnetz eingespeist werden, wird zwischen Austauschgas und Zusatzgas unterschieden. Austauschgas
hat dieselbe Gasqualität wie das im Netz vorhandene Erdgas.
Das im Rahmen von Power to Gas erzeugte synthetische Erdgas
ist ein solches Austauschgas und kann zu 100 Volumenprozent
eingespeist werden. Wasserstoff hingegen ist ein Zusatzgas und
unterscheidet sich in der Zusammensetzung und in den brenntechnischen Kenndaten deutlich vom Erdgas im Netz. Wird Wasserstoff zugemischt, führt das dazu, dass sich die Gaskennwer-
Kavernen-/Porenspeicher,
Komplettierungstechnik/
Ausgehend von einer Wasserstoffeinspeisung ins Erdgasverteilnetz ohne Erdgastankstellen und komplexer Industrie kann
von einer Verträglichkeit von 10 Volumenprozent Wasserstoff
heute schon ausgegangen werden.
POWER TO GAS 19
FRANKFURT/MAIN: THÜGA-ANLAGE SPEIST DIREKT INS KOMMUNALE GASVERTEILNETZ EIN
In einer Projektplattform bündeln 13 Unternehmen der
Weitere Informationen:
Thüga-Gruppe ihr Know-how und Kapital, um gemein-
www.szg-energiespeicher.de
sam in die Entwicklung der Power-to-Gas-Speichertechnologie zu investieren. Im Fokus steht die Prüfung der Pra-
Standort:
xistauglichkeit der Power-to-Gas-Technologie. Zu diesem
Frankfurt am Main
Zweck entwickeln, bauen und betreiben die Unternehmen
über mehrere Jahre (2012–2016) gemeinsam eine eigene
Projektpartner:
Demonstrationsanlage in Frankfurt am Main. Ende 2013 hat
badenova AG & Co. KG, Erdgas Mittelsachsen GmbH,
die Anlage erstmalig Wasserstoff in das Frankfurter Gas-
Energieversorgung Mittelrhein AG, erdgas schwaben GmbH,
verteilnetz eingespeist. Damit ist sie bundesweit die erste
e-rp GmbH, ESWE Versorgungs AG, Gasversorgung Wester-
Anlage, die in Wasserstoff umgewandelten Strom ins Gas-
wald GmbH, Mainova Aktiengesellschaft, Stadtwerke Ansbach
verteilnetz eingespeichert hat. Kernstück der Anlage ist ein
GmbH, Stadtwerke Bad Hersfeld GmbH, Thüga Energienetze
Protonen-Austausch-Membran(PEM)-Elektrolyseur mit einer
GmbH, Thüga AG (Projektkoordinatorin), WEMAG AG
elektrischen Nennleistung von 300 Kilowatt und einer zugehörigen Wasserstofferzeugung von rund 60 Kubikmetern
Inbetriebnahme:
pro Stunde. Der erzeugte Wasserstoff wird mit ca. 3,5 bar
Ende 2013
eingespeist. Eine Verdichtung des erzeugten Gases ist dabei
nicht nötig, wodurch die Effizienz der Umwandlung erhöht
Ansprechpartnerin:
wird. In ihrem relevanten Lastbereich zwischen 50 und circa
Dr. Elke Wanke,
325 Kilowatt erreicht die Gesamtanlage - von der Stroment-
Projektleiterin,
nahme bis zur Gaseinspeisung - einen Wirkungsgrad von bis zu
elke.wanke@thuega.de
77 Prozent, bezogen auf den Brennwert. Gefördert wird das Projekt vom hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung sowie der Europäischen Union.
Blick in den Elektrolyseur der Power-to-Gas-Demonstrationsanlage
20 VOM GASNETZ ZUM VERBRAUCHER
04
POWER TO GAS 21
VOM GASNETZ ZUM VERBRAUCHER
Märkte, Absatzmöglichkeiten und Investitionen
Woher kommt der eingesetzte Strom? Wer sind die
Abnehmer für das erzeugte Gas? Und inwiefern ist
Power to Gas wirtschaftlich attraktiv?
22 VOM GASNETZ ZUM VERBRAUCHER
Eine Power-to-Gas-Anlage kann verschiedene Märkte in den Be-
• Handel allgemein
reichen Strom, Gas, Wärme, Industrie und Verkehr bedienen. Um
Strom kann stundenweise direkt zwischen den Vertragspar-
diese verschiedenen Märkte genauer zu betrachten, bietet es sich
teien („over the counter“) oder an der Börse eingekauft wer-
an, zwischen Input-Seite (Beschaffung der Energie, die in die
den, wenn die Preise günstig sind. Ein solcher preisgesteuerter
Power-to-Gas-Anlage fließt) und Output-Seite (Absatz des von
Strombezug hat jedoch zur Folge, dass die Power-to-Gas-
der Anlage erzeugten Gases) zu unterscheiden.
Anlage nicht kontinuierlich betrieben werden kann.
• Regelenergie-Strom
Strom kann am Regelenergiemarkt, beispielsweise abhängig
von den Preissignalen, gekauft werden. Auch hier wäre ein
Strombeschaffung: Woher kommt die in der
Power-to-Gas-Anlage eingesetzte Energie?
nicht-kontinuierlicher Betrieb der Power-to-Gas-Anlage die
Folge.
• Kontingente durch Netzmanagement
• Abschaltkontingente
Für die Gewährung der Netzstabilität können Stromkontin-
In Phasen, in denen eine Erzeugungsanlage ihren Strom
gente zur Ein- und Ausspeisung bereitgestellt werden: Strom
nicht ins Netz einspeisen kann, entstehen sogenannte Ab-
aus einem Netzabschnitt kann in einer Power-to-Gas-Anlage
schaltkontingente, die in einer Power-to-Gas-Anlage ge-
eingesetzt und zu einem späteren Zeitpunkt wieder ins Netz
nutzt werden können.
geleitet werden.
HASSFURT: HÖHERE WASSERSTOFFBEIMISCHUNG WIRD ERPROBT
Als Verbundpartner betreiben die Stadtwerk Haßfurt GmbH
triebsweisen der Anlage analysiert und optimiert, um so die
und Greenpeace Energy ein Power-to-Gas-Modellprojekt im
gewonnenen Erfahrungen auf andere Gasnetze und andere
fränkischen Haßfurt. Die Hochschule erforscht und optimiert
Betreiber übertragen zu können. Im Rahmen des Modellpro-
die Anlagenkonstellation im Hinblick auf Betriebszeiten, Er-
jekts wird erprobt, inwiefern sich das Erdgasnetz als Speicher
zeugung sowie Einspeisung. Weitere Partner sind industrielle
für regenerativen Strom nutzen lässt, ohne dass der Weg über
Systemzulieferer: Die PEM-Elektrolyse liegt in den Händen
die Methanisierung des Wasserstoffs nötig wird. Dennoch
von Siemens, Linde Pfaffinger stellt die Gasspeichertechnik
kann das Projekt optional um eine Methanisierungsanlage
und die DBI GmbH die Gaseinspeisetechnik.
erweitert werden.
Für die Stadtwerk Haßfurt GmbH steht die Umwandlung
von regenerativem Überschussstrom aus eigener Erzeugung
Standort:
(Solar, Wind) in Wasserstoff im Fokus des Modellprojekts. Er-
Haßfurt
probt werden soll zudem die Zumischung von Wasserstoff mit
einem Anteil bis zu 5 Volumenprozent in das Niederdruck-
Projektpartner:
Erdgas-Verteilnetz der Stadt. Die elektrische Anschluss-
Stadtwerk Haßfurt GmbH, Hochschule für angewandte
leistung des PEM-Elektrolyseurs von Siemens beträgt dabei
Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt,
1.250 Kilowatt Kilowatt. Die heizwertgerechte Gasabrechnung
Siemens AG, Linde AG, DBI GmbH, Greenpeace Energy,
erfolgt über moderne Messeinrichtungen, sogenannte Smart
Pfaffinger Unternehmensgruppe
Meter. Die Besonderheit liegt zudem in der Erzeugung des
Wasserstoffs aus überschüssigem Strom aus erneuerbaren
Inbetriebnahme:
Energien. Vorgesehen sind nur Betriebszeiten, in denen im
geplant für Frühjahr 2016
Bilanzkreis mehr Energie erzeugt als verbraucht wird.
Mit dem Vorhaben wird die gesamte energetische und
Ansprechpartner:
stoffliche Kette zur Nutzung des regionalen Erdgasnetzes
Markus Eichhorn,
als Speicher für regenerativen Überschussstrom vollständig
Labor für Thermodynamik und Energietechnik,
gekoppelt abgebildet. Weiterhin werden die möglichen Be-
markus.eichhorn@stwhas.de
POWER TO GAS 23
GESTEHUNGSKOSTEN FÜR EE-GAS IN RELATION ZU VOLLLASTSTUNDEN Μ
Konservativ: Elektrolyse 1.000 €2013/kWel u. = 70%; Methanisierung 700 €2013/kWel u. = 80%
Optimistisch: Elektrolyse 500 €2013/kWel u. = 80%; Methanisierung 350 €2013/kWel u. = 85%
350
Konservativ, 70 €/ MWhel
Annahmen: Zinssatz (real): 6% p.a.; Nutzungsdauer: 20 a
Stromseitig motivierte Einsatzkonzepte
Methangestehungskosten [€2013/MWhth,LHV]
300
250
Gasseitig motivierte Einsatzkonzepte
1.794
200
150
100
50
0
0
1.000
2.000
4.000
3.000
5.000
6.000
7.000
Optimistisch, 70 €/ MWhel
Konservativ, 0 €/ MWhel
Optimistisch, 0 €/ MWhel
Biogaswert 2013
Erdgaswert 2013
8.000
Volllaststunden [h/a]
Output-Märkte:
Wohin geht das erzeugte Gas?
zugspreis von 0 € und ein Strombezugspreis von 70 €/MWhel (dies
entspricht etwa den durchschnittlichen Kosten für Windstrom
Output-Märkte für synthetisches Erdgas
(onshore)). Zur Einordnung sind auch die Wertigkeit für Bio-Erd-
• Haushaltskunden
gas sowie der Grenzübergangspreis von Erdgas aufgeführt. Es wird
• Großhandel
deutlich, dass nur unter technisch-optimistischer Schätzung ein
• Industriekunden, beispielsweise Gaskraftwerke: Weiterverkauf
wirtschaftlicher Betrieb der Power-to-Gas-Anlage möglich ist.
auf Strommarkt nach Einsatz von synthetischem Erdgas für
Inwiefern die Gestehungskosten von synthetischem Erdgas künf-
Rückverstromung (Großhandel/Regelenergie)
tig reduziert werden können, ist derzeit auf Basis einiger indi-
• Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen: Weiterverkauf von Strom
vidueller Pilotprojekte schwer zu prognostizieren. Viele Fakto-
und Wärme – synthetisches Erdgas wird ins Gasnetz einge-
ren spielen eine Rolle, wie die Prozess- und Standortparameter,
speist und kann an anderer Stelle von einem Blockheizkraft-
so dass eine verlässliche Aussage schwer zu treffen ist. Flankie-
werk aufgenommen werden. An diesem entfernten Standort
rende Politikmaßnahmen können zur Kostenreduktion beitra-
können dann Wärme und Strom erzeugt werden, etwa durch
gen. Solche Maßnahmen könnten darin bestehen, die Defini-
Wärme-Contracting-Lösungen.
tion von Speichergas zu erweitern, Power-to-Gas-Anlagen als
• Industrie: Einsatz als Prozessgas zur Weiterverarbeitung,
Wärme-, Kühl- und Trocknungsprozesse
• Tankstellen
Systemdienstleister einzustufen oder die Regeln zum Gasnetzzugang auch bei nicht überwiegendem Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Gaserzeugung anzuwenden. Flankierende
Maßnahmen könnten zudem entsprechende Förderprogramme
Doch kann synthetisches Erdgas diesen Nachfragern zu einem
in den Bereichen Forschung und Entwicklung sein.
marktfähigen Preis angeboten werden? Ausschlaggebend für den
Es drängt sich also die Frage nach der Wirtschaftlichkeit von
Marktpreis sind die Gestehungskosten. Diese sind stark abhängig
Power-to-Gas-Anlagen auf: Wie kann Power to Gas rentabel
von den Strombezugskosten und der Anzahl der Volllaststunden.
sein, wenn sich sogar das heute relativ hoch subventionierte
In der Regel gilt: Je günstiger der Strombezugspreis und je mehr
Konkurrenzprodukt Bio-Erdgas trotz seines deutlich niedrige-
Stunden die Power-to-Gas-Anlage läuft, desto niedriger werden
ren Verkaufspreises von rund 6,4 Cent pro Kilowattstunde eher
die Kosten für die Erzeugung von einer Kilowattstunde SNG.
schleppend vermarktet?
Die obere Abbildung zeigt die Bandbreite der Gestehungs-
Es zeichnet sich ab, dass synthetisches Erdgas unter den der-
kosten von Power to Gas für eine technisch-optimistische und
zeitigen Rahmenbedingungen nicht bei den verschiedenen End-
eine technisch-konservative Schätzung mit vereinfachten An-
verbrauchern (Haushalten, Industrie) oder an Tankstellen zum
nahmen. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: Ein Strombe-
Einsatz kommen wird.
24 VOM GASNETZ ZUM VERBRAUCHER
Output-Märkte für Wasserstoff
Wasserstoff könnte bei 7.000 Volllaststunden und einem angenommenen Strombezugspreis von 0 Cent pro Kilowattstunde
• direkt: Industrie und Tankstellen
wirtschaftlich erzeugt werden. Diese Bedingungen wären ideal,
• nach Rückverstromung: Elektrizitätsmarkt
sind jedoch als äußerst ambitioniert zu bewerten. Damit gilt: Wie
• Strombörse/OTC
synthetisches Erdgas ist auch Wasserstoff aktuell zu teuer, um mit
• Regelenergiemarkt
anderen Energieträgern konkurrieren zu können.
Eine Power-to-Gas-Anlage kann zum einen primär der Gaser-
Kann Wasserstoff kostendeckend oder gar gewinnbringend
zeugung (Wasserstoff/SNG) dienen, zum anderen der Nutzung
vermarktet werden?
oder Speicherung von Überschussstrommengen. Um zu beurtei-
Der direkte Verkauf von Wasserstoff (an Industrien und Tankstel-
len, welche der beiden Alternativen wirtschaftlicher ist, müssen
len) ist aktuell wohl der attraktivste Markt. Noch wird Wasserstoff
der Wert des erzeugten Gases und die resultierenden Stromge-
nur in bestimmten Modellregionen als Kraftstoff eingesetzt, vor
stehungskosten mit den Stromgestehungskosten aus anderen
allem für den Langstrecken- und Lastverkehr. Vor dem Hinter-
Energieträgern verglichen werden.
grund der Klimaziele im Verkehrssektor könnte Wasserstoff auf-
Wird Strom in Gas umgewandelt, fallen zwei Nebenproduk-
grund seiner CO²-freien Verbrennung allerdings künftig stärker
eingesetzt werden.
te an: Sauerstoff und Wärme. Damit kann der Anlagenbetreiber
In Bezug auf den Handel auf dem Strommarkt erscheint die
weiteren Verwendung zugeführt werden: So kann beispielsweise
Rückverstromung von Wasserstoff wirtschaftlich sinnvoller als
Sauerstoff an Klärwerke verkauft werden und dort etwa in Bele-
die Rückverstromung von synthetischem Erdgas, da hier der
bungsbecken genutzt werden. Die beim Power-to-Gas-Prozess
Schritt der Methanisierung mit den entsprechenden Umwand-
entstehende Abwärme kann in vorhandene Nah- und Fernwär-
lungsverlusten nicht erforderlich ist. Auch für die Teilnahme am
menetze eingespeist oder in den Heizungsrücklauf geleitet und
Regelenergiemarkt wäre es eher denkbar, dass rückverstrom-
bei der Gasvorwärmung genutzt werden. Auch in Biogasanlagen
ter Wasserstoff – anders als synthetisches Erdgas – als positive
und in anderen Einsatzbereichen kann Wärme weiterverwertet
Regelenergie angeboten werden kann.
werden.
Umsätze generieren, denn beide Nebenprodukte können einer
KOSTENSTRUKTUR EINER 5MW(el) ELEKTR. ELEKTROLYSEANLAGE INKLUSIVE EINSPEISUNG
Investitionskosten Power-to-Gas-Anlage
(5 MW, 1.000 m³/h Wasserstoff) in Euro
gerundet
Stromanschluss 35,6 % (2)
Bau, Aufstellung, Fundamente,
Gebäude, Straßen, Zaun (1)
209.000
210.000
Stromanschluss
(Trafo, Kabel, Gleichrichter) (2)
3.497.000
3.500.000
Elektrolyseanlage (Wasseraufbereitung, Piping, MSR …) (3)
4.950.000
4.950.000
MSR (Einbindung in Warte),
Medienheranführung,
Piping (extern) (4)
22.000
20.000
Verdichter (bis 50 bar) (5)
275.000
280.000
Pufferspeicher
(bis 50 bar, 15.000 m³) (6)
264.000
260.000
Einspeiseanlage (7)
275.000
280.000
Unvorhergesehenes,
Ausgleichsmaßnahmen (8)
321.750
320.000
Summe
9.813.750
9.820.000
Elektrolyseanlage 50,4 % (3)
2,1 % (1)
3,3 % (8)
2,8 % (7)
2,7 % (6)
2,8 % (5)
0,2 % (4)
© Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
POWER TO GAS 25
Allgemein gilt: Power-to-Gas-Anlagen können zeitgleich oder
wechselnd in mehrere Märkte eingebunden sein. Um eine Anlage wirtschaftlich betreiben zu können, muss daher der richtige
Markt oder die richtige Kombination verschiedener Märkte gewählt werden. Voraussetzung ist, dass die Ausrichtung laufend
überprüft und optimiert wird.
Generell ist die Wirtschaftlichkeit einer Power-to-Gas-Anlage abhängig von den Investitionskosten, dem Strombezugs- und
Gasverkaufspreis, dem Stand der Technologie (Wirkungsgrad der
Anlage) und der Entwicklung des Regelenergiemarktes.
EU-FORSCHUNGSPROJEKT HELMETH
Durch Synergien in Elektrolyse und Methanisierung sollen
Projektpartner:
Wirkungsgrade über 85 % möglich werden.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT),
Die Wirtschaftlichkeit von Power-to-Gas-Anlagen kann ge-
Universität Turin, TU Athen, Sunfire GmbH, EthosEnergy Italy,
steigert werden, indem die Wirkungsgrade erhöht werden.
European Research Institute of Catalysis, Deutscher Verein
Das Forschungsprojekt HELMETH (Integrated High-Tempe-
des Gas- und Wasserfaches e.V.
rature ELectrolysis and METHanation for Effective Power to
Gas Conversion) soll zeigen, dass Wirkungsgrade über 85 %
Forschungsbudget:
möglich sind. Hier wird das zweistufige Verfahren weiterent-
3,8 Mio. Euro
wickelt: Bei der Elektrolyse wird der Strom zunächst genutzt,
um Wasserdampf in Sauerstoff und Wasserstoff zu zersetzen.
Weitere Informationen:
Bei der Methanisierung wird der erzeugte Wasserstoff dann
www.helmeth.eu
durch Reaktion mit Kohlendioxid in einspeisefähiges synthetisches Erdgas umgewandelt. Bei HELMETH werden Elektrolyse
Ansprechpartner:
und Methanisierung nicht getrennt voneinander betrachtet,
Manuel Gruber, Lehrstuhl für Verbrennungstechnik,
sondern Synergien zwischen diesen Verfahrensschritten bes-
Manuel.Gruber2@kit.edu
ser genutzt: Ein großes Potenzial liegt in der Nutzung der
Prozesswärme aus der Methanisierung, um den Wasserdampf
+ -
sondere die neu entwickelte Hochtemperaturelektrolyse bei
ELMETH
C
2
für die Hochtemperaturdampfelektrolyse zu erzeugen. InsbeO2
4
T
CO2
H2
T
H 2O
rund 800 °C und bei bis zu 30 bar Druck hat thermodynamische Vorteile, die den Wirkungsgrad in Kombination mit einer
thermischen Integration der exothermen CO²-Methanisierung
weiter steigern. Im Rahmen von HELMETH soll eine
Demonstrationsanlage entstehen, die mit einem Wirkungsgrad von rund 85 % aus erneuerbaren Energien Methan
erzeugt. Parallel werden Studien zur Wirtschaftlichkeit und
Klimabilanz der neuen Technologie erstellt.
H 2O
CH4
H 2O
26 SMARTE SPEICHERLÖSUNG AUS EINER HAND
05
POWER TO GAS 27
SMARTE SPEICHERLÖSUNG
AUS EINER HAND
Power to Gas als Option
für Mehrspartenunternehmen
Lohnt sich Power to Gas für kommunale
Unternehmen? Welche Rolle spielen Verbundeffekte?
Und wie sind die Chancen und Risiken insgesamt
zu bewerten?
28 SMARTE SPEICHERLÖSUNG AUS EINER HAND
Am Betrieb einer Power-to-Gas-Anlage sind verschiedene
Wenn
Akteure beteiligt: der Betreiber der Power-to-Gas-Anlage, der
EE-Erzeugungs- und Power-to-Gas-Anlage, sondern auch das
das
kommunale
Unternehmen
nicht
nur
die
Betreiber der (EE-)Stromerzeugungsanlage, Strom- und Gasnetz-
Stromnetz betreibt, ergeben sich, zumindest in den Fällen,
betreiber sowie Händler und Dienstleister.
in denen der Netzbetrieb nicht gesellschaftsrechtlich entflochten
Für kommunale Unternehmen kann Power to Gas vor
ist, weitere Synergieeffekte: Dank Power to Gas können kritische
allem dann interessant sein, wenn das kommunale Unterneh-
Stromnetzsituationen durch fluktuierende EE-Einspeisungen
men mehrere der genannten Akteure in sich vereint.
und somit erforderliche Investitionen ins Stromnetz vermieden
werden. Dies reduziert die Kosten insgesamt.
KOMMUNALES UNTERNEHMEN IST
+
Betreiber
der Power-toGas-Anlage
KOMMUNALES UNTERNEHMEN IST
Betreiber der
(EE-)Stromerzeugungsanlage
+
Betreiber
der Power-toGas-Anlage
Betreiber der
(EE-)Stromerzeugungsanlage
+
+
Stromnetzbetreiber
+
Gasnetzbetreiber
Für ein kommunales Unternehmen ist der Betrieb einer Powerto-Gas-Anlage umso interessanter, wenn es selbst Strom aus
Ist ein kommunales Unternehmen zudem auch Betreiber des
erneuerbaren Quellen erzeugt. Grund: Die Power-to-Gas-Anla-
Gasnetzes, so kann durch Power to Gas die Auslastung der Gas-
ge kann den selbst erzeugten Strom zu einem Preis beziehen,
netze erhöht werden. Die Wirtschaftlichkeit des überregionalen
der einen wirtschaftlichen Betrieb der Power-to-Gas-Anlage
Gasnetzes ist eng mit der Netzauslastung verbunden – bei guter
ermöglicht. Auf der anderen Seite profitiert das kommunale
Auslastung können Netzentgelte reduziert werden.
Unternehmen als Stromerzeuger davon, dass durch Power to Gas
ein neuer Absatzkanal entsteht, über den das erzeugte Gas auch
Damit ist klar: Power to Gas ist vor allem für Unternehmen inte-
in Zeiten von Stromüberschüssen gewinnbringend vermarktet
ressant, die Gasnetze im Umfeld von EE-Anlagen betreiben und
werden kann.
in deren Umfeld die Stromnetzsituation kritisch ist. Ideal eignet
sich Power to Gas also für Mehrspartenunternehmen. Natürlich
gilt auch hier: Der Betreiber muss die geltenden Entflechtungs-
KOMMUNALES UNTERNEHMEN IST
vorschriften einhalten und einen diskriminierungsfreien Netzzugang gewährleisten.
Power-to-Gas-Anlagen, die Wasserstoff erzeugen, können in
+
Betreiber
der Power-toGas-Anlage
+
Betreiber der
(EE-)Stromerzeugungsanlage
der Regel eher wirtschaftlich betrieben werden, wenn sie das
erzeugte Gas direkt ins Fernleitungsnetz einspeisen. Dies trifft
auf große regionale und überregionale Fernleitungsnetzbetreiber zu, oder auch auf Stadtwerke, die Zugang zum Fernleitungsnetz haben. Ist die Anlage jedoch an die regionale oder örtliche
Netzebene angeschlossen, so kann aufgrund der Zumischbegrenzungen möglicherweise nicht genug Wasserstoff eingespeist
werden, um die Power-to-Gas-Anlage wirtschaftlich betreiben
Stromnetzbetreiber
zu können.
Angesichts
schwankender
Erzeugung
und
steigenden
Speicherbedarfs stellt Power to Gas eine vielversprechende Option dar. Die Umwandlung von Strom aus erneuerbaren Energien
POWER TO GAS 29
in Wasserstoff oder synthetisches Erdgas ermöglicht es, Energie
zu speichern und gezielt einzusetzen, wo und wann sie gebraucht wird. Stromüberschüsse aus volatilen Quellen können
im Erdgasnetz aufgenommen und bedarfsgerecht bereitgestellt
werden. Power to Gas verbindet die Strom-, Gas- und Wärmemärkte miteinander und stellt die Verbindung zum Mobilitätssektor sowie zur Industrie her.
Dennoch:
Power to Gas wirft in der Industrie wie in
der Politik aktuell noch viele Fragen auf:
• Wie lassen sich die Elektrolyseur- und Methanisierungstechnik mit einem systembedingt intermittierenden Betrieb der
Anlage vereinbaren?
• Unter welchen Voraussetzungen kann eine Power-to-GasAnlage kostendeckend betrieben werden?
• Und inwiefern ist die Technologie eine attraktive Option für
kommunale Unternehmen?
Klar ist: Aus heutiger Sicht lässt sich Power to Gas aufgrund der
technischen Entwicklung und des ordnungspolitischen Rahmens
nicht wirtschaftlich betreiben. Vor diesem Hintergrund tut es
not, schnellstmöglich die notwendigen Gesetzesgrundlagen für
Energiespeicher zu schaffen.
Ein verbindlicher Rahmen und entsprechende Förderprogramme könnten den wirtschaftlichen Betrieb von Power to Gas
in Deutschland gewährleisten und den Weg ebnen für eine sinnvolle Eingliederung der Technik in das künftige Energiesystem.
Auf dem Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energieversorgung ist
Power to Gas ein wichtiger Baustein – auch und gerade für die
kommunale Energiewirtschaft.
Kommunalen Unternehmen bleibt vorerst die Aufgabe, die
Chancen und Risiken von Power to Gas individuell abzuwägen.
Investitionen in eine nachhaltige Energieversorgung, ob durch
Power to Gas oder andere Technologien, sollten sorgfältig geprüft
werden.
30
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS / GLOSSAR
Ausfallarbeit
Differenz zwischen möglicher Einspeisung und tatsächlich realisierter Einspeisung
Austauschgas
Gas, das ähnliche Eigenschaften wie Erdgas aufweist und dessen Austauschbarkeit
mit Erdgas möglich ist
EE
Erneuerbare Energien
EE-Gas
Alle aus EE-Strom erzeugten gasförmigen Energieträger – als EE-Wasserstoff,
EE-Methan= EE -SNG, oder eine Mischung daraus (EE-Hythane)
Gestehungskosten
Kosten, die für die Erstellung eines Produktes entstehen
kW Kilowatt
KWK Kraft-Wärme-Kopplung
Methanisierungsanlage
Anlage, in der Wasserstoff mit Kohlendioxid angereichert und so in Methan umgewandelt wird
NTP
Standardbedingungen (Normal Temperature and Pressure)
PEM-Elektrolyse Proton-Exchange-Membran-Elektrolyse
Regelenergie
Energie zum Ausgleich von Verbrauch und Leistung zur Gewährleistung der Stromnetzstabilität
SNG
Synthetisches Erdgas (Synthetic Natural Gas)
Zusatzgas
Gas, das andere Eigenschaften als Erdgas aufweist, dessen Austauschbarkeit mit Erdgas nicht,
eine Beimischung jedoch möglich ist
LITERATUR
_Agentur für Erneuerbare Energien e.V., Ingenieurbüro für neue Energien (IfnE) (2015):
Metaanalyse Stromspeicher in Deutschland, Berlin, Agentur für Erneuerbare Energien e.V.
_Bergische Universität Wuppertal, DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH, DVGW, RWTH Aachen (2015):
Nutzen der Power-to-Gas-Technologie zur Entlastung der 110 kV-Stromverteilungsnetze, Bonn: DVGW.
_Brunner, C., Michaelis, J., Möst, D. (2015):
Competitiveness of Different Operational Concepts for Power-to-Gas in Future Energy Systems, Köln:
Zeitschrift für Energiewirtschaft.
_DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH (2014):
Wasserstofftoleranz der Erdgasinfrastruktur inklusive aller assoziierten Anlagen, Bonn, DVGW.
_DVGW, DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH, Outotec GmbH, Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität (2014):
Technoökonomische Studie von Power-to-Gas-Konzepten, Bonn: DVGW.
_Energy Brainpool, Forschungsstelle für Energienetze und -speicher der OTH Regensburg (2015):
Warum Windgas die Energiewende sicher macht und Kosten senkt, Hamburg: Greenpeace Energy eG.
www.vku.de