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Full text: Feuriges Vermächtnis / Jentgens, Gerard (Rights reserved)

Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 1 BAUDENKMAL ORTSTEILE BODENDENKMAL OFFENE THEMEN DUISBURGER DENKMALTHEMEN 6 FEURIGES VERMÄCHTNIS Ein Friedhof der Eisenzeit in Rheinhausen-Bergheim l Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 2 Ein Friedhof der Eisenzeit an der Julius-Leber-Straße Obwohl die Stadt Duisburg mit ihren verschiedenen Ortsteilen seit gut einem Jahrhundert einen rasanten Wandel von einem eher ländlich geprägten Siedlungsgefüge zur industriellen Metropole vollzogen hat, bietet der derart überprägte Stadtgrund so einige Überraschungen (Abb. 1). Mit einem großen, noch intakten Gräberfeld hatten jedoch nicht einmal die größten Optimisten in der Unteren Denkmalbehörde-Stadtarchäologie gerechnet. In der Julius-Leber-Straße, Duisburg-Bergheim, wurde mit der Aufstellung eines Bebauungsplans für 27 Ein- und Doppelhäuser eine archäologische Untersuchung des Baugrundes notwendig. Die Ausgrabung überraschte mit über 140 Grabstellen aus der Eisenzeit (ca. 700 – 500/450 v. Chr.) und Spuren aus der Kaiserzeit aber auch des Frühmittelalters. Vielleicht ist sogar ein kleiner Hinweis auf den ehemaligen Ort Oestrum geglückt (Abb. 1). Von Mitte September 2009 bis Mitte Dezember 2009 war der Verfasser mit seinem Team im Auftrag der Stadtarchäologie Duisburg vor Ort und barg Urne um Urne (Abb. 2, 3). Die Urnen erhielten mit samt ihrer Füllung einen Gipsmantel und wurden in die Restaurierungswerkstatt gebracht. Dort sollen sie jetzt, abseits der Hektik der Baustelle, unter besten Bedingungen für die Wissenschaft untersucht und dokumentiert werden. Die Grabung im eisenzeitlichen Gräberfeld an der Julius-Leber-Straße in Bergheim stellt nicht nur für Duisburg, sondern für die gesamte Region einen unschätzbaren Wissenszuwachs dar. Es gibt nur wenige vergleichbare, gut erPreußische Generalstabskarte 1816-1847 Abb. 1 Unter genauer Beobachtung der Archäologen wird der Oberboden mit dem Bagger abgetragen... Abb. 2 2 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 3 Bodendenkmal ... dann folgt die genau dokumentierte Freilegung der Urnen Abb. 3 Bekannte Bronze- und eisenzeitliche Fundstellen im Raum Duisburg: Rot markiert Friedhof an der Julius-Leber-Straße Abb. 4 forschte Gräberfelder, die neue Einblicke in die Eisenzeit bieten. Wovon lebten die Leute? Was machte die Rheinauen und die Nähe zum Wasser für die Siedler der Eisenzeit so interessant? Die Graburnen werden uns helfen, solche Fragen zu beantworten. Ein Dank gebührt allen Beteiligten. Durch die hervorragende Zusammenarbeit aller, vom Eigentümer über die Stadtverwaltung bis hin zum Bauträger, war die Bergung dieses sensationellen Fundes erst möglich. 3 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 4 Das Gräberfeld „... Viele gemästete Schaf` und viel schwerwandelndes Hornvieh/Zogen sie ab und bestellten sie; aber von allen/Nahm er das Fett und bedeckte den Freund, der edle Achilleus,/Ganz vom Haupt zu den Füßen; die abgezogenen Leiber/Häuft er umher; auch Krüge voll Honiges stellt` er und Öles/Nah um das Leichengewand; und vier hochhalsige Rosse/Warf er mit großer Gewalt auf das Totengerüst, lautstöhnend/Neun der häuslichen Hund`, ernährt am Tische der Herrscher/Deren auch warf er aufs Totengerüst er zweene geschlachtet;/ ... /Ließ dann der Flamme Gewalt mit eiserner Wut sich verbreiten./ ... /und es knatterte mächtig umher Glut./Siehe, die ganze Nacht durchwühlten sie zuckende Flammen,/Sausend zugleich in das Totengerüst. ...“ (Abb. 5) Tötung gefangener Trojaner am Scheiterhaufen für den toten Patroklos. Darstellung auf einer griechischen Vase aus der 2. Hälfte des 4. Jh v. Chr. Abb. 5 So dramatisch schildert die Ilias, die älteste Erzählung aus der antiken Welt, die Verbrennung des Leichnams des Patroklos durch seinen Freund Achill im Zuge des trojanischen Krieges. Auch wenn diese Dichtung einem anderen Kulturkreis entstammt, illustriert sie doch anschaulich einen Teil der komplexen Vorgänge bei einer Brandbestattung im 1. Jahrtausend v. Chr. Alle der 142 archäologisch noch sicher nachweisbaren Bestattungen auf dem Areal an der Julius-Leber-Straße waren Brandbestattungen. Die Verstorbenen wurden auf einem Scheiterhaufen aufgebahrt und verbrannt. War der Scheiterhaufen heruntergebrannt, sammelte man die Bruchstücke der weiß kalzinierten Knochen auf und bestattete sie in einem Behältnis. In 97 % der Fälle erfolgte die Beisetzung des Leichenbrandes in einer Urne, einem schlichten Tongefäß (Abb. 6). Meist verschloss man mit einem zweiten Gefäß die Öffnung der Urne und setzte sie in einer Grube bei. Manchmal, so legen zwei Befunde nahe, stand das Gefäß in der Grube auf einem Steinpflaster aus Rheinkieseln. Neben diesen Urnengräbern ließen sich archäologisch aber noch andere Grabformen beobachten: Selten (3 % der Bestattungen) lag der Leichenbrand als faustgroße Anhäufung ohne umhüllendes Gefäß in einer Grube, ein 4 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 5 Bodendenkmal sogenanntes Knochenlager. Bei diesen Knochenlagern vermutet man, dass der Leichenbrand ursprünglich in einem organischen Behälter, z. B. einem Urnenbestattung: Unten die eigentliche Urne, oben die Deckschale Abb. 6 Knochenlager: Die Leichenbrandkonzentration ist im Boden nur schwer zu erkennen Abb. 7 Brandschüttung: Die Holzkohle vom Scheiterhaufen färbt die Grube um die Urne dunkel Abb. 8 so genanntes Knochenlager. Bei diesen Knochenlagern vermutet man, dass der Leichenbrand ursprünglich in einem organischen Behälter, z. B. einem Beutel aus Stoff, in das Grab gelegt wurde (Abb. 7). Die organischen Behältnisse haben im Boden keine Spuren hinterlassen. Den Urnengräbern nahe 5 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 6 verwandt sind die so genannten Brandschüttungsgräber. Hier gelangten in die Grabgrube nicht nur das Erdreich der Umgebung, sondern zusätzlich Holzkohle und Reste des Scheiterhaufens (Abb. 8). Diese Grabform ist mit 3 % aller Bestattungen ebenso selten wie einfache Knochenlager. Obwohl die eingegipsten Urnen noch nicht untersucht werden konnten, erlaubten beschädigte Gefäße bereits einen Blick in das Innere (Abb. 9). Neben dem Leichenbrand enthalten manche Urnen Beigaben. Darunter sind etwa tönerne Miniaturgefäße und Spinnwirtel zu finden. Tierknochen und die Zähne eines Hundes erinnern an das eingangs zitierte Beispiel aus dem Trojanischen Krieg, bei dem auch Rinder, Schafe und Hunde zusammen mit dem Toten auf den Scheiterhaufen gelangten. Beigabe: Ein Miniaturgefäß inmitten einer zerstörten Urne mit Leichenbrand Abb. 9 Ganz im Norden des Friedhofs wurde ein beeindruckender Kreisgraben mit ursprünglich 10 m Innendurchmesser und mindestens 70 cm Breite beobachtet (Abb. 10). In der Mitte der Anlage hatte man die mit einer Deckschale verschlossene Urne beigesetzt. Bei der Beisetzung wurde die Urne in eine ovale Grube gestellt, die man mit Erde und Holzkohle vom Scheiterhaufen verfüllte. Über der Bestattung erhob sich ehemals zusätzlich ein Hügel, der mit dem Aushubmaterial des Grabens aufgeschüttet worden war. Hügelgrab unten: Grabungsbefund mit Urne, Pfostengrube und Kreisgrabensegment von der Julius-Leber-Straße oben: rekonstruierter Hügel mit stelenartigem Pfosten Abb. 10 6 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 7 Bodendenkmal Ungewöhnlicherweise befand sich die Bestattung nicht genau im Zentrum der Grabanlage, sondern etwas nach Nordosten versetzt. Direkt in der Mitte fand sich der Abdruck eines senkrechten Holzpfahles. Es ist anzunehmen, dass der Pfahl als Holzstele den Hügel deutlich überragte. Eine derart mit Hügel und Stele markierte Bestattung war weithin sichtbar. Wahrscheinlich diente der Pfahl zusätzlich einem ganz praktischen Zweck. Mit einer am Holz befestigten Schnur konnten wie mit einem Zirkel Kreisbögen für die Anlage des Hügels und des Grabens geschlagen werden. Idealbild einer bronze- und eisenzeitlichen Friedhofslandschaft mit einer Bestattungsszene Abb. 11 Viele der nachgewiesenen Bestattungen waren ehemals wahrscheinlich mit Hügeln und durch Gräben verschiedener Form sowie Holzstelen markiert, sodass eine regelrechte Friedhofslandschaft entstand (Abb. 11). Obwohl die untersuchte Fläche mit den freigelegten Gräbern das imponierende Maß von drei Fußballfeldern umfasst, muss sich der Friedhof ursprünglich über ein viel größeres Areal erstreckt haben. Die Belegungsdichte deutet darauf hin, dass sich das Gräberfeld mit Sicherheit nach Osten in den Bereich der Geschwister-Scholl-Straße und der dahinter liegenden Wohnsiedlung ausgedehnt hat. Durch die Untersuchung wurde eine Gräberfeldgrenze nur ganz im Südwesten erreicht. Archäologe legt eine Urne frei und birgt sie im Block Abb. 12 7 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 8 Vorstellungswelt und Gesellschaft Stark verflachter Grabhügel auf dem alten Friedhof am Sternbuschweg in Duisburg-Neudorf Abb. 13 Für den Archäologen ist es schwierig sich über die Beschreibung der Grabformen, der Bestattungs- und Beigabensitten hinaus der Vorstellungswelt der eisenzeitlichen Bevölkerung zu nähern. Für den seit der mittleren Bronzezeit einsetzenden Wandel von der Körper- zur Brandbestattung werden unterschiedlichste Beweggründe diskutiert, von der „Furcht vor Wiedergängern“ bis zur „Befreiung der Seele vom Körper“. Es scheint auf der Hand zu liegen, dass für die Jenseitsvorstellung die diesseitige Körperlichkeit keine Rolle spielte. Ähnliches dürften auch die mitgegebenen und ebenso verbrannten Tieropfer signalisieren. Die Beigabe von Miniaturgefäßen, die durch ihre Verkleinerung nicht wirklich nützlich sind, ist vermutlich als Symbol für das vergangene Leben aufzufassen. Trotz ihrer Gebrauchstüchtigkeit scheint die Spinnwirtelbeigabe (s. u.) auch symbolischen Charakter zu haben: zu denken ist an ein Zeichen für intensive Schafhaltung und Nutzung der Wolle. Die Anlage von Friedhöfen in der Nähe der Siedlung und die oberirdische individuelle Kennzeichnung von Gräbern belegen deutlich, wie sehr die Erinnerung an die Verstorbenen in das tägliche Leben eingebunden war – sicher weitaus mehr als heute. Angesichts der Unterschiede zwischen den einzelnen Grabformen drängt sich die Frage nach der gesellschaftlichen Struktur der eisenzeitlichen Bevölkerung auf, die ihre Toten an der Julius-Leber-Straße bestattete. So ist die Herstellung eines organischen Behälters für ein Knochenlager sicher weniger aufwendig als das Töpfern und Brennen einer Urne. Außerdem fehlen in Duisburg bei den Knochenlagern jegliche Beigaben. Aber sind die in einem Knochenlager Bestatteten deshalb tatsächlich weniger wohlhabend gewesen, als diejenigen, die sich ein Urnengrab leisten konnten? Auch verschieden aufwendige Grabbauten, wie etwa Gräber mit oder ohne Hügel bzw. unterschiedlich große Hügel, ließen sich mit „arm oder reich“ erklären. Es könnte aber auch die gesellschaftliche Stellung oder der politische Einfluss eine Rolle spielen. Vielleicht lag aber auch die Unterscheidung nach “alt oder jung“, “Mann oder Frau“ der jeweiligen Bestattungspraxis zu Grunde. Schließlich muss angesichts der räumlichen Verteilung der Bestattungen auf dem Areal darüber nachgedacht werden, ob der Friedhof nach Familien gegliedert belegt wurde. Im Vorfeld all dieser Überlegungen ist aber zunächst die zeitliche Ordnung, die Chronologie des Gräberfeldes zu klären. So geben die einzelnen Grabgruppen auf dem Gräberfeld etwa auch nur die zeitliche Abfolge der Fried- 8 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 9 Bodendenkmal hofsanlage wieder. Vielleicht stehen die Knochenlager nur für einen frühen Belegungsabschnitt des Gräberfeldes, als es noch nicht üblich war, in Urnen mit Deckgefäßen zu bestatten. Beim jetzigen Bearbeitungsstand der Grabfunde sind diese Zusammenhänge leider noch nicht ausreichend geklärt, sodass an dieser Stelle mehr Denkanstöße als fundierte Antworten gegeben werden können. Die Siedlung zum Gräberfeld? Angesichts des ausgedehnten Friedhofs wird man in der näheren Umgebung die zugehörige Siedlung vermuten dürfen. Andere Grabungen in unserem Raum lassen ein Muster aus kleinen, selbstständig wirtschaftenden Gemeinschaften erkennen. Diese dörflichen Siedlungen bestanden aus mehreren hofartigen Wohn- und Wirtschaftskomplexen, aber auch Einzelgehöfte sind bekannt (Abb. 14). Idealbild einer eisenzeitlichen Siedlung am Fluss Abb. 14 Auch in der Julius-Leber-Straße gab es Hinweise auf eine dem Gräberfeld benachbarte Siedlung. Im Nordosten des Areals, einem Bereich, in dem nur wenige Bestattungen lagen, konnte eine ca. 1,7 x 1,4 m und 0,3 m tiefe Grube untersucht werden, die wohl in einen eisenzeitlichen Siedlungszusammenhang einzuordnen ist. Nördlich gab es etliche Pfostengruben, die ehemals zu Gebäuden gehört haben könnten. Unter den Funden befanden sich Reste von Lehmputz, wie er bei den hölzernen Pfostenhäusern als Bewurf der Flechtwerkwände verwendet wurde. Auch Teile von Webgewichten weisen auf eine Siedlung hin. Vermutlich hat die Grabung gerade noch den Randbereich der Siedlung erfasst. Ihr Zentrum ist weiter nordöstlich zu suchen, ist dann aber bereits durch die angrenzende Bebauung zerstört. Gefäßkeramik Während Keramik in Siedlungen fast immer zerbrochen als Abfall in den Boden gelangte, wurden in Gräbern in der Regel intakte Gefäße als Leichenbrandbehälter oder als Beigabe in das Grab gestellt (Abb. 15-17). Dennoch war nur ein Teil der in Bergheim gefundenen Gefäße vollständig, da der Pflug die dicht unterhalb der Oberfläche im Boden steckenden Urnen erfasst hatte. 9 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 10 Mehrere Tausend Scherben müssen nun gereinigt und wieder „zusammengepuzzelt“ werden. Verschiedene Gefäßformen in den Gräbern Abb. 15-17 10 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 11 Bodendenkmal Anhand der wenig beschädigten Grabinventare lässt sich ein erster Überblick über die Keramik des Friedhofs gewinnen. Unabhängig von den oft verwirrenden archäologischen Bezeichnungen für die Gefäße fallen auch dem Laien die Unterschiede zwischen Schale und Schüssel einerseits und den topfartigen Formen andererseits ins Auge. Erstere verfügen über einen im Vergleich zur Höhe großen Durchmesser und eine weite Mündung. Letztere weisen einen im Vergleich zur Höhe geringeren Durchmesser an der breitesten Stelle und eine engere Mündung auf. Die vielfältigen topfartigen Formen werden dann nach der Gestaltung des Gefäßoberteils recht anschaulich z. B. als Zylinderhals-, Kegelhals-, Schrägrand- oder Trichterrandgefäße bezeichnet. Schalen kamen auf dem Friedhof meist in Kombination mit den Hals- oder Randgefäßen vor und dienten dann als “Deckel“ der topfförmigen Urnen. Aber auch die Kombination Schale-Schale, bei der eine Schale als Urne für den Leichenbrand genutzt wurde, liegt vor. Seltener vertreten sind Henkeltassen oder Miniaturgefäße, die sich als Beigefäße in den Urnen finden. Die Oberfläche der Tonware hatte man oft geglättet, manchmal sogar poliert oder aber bewusst mit einem rauen Überzug versehen. Fingertupfen auf den Wandungen und Rändern, eingeglättete umlaufende Furchen, Besen- und Kammstrichmotive sind Beispiele für Zierformen auf der Keramik (Abb. 18). Trotz der oft hohen Qualität und der komplexen Formen wurden die Gefäße von Hand und ohne schnell drehende Töpferscheibe geformt. Dies unterstreicht das hohe handwerkliche Niveau der eisenzeitlichen Töpfer. Nach der Trocknung wurde die Keramik in einer Grube oder einem einfachen Ofen gebrannt. Verzierungen mit Fingern und Kamm an Keramikfunden aus dem Friedhof an der Julius-Leber-Straße Abb. 18 Die Keramik in ihrer Herstellung, Form und Verzierung liefert für den Archäologen das zeitliche Grundgerüst, die Chronologie der Fundstelle. Beim jetzigen Bearbeitungsstand lässt sich die Grabkeramik des Duisburger Gräberfelds mehrheitlich in die frühe Eisenzeit, d.h. in die Zeit von ca. 700 - 500/450 v. Chr. einordnen. Tracht Funde von Bestandteilen der ehemaligen Kleidung erlauben es uns, ein schemenhaftes Bild von der Tracht der auf dem Friedhof beigesetzten Menschen zu entwickeln. Vorwiegend erhalten sind nicht organische Gegenstände, die als Schmuckstücke am Körper getragen wurden, oft aber auch eine praktische Funktion erfüllten, z. B. bei der Befestigung einzelner Kleidungsstücke. 11 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 12 Kropfnadel aus Bronze, Julius-Leber-Straße Abb. 19 Keltischer Glasarmring, Bruchstück, Julius-Leber-Straße Abb. 20 Vergleichsbeispiele für keltische Glasarmringe und weiteren Glasschmuck Abb. 21 12 Zu dieser Fundgruppe gehört eine fast 10 cm lange Bronzenadel, die vermutlich aus einer völlig zerstörten Bestattung stammt oder auf dem Friedhof verloren wurde (Abb. 19). Sie zeigt keine Spuren großer Hitze und hat demnach nicht auf einem Scheiterhaufen gelegen. Wegen des charakteristischen “Knicks“ unterhalb des rillenverzierten Kopfs bezeichnet man diesen Fund auch als Kropfnadel. Dieser Kropf verhinderte das Verrutschen der zu verbindenden Kleiderstoffe auf der glatten Nadel. Die Kropfnadeln datieren mehrheitlich in die frühe Eisenzeit. Am Ende dieser Periode werden Nadeln von Fibeln abgelöst, die heutigen Sicherheitsnadeln ähneln. Als Haarnadeln bleiben sie aber noch einige Zeit gebräuchlich. Unter ähnlichen Umständen ist vermutlich auch das Bruchstück eines Glasarmrings in den Boden gekommen (Abb. 20-21). Das Glas hat eine tiefblaue bis fast schwarze Farbe und ist mit sieben Rippen verziert. Nur an den Rändern, wo das Material aufgrund der geringeren Stärke durchscheinend ist, ahnt man die farbliche Brillanz. Solche gläsernen Armringe wurden von keltischen Frauen von Frankreich bis Ungarn getragen. Von dort kamen die Glasarmringe und die mit ihnen verbundenen Trachtsitten an den Niederrhein. Unser spezielles Stück könnte jedoch auch von einer regionalen Werkstatt aus dem Raum zwischen Maas und Niederrhein stammen. Gefertigt hat man die nahtlosen Ringe durch ein Schleuderverfahren. Zeitlich ist das Stück deutlich jünger als unsere Bronzenadel. Die zwei Schmuckstücke wurden wahrscheinlich nie zusammen getragen. Ob sich noch weitere Trachtteile in den Urnen befinden, werden zukünftige Untersuchungen zeigen. Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 13 Bodendenkmal Eiserne Lanzenspitze, stark korrodiert, Julius-Leber-Straße Abb. 22 Bewaffnung Zu den bei den Baggerarbeiten entdeckten Funden gehört eine kleine eiserne Lanzenspitze von 18 cm Gesamtlänge (Abb. 22). Das 10,8 cm lange, schlank geformte Blatt geht in einen Dorn über, mit dem die Spitze im hölzernen Schaft befestigt war. Auf dem Blatt ist noch ein nicht näher bestimmbarer Gegenstand festkorrodiert. Im jetzigen, nicht restaurierten Zustand sind leider keine weitergehenden Aussagen möglich. Lanzen waren jedoch während der Eisenzeit als Beigabe in Männergräbern üblich. Spinnwirtel, Julius-Leber-Straße Abb. 23 Textilherstellung Einige Spinnwirtel aus Ton konnten als Lesefunde beim Anlegen der Grabungsflächen und aus zerstörten Bestattungen geborgen werden (Abb. 23). Spinnwirtel sind Schwunggewichte für eine Handspindel, mit der Wolle versponnen wurde (Abb. 24). Von flach halbkugeligen über konische bis hin zu komplexeren Formen lässt sich eine variantenreiche Gestaltung beobachten. Allen Formen gemeinsam ist die mittlere Durchbohrung für die hölzerne Achse, auf die der Faden gewickelt wurde. In Siedlungen gehören die Wirtel zum üblichen Fundinventar und belegen die häusliche Textilherstellung. Obwohl die geborgenen Urnen noch nicht bearbeitet wurden, offenbarten stärker beschädigte Gefäße schon bei der Freilegung, dass Spinnwirtel den Toten als Beigabe mitgegeben wurden. Unter den Lesefunden befinden sich auch zahlreiche Bruchstücke von Webgewichten (Abb. 25). Diese Gewichte wurden aus Ton gefertigt und bei niedrigen Temperaturen gebrannt. Durch eine schräge Bohrung konnte der Kettfaden des Webstuhls gezogen und befestigt werden. In dem steil stehenden Gewichtswebstuhl hing an einer Gruppe von Kettfäden je ein Webgewicht, das die Fäden straffte (Abb. 26). Die Funde von Webgewichten auf dem Friedhofsareal dürfen als Hinweis auf eine nahe Siedlung gewertet werden, in der Stoffe gewebt wurden. Möglicherweise entpuppen sich die Webgewichte im Verlauf der weiteren Untersuchungen auch als Beigaben einzelner Gräber. Gebrauch des Spinnwirtels Abb. 24 Fragmente von Webgewichten, Julius-Leber-Straße Abb. 25 Rekonstruktion eines Gewichtswebstuhls von den Färöern-Inseln Abb. 26 13 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 14 Abbildungsnachweis: Titelbild: G. Jentgens Abb. 1: Stadt Duisburg, Untere Denkmalbehörde-Stadtarchäologie Abb. 2, 3, 6-10, 12, 15-18, 20, 22, 23, 25: G. Jentgens Abb. 4: Schönfelder 1992, Abb.14, aktualisiert. Abb. 5: Nationalmuseum Neapel Nr. H3254 Berg, Rolle, Seemann 1981, Abb. 135 Abb. 11: Nach J. Frantz, LWL-Archäologie für Westfalen, AST Münster Abb. 13: Stadt Duisburg, Untere Denkmalbehörde-Stadtarchäologie Abb. 14: Ch. Worringer, LWL-Archäologie für Westfalen, AST Münster Abb. 21: Museum Plassenburg, Kulmbach www.landschaftsmuseum.de/glas_kelt-2jpg Abb. 24: B. Freudenberg 1990, Abb. 2 Abb. 26: H. Lorenz 1986, Abb. 64 Literatur: H. Lorenz, Rundgang durch eine keltische "Stadt" (Pfaffenhofen 1986) Abb. 64. B. Freudenberg, Vom Vlies zum Faden. In: Staatl. Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg (Hrsg.), Experimentelle Archäologie in Deutschland. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 4 (Oldenburg 1990) 450-452, Abb. 2. St. Berg, R. Rolle, H. Seemann, Der Archäologe und der Tod. Archäologie und Gerichtsmedizin (München und Luzern 1981) 137, Abb. 135. U. Schönfelder, Untersuchungen an Gräberfeldern der späten Bronze- und beginnenden Eisenzeit am unteren Niederrhein. Studies in Modern Archaeology 5 (Bonn 1992) Abb. 14. IMPRESSUM Herausgeber: Stadt Duisburg Der Oberbürgermeister Stadtentwicklungsdezernat Untere Denkmalbehörde Texte: Dr. Gerard Jentgens Redaktion: Dr. Volker Herrmann, Dr. Brigitta Kunz, Stadt Duisburg, Untere Denkmalbehörde-Stadtarchäologie Satz und Layout: ESD-Einkauf- und Service Duisburg / Amt für Stadtentwicklung und Projektmanagement Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der Firma AREA & CLAVIS, Wohnungsbau GmbH 14 c Stadt Duisburg 2010 ISBN-Nr. 978-3-89279-663-3 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 15 Bodendenkmal 15 Denkmalthemen6-11-2-10:Layout 1 11.02.10 11:44 Seite 16 c
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