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DUISBURGER
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Hafen, Pfalz- und Bürgerstadt Visualisierungen zu Duisburg
im Mittelalter
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Archäologische RuhrZeiten.de
Eine virtuelle Zeitreise entlang des Hellwegs
Duisburg um 1566: Corputiusplan
(oben links); Modell im Kultur- und
Stadthistorischen Museum Duisburg
(oben rechts); Modell in Google Earth
(unten).
Titel
Anlässlich der Kulturhauptstadt 2010 bieten die drei Kommunalarchäologien
des Ruhrgebiets, Dortmund, Duisburg und Essen, gemeinsam mit der Hochschule Bochum über die Webseite „www.RuhrZeiten.de“ ein digitales Visualisierungsprojekt zu ausgewählten Themen der Archäologie und Geschichte entlang des Hellwegs an (Abb. 1). Im Mittelpunkt der Präsentation stehen
archäologische Ausgrabungsprojekte, anhand derer mit großen Schritten die
historische Zeitachse des Ruhrgebietes von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart durchstreift werden kann.
Um allen an der Geschichte des Ruhrgebietes Interessierten einen mühelosen
Zugang zu den Visualisierungsthemen zu ermöglichen, dient die beliebte und
kostenlose Internet-Plattform Google Earth (earth.google.de) als Verbreitungsmedium. Google Earth präsentiert eine dreidimensionale Darstellung
der historischen Modelle und gewährt Einblicke in den geschichtlichen Hintergrund der gezeigten Szenen.
Screenshot der Website
www.RuhrZeiten.de
Abb. 1
Virtuelle Realität
Unser Dasein ist durch Raum und Zeit geprägt. Zeit als messbare Größe ist für
jedermann greifbar, Raum wird für Viele erst durch seine natürliche Darstellung in drei Dimensionen verständlich.
Verfahren der Geoinformation ermöglichen es, raumbezogene Zusammenhänge abzubilden, sie zu präsentieren und zu analysieren. Internetbasierte
Werkzeuge wie z. B. Google Earth bieten als allgemein verfügbare Plattform
beste Voraussetzungen zur Darstellung derartiger raum- und zeitbezogener
Daten. Neben notwendigen Sachinformationen bauen sie technologisch auf
Verfahren der virtuellen Realität auf.
Google Earth stellt einen dreidimensionalen Globus zur Verfügung, der komplett mit Luft- und Satellitenbildern abgedeckt ist. Es ist dem Benutzer möglich, über die grafische Benutzeroberfläche jeden beliebigen Punkt auf diesem
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Globus stufenlos zu zoomen und zu betrachten. Dabei werden abhängig von
der Sichthöhe immer detailliertere Bilder geladen.
Über das Steuerungswerkzeug der „Zeitachse“ hat auch die vierte Dimension
„Zeit“ Eingang in das System gefunden. Diese Funktionalität bietet somit hervorragende Möglichkeiten zur Abbildung zeitabhängiger Prozesse, wie sie der
Wandel einer Kulturlandschaft über die Jahrhunderte darstellt (Abb. 2).
Google Earth: Benutzeroberfläche
mit der visualisierten Stadt Duisburg
um 1566.
Abb. 2
Duisburger Stadtgeschichte im Mittelalter
Duisburg gehört zu den ältesten Städten des Niederrheins. Der Ort führt seine Wurzeln auf einen bedeutenden Handelsplatz und Rheinhafen in der Flussaue zurück. Oberhalb von Hafen und Markt entstand auf der hochwasserfreien Niederterrasse im frühen Mittelalter ein Königshof. Dieser königliche Sitz
wurde im ausgehenden 10. Jahrhundert zu einer Pfalz mit repräsentativen
Gebäuden und einer Umwehrung ausgebaut. Bereits damals lag Duisburg
verkehrsgeografisch äußerst günstig im Netz überregionaler Wasser- und Wegeverbindungen. Bis zum 14. Jahrhundert war der Ort über den Rhein direkt
an den Nord- und Ostseehandel angebunden und fungierte als Drehscheibe
des Warenverkehrs an Rhein und Ruhr. Schon lange vor dem Mittelalter nahm
hier der Hellweg, eine der bedeutendsten Wegeverbindungen des Mittelalters, seinen Ausgang. Ab dem 10. Jahrhundert verband diese Straße Duisburg
mit der Pfalz Magdeburg, die unter den ottonischen Königen zu den wichtigsten des Reiches gehörte.
Archäologie als Basis für die virtuelle Rekonstruktion
In der Duisburger Altstadt wurden in den zurückliegenden 30 Jahren im Zuge der Stadtsanierung und des Stadtbahnbaus umfangreiche Grabungsprojekte durchgeführt. Sie haben eine Fülle an archäologischen Funden und Baustrukturen der frühen Stadt zu Tage gefördert. Zusammen mit einer Ansicht
aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, dem sog. Corputiusplan, bilden sie die
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entscheidende Grundlage für die unter Google Earth präsentierten historischarchäologischen Rekonstruktionen der Duisburger Altstadt.
Gezeigt werden drei der wichtigsten Etappen der Entwicklung Duisburgs auf
dem Weg von der Pfalzsiedlung des frühen Mittelalters zur Bürger- und
Rechtsstadt des Spätmittelalters (Abb. 3).
Ansicht der Stadt Duisburg auf dem
Corputiusplan von 1566.
Abb. 3
Die älteste Rekonstruktion wird Duisburg im ausgehenden 10. Jahrhundert
zeigen, als der ehemalige Königshof gerade zur Pfalz ausgebaut worden war
(Abb. 4, oben). Die nächste Visualisierung präsentiert den Ort etwa 200 Jahre später (Abb. 4, unten). Am Ende des 12. Jahrhunderts steht Duisburg an
einem Wendepunkt seiner Geschichte. Der Ort wandelte sich damals gerade
von der befestigten Pfalzsiedlung, die maßgeblich durch den König und seine Getreuen bestimmt war, zur Rechts- und Bürgerstadt des späten Mittelalters. Deutlich sichtbar wird dies am Ausbau der bereits lange bestehenden Befestigungsanlagen zu einem geschlossenen Mauerring. Das dritte Bild gewährt uns Auf- und Einsichten zur Stadt Duisburg in den Jahren um 1566.
Damals hatte die Stadt bereits lange den Zenit ihrer mittelalterlichen Entwicklung überschritten. Bereits im 14. Jahrhundert hat Duisburg durch die endgültige Verlandung des Rheinhafens vor den Toren der Stadt seine herausragende Stellung im überregionalen Handel eingebüßt. Sie sank zu einem regionalen Zentrum herab.
Durch die Überlieferung des Corputiusplanes von 1566 liegt für die Zeit der
ausgehenden Renaissance ein überaus wertvolles zeitgenössisches Dokument
vor, das eine sehr detaillierte Grundlage für eine Rekonstruktion der Bebauungsstruktur in dieser Zeit bietet (Abb. 3).
Die Stadt Duisburg um 1566
Die städtebaulichen Planungen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert haben
in Duisburg für einschneidende Veränderungen der Strukturen in der Altstadt
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Holzmodelle im Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg mit
Ansichten aus dem 10. (oben) und
12. Jahrhundert (unten).
Abb. 4
gesorgt und das Gesicht dieser einst prächtigen Stadt nachhaltig gewandelt.
Bei einem Spaziergang durch die Altstadt von Duisburg findet man nur noch
sehr wenige Relikte, die an die reiche und gleichsam äußerst bedeutsame frühe Geschichte dieser Stadt an Rhein und Ruhr erinnern. Besonders große und
heute von den Bürgern als sehr schmerzlich empfundene Lücken haben der
Zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit in den historischen Baubestand und
das archäologische Archiv unter dem Pflaster geschlagen.
Umso wichtiger erscheint es, mit Hilfe virtueller Modelle Bilder der großen
Vergangenheit dieser Stadt zurück in das Bewusstsein der Menschen zu bringen. Damit soll ein bedeutender Beitrag zum Entstehen neuen Bürgersinns,
gemeinschaftlichen Zusammengehörigkeitsgefühls und eines wieder erstarkten städtischen Selbstbewusstseins geleistet werden.
Der Plan des Johannes Corputius von 1566
Auf dieser ersten Etappe der virtuellen Zeitreise durch die Geschichte der
Stadt Duisburg erlebt der Besucher die Jahre um 1566. Es ist die Zeit des Gerhard Mercator und des Johannes Corputius. Beide haben sich weit über die
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Grenzen Duisburgs hinaus als Mathematiker, Philosophen und Kartographen
Bekanntheit verschafft (Abb. 5).
Johannes Corputius (1542-1611),
mögliches Selbstporträt auf seinem
gleichnamigen Plan von 1566.
Abb. 5
Corputius hat uns einen äußerst detaillierten Plan der Stadt hinterlassen, der
Duisburg in der Zeit um 1566 von der Rheinseite her zeigt. Durch die schräge Perspektive der Darstellung und seine gründliche Vermessung, auf der dieser Plan basiert, besitzen wir ein authentisches Bild der Stadt, mit allen Häusern, Gartenanlagen, Befestigungen, Mühlen und vielen weiteren Einzelheiten (Abb. 3).
Duisburg präsentiert sich hier als eine Stadt an der Wende vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit. Charakteristisch ist das Nebeneinader von unterschiedlich alten Baustrukturen. Manche Häuser und Anwesen zeigen sich
noch weitgehend unverändert im Gewand des hohen bis späten Mittelalters,
während andere den neuen Geist der Renaissance bereits deutlich durch ihre
Bauformen zum Ausdruck bringen. Das Zentrum und die Keimzelle der Stadt,
die befestigte Pfalz, ist noch deutlich am Baubestand abzulesen (Abb.6). Die
Wehranlagen waren in dieser Zeit aber bereits lange niedergelegt und viele
Grundstücke der ehemaligen Pfalz sind mit bürgerlichen Anwesen überbaut.
Im Zuge der Einführung von Feuerwaffen im 15. Jahrhundert hatte auch die
Stadtmauer ihre militärische Bedeutung verloren und wurde nicht mehr aufwändig unterhalten. Auch dies ist am Plan des Corputius und an der Visualisierung des Baubestandes der Zeit um 1566 deutlich abzulesen.
Ausschnitt aus dem Corputiusplan
von 1566 mit der noch erkennbaren
ringförmigen Struktur der ehemaligen Königspfalz.
Abb. 6
Die Visualisierung der Stadt Duisburg um 1566 in Google Earth ist in enger
Anlehnung an die Stadtansicht von Johannes Corputius entstanden (Abb. 7).
Sein Plan zeigt uns sehr viele Details, doch wegen der Perspektive bleiben uns
die Rückseiten der Häuser und das Aussehen enger Innenhöfe und verdeckter Hauspartien verborgen.
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Gesamtansicht des Google Earth
Modells auf der Grundlage des
Corputiusplans von 1566.
Abb. 7
Auch über die verwendeten Baumaterialien gibt der Plan nicht immer gesicherten Aufschluss. So müssen letztlich doch zahlreiche Bereiche der Visualisierung auf freie Rekonstruktionen zurückgreifen und die Bearbeiter damit
leben, dass letzte Gewissheit bis in jede Einzelheit über die damalige Realität
nicht zu erreichen ist. Vereinfachungen und schematische Darstellungen, vor
allem bei der Vegetation, sind der Anforderung geschuldet, die Datenmenge
möglichst gering zu halten, um das Modell problemlos über Google Earth
aufrufen zu können (Abb. 8).
Ausschnitt des Google Earth Modells
zu Duisburg um 1566: Blick auf die
Stadtmauer, im Vordergrund das
Schwanentor, dahinter die Salvatorkirche mit dem „Alten Markt“.
Abb. 8
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Allen Unwägbarkeiten zum Trotz bietet das gewählte Medium für die dreidimensionale Darstellung historischer und archäologischer Inhalte wichtige Vorzüge gegenüber konventionellen Präsentationsmethoden. So können zu jeder
Zeit und ohne größeren technischen Aufwand neue Forschungsergebnisse
und notwendige Änderungen am Modell eingearbeitet und rasch überregional verfügbar gemacht werden (Abb. 9 - 11).
Ausschnitt des Google Earth Modells
zu Duisburg um 1566: Blick von
Osten nach Westen, im Vordergrund
das Stapeltor.
Abb. 9
Ausschnitt des Google Earth Modells
zu Duisburg um 1566: Blick vom
Hafen am Schwanentor auf die Stadt.
Abb. 10
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Ausschnitt des Google Earth Modells
zu Duisburg um 1566: „Alter Markt“
mit Pranger und Marktständen.
Abb. 11
Zum besseren Verständnis der virtuellen Rekonstruktion können zu wichtigen
Bauwerken und Plätzen historische und archäologische Zusatzinformationen
mit Kurztexten und Bildern aufgerufen werden (Abb. 12 - 14). Skizziert werden darin die Historie einzelner Bauwerke und Bauensembles sowie deren
Forschungsgeschichte. Daneben finden sich Anmerkungen zu Problemen bei
der Rekonstruktion und Visualisierung sowie zu den dafür herangezogenen
und verwendeten Grundlagen.
Ausschnitt des Google Earth Modells
zu Duisburg um 1566, mit einer Zusatzinformation zum Mühlenturm.
Abb. 12
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Ausschnitt des Google Earth Modells
zu Duisburg um 1566: Wohnhaus des
Gerhard Mercator.
Abb. 13
Ausschnitt des Google Earth Modells
zu Duisburg um 1566: Wohnhaus des
Gerhard Mercator mit inhaltlichen
Erläuterungen.
Abb. 14
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IMPRESSUM
Herausgeber:
Stadt Duisburg
Der Oberbürgermeister
Stadtentwicklungsdezernat
Untere Denkmalbehörde
Texte:
Dr. Volker Herrmann, Untere Denkmalbehörde-Stadtarchäologie,
Thomas Jedrzejas, Hochschule Bochum, Fachbereich Vermessung und
Geoinformatik
Redaktion:
Dr. Volker Herrmann, Untere Denkmalbehörde-Stadtarchäologie
Google-Earth Modelle:
Thomas Jedrzejas, Hochschule Bochum, Fachbereich Vermessung und
Geoinformatik
Leitung des Projekts RuhrZeiten.de:
Prof. Dr.-Ing. Heinz-Jürgen Przybilla, Hochschule Bochum, Fachbereich
Vermessung und Geoinformatik
Satz und Layout:
ESD-Einkauf- und Service Duisburg / Amt für Stadtentwicklung und
Projektmanagement
Gedruckt mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Bauen
und Verkehr NRW
c Stadt Duisburg 2008
ISBN-Nr. 978-3-89279-648-0
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