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Full text: Der Flughafen BER / Thießen, Friedrich (Rights reserved)

Der FlughaFen Ber analyse Der wirtschaFtlichen situation mit alternativen szenarien Print www.gruene-fraktion-brandenburg.de www.gruene-fraktion-berlin.de www.gruene-bundestag.de kompensiert Id-Nr. 1439321 www.bvdm-online.de ISBN 978-3-9815807-4-7 imPressum Der Flughafen BER: Analyse der wirtschaftlichen Situation in ganzheitlicher Betrachtung mit alternativen Szenarien Erarbeitung Forschungsgruppe Luftverkehr Technische Universität Chemnitz Prof. Dr. Friedrich Thießen im Auftrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN des Brandenburger Landtags, des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Bundestags Herausgeberin Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag Alter Markt 1 14467 Potsdam Tel. 0331- 966 1701 Fax 0331- 966 1702 info@gruene-fraktion.brandenburg.de www.gruene-fraktion-brandenburg.de Studie unter gruenlink.de/rpi Foto © Seema Mehta ISBN 978-3-9815807-4-7 Potsdam, Juni 2014 Diese Publikation enthält Informationen über die parlamentarische Arbeit der drei Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ist nicht zum Zweck der Wahlwerbung bestimmt. VORWORT DER AUFTRAGGEBERiNNEN Das Projekt BER droht zwei Jahre nach dem sogenannten Neustart völlig aus dem Ruder zu laufen: Wann der Flughafen fertig wird, ist derzeit genauso offen wie die Frage, wie hoch die Kosten sein werden, die von ursprünglich 2 Milliarden auf inzwischen über 5 Milliarden Euro angestiegen sind. Auch die Lärmschutzmaßnahmen für die AnrainerInnen kommen kaum voran, viele stark betroffene Gebäude lassen sich gar nicht ausreichend schützen. Doch wie können die ausufernden Kosten für die öffentliche Hand und die den AnrainerInnen drohenden Gesundheitsschäden begrenzt werden? Und kann man den BER überhaupt wirtschaftlich betreiben? Zur Klärung dieser Fragen haben die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag, im Abgeordnetenhaus von Berlin und im Deutschen Bundestag eine Studie bei dem Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Friedrich Thießen von der TU Chemnitz in Auftrag gegeben, der das Projekt unter betriebs- und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten untersucht hat. Herangezogen hat er u. a. das prognostizierte Luftverkehrsaufkommen sowie Daten zu vergleichbaren Flughäfen. Zusammengefasst führt die Studie zu folgenden Ergebnissen: s$ER&LUGHAFEN"%2WIRDNICHTINDER,AGESEIN DIE)NVESTITIONENIN(ÚHEVONDERZEITMINDESTENS-ILLIARDEN%UROZU refinanzieren. s$ER"%2MàSSTESEINE%RLÚSEUMMINDESTENS0ROZENTGEGENàBERDERHEUTIGEN3ITUATIONSTEIGERN DAMITWENIGSTENS der Betrieb des Flughafens kostendeckend wäre. s0OTENTIELLE%RWEITERUNGENWIEEINEDRITTE3TART UND,ANDEBAHNHABENKEINESIGNIlKANTENGEWINNERHÚHENDENBZW verlustreduzierenden Effekte für den Flughafen. s%INPOSITIVERBETRIEBSWIRTSCHAFTLICHER%FFEKTDESGEPLANTEN.ACHTmUGESAM"%2BESTEHTNICHT s!NGESICHTSDERUNGàNSTIGENRÊUMLICHENUNDBETRIEBLICHEN6ORAUSSETZUNGENISTDER"ETRIEBDES4ERMINALSTEUER Der weitere Aus- und Umbau des Flughafens muss auf günstigere Betriebskostenstrukturen ausgerichtet werden. s$IE!USSICHTENAUFEINE$REHKREUZFUNKTIONSINDGERING s!NGESICHTSDERUNGàNSTIGEN,AGEDES&LUGHAFENSIMDICHTBESIEDELTEN6ERmECHTUNGSRAUMSàDLICHVON"ERLINUNDDER dadurch bedingten hohen Lärmbelastung sehr vieler Menschen ist es geboten, die Zahl der Flugbewegungen zu begrenzen. Als AuftraggeberInnen der Studie kommen wir zu folgenden Schlüssen: s$ER"%2DARFSICHFàRDIE3TEUERZAHLER)NNENNICHTWEITERZUEINEM&ASSOHNE"ODENENTWICKELN7IRFORDERNDIE'ESELLSCHAFTER Bund, Land Berlin und Land Brandenburg mit Nachdruck dazu auf, endlich einen aktuellen Terminplan bis zur Inbetriebnahme des Flughafens vorzulegen; außerdem ein transparentes und belastbares Finanzkonzept unter Einbezug des aktuellen Arbeits- und Erhebungsstandes, eine mittelfristige Liquiditätsplanung über das Jahr 2015 hinaus sowie eine Darstellung des aktuellen Kapazitätsvolumens und des Kapazitätsbedarfes durch die Flughafengesellschaft vorzulegen. Solange diese Unterlagen nicht vorliegen, werden wir keinen weiteren Mittelfreigaben aus den Haushalten des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg zustimmen. s$ER&LUGHAFEN"%2WIRDAMVORHANDENEN3TANDORTFERTIGGESTELLTUNDFUNKTIONIERTDANNALSMITTELGRO”ER&LUGHAFENFàRDIE 2EGION"ERLIN "RANDENBURGÃBERLEGENSWERTISTDER6ORSCHLAG 3CHÚNEFELD !LTBEIEINERABSEHBARNOTWENDIGEN%RWEITERUNG ALS4ERMINALFàRDEN,OW #OST 6ERKEHRZUENTWICKELN s%INEDRITTE3TARTBAHNUNDWEITERE%RWEITERUNGSBAUTENSINDNICHTERFORDERLICH$IE6ERLAGERUNGVON&LUGVERKEHRAUFDIE Schiene sollte durch einen fairen Wettbewerb mit einem Abbau der jährlichen Steuervergünstigungen für den Flugverkehr in (ÚHEVON-ILLIARDEN%UROVORANGETRIEBENWERDEN$ERGEPLANTE.ACHTmUGISTAM3TANDORT3CHÚNEFELDNICHTSINNVOLLUND kann ohne Probleme ausgeschlossen werden. s$ER2EGIERUNGSmUGHAFENMUSSAM3TANDORT3CHÚNEFELDEINGERICHTETWERDEN"ERLIN 4EGELKOMMTDAFàRNICHTMEHRIN&RAGE s7EILHÚHERE"ETRIEBSKOSTENDIESPÊTERE7IRTSCHAFTLICHKEITDES&LUGHAFENSEBENFALLSBELASTEN MUSSDERWEITERE!US UND Umbau so gestaltet sein, dass günstige Kostenstrukturen für den späteren Betrieb resultieren und jetzt vermeidbare Probleme tatsächlich vermieden werden. s$IE%INNAHMENDES&LUGHAFENSMàSSENMINDESTENSDIELAUFENDEN"ETRIEBSKOSTENDECKEN(IERZUSINDDIE%INNAHMEN verglichen mit Tegel um mindestens 50 Prozent zu steigern. s$ER"%2KOSTETJETZTSCHONDEUTLICHMEHRALSEIN&LUGHAFENVERGLEICHBARER'RڔEKOSTENDARF$IE)NVESTITIONSKOSTENFàR den Flughafen werden durch Werteverzehr nach und nach aufgebraucht werden. Ersatzinvestitionen (Erneuerung von Landebahnen, Abfertigungsanlagen etc.) würden schon mittelfristig neue Zuschüsse der öffentlichen Hand erforderlich machen. Um dem zu begegnen und den Flughafen ohne diese kontinuierlichen Zuschüsse betreiben zu können, erscheinen 3ONDERABSCHREIBUNGENALSEINEMÚGLICHEPLAUSIBLE,ÚSUNG$IESWàRDEALLERDINGSDAZUFàHREN DASSBEREITSGEmOSSENE-ITTEL für die Eigner verloren sind. Insgesamt ist die im Gutachten vorgeschlagene Trennung der Flughafengesellschaft in eine 6ERMÚGENS UNDEINE"ETRIEBSGESELLSCHAFTFàRDEN"%2IN%RWÊGUNGZUZIEHEN Eine aufschlussreiche Lektüre wünschen Ihnen: !XEL6OGEL Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag Oliver Krischer stellv. Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag 2AMONA0OP Fraktionsvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Abgeordnetenhaus von Berlin Stephan Kühn verkehrspolitischer Sprecher BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag Der Flughafen BER Analyse der wirtschaftlichen Situation des Flughafens BER in ganzheitlicher Betrachtung mit alternativen Szenarien Auftraggeber: Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Abgeordnetenhaus Berlin Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag Chemnitz, Juni 2014 Forschungsgruppe Luftverkehr Konzeptionelle und strategische Flughafenplanung, Luftverkehrsanalysen, Auswirkungsanalysen und regionale Effekte, Externe Effekte des Luftverkehrs Dieter Faulenbach Tony Günther André Haucke Michael Hergert Janine Krusche Marion Neumann Alexander Paul Martin Steigert Miriam Tauscher Friedrich Thießen Sophie Wolf Technische Universität Chemnitz finance@wirtschaft.tu-chemnitz.de Prof. Dr. Friedrich Thießen Post: 09107 Chemnitz Sitz: Thüringer Weg 7 09126 Chemnitz Tel. 0371-531-26190 Fax. 0371-531-834174 Der Flughafen BER Analyse der wirtschaftlichen Situation des Flughafens BER in ganzheitlicher Betrachtung mit alternativen Szenarien Gliederung 1. Zielstellung………………………………………………………………….. 1 2. Die Ausgangslage, wie es dazu kam und wie es weitergehen könnte………. 2 3. Der Flughafen BER und seine wirtschaftliche Entwicklung in alternativen Szenarien…………………………………………………... 15 4. Der Flughafen BER aus baulicher und technischer Sicht…………………. 53 5. Wachstum und Beschäftigung……………………………………………... 78 6. Nachtflugverbot……………………………………………………………. 87 7. Externe Effekte…………………………………………………………… 106 8. Flughafenkonzept für Deutschland……………………………………… 127 9. Literatur…………………………………………………………………... 136 Kapitel 1 Zielstellung Die vorliegende Analyse untersucht den Flughafen BER im Hinblick auf seine Wirtschaftlichkeit unter verschiedenen Blickwinkeln. x x x Zum einen werden die Ursachen der Probleme beleuchtet, die aufgetreten sind (Kapitel 1). Dann wird die zukünftige Wirtschaftlichkeit abgeschätzt (Kapitel 2). Schließlich wird die bauliche Situation des Flughafens diskutiert und mögliche Weiterentwicklungen aufgezeigt (Kapitel 3). Dies sind eher betriebswirtschaftliche Betrachtungen. Darüber hinaus werden auch gesamtwirtschaftliche Betrachtungen durchgeführt. x x x Die gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekte des Flughafens werden diskutiert (Kapitel 4). Die externen Effekte, wie z. B. Lärm- und Umweltschäden, werden beleuchtet (Kapitel 5). Schließlich wird erörtert, wie der Flughafen BER in ein deutschlandweites konsistentes Luftverkehrskonzept eingebettet werden könnte (Kapitel 6). Vor jedem Kapitel fasst eine Kurzfassung („Executive Summary“) die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Für alle Ausführungen gilt Folgendes: Angesichts der Unsicherheiten vieler Daten können Aussagen keinen endgültigen oder behauptenden Charakter haben, sondern nur begründete Vermutungen darstellen. Dies bitten wir im Folgenden an jeder Stelle zu beachten. Wir hoffen, mit unseren Ausführungen einen kleinen Beitrag leisten zu können, die Probleme des Projektes BER aufzuklären. 1 Kapitel 2 Die Ausgangslage, wie es dazu kam und wie es weitergehen könnte Executive Summary Großprojekte von den Dimensionen des BER gehören zu den anspruchsvollsten Bauvorhaben überhaupt. Überall kann es bei Großprojekten Probleme geben. Es ist eher Regel als Ausnahme, dass schwerwiegende unvorhergesehene Ereignisse auftreten. Dabei ist der Bauherr besonders gefordert, denn er kann die Reaktion auf Unvorhergesehenes nicht delegieren. Wenn der Bauherr seinen Pflichten nicht nachkommt, dann können sich die Eigeninteressen der Beteiligten entfalten, was bei Projekten von der Komplexität des Flughafens BER, insbesondere dann, wenn dies lange genug anhält, katastrophale Ausmaße annehmen kann. Wir schlagen vor, die Öffentlichkeit stärker in das Projekt einzubinden, um die Blockade der handelnden Personen aufzubrechen. Es sollten etwa 5 bis 10 konkrete Handlungsalternativen mit ihren Vor- und Nachteilen erarbeitet und der Öffentlichkeit vorgelegt werden. 2 Einführung Der Neubau des Flughafens Schönefeld BER steht wie wenige andere Projekte in Deutschland wegen Planungsfehlern, wegen Kostenüberschreitungen, wegen Baumängeln, wegen seines falschen Standortes, wegen funktionaler Mängel und wegen Zeitverzögerungen in der Kritik. Grundsätzlich sind Probleme bei Großprojekten nichts Unübliches. Stuttgart 21 hat aus ökologischen Gründen Kritik erfahren. Toll Collect wurde nicht rechtzeitig fertig und wurde deshalb kritisiert. Die Hamburger Oper hat den anvisierten Kostenrahmen gesprengt und zwingt die Abgeordneten Steuergelder zu genehmigen, die sie bei freiem Ermessen ex ante nicht freigegeben hätten. Viele Projekte werden teurer und später fertig als geplant. Großprojekte sind also kritisch. Aber aus all den problematischen Großprojekten ragt der Flughafen BER heraus. Die Bevölkerung hat den Eindruck, dass das Ausmaß an Problemen, die der Flughafen verursacht, den üblichen tolerierbaren Rahmen sprengt. Es stellt sich die Frage, warum das Projekt derart scheitern musste, wie das bisher der Fall war? Gegen die Zwanghaftigkeit des Scheitern sprechen viele Gründe: Flughäfen gehören nicht zu den Bauvorhaben, die besonders innovativ sind. Wie man Flughäfen baut und was zu beachten ist, ist bekannt und in vielen Handbüchern nachzulesen. Es gibt eine Handvoll von Fachleuten, die sich auskennen. Es gibt viele Beispiele neugebauter Flughäfen. Es gibt sinnvolle Faustregeln für Kosten, welche das Überschreiten von Budgets ausschließen. Auch gibt es Erfahrungen mit dem Zeitbedarf. Und es gibt Erfahrungen mit dem Wachstum des Luftverkehrs und wie man damit umgeht. Der Flughafen hätte also in Ruhe richtig konzipiert gebaut werden können. Warum ist es angesichts dieser guten Ausgangslage zu den massiven Problemen gekommen, die beobachtet wurden? Wir haben die verfügbaren Quellen untersucht. Darunter sind offizielle Quellen als auch solche Quellen, die im Internet zirkulieren oder per Mail weitergeben werden. Dann haben wir mit Fachleuten gesprochen, die das Projekt des BER seit der Mitte der 90er Jahre verfolgen und mitwirken. Viele Ursachen werden diskutiert. Alles zusammengenommen drängt sich eine Hypothese für die Ursachen der 3 Probleme auf, die wir im Folgenden vorstellen. Wir möchten damit aber in keiner Weise andere Erklärungen verdrängen. Alle Informationen zusammengenommen ergibt sich: Die eigentlichen Ursachen liegen unseres Erachtens lange zurück. Im Nachgang des Raumordnungsverfahrens (ROV) hat die öffentliche Hand mehr und mehr die Initiative an sich gezogen. Sie hat sich für den schlechtestmöglichen Standort direkt am Rande des Ballungsraums entschieden, der im ROV als ungeeignet bewertet worden war. Im ROV wurde das Projekt auf 2 Pisten und 30 Mio. Passagiere pro Jahr abgespeckt und Erweiterungsoptionen um 2 Pisten nur kursorisch bewertet. Im Standortsuchverfahren dagegen war ein Flughafenlayout mit 6 Pisten Maßstab der Standortauswahl gewesen. Der Standort Schönefeld war ungeeignet, aber politisch gesetzt. Es wurde von einem riesenhaften Großstadtflughafen gesprochen, der das Verkehrsvolumen von Chicago erreichen sollte. Kein Vergleich war für den „Großstadtflughafen“ der entstehenden Metropole Berlin zu groß. Einige nannten ihn den „Flughafen der nächsten hundert Jahre in Mitteleuropa“. Das maßlose und unrealistische Agieren der Politik fiel auf: Der Spiegel bezeichnete das Verhalten der Politiker in Bezug auf den BER als „abgehoben“. Angesichts dieses politischen Drängens nach einem außerordentlichen Flughafen kann sich bei vielen Beteiligten der Eindruck aufgedrängt haben, die öffentliche Hand habe ein unbedingtes Interesse und ebne diesem außerordentlichen Projekt in jeder Hinsicht alle Wege. Dies kann zu einer Reduzierung der Bereitschaft vieler Beteiligter geführt haben, sich ausschließlich objektiv sachlich und sachgerecht mit dem Flughafenbau auseinanderzusetzen. Nachdem die Privatisierungsverfahren gescheitert waren, nahm die Politik das Projekt selbst als Bauherr in die Hand. Später stellte sich heraus, dass die Politik aber ihren Bauherrenpflichten, ihren Kontroll- und Führungsaufgaben, nicht in angemessener Weise nachkam. 4 Folgende Hypothesen zur Problemursache werden diskutiert: x Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Federführung der Politik und der erkennbare unbedingte Wille, einen bedeutenden Großflughafen zu errichten in Verbindung mit den unterlassenen Kontrollen zu einem Klima der Verantwortungslosigkeit führte, bei dem viele Beteiligte am Projekt mitwirkten, aber keiner die wirkliche Verantwortung für das Ganze, für erkennbare Fehler, für Wege in Sackgassen übernahm. x Eine andere zu hörende Meinung macht die Architekten verantwortlich, die mehr auf die bauliche Ästhetik als auf die betriebliche Funktionalität achteten. Sie nutzen die von der Politik gelassenen Freiräume zur Verfolgung ihrer Interessen. Dafür spricht: Die elegante Architektur des Hauptstadtflughafens wurde fertig – bei diesem Aspekt haben sich die Architekten Mühe gegeben –, die Funktionalität fehlt – das war ihnen nicht so wichtig. x Eine dritte Ansicht macht die Flughafengesellschaft, die Bauherr im formalen Sinne ist, verantwortlich, weil sie ständige Änderungswünsche äußerte und den Bau damit verteuerte und verzögerte. x Eine vierte Ansicht geht dahin, die Flughafengesellschaft für nicht kompetent zu halten, ein so großes Projekt zu stemmen. Ihre Kompetenzen lägen im Flughafenmanagement, nicht im Flughafenbau. x Eine fünfte Ansicht meint, dass die Flughafengesellschaft zwischen einer Phalanx aus Politik als dem eigentlichen Bauherrn und berühmten Architekten, die jeweils wichtige übergeordnete Nebenziele verfolgten, mit ihren kleinlichen betriebswirtschaftlichen, flugtechnischen Argumenten beiseite gedrückt wurde. x Eine sechste Ansicht äußert, dass bei Bauten für öffentliche Bauherren eine Atmosphäre des „Sicht-Unterordnens“ nicht selten sei – wer zu deutlich Kritik übt, fliegt heraus –, so dass Widerspruch der Fachleute unterbleibt und dem öffentlichen Bauherrn zu lange eine scheinbar heile Welt vorgegaukelt wird. Ihm wird erzählt, was er hören will. Eines lässt sich aber erkennen: Nichts von den genannten Fehlerverhaltenstypen kommt bei anderen Projekten nicht auch vor. Dass sie sich beim BER so drama- 5 tisch auswirkten, hat etwas mit dem Bauherren zu tun, der diese Entwicklung nicht dämmte, und den Anfangsfehlern, durch die sich das Projekt von vornherein auf einem schiefen Gleis befand, das Vertuschung und Korrektur erforderte. Dem Standort Deutschland als einem Standort von herausragender Ingenieurleistung und als einem Standort, an welchem komplexe Projekte bewältigt werden können, wenn sie richtig angegangen werden, schadet dieses Verhalten nach Meinung vieler Fachleute sehr. Beispiele für Fehlentwicklungen Im Folgenden skizzieren wir beispielhaft einige Entwicklungen, die ein Licht auf die Probleme werfen. Abb. 1 vergleicht die Anordnung von Gepäckbändern in der Planung des Flughafens BER und in den Handbüchern für Flughafenplaner. Es zeigt sich, dass im Fall des BER die Anordnung der Gepäckbänder so gewählt wurde, dass in mehreren Fällen zwischen zwei Gepäckwagen nur zwei Spuren für Gepäckwagen zur Verfügung stehen. Die IATA-Handbücher zeigen, dass eine dritte Spur zur Verfügung stehen sollte. Fehlt die dritte Spur, kann ein Flughafen grundsätzlich auch betrieben werden. Aber es steigt die Gefahr von Stockungen, die Kapazität des Flughafens sinkt, da bei Stockungen im Ablauf nicht angemessen reagiert werden kann. Es sind manuelle Eingriffe nötig, welche den Personalaufwand und damit die Betriebskosten erhöhen. Niemand würde einen Flughafen von vornherein mit nur zwei Spuren für Gepäckwagen planen. Es ist nicht die betriebskostengünstigste Variante. Es handelt sich eigentlich um eine Notlösung. Bereits im ersten Bauantrag findet sich diese Notlösung. 6 Abbildung 1 Gepäckbänder laut Planung und laut IATA-Handbuch Gepäckmanipulation für abgehendes Gepäck Quelle: GU Ausschreibung erster Bauantrag, PG BBI, Grundrissebene „0“, v. 2.5.2007 sowie IATA-Handbuch Reference Manual Abbildung 2 Vorfeld und Fluggastbrücken am BER Quelle: Broschüre Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt, Hrsg. Pressestelle Flughafen, Juni 2011, S. 17 7 Abb. 2 zeigt die Anordnung der Fluggastbrücken in der Planung des BER. Die Regelmäßigkeit der Brücken gibt ein schönes ästhetisches Bild. Der Flughafen BER ist mit dieser Regelmäßigkeit von der Luftseite aus betrachtet bestimmt der schönste Flughafen der Welt. Aus luftfahrttechnischer Sicht ist die Regelmäßigkeit aber unpraktisch, da es Flugzeuge verschiedener Größe gibt, die abzufertigen sind. Abb. 2 zeigt, dass große Flugzeuge wie der A 380 gleich drei Plätze blockieren, die während der Abfertigung des A 380 nicht benutzt werden können. Auch mit einem solchen Fehler kann ein Flughafen grundsätzlich noch ohne Probleme betrieben werden. Er hat dann einfach eine geringere Kapazität. In die Fluggastbrücken sind Investitionsmittel geflossen. Sie können nun ihre volle Kapazität nicht entfalten. In Abb. 2 ist auch zu sehen, dass große Flugzeuge in den Rollweg hineinragen und diesen für die Dauer ihres Aufenthaltes an der Fluggastbrücke blockieren. Auch dies führt zu Kapazitätsminderungen. Grundsätzlich kann ein Flughafen mit solchen Fehlern immer noch betrieben werden. Aber es sind Zustände, die bei professionellerer Planung leicht hätten vermieden werden können. Der Bauherr hätte dann bei gleichem Investitionsvolumen einen Flughafen mit einer höheren Kapazität, besserer Funktionalität und geringeren Betriebskosten bekommen. Über die Verantwortlichkeit solcher Fehlplanungen gibt es Streit. Es wurde der federführende Architekt verantwortlich gemacht. Der Bauherr hatte diesem Architekten die Verantwortung für das Projekt übertragen. Bekommen hat er Eleganz statt Funktion. Deshalb machen einige ihn für die aufgetretenen Fehler verantwortlich. 8 Abbildung 3 Flugzeuge an Fluggastbrücken Quelle: Gerkan, M.v., 2013 Dieser bestreitet aber seine Verantwortung. Er hat eine Schrift, ein Büchlein, erstellt, in welchem er auf all die Fehler hinweist, die andere begangen haben. Wir zeigen im Folgenden aus dieser Schrift einen kleinen Auszug. Abb. 3 gibt eine stilisierte Wegeplanung aus einer früheren Arbeit des Architekten an einem anderen Flughafen wider, für die der Architekt verantwortlich zeichnet. Zu sehen ist ein Flugzeug, das durch eine Flugastbrücke mit dem Terminal verbunden ist. Leider dockt die Brücke an der rechten Seite des Flugzeugs an, was in der Realität bei keinem einzigen Flugzeug möglich ist: Alle Türen für Passagiere liegen links. Fluggastbrücken docken niemals rechts an. Das Bild ist falsch. Warum zeigt der für das Gesamtprojekt verantwortliche Architekt in einer Verteidigungsschrift ein Bild, das in einem flugtechnischen Aspekt falsch ist? Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass der verantwortliche Architekt kein Interesse an flugtechnischen Details habe. Architekten wollen „Kathedralen der Neuzeit“ errichten, eindrucksvolle Terminals, aber nicht mit luftverkehrstechnischem „Kleinkram“ belastet werden. Man mag die Tatsache einer Zeichnung eines falsch angedockten Flugzeugs für eine Lappalie halten. Aber niemand, der tagtäglich mit 9 Flughäfen und Flugzeugen zu tun hat, würde einen solchen Fehler begehen. Ein Geiger zeichnet die f-Löcher einer Geige noch im Schlaf richtig, während jemand, der nicht laufend mit Geigen zu tun hat, gar nicht merkt, dass er ein f-Loch falsch zeichnet. Genauso wird jemand, der mit der Technik von Flughäfen innigst vertraut ist, nie eine Zeichnung anfertigen, bei der ein Flugzeug auf der falschen Seite beladen wird, während es einem anderen vielleicht völlig egal ist. Die Zeitschiene der Fehlentwicklungen Als für die Öffentlichkeit 2010 überraschend die geplante Eröffnung des Flughafens verschoben werden musste, war dies für Fachleute nicht überraschend. Der Chefarchitekt der Planungsgemeinschaft BBI (PGBBI), Paap, hatte im Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses erklärt, dass die Verzögerung bereits 2008 erkennbar war. Grund war die Fehlerhaftigkeit des ersten Bauantrages, die zu diesem Zeitpunkt offensichtlich wurde. Es musste ein zweiter Bauantrag gestellt werden. Der erste Bauantrag war im Juni 2007 gestellt worden. Es war ein Passagierterminal mit 260.000 m2 Fläche nebst Nordpier geplant. Danach wurden die Arbeiten für einen zweiten Bauantrag aufgenommen. Dieser wurde Anfang 2009 eingereicht und Ende 2009 genehmigt. Gegenstand war das Südpier und der „Shift“ der Ebenen. Einen dritten Bauantrag gab es Ende 2010, welcher mit EU-Anforderungen zur Sicherheitenkontrolle begründet wurden.1 Als Ende 2007 die GU-Ausschreibung aufgehoben wurde, war dies ein deutliches Zeichen, dass der Zeitplan nicht eingehalten werden konnte. Anfang 2008 wurde die Planungsgemeinschaft mit Planungsbeschleunigungsmaßnahmen beauftragt. Aus Sicht der Wirtschaftlichkeit war diese Planungsbeschleunigung fatal, denn die im Verlauf des Projektes beschlossenen Beschleunigungsmaßnahmen führten zu steigenden Kosten, ohne etwas zu bewirken. Die ersten Beschleunigungsmaßnahmen 2008 betrafen die Ausführungsplanung und Ausschreibungen. Es wurden auf der Basis des bereits überholten ersten Bauantrags Ausschreibungen ausgeführt und Bauarbeiten durchgeführt. Dies hatte negative Folgen durch die gesamte spätere Planungs- und Bauzeit in Form von Verzögerungen und Mehrkosten. 1 Dies ist allerdings nicht ganz einsichtig. Die Architekten gmp, die ein Teil der Planungsgemeinschaft BBI sind, haben im gleichen Zeitraum 2006 bis 2012 am Flughafen Frankfurt die Erweiterung der Abflugpierstange A-Plus geplant und waren dabei nach eigenen Angaben für die EUVorschriften verantwortlich. 10 Der zweite Bauantrag beinhaltete eine Vergrößerung des Terminals um rund 30 % von 260.000 m2 auf 340.000 m2. Begründung war das mittlerweile gestiegene zu erwartende Verkehrsaufkommen. Erweitert wurde aber nicht die Kapazität des Flughafens insgesamt, sondern vor allem die Flächen der Wartebereiche. Diese wurden überdimensioniert. Check-in und Gepäckabfertigungen blieben klein. Es wurde deshalb später der Verdacht geäußert, dass ein wesentliches Interesse an der Neuplanung die Korrektur früherer Planungsfehler gewesen sei. Kritisiert wurde auch, dass die Planungsgemeinschaft nicht deutlicher auf die nicht zu haltenden Termine hinwies. Kann man sagen, dass die Politik Verzögerungen nicht akzeptierte und deshalb deutliche Hinweise „schädlich“ waren? Der Sprecher der Geschäftsführung der FBB erklärte auf jeden Fall im Sachstandsbericht vom 25.6.2012 „Die Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg zum 17.3.2013 ist nach aktuellen Erkenntnissen gesichert.“ Die zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretene „Unordnung“ im Gesamtprojekt dokumentiert folgende Aussage: „Hierzu [d. h. für eine verbindliche Terminplanung] wurden bereits Planunterlagen an die ausführenden Firmen ausgereicht, eine Fehlerfreiheit kann jedoch nicht sichergestellt werden.“ Einer Faustregel der Flughafenplanung2 zufolge muss in der Neuplanung das für die Inbetriebnahme angenommene Verkehrsaufkommen verdoppelt werden, um laufende Planungsanpassungen während der Bauphase zu vermeiden. Solche Anpassungen sind mit Zeit- und Geldkosten verbunden. Natürlich muss der Bauherr mit einer solchen vorausschauenden Planung einverstanden sein. Es liegt auch ein Geldproblem vor. Gemäß der vorliegenden Fluggastprognose wurde im Jahr 2006 für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme 2011 ein Passagieraufkommen in Berlin von 22 Mio. PAX p. a. unterstellt. Laut Faustregel der Flughafenplanung hätte demnach ein Flughafen mit einer Kapazität des Doppelten, nämlich 44 Mio. PAX und einem Spitzenaufkommen von 10.000 PAX pro Stunde geplant werden müssen. Selbst im zweiten Bauantrag wurde das Jahresaufkommen aber nur leicht von 22 auf 27 Mio. PAX angehoben. Diese 27 Mio. PAX sind jetzt fast erreicht. Der geplante Flughafen ist damit zu klein. 2 Vgl. fdc-Consult 11 Wir erkennen an, dass bei Großprojekten Fehler immer auftauchen können. Planungsfehler sind nicht völlig vermeidbar. Man muss das Auftreten auch großer Fehler entschuldigen. Aber die hier gemachten Fehler hätten leicht vermieden werden können. Sie sind offenbar bewusst eingegangen worden, in der falschen Hoffnung, sie würden sich nicht auswirken. Insgesamt sind die aufgetretenen Fehler der Entrauchung, der Sprinklerung, der Niederspannungshauptverteilung, Verstöße gegen Verlegerichtlinien, der Förderleistung der Lüftungsanlagen, Mängel im Kälteversorgungssystem, nicht ausreichende Statik der Pavillondächer, Mängel in der Abfallsammelstelle und der Fahrzeughalle für Spezial- und Winterdienste, nicht berücksichtigte Richtlinien, der Schließanlage, des LAN, der Überlastung von Kabelbrücken, der Deckenhohlraumsanierung (vor Fertigstellung), fehlende Dokumentationen, nicht genehmigungsfähige zu niedrige Deckenhöhen, Pflanzung falscher Bäume (insgesamt 1036 Stück) fehlender Kapazitäten, eines falschen Passagierflusses und mangelhafter Positionierung von Flugzeugen, Unterschätzung der Lärmschäden (600 Mio. Euro Entschädigungszahlungen) etc. doch einigermaßen gravierend an Zahl und Stärke. Fazit In diesem Fazit stellen wir zwei Fragen: Was kann man aus den Ursachen der Probleme lernen und wie sollte es weitergehen? Was kann man aus den Fehlern lernen? Die Ursachen liegen, wie oben dargelegt, letztlich in der Tatsache, dass der Staat die Initiative an sich zog, aber dann als Bauherr den typischen Bauherrenpflichten nicht nachkam. Dies kann entweder ein Problem spezifischer Personen sein. Es kann aber auch darin das Problem der Staatstätigkeit als solcher erkannt werden. Der Staat hatte zuerst, wie es in einer Marktwirtschaft richtig ist, versucht, private Bauherren zu gewinnen. Aber er hat sich zugleich eingemengt und viele Vorgaben gemacht. Damit fand sich niemand in der Privatwirtschaft, der ein solches Projekt zu akzeptablen Bedingungen übernehmen wollte.3 Der Staat hat daraus dann nicht 3 Weil der Staat den falschen Standort gewählt hatte, kamen ihm die potenziellen privaten Betreiber abhanden. Die übrig gebliebenen zwei wollten sich ihren Einsatz vom Staat – also den drei Gesellschaftern – vergolden lassen. Gefordert wurde eine garantierte Verzinsung des Anlagekapi- 12 den Schluss gezogen, dass ein Projekt mit diesen Vorgaben offenbar nicht realistisch sei, sondern er hat ein „Marktversagen“ konstatiert und das Projekt selbst gestartet. Das Resultat dieser Staatsaktivität sehen wir heute. Das kann für die Zukunft nur bedeuten, dass überlegt werden sollte, private Bauherren besser zu integrieren. Der Staat kann mit Garantien und sonstiger Unterstützung helfen, Projekte voranzubringen und für Private unzumutbare Risiken zu übernehmen. Aber er muss genügend Risiken und Verantwortung bei den privaten Bauherren belassen bleiben, damit diese den Bauherrenpflichten wirksam nachkommen (Walter Eucken). Wie soll es weitergehen? Wir schlagen vor, die Öffentlichkeit stärker in das Projekt einzubinden. Wir denken, dass zu viele Personen nicht ausreichend zukunftsorientiert agieren und ihre Entscheidungen eher an früheren Entscheidungen ausrichten. Dies kann dadurch durchbrochen werden, dass die Öffentlichkeit stärker einbezogen wird und eine Richtung vorgibt. An der Einhaltung dieser Richtung werden dann in Zukunft alle Handelnden gemessen. Es sollten etwa 5 bis 10 konkrete Handlungsalternativen mit ihren Vor- und Nachteilen ausgearbeitet und der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Wir erkennen fünf Grundvarianten, die bei Bedarf gerne erläutert werden. Wir präferieren eine Variante mit einem Flughafensystem und Flugbewegungsbeschränkungen für den BER, um die Bevölkerung zu entlasten. Schönefeld ist als Regionalflughafen genehmigt worden. Der Standort ist nie als der große Wachstumsstandort gedacht gewesen. Dafür war er von Anfang an nicht geeignet. Jetzt hat das starke Pax-Wachstum in Berlin gezeigt, wie schnell der Standort an seine Grenze kommt. Deshalb sollte man den Flughafen jetzt schon als begrenzten tals – 6 Mrd. DM – von 15 %. Eingebracht von den Investoren wurden lediglich 10 % der Investition. Der Rest sollte durch die Altgesellschafter abgesichert werden. Sollte der Betrieb keine Verzinsung von 15 % ermöglichen, sollten die Altgesellschafter die Differenz zwischen Betriebsergebnis und beanspruchter Verzinsung für 30 Jahre garantieren. 13 Flughafen begreifen, ihn zeit- und geldsparend als solchen reparieren, und ihn im Verbund mit anderen Flughäfen führen. 14 Kapitel 3 Der Flughafen BER und seine wirtschaftliche Entwicklung in alternativen Szenarien Executive Summary Wie wird sich die wirtschaftliche Situation des BER nach seiner Eröffnung entwickeln? Diese Frage wird mit Hilfe eines Simulationsprogramms und der Betrachtung verschiedener denkbarer Szenarien beantwortet. Wichtige Resultate sind Folgende: Baufehler und Mehrinvestitionen Der Flughafen BER wird kein „Billigflughafen“, sondern ein „Hauptstadtflughafen“, der repräsentativ sein soll und bei dem nicht auf die allerkostengünstigsten Bauvarianten geachtet wurde (3-4.000 Euro/m2 beim BER gegen 1.200 Euro/m2 bei Low-Cost-Terminals). Zudem hat es Baufehler gegeben, die zu Mehrkosten geführt haben. Welche Auswirkungen haben diese Mehrinvestitionen? Die Auswirkungen sind, was den späteren Betrieb des Flughafens anbetrifft, erstaunlich gering. Zwar werden die Kapitalgeber, d. h. die staatlichen Anteilseigner bzw. der Steuerzahler, keine Rendite auf ihr falsch investiertes Geld erhalten und es vermutlich auch vollständig abschreiben müssen. Aber das laufende Geschäft des Flughafens wird durch die Mehrinvestitionen wenig belastet (eine evtl. Erhöhung der Betriebskosten diskutieren wir ausführlicher weiter unten). Die Mehrinvestitionen machen sich, nachdem sie einmal getätigt wurden, beim Flughafen in Form von höheren Abschreibungen und Zinskosten (nur falls fremdfinanziert) bemerkbar. Beide mindern den Gewinn. Aber der Cash Flow wird nur durch die Zinsen belastet. Der Flughafen wird deshalb zwar weniger rentabel sein, aber er kann (ausreichende Einnahmen unterstellt) trotzdem einen Cash Flow erwirtschaften, der ausreicht, das Fremdkapital und das weitere Wachstum zu bedienen. Lehre für den Steuerzahler: Wenn ein Flughafen einmal das Geld des Steuerzahlers für die erheblichen Anfangsinvestitionen erhalten hat, dann ist er „aus dem Schneider“. Der Steuerzahler darf sich deshalb bei der Anfangsinvestition nicht „über den Tisch ziehen“ lassen. Aus rechtlicher Sicht können die Mehrinvestitionen problematisch sein, weil sie eine Beihilfe darstellen können, die nach EU-Recht unzulässig ist. Kein privater Bauherr pumpt ständig neues Kapital in ein Projekt. Irgendwann muss die EU dem Spiel ein Ende bereiten. Sie kann die Strategie erkennen, durch ständige Mehrinvestitionen Fakten 15 zu schaffen, an denen man dann später nicht mehr vorbeikommt. Dies muss Reaktionen auslösen. Ertragslage Die zukünftige Ertragslage des BER ist ein kritischer Punkt. Das Berliner Flughafensystem hat etwa zur Hälfte mit preiskritischen touristischen Reisenden zu tun. Die Erlöse/PAX waren im Vergleich zu anderen Flughäfen in der Vergangenheit sehr niedrig. Wenn sich diese Erlössituation am neuen BER nicht dramatisch verbessert, dann käme dies einem wirtschaftlichen Desaster gleich. Denn der Flughafen würde dann große jährliche Verluste schreiben, die zu laufenden Liquiditätsproblemen und laufenden Nachschusspflichten der Gesellschafter führen. Ein optimaler Flughafen für die bisher eher zahlungsunwillige Berliner Klientel, die auch weiterhin billig fliegen will, wäre ein einfachster Flughafen, der auf geringste Investitionsvolumina und geringste Betriebskosten hin optimiert wurde – das genau ist der BER nicht. Wenn man annimmt, es gelänge, die Erlöse im Aviation- und NonAviation-Bereich um 50 % pro Verkehrseinheit (1 PAX oder 100 kg Fracht) zu erhöhen, dann würde der Flughafen damit gerade aus der Illiquiditätssituation herauskommen. Aber er würde immer noch laufende Verluste erzielen. Eine Eigenkapitalverzinsung oder -tilgung wären ausgeschlossen. Eine Erlössteigerung pro Verkehrsleistung um die 50 %, wie hier angenommen, ist das absolute Minimum an Ertragssteigerung, dass der Flughafen BER relativ zur derzeitigen Situation der Berliner Flughäfen erreichen muss, um nicht permanent in Liquiditätsprobleme zu geraten. Aber eigentlich braucht der Flughafen mehr. Denn bei einer Erlössteigerung um die 50 % muss der Staat am Ende der Abschreibungszeit der Anfangsinvestition das Gesamtvorhaben erneut finanzieren. Das gesamte anfängliche investierte Kapital wird im Verlauf der Betriebszeit verbraucht, ohne dass es wieder zum Staat (Steuerzahler) zurückfließt. Derzeit ist unklar, ob der Flughafen eine Erlössteigerung in dem benötigten Maße wird durchsetzen können. Einige fragen kritisch, ob der Staat, d. h. der Steuerzahler, der zahlungsunwilligen Low-CostKlientel eine elegante „Kathedrale der Neuzeit“ spendieren darf, für die diese Klientel nie aufkommen wird. Es wird deshalb aus Gerechtigkeitsgründen nach einer zusätzlichen Flughafengebühr gerufen. Angesichts der monopolistischen Lage des BER im Großraum Berlin/Brandenburg spricht wenig dagegen, dem BER eine Flughafengebühr aufzuoktroyieren, die kostendeckend ist. 16 Wachstum und Hubfunktion Immer wieder wird behauptet, dass Wachstum die wirtschaftlichen Probleme von Flughäfen löse. Dies kann nicht bestätigt werden. Viele Kosten- und Erlöspositionen sind an die Verkehrsleistung gekoppelt, so dass Wachstum sowohl die Erlöse als auch die Kosten erhöht und netto keinen Vorteil darstellt. Dazu kommt, dass bei Wachstum ständig in Erweiterungskapazitäten investiert werden muss. Ein Flughafen, der sich bei ausgelasteten Kapazitäten in der Verlustzone befindet, wird durch Wachstum den Verlust nur vergrößern. Wachstum und die ständigen Erweiterungsinvestitionen können auch dazu beitragen, einem Flughafen die erwirtschafteten Mittel (Cash Flows) abzuziehen, so dass die Anfangsinvestition am Ende ihrer Nutzbarkeit erneut vom Steuerzahler getragen werden muss. Die Simulationen auf der Basis branchenüblicher Kosten- und Erlösrelationen zeigen, dass der Wert des Flughafens durch ein höheres Wachstum als die von Intraplan geschätzten durchschnittlichen 2,3 % p. a. kaum gesteigert werden kann. Genauso zeigt sich, dass ein Wegfall der 17 % Transferpassagiere und der Hubfunktion nicht zu nennenswerten Auswirkungen auf Cash Flow und Gewinn führen muss. Wachstum ist für einen Flughafen kein Allheilmittel, weil auch die Kosten bei Wachstum steigen und weil laufend neu investiert werden muss. Wichtig ist es, auskömmliche Erlöse zu erzielen. Dazu muss der ruinöse Wettbewerb der staatlich geförderten Flughäfen aufhören. Durch eine Deckelung der Flugbewegungen an den stark frequentierten (und die Bürger belastenden) Standorten bekommen kleinere Flughäfen eine Chance, auskömmliche Preise durchsetzen zu können. Wachstum allein reicht in keiner Branche aus, rentabel zu werden. Bad Bank Es wird überlegt, eine Auffanggesellschaft zu gründen, in der evtl. auftretende Verluste des BER aus dem Betrieb aufgefangen werden können („Bad Bank“). Diese Bad Bank könnte dem BER Kredite abnehmen und dafür Eigenkapital einschießen. Der BER würde Zinskosten sparen. Bei dem niedrigen Zinsniveau würde damit aber nur ein kleiner Entlastungseffekt erreicht. Leistungsstärker wäre die Konstruktion einer Vermögens- und einer Betreibergesellschaft. Die Vermögensgesellschaft übernimmt den Flughafen und vermietet ihn an die Betreibergesellschaft. Diese Lösung erfordert ein umfangreiches Controlling der Flughafengesellschaft als Betreiber. 17 Einführung Welche wirtschaftliche Entwicklung wird der Flughafen BER nach seiner Eröffnung nehmen? Diese Frage soll im Folgenden beantwortet werden. Üblicherweise wird die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen aus einer Kombination von Vergangenheitsanalysen und Prognosen zukünftiger Rahmenbedingungen abgeschätzt. Die Vergangenheitswerte werden als Basis genommen, die um die prognostizierte Entwicklung wichtiger Treiber korrigiert wird. Dieses übliche Verfahren ist hier nicht möglich, da der Flughafen erst im Entstehen begriffen ist. Seine Kostenstruktur, mit welcher er arbeiten wird, ist noch nicht bekannt. Die Erlössituation ist noch nicht bekannt. Das erzielbare Erlösniveau ist extrem unsicher. Es soll eine Airport-City entstehen, welche dem Flughafenkonzern weitere Einnahmen beschert – aber ob überhaupt eine positive Rendite erzielbar ist, ist unsicher. Zudem steht nicht einmal das Investitionsvolumen fest, das nötig ist, den Flughafen in Funktion zu bringen. Die Kapazität, die der Flughafen haben wird, steht noch nicht fest. Wie sich die aufgetretenen Baufehler auf die Gesamtinvestitionssumme und die Funktionalität des Flughafens auswirken werden, ist noch nicht bekannt. Insgesamt bedeutet dies, dass wesentliche Rahmenbedingungen für eine Wirtschaftlichkeitsanalyse noch fehlen. Aus diesen Gründen wählen wir folgende Vorgehensweise. Wir legen einen Vergleichsgruppe von Flughäfen fest und untersuchen, wie dort die Kosten- und Erlösstrukturen üblicherweise beschaffen sind. Dann haben wir Anhaltspunkte, den wir als Basis für die Betrachtung des BER verwenden können, um sie dann mit den dortigen Besonderheiten zu korrigieren. Dieses Verfahren verwenden wir für die Kosten- und Erlösstruktur genauso wie für die Behandlung der Investitionssumme. Für die Prognose der Marktentwicklung und der Absatzzahlen wählen wir eine andere Vorgehensweise. Hier verwenden wir das Gutachten von Dr. Schubert von 18 Intraplan Consult GmbH. Im Wege von Simulationen können die Auswirkungen veränderter Marktentwicklungen berechnet werden. Die Kosten- und Erlössituation anderer Flughäfen Die Vergleichsgruppe besteht aus den Flughäfen Köln-Bonn, Hamburg, Stuttgart, Düsseldorf auf der einen Seite und München, Frankfurt sowie Amsterdam auf der anderen Seite. Dazu wird das Flughafensystem TXL und SXF betrachtet. Abbildung 4 Betriebskosten verschiedener Flughäfen Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011. Betriebskosten sind die Summe aus Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen und Sonstigen Kosten. Abb. 4 zeigt die Situation der Betriebskosten der Vergleichsflughäfen in Abhängigkeit von der Verkehrseinheit (1 VE = 1 PAX oder 100 kg Fracht). Die Regression hat ein hohes Bestimmtheitsmaß. D. h. die Betriebskosten von Flughäfen sind eng an die Verkehrsleistung gekoppelt. Da Regressionsergebnisse von Ausreißerwerten beeinflusst werden, werden in Abb. 5 die kleineren Flughäfen getrennt von den größeren untersucht. Man erkennt, dass auch hier das Bestimmtheitsmaß hoch ist. Allerdings liegen nicht alle Flughäfen völlig deckungsgenau auf der Regressionsgeraden. Gewisse Abweichungen sind also möglich. Dies wird auch in Abb. 4 gut sichtbar, wenn man die mittig liegenden Flughäfen München und Amsterdam betrachtet. Amsterdam wickelt mit gleichem Betriebskostenniveau wie Mün19 chen ein wesentlich höheres Verkehrsaufkommen ab. Dies könnte an den umfangreichen Geschäften im Non-Aviation-Bereich und der Airport-City liegen, das der Münchener Flughafen durchführt. Eine klare Trennung dieser Geschäfte von den Aviation-bezogenen Geschäften wird in den meisten Geschäftsberichten der Flughäfen leider nicht durchgeführt. Abbildung 5 Betriebskosten, kleinere Flughäfen Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011. Betriebskosten sind die Summe aus Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen und Sonstigen Kosten. Abbildung 6 Personal- und Materialkosten verschiedener Flughäfen Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011. 20 Wendet man sich einzelnen Kostenkategorien zu, dann erkennt man Folgendes: In Abb. 6 werden Personal- und Materialkosten mit dem Verkehrsaufkommen regressiert. Man erkennt nur geringe Korrelationen. Die Flughäfen arbeiten im unterschiedlichen Maße mit eigenem Personal oder mit Bestellungen von Leistungen bei Dritten. Das bedeutet für die Analyse des Flughafens BER, dass die Betrachtung auf der Ebene der Betriebskosten insgesamt erfolgen sollte, weil die Entscheidung, ob Outsourcing betrieben oder eigenes Personal verwendet wird, noch aussteht. Abbildung 7 Erträge verschiedener Flughäfen Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011. Erträge sind die Umsätze ohne aktivierte Eigenleistungen. Abbildung 8 Erträge, kleinere Flughäfen Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011. Erträge sind die Umsätze ohne aktivierte Eigenleistungen. 21 Abbildung 9 Erträge pro Verkehrsleistung Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011. Erträge sind die Umsätze ohne aktivierte Eigenleistungen. In den Abb. 7, 8 und 9 wird die Ertragssituation der Flughäfen dargestellt. Auch hier ist eine positive Korrelation der Erträge mit dem Verkehrsaufkommen festzustellen. Allerdings ist das Bestimmtheitsmaß der Regression geringer als bei den Kosten. Das bedeutet, dass die Erlöse, welche die Flughäfen erzielen, in viel stärkerem Maße dem Wettbewerb ausgesetzt sind und je nach der speziellen Lage und Ausrichtung des Flughafens nach oben und unten deutlich vom mittleren Wert abweichen können. Dies wird besonders deutlich in Abb. 9, in der die Erträge nicht absolut, sondern als Ertrag pro Verkehrseinheit (Ertrag/VE) angegeben sind. Im oberen Bereich (oberhalb von 40 Mio. Verkehrseinheiten) erkennt man die Streuung der Werte der drei großen Flughäfen München, Amsterdam und Frankfurt. München hat besonders im Non-Aviation-Bereich vergleichsweise sehr hohe Einnahmen. Dies korreliert mit den oben erwähnten hohen Aufwendungen. Aber auch bei den kleineren Flughäfen stellt man eine große Streuung der Erträge pro Verkehrseinheit fest. Im Aviation-Bereich liegen die Erträge pro Verkehrseinheit bei 8 bis 14 Euro/VE. Im Non-Aviation-Bereich finden sich Werte zwischen 3 und 10 Euro/VE. 22 Abbildung 10 Kosten-Erlös-Relationen Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011; eigene Berechnungen. Die senkrechte Achse zeigt die Umsatzerlöse. Die waagrechte Achse zeigt die Summe aus Material-, Personal- und Sonstigen Kosten sowie der Abschreibungen. Die Kapitalkosten sind die Summe aus ausgewiesenen Zinsen und einer rechnerischen Eigenkapitalverzinsung. Abb. 10 zeigt die Kosten-Erlös-Relationen der hier betrachteten Flughäfen. Fast alle Flughäfen können die Betriebskosten durch Einnahmen decken. Dies erkennt man in Abb. 10 daran, dass die Werte links von der Diagonalen liegen: dort sind Erträge größer als die Kosten. Ausnahme ist hier das Flughafensystem Berlin. Bezieht man die geschätzten Kapitalkosten bestehend aus Fremd- und Eigenkapitalkosten mit ein, dann verschlechtert sich das Bild etwas. Aber die meisten Flughäfen können auch ihre Kapitalkosten gerade noch decken. Das Flughafensystem Berlin ist die Ausnahme. Berlin müsste seine Erlöse aus dem Aviation- und dem Non-Aviation-Geschäft um 70 % steigern, um auf einen Überschuss nach Kapitalkosten zu kommen, wie ihn die anderen Flughäfen haben. 23 Abbildung 11 Kapitaleinsatz und Verkehrsleistungen verschiedener Flughäfen Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011; Die senkrechte Achse zeigt die Verkehrseinheiten. Die waagrechte Achse zeigt das investierte Bruttokapital aus dem Anlagespiegel der Vergleichsflughäfen. Abbildung 12 Kapitaleinsatz, kleinere Flughäfen Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011. Die senkrechte Achse zeigt die Verkehrseinheiten. Die waagrechte Achse zeigt das investierte Bruttokapital aus dem Anlagespiegel der Vergleichsflughäfen. Abb. 11 und 12 zeigen den Kapitaleinsatz, der notwendig ist, um eine bestimmte Verkehrsleistung erfüllen zu können. Die Regression zeigt, dass die Beziehung zwischen Kapital und Verkehrsleistung eine deutlich positive Korrelation aufweist (Abb. 11). Um den angemessenen Kapitaleinsatz speziell für BER schätzen zu können, führen wir eine Regression nur für kleinere Flughäfen durch (Abb. 12). Hier ergibt sich eine Regressionsgerade, die Folgendes zeigt: Für eine Verkehrsleistung von 30 Mio. VE wäre ein Bruttokapital (Sachanlagen) von 3,3 Mrd. Euro angemessen. Dies ist auch ein Wert, den Fachleute geschätzt haben. Mittlerweile hat der Flughafen ein Budget von 4,7 Mrd. Euro. Manche vermuten sogar, dass der Flughafen 5,5 Mrd. Euro kosten könnte. Einige Fachleute sind sogar der Meinung, dass der jetzt beschrittene Weg der Sanierung zu Gesamtkosten von 7 bis 8 Mrd. Euro führen kann. Allerdings ist bisher noch nicht geklärt, welche Kapazität 24 der Bauherr dann für dieses Geld bekommt. Für 4,7 Mrd. Euro müsste die Kapazität des Flughafens bei 40 Mio. Verkehrseinheiten liegen. Bisher ist unbekannt, welche Kapazität der Flughafen mit den zugesagten 4,7 Mrd. Euro erreichen wird. Abbildung 13 Betriebskosten im Einzelvergleich Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011. Betriebskosten sind die Summe aus Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen und Sonstigen Kosten. Abbildung 14 Erlöse im Einzelvergleich Euro Einnahmen/VE 35 30 25 20 15 10 5 0 Umsatz/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/PAX Quelle: Geschäftsberichte der Vergleichsflughäfen 2012, Daten von 2011. Erlöse sind die Umsatzerlöse ohne aktivierte Eigenleistungen. Diese sind entsprechend der Angaben in den Geschäftsberichten nach Erlösen aus Aviation und Non-Aviation aufgeteilt. 25 Abb. 13 und 14 stellen noch einmal Betriebskosten und Erlöse im Vergleich der Flughäfen zusammen. Simulation für BER – das Programm Im Folgenden wird das Programm erläutert, mit dem die wirtschaftliche Situation des BER nach seiner Eröffnung simuliert wird. Es handelt sich um eine Unternehmensbewertung, in der ausgehend vom Markt die Geschäftsparameter abgeleitet und dann über verschiedene Rechenstufen bis zum Cash Flow durchgerechnet werden. Die Simulation wird für 25 Jahre durchgeführt. Eine ewige Rente wird nicht berechnet, weil die fernere Zukunft dafür zu ungewiss ist. Statt ewiger Rente werden die verfügbaren positiven und negativen Restwerte (Sachvermögen, Kasse, Schulden) am Ende der Betrachtungsperiode ermittelt, die dann barwertig bewertet werden können. Die Betrachtungszeit von 25 Jahren wurden gewählt, weil sie in etwa der durchschnittlichen Lebensdauer aller Komponenten eines Flughafens entspricht (vgl. die Abschreibungswerte im Jahresabschluss Fraport, 2012). Zusätzlich werden in dem Modell im Abstand von 5 Jahren Erweiterungsinvestitionen je nach eingetretenem Marktwachstum berücksichtigt. Der 5-Jahreszeitraum wurde gewählt, weil die Erfahrungen zeigen, dass etwa in Schritten von 5 Jahren Anpassungen an veränderte Anforderungen und veränderte Verkehrsstrukturen erforderlich sind, so dass zusammen mit den Erweiterungen auch gewisse Modernisierungen eingeplant sind. Im Einzelnen enthält das Programm folgende Module: x Im Modul „Markt“ werden die Flugpassagiere, die Flugbewegungen und das Frachtaufkommen geschätzt. Dabei werden die Werte der vorliegenden Intraplanprognose verwendet. x Im Modul „Notwendiges Investitionsvolumen“ wird das dem Verkehrsaufkommen zuordenbare Investitionsvolumen ermittelt. Dies sind die von Fachleuten geschätzten Investitionsbeträge in Abhängigkeit von der jew. Verkehrsleistung (vgl. auch Abb. 11 und 12). 26 x Im Modul „Tatsächliche Investitionen“ wird das derzeit tatsächlich geplante und installierte Investitionsprogramm erfasst. In 5-Jahresabständen wird das tatsächliche Investitionsvolumen dem eingetretenen Wachstum angepasst. x Im Modul „Finanzierung“ werden die derzeit bereits vorhandenen und zugesagten Finanzmittel erfasst, die notwendig sind, die anfänglichen tatsächlichen Investitionen zu finanzieren. Hier wird auch die Kapitalstruktur ermittelt. x Im Modul „Anlagespiegel“ werden das Brutto- und Nettovermögen sowie die Abschreibungen ermittelt. Es werden vereinfacht alle Investitionen linear über 25 Jahre abgeschrieben. x Im Modul „Kapital und Finanzierung“ wird die Entwicklung von Eigenund Fremdkapital über die Planperiode verfolgt. Es wird unterstellt, dass Gewinne nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert werden und das Eigenkapital mehren. Verfügbare Cash Flows können von Zeit zu Zeit die Kredite tilgen. Der Rest wird als Kassenbestand vorgehalten. Eine Verzinsung des Kassenbestandes ist berücksichtigt. x Im Modul „Wirtschaftlichkeit“ werden die Betriebskosten und die Kapitalnutzungskosten sowie die Einnahmen aus Aviation und Non-Aviation abgeleitet. Es wird ein Gewinn v. St. (EBT), ein EBIT und ein EBITDA ausgewiesen. Diese Werte stimmen nicht ganz mit den späteren „echten“ GuV-Werten überein, weil die „sonstigen“ Einnahmen und Ausgaben fehlen, die nur bei einzelnen Vergleichsflughäfen eine Rolle spielen. Sie können aber nach ihrer Herkunft nicht aufgeschlüsselt werden und sind auch nicht typisch für das Geschäft. x Im Modul „Kapitalflussrechnung“ werden der Cash Flow aus dem operativen Geschäft, der Cash Flow aus Investitionen und der Cash Flow aus Finanzierungsmaßnahmen errechnet sowie der Kassenbestand ermittelt. x Im Modul „Bilanz“ wird eine verkürzte Bilanz erstellt, welche das Anlagevermögen und dessen Finanzierung enthält. Das Umlaufvermögen, das bei den meisten Flughäfen eine sehr untergeordnete Rolle spielt, wird nicht betrachtet. x Im Modul „Unternehmensbewertung“ werden die Kapitalkosten (WACC) ermittelt und verschiedene Barwerte errechnet, die Aufschluss über die 27 Vorteilhaftigkeit des Projektes BER über die Planperiode der 25 Jahre inkl. der dann verfügbaren Restwerte geben. Simulationen Fall 1: Ausgangsfall Fall 1 Ertragskennzahlen Mio Euro Jahresgewinn v. St. erforderliche EK-Verzinsung Überschuss nach EK-Verz. Cash Flow p. a. NPV 98,8 102,6 -3,9 225,1 1561,0 Rahmendaten Investiertes Kapital (Mio E) Anfängl. Kapazität (Mio VE) PAX-Wachstum (p. a.) Fracht Wachstum (p. a.) Betriebskosten/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/VE Inflationsrate (p. a.) 3158,0 28,2 2,3 % 2,4 % 16,5 12,1 8,9 1% Quelle: Simulation zukünftiger Wirtschaftlichkeitskennziffern des BER („Ertragskennzahlen“). Berechnet mit dem eigenen Simulationsprogramm u. a. auf Basis der genannten „Rahmendaten“. Weitere Erläuterungen im Text. Da der Flughafen BER noch nicht existiert, kann man sich nicht auf historische Daten stützen und diese fortschreiben, wie das häufig bei Unternehmensbewertungen gemacht wird. Vielmehr sind Annahmen über die plausibelste Entwicklung der wichtigsten Determinanten der Wirtschaftlichkeit in der Zukunft zu treffen. Im Folgenden beschreiben wir die Daten unseres sog. „Ausgangsfalls“, den wir in weiteren Simulationen abwandeln. Der Ausgangsfall dient als Vergleich. Der Ausgangsfall hat folgende Eckwerte: 28 x Marktwachstum entsprechend Verkehrsprognose von Intraplan x Kostenstruktur wie vergleichbare kleinere Flughäfen x Erlösstruktur wie vergleichbare kleinere Flughäfen x Investitionsvolumen entspricht demjenigen Kapitalbetrag, den vergleichbare Flughäfen bei entsprechender Verkehrsleistung üblicherweise investiert haben. Dieser wird als „notwendige Investition“ bezeichnet. Mit diesen Annahmen errechnet sich zwangsläufig eine Wirtschaftlichkeitssituation, die von der Struktur her derjenigen der Vergleichsflughäfen gleichen muss (vgl. Abb. 10). Konkret errechnet sich für den BER dann ein Gewinn vor Steuern von anfänglich etwa 100 Mio. Euro p. a. Die Kapitalkosten inklusive der Eigenkapitalkosten können knapp gedeckt werden. Der Cash Flow beträgt 255 Mio. Euro p. a. Er reicht aus, um alle notwendigen Erweiterungsinvestitionen über die Planperiode hinaus zu tätigen. Am Ende der Planperiode von 25 Jahren reicht der aufgebaute Kassenbestand gerade aus, den Flughafen grundlegend zu erneuern. Fall 2: Variation Investitionsvolumen Fall 2 Ertragskennzahlen Mio Euro Jahresgewinn v. St. erforderliche EK-Verzinsung Überschuss nach EK-Verz. Cash Flow p.a. NPV -13,2 104,0 -117,3 177,1 -531,4 Rahmendaten Investiertes Kapital (Mio E) Anfängl. Kapazität (Mio VE) PAX-Wachstum (p. a.) Fracht Wachstum (p. a.) Betriebskosten/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/VE Inflationsrate (p. a.) 4758,0 28,2 2,3 % 2,4 % 16,5 12,1 8,9 1% Quelle: Simulation zukünftiger Wirtschaftlichkeitskennziffern des BER („Ertragskennzahlen“). Berechnet mit dem eigenen Simulationsprogramm u. a. auf Basis der genannten „Rahmendaten“. Weitere Erläuterungen im Text. 29 Im nächsten Fall wird das Investitionsvolumen variiert. Der Flughafen Berlin zeichnet sich zum einen durch eine teure Konstruktion aus (Halle, Entrauchung, Brückenbauten für Rollwege etc.) sowie durch Baufehler, die korrigiert werden müssen. Dadurch steigt das Investitionsvolumen über dasjenige Maß hinaus, das bei sparsamer Konstruktion und fehlerfreiem Bauen des Flughafens notwendig gewesen wäre. Die Kapazität, die man für ein bestimmtes Investitionsvolumen letztendlich bekommt, ist aus heutiger Sicht schwierig zu schätzen, weil verschiedene Teile des Flughafens ungleiche Kapazitäten haben. Warteräume sind reichlich vorhanden, während es bei Check-in und Gepäck große Engpässe gibt. Beim Gepäckhandling (Check-in, Ausgabe, Förderanlage, Speicher, Gepäckmanipulation) beträgt die Kapazität derzeit etwa 17 bis 20 Mio. PAX – also viel weniger als ursprünglich geplant. Bei den Warteräumen liegt die Kapazität heute schon bei etwa 40 bis 45 Mio. PAX. In der Vorfahrt veranschlagt eine Faustregel für 30 Mio. Passagiere und einem Modalsplit von 50/50 900 Meter. Eine so lange Vorfahrt ist nicht vorhanden, was die Kapazität senkt oder einen anderen Modalsplit erfordert, der u. U. weitere Investitionen in die terrestrische Infrastruktur erfordert. Die derzeit diskutierten Maßnahmen dienen der Fehlerbeseitigung und weniger der Kapazitätserweiterung. Alles in allem ist die Kapazität, die beim BER am Ende zur Verfügung stehen wird, schwierig abzuschätzen. Im Frühjahr 2014 betrug die geschätzte Bausumme 4,7 Mrd. Euro. Dafür sollte ein Flughafen mit einer Anfangskapazität von bis zu 27 bis 30 Mio. PAX entstehen. Bei sparsamem Einsatz der Investitionsmittel hätte ein Flughafen mit dieser genannten Kapazität für 3,2 bis 3,5 Mrd. Euro gebaut werden können, so dass ein Mehrinvestitionsvolumen von 1,2 bis 1,5 Mrd. Euro resultiert. Die Simulation der wirtschaftlichen Auswirkungen einer derartige Mehrinvestitionssumme relativ zum Basisfall zeigt Folgendes (s. oben Fall 2): Die mit der Mehrinvestition verbundenen Kosten mindern den Jahresgewinn. Es kann kein positiver Gewinn mehr erzielt werden. Nach Abzug der Eigenkapitalverzinsung 30 ergibt sich ein negativer Ertrag von - 117 Mio. Euro p. a. Der Barwert des Projektes ist negativ. Positiv ist: Der Cash Flow sinkt nur leicht. Zukünftige Erweiterungsinvestitionen können aus dem Cash Flow finanziert werden. Der Flughafen gerät bei seinem weiteren Wachstum nicht in Liquiditätsprobleme. Wie ist das Ergebnis zu erklären? Die erhöhte Bausumme führt zu einer Belastung der Ertragsrechnung mit zusätzlichen Abschreibungen und Kapitalkosten, so dass es zu einer Minderung der Gewinne kommt. Die Abschreibungen und die Eigenkapitalkosten sind aber nicht zahlungswirksam, weshalb der Cash Flow nur mäßig betroffen wird. Er sinkt hauptsächlich wegen der gestiegenen Zinsausgaben auf das höhere Kreditvolumen. Würde die Zusatzinvestition vollständig mit Eigenkapital finanziert, könnte auch diese Mehrbelastung vermieden werden. Insgesamt zeigt sich, dass eine auch stark erhöhte Bausumme die zukünftige Überlebensfähigkeit des Flughafens erstaunlich wenig tangiert. Dies liegt daran, dass Baumaßnahmen – unter der Bedingung, dass sie die spätere Funktionalität nicht negativ beeinflussen und mit Eigenkapital finanziert sind – nur zu Abschreibungen führen, welche zwar die Gewinne mindern, aber nicht die Liquiditätslage beeinflussen. Wenn Flughäfen ihr Anfangskapital einmal erhalten haben, sind sie, insbesondere wenn es sich um Eigenkapital handelt, in der Zukunft gut abgesichert. Der wichtigste Belastungsposten durch überhöhte Investitionen ist die Verzinsung des zusätzlichen Fremdkapitals. Um diese zu minimieren, kann der Staat Garantien geben oder die erhöhte Bausumme durch Eigenkapital finanzieren. Eine Rendite auf sein Kapital kann der Staat allerdings nicht erwarten. Derzeit wird die Einrichtung einer Art „Bad Bank“ überlegt, die dem Flughafen die Kredite abnehmen soll. Stattdessen erhält der Flughafen Eigenkapital, das er nur nach Maßgabe erzielter Gewinne bedient. Eine solche Lösung würde die Gewinn- und Verlustrechnung des Flughafens tatsächlich entlasten. Aber bei dem niedrigen Zinsniveau, das heute existiert, wäre die Lösung nur vernünftig, wenn es um wirklich erhebliche Milliardenbeträge geht. Bei 2 % Zins entlastet eine Abnahme von 1 Mrd. Euro Kredit die GuV nur um 20 Mio. Euro pro Jahr. Wir werden weiter unten sehen, dass dies ein unbedeutender Betrag relativ zu den zu er- 31 wartenden wirklichen Verlusten darstellt. Man sollte sich von einer simplen Bad Bank, die nur Kredite übernimmt, nichts versprechen. Eine Bad Bank müsste dem Flughafen also mehr Pflichten abnehmen. Denkbar wäre, dass eine solche „Bad Bank“ den Flughafen (i) auch um die Verpflichtung zur Lärmsanierung der Immobilien der lärmgeschädigten Bürger entlastet: Die Entschädigungspflichten des BER würden auf die Bad Bank übergehen. Die Bad Bank könnte (ii) auch die Finanzierung und die erheblichen Ertragsrisiken aus der geplanten Airport City übernehmen. Wenn das alles noch nicht reicht, könnte man überlegen, dass die „Bad Bank“ den Flughafen von bestimmten laufenden Kostenpositionen entlastet. Begründung wären alle Zusatzkosten, die dem Flughafenbetreiber dadurch entstehen, dass er ein nicht funktionsgerechtes, der Low-CostKlientel angemessenes Billigterminal betreiben muss, sondern mit den Kosten eines teuren „Hauptstadtflughafens“ zurechtkommen muss. Fall 3: Erlösstruktur wie Vergangenheit Fall 3 Ertragskennzahlen Mio Euro Jahresgewinn v. St. erforderliche EK-Verzinsung Überschuss nach EK-Verz. Cash Flow p. a. NPV -303,7 104,0 -407,8 -113,4 -8603,2 Rahmendaten Investiertes Kapital (Mio E) Anfängl. Kapazität (Mio VE) PAX-Wachstum (p. a.) Fracht Wachstum (p. a.) Betriebskosten/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/VE Inflationsrate (p. a.) 4758,0 28,2 2,3 % 2,4 % 16,5 7,3 3,4 1% Quelle: Simulation zukünftiger Wirtschaftlichkeitskennziffern des BER („Ertragskennzahlen“). Berechnet mit dem eigenen Simulationsprogramm u. a. auf Basis der genannten „Rahmendaten“. Weitere Erläuterungen im Text. 32 In nächsten Fall wird die Erlösstruktur variiert. Vergleichsfall ist Fall 2. In den beiden bisher behandelten Fällen 1 und 2 wurden Einnahmen aus Aviation und Non-Aviation angenommen, so wie sie der Durchschnitt der Vergleichsflughäfen hat. Abb. 14 zeigt aber, dass die Einnahmen pro Verkehrseinheit in Berlin deutlich niedriger liegen als bei den Vergleichsflughäfen. Einige Fachleute sind der Meinung, dass es für den Flughafen BER schwierig werden könnte, die Erlösstruktur zu verbessern. Man unterscheidet traditionelle Linien-Carrier und LowCost-Carrier. Außerdem werden Touristen und Geschäftsreisende unterschieden. Es kann angenommen werden, dass die Low-Cost-Carrier und die Touristen Preisanhebungen Widerstand entgegenbringen werden. Währenddessen kann angenommen werden, dass Geschäftsreisende weniger preissensibel reagieren und Preiserhöhungen des Flughafens akzeptieren. Wir simulieren im Folgenden zuerst den schlimmsten anzunehmenden Fall. Dieser besteht darin, dass der Flughafen BER mit den gleichen Erträgen pro Verkehrseinheit bzw. pro Passagier zurechtkommen müsste wie in der Vergangenheit (Daten laut Geschäftsbericht). Die Ergebnisse lauten (s. oben Fall 3): Der Jahresverlust beträgt 300 Mio. Euro. Eine Eigenkapitalverzinsung ist ausgeschlossen. Der Cash Flow wird negativ. Der Staat muss laufend Kapital nachschießen. Der (negative) Barwert des Projektes fällt auf - 9 Mrd. Euro. Erweiterungsinvestitionen vergrößern das Defizit. Der Flughafen sollte schrumpfen statt wachsen. Ein Weiterbau wäre nicht zu empfehlen. Der Fall zeigt Folgendes: Mit der derzeitigen Erlösstruktur der Berliner Flughäfen ist ein profitabler Betrieb des BER nicht denkbar. Derzeit haben die beiden Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld-Alt zwar niedrige Erlöse, aber auch den Vorteil, eine günstige Kostenstruktur zu besitzen. Dies gleicht die niedrigen Erlöse wenigstens teilweise aus. Der neue Flughafen BER wird diesen Vorteil aber nicht mehr besitzen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der neue Flughafen besonders kostengünstig betrieben werden könnte. Er wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht günstiger betrieben werden können als Flughäfen der Vergleichsgruppe. Das bedeutet, dass sich auch die Erlösstruktur derjenigen der Vergleichsgruppe anglei- 33 chen muss, wenn der Flughafen wirtschaftlich werden soll. Das derzeitige Erlösniveau ist viel zu niedrig. Wenn sich bei den Erlösen keine Änderung einstellt, wird das Projekt BER in einem katastrophalen wirtschaftlichen Desaster enden. Eine realistische Erlösstruktur simulieren wir im nächsten Fall. Fall 4: Realistische Erlösstruktur Fall 4 Ertragskennzahlen Mio Euro Jahresgewinn v. St. erforderliche EK-Verzinsung Überschuss nach EK-Verz. Cash Flow p. a. NPV -150,9 104,0 -254,9 39,5 -4355,7 Rahmendaten Investiertes Kapital (Mio E) Anfängl. Kapazität (Mio VE) PAX-Wachstum (p. a.) Fracht Wachstum (p. a.) Betriebskosten/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/Ve Inflationsrate (p. a.) 4758,0 28,2 2,30 % 2,40 % 16,5 11,1 5,0 1,0 % Quelle: Simulation zukünftiger Wirtschaftlichkeitskennziffern des BER („Ertragskennzahlen“). Berechnet mit dem eigenen Simulationsprogramm u. a. auf Basis der genannten „Rahmendaten“. Weitere Erläuterungen im Text. Wir simulieren eine Anpassung der Erlöse vom derzeitigen sehr niedrigen Niveau auf einen höheren Wert. Was ist realistisch? Die Vergleichsflughäfen melden in ihren Geschäftsberichten im Durchschnitt Einnahmen aus dem Aviation-Bereich von 12 Euro/VE und Einnahmen aus dem Non-Aviation-Bereich von 8,9 Euro/VE. Dies halten wir für den Flughafen BER für nicht erreichbar. Zunächst aber Folgendes: Die Abgrenzung der Bereiche Aviation und NonAviation durch die verschiedenen Flughäfen ist nicht immer zweifelsfrei. Auch ist 34 ungünstig, dass die Flughäfen nur zwischen Aviation- und Non-AviationEinnahmen unterscheiden. Besser wäre es, wenn sie drei Bereiche unterschieden: (i) Erlöse mit unmittelbarem Bezug zum Flugbetrieb wie Landegebühren, Lärmgebühren etc. („Aviation“). (ii) Erlöse aus Geschäften, die einen indirekten Bezug zum Flugbetrieb haben wie z. B. Mieten aus Läden für Reisende, Flughafengebühren etc. („Non-Aviation“) und (iii) Erlöse aus dem Betrieb von Airport-Cities, in welchen sich Unternehmen ansiedeln und betätigen, die keinen ganz unmittelbaren Bezug zu einem Flug haben. Der Vergleich der Erlöse der Flughäfen zeigt, dass die Einnahmen aus dem NonAviation-Bereich inkl. Airport-Cities nicht unabhängig von den Kosten beliebig gesteigert werden können. Der Betrieb von Airport-Cities erfordert Investitionen und Betreuungsleistungen, die auf die Kostenstruktur drücken. Abb. 13 und 14 zeigen, dass die großen Flughäfen mit vielen Randaktivitäten und hohen Einnahmen auch vergleichsweise hohe Kosten haben. Welchen Nettovorteil Flughäfen von ihren Airport-Cities haben, lässt sich nicht genau ermitteln. Es gibt keine Beweise, dass Flughäfen kurzfristig aus ihren Airport-Cities überhaupt hohe positive Nettorenditen erzielen. Es ist auf jeden Fall so, dass eine schlanke an den billigsten Flughäfen ausgerichtete Kostenstruktur nicht mit hohen Einnahmen aus Airport-Cities vereinbar ist. Der Flughafen BER benötigt eine Erhöhung der Netto-Einnahmen. Die Planungen des Flughafens zeigen, dass er sowohl die Lande- und Abfertigungsgebühren im Aviation-Bereich erhöhen will, als auch durch Installierung einer attraktiven Ladenzone die Einnahmen im Non-Aviation-Bereich steigern möchte und zusätzlich an der Erstellung einer Airport-City arbeitet. Welche Erlöse sind erzielbar? Im Bereich der Kernleistungen der Flughäfen hängen die erzielbaren Erlöse wesentlich von der Qualität des Flughafens als auch von der Struktur der Airlines 35 und der Passagiere ab. Qualitativ hochwertige Flughäfen wie sie auch der BER sein wird, können höhere Preise durchsetzen als Flughäfen mit wenig Service, veralteten Anlagen, häufigen Staus und Ausfällen. Auf der anderen Seite hängt die Höhe der durchsetzungsfähigen Gebühren auch von den Reisenden ab. Low-Cost-Airlines mit ihrem Publikum und touristische Reisende wollen weniger hohe Gebühren zahlen und üben Druck auf die Preise aus. Das Berliner Flughafensystem hat derzeit einen hohen Anteil an Low-CostAirlines und Touristen. Viele Reisende sind preissensibel. Daneben gibt es auch Geschäftsreisende, denen man eine geringe Preiselastizität unterstellen kann. Dem Flughafen BER fehlen Möglichkeiten, Preise zu differenzieren. Angesichts des sehr hohen Anteils an Billigfliegern bei den Berlinreisenden sehen wir die Möglichkeit, die Erlöse im Aviation-Bereich schnell an den Durchschnitt der anderen Flughäfen anzugleichen, sehr skeptisch. Die Passagiere im Low-Cost-Segment geben auch weniger nebenher an Flughäfen aus, so dass auch die erzielbaren Erlöse im Non-Aviation-Bereich darunter leiden. Insgesamt denken wir, dass der Flughafen BER im Non-Aviation-Bereich aufgrund der Passagierstruktur nur unterdurchschnittliche Einnahmen erzielen kann. Netto-Überschüsse im Airport-City-Geschäft sind nicht leicht erzielbar. Im Aviation-Bereich wird es ebenfalls schwierig, an die Erlöshöhe des Durchschnitts der Vergleichsflughäfen heranzukommen, insbesondere deshalb weil das für die existierenden Airlines eine enorme plötzliche Kostensteigerung bedeuten würde, die nicht durchsetzbar erscheint. Simuliert man eine Steigerung der Einnahmen im Aviation- und Non-AviationBereich um jeweils 50 % (womit man im Aviation-Bereich auf 11,1 Euro/VE kommt, was knapp unter dem Durchschnitt der Vergleichsflughäfen liegt), dann ergeben sich folgende wirtschaftlichen Auswirkungen: Der Jahresverlust beträgt rund 150 Mio. Euro. Der (negative) Barwert des Gesamtprojektes beträgt - 4 Mrd. Euro. Auf das Eigenkapital wird eine negative Rendite erwirtschaftet. Immerhin ist der Cash Flow positiv. Er beträgt rund 40 Mio. Euro p. a. Der Flughafen gerät also nicht permanent in Liquiditätsprobleme. Moderate Erweiterungsinvestitionen können selbst finanziert werden. 36 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Erlössteigerung pro Verkehrseinheit um die 50 %, wie hier angenommen, das absolute Minimum an Ertragssteigerung darstellt, dass der Flughafen BER relativ zur derzeitigen Situation erreichen muss, um nicht permanent in Liquiditätsprobleme zu geraten. Er wird Verlust ausweisen, aber keine Liquiditätsprobleme haben. Bei 2 Mrd. Euro Eigenkapital kann davon lange gezehrt werden. Am Ende der Abschreibungszeit der Anfangsinvestitionen muss der Staat das Gesamtvorhaben erneut finanzieren. Das gesamte anfängliche investierte Kapital wird im Verlauf der Betriebszeit von 25 Jahren verbraucht, ohne dass es wieder zum Staat (Steuerzahler) zurückfließt. Fall 5: Wachstum Fall 5 Ertragskennzahlen Mio Euro Jahresgewinn v. St. erforderliche EK-Verzinsung Überschuss nach EK-Verz. Cash Flow p. a. NPV -149,0 104,0 -253,0 41,3 -4880,5 Rahmendaten Investiertes Kapital (Mio E) Anfängl. Kapazität (Mio VE) PAX-Wachstum (p. a.) Fracht Wachstum (p. a.) Betriebskosten/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/VE Inflationsrate (p. a.) 4758,0 28,2 4,00 % 2,40 % 16,5 11,1 5,0 1,0 % Quelle: Simulation zukünftiger Wirtschaftlichkeitskennziffern des BER („Ertragskennzahlen“). Berechnet mit dem eigenen Simulationsprogramm u. a. auf Basis der genannten „Rahmendaten“. Weitere Erläuterungen im Text. In diesem Fall wollen wir untersuchen, wie mehr Wachstum der Passagierzahlen wirkt. Bisher haben wir die Wachstumsraten aus dem Gutachten von Intraplan verwendet. Wir unterstellen nun im Folgenden statt der von Intraplan im Mittel erwarteten PAX-Wachstumsrate von 2,3 % p. a. ein Wachstum von 4 % p. a. Dieser Wert wurde nicht gewählt, weil wir ihn für realistisch halten, sondern nur um 37 zu zeigen, wie mehr Wachstum auf die wirtschaftliche Situation eines Flughafens, hier also des BER, wirkt. Als Vergleichsgröße dient der Fall 4. Zum Hintergrund der Simulation sei Folgendes ausgeführt: Wachstum wird von der Luftverkehrswirtschaft vielfach als der Schlüssel zu einem Ausweg aus krisenhaften Situationen gepriesen. Wenn mehr Wachstum da wäre, dann sähe die wirtschaftliche Situation besser aus, heißt es oft. Mit diesem Argument werden der Politik Genehmigungen für Erweiterungen „abgepresst“, die andernfalls vielleicht nicht gegeben worden wären. Wir wollen prüfen, ob Wachstum der Passagierzahlen die Lage eines Flughafens verbessert. Die Simulation sieht folgendermaßen aus (s. oben Fall 5): Wir gehen aus von einem Investitionsvolumen von 4,7 Mrd. Euro, einer Anfangskapazität von rd. 28 Mio. PAX, einem PAX-Wachstum von 4 % p. a. und von den in Fall 4 angenommenen realistischen Einnahmen aus Aviation von 11,1 Euro/VE und Einnahmen aus Non-Aviation von 5,0 Euro/VE. Ergebnisse der Simulation sind wie folgt: Der Jahresverlust liegt unverändert (d. h. relativ zu Fall 4) bei etwa 150 Mio. Euro. Der Cash Flow verharrt bei + 40 Mio. Euro. Der Barwert des Gesamtprojektes verschlechtert sich leicht. Insgesamt kommen Fall 4 mit 2,3 % PAX-Wachstum p. a. und Fall 5 mit 4 % PAXWachstum p. a. damit zu nahezu identischen Ergebnissen. Wie sind die Ergebnisse zu interpretieren? Bei einem höheren PAX-Wachstum von 4 % gegenüber 2,3 % in der Ausgangssituation gibt es erstaunlich wenige Veränderungen in der wirtschaftlichen Situation. Das Ergebnis erklärt sich leicht daraus, dass viele Kosten- und Erlöskomponenten nicht starr und fix sind, sondern an die Verkehrsleistung gekoppelt sind. Sie verbessern sich nicht, wenn mehr Verkehrsleistungen abgewickelt werden. Auch muss bei Wachstum investiert werden, um die benötigten Kapazitäten bereitzustellen. Viele Menschen, die sich von Wachstum Gutes erhoffen, stellen sich vor, dass es an einem Flughafen unterausgelastete Kapazitäten gebe, so dass bei Wachstum keine Zusatzkosten auftreten und die zusätzlichen Erlöse 100 % De- 38 ckungsbeitrag gewähren. Man stellt sich etwa vor, dass eine Flughafenfeuerwehr eine Mindestgröße habe, so dass bei Wachstum der Passagierzahlen die Feuerwehr unverändert bleiben könne, mithin keine Zusatzkosten auftreten. Solche Effekte gibt es. Aber sie treten nur bei sehr kleinen oder sehr schlecht geführten Flughäfen auf. Bei größeren und gut geführten Flughäfen sind die Kapazitäten ausgelastet, und bei Wachstum muss in gewissen Zeitabständen in Erweiterungskapazitäten investiert werden. Damit steigen die Kosten, und der Nutzen des Wachstums ist gering. Bei Flughäfen, die mit negativen Kosten-Erlös-Differenzen arbeiten, kann Wachstum sogar die Verluste vergrößern. Genau dies zeichnet sich am Flughafen BER ab: Bei der realistischerweise zu erzielenden Erlösstruktur im Aviation- und Non-Aviation-Bereich ist der Flughafen nicht rentabel, und jedes Wachstum vergrößert die Verluste. Fall 6: Variation der Kostenstruktur Fall 6 Ertragskennzahlen Mio Euro Jahresgewinn v. St. erforderliche EK-Verzinsung Überschuss nach EK-Verz. Cash Flow p. a. NPV -198,3 104,0 -302,3 -7,9 -5672,9 Rahmendaten Investiertes Kapital (Mio E) Anfängl. Kapazität (Mio VE) PAX-Wachstum (p. a.) Fracht Wachstum (p. a.) Betriebskosten/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/VE Inflationsrate (p. a.) 4758,0 28,2 2,30 % 2,40 % 18,2 11,1 5,0 1,0 % Quelle: Simulation zukünftiger Wirtschaftlichkeitskennziffern des BER („Ertragskennzahlen“). Berechnet mit dem eigenen Simulationsprogramm u. a. auf Basis der genannten „Rahmendaten“. Weitere Erläuterungen im Text. Wir überprüfen im Folgenden, wie sensibel die Gewinn- oder Verlustsituation auf Variationen der Kostenstruktur reagiert. Es ist aus heutiger Sicht sehr wahrscheinlich, dass der Flughafen nicht mit einer besonders kostengünstigen Struktur be- 39 trieben werden kann. Dafür werden funktionale Fehler in der Bauplanung verantwortlich gemacht, die zu einem Mehrbedarf an Personal führen. Es wird geschätzt, dass im Vorfeldbereich 25 % bis 30 % mehr Personal notwendig sein wird, um funktionale Mängel des Baus im Betrieb auszugleichen. Beispielhaft seien genannt: falsche Flugzeugabstände bei den Passagierbrücken; Engpässe in der Gepäckmanipulation, was Handarbeit erfordert; zu wenig Parkpositionen am Terminal, was den Passagierdurchsatz mindert; Pilotenführungssystem, das Einweiser erforderlich macht, um mögliche Pilotenfehler zu verhindern etc.. Viele dieser dysfunktionalen Elemente könnten durch Umbauten beseitigt werden. Deshalb ist nicht gesagt, dass sie den BER auf Dauer belasten. Aber zunächst sind solche Dysfunktionalitäten vorhanden, und es rechtfertigt die eine Simulation einer Mehrkostenbelastung. Wir erhöhen dazu die Betriebskosten um 10 %. Bei Betriebskosten des Flughafens in der Größenordnung von rund 450 Mio. Euro für 30 Mio. Passagiere macht eine Kostensteigerung von 10 % 45 Mio. Euro Mehrkosten aus, die zahlungswirksam abfließen. Dies belastet sowohl den Gewinn als auch den Cash Flow. Ein Vergleich mit dem günstigsten Fall 1, in dem der Flughafen BER eine effiziente Kapital- und Kostenstruktur sowie Einnahmen wie die Vergleichsgruppe hat, zeigt, dass ein Spielraum für etwa 20 % Kostensteigerungen besteht, bevor die Gewinne aufgezehrt sind. In der Realität des BER wird aber eine ganz andere Situation vorliegen. In der Simulation des Falls 6 haben wir deshalb das derzeit diskutierte tatsächliche Investitionsvolumen von 4,7 Mrd. Euro und die eher realistische zukünftige Erlösstruktur von 11,1 Euro/VE im Aviationbereich und 5,0 Euro im Non Aviation Bereich unterstellt (vgl. Fall 4). Wenn zu diesen Rahmenbedingungen noch um 10 % erhöhte Kosten kommen, dann vergrößert sich der Jahresverlust von 150 auf rund 200 Mio. Euro. Der (negative) Barwert beträgt - 5,7 Mrd. Euro. Der Cash Flow liegt knapp unter Null, was bedeutet, dass der Flughafen für jede Kapazitätserweiterung Außenfinanzierungsmaßnahmen durchführen muss. Zusammenfassend ergibt sich: In der Realität des BER mit seinem hohen Investitionsvolumen (erhöhte Abschreibungen) und der problematischen Einnahmesituation besteht de facto für Mehrkosten überhaupt kein Spielraum. Es muss deshalb 40 das Ziel aller Beteiligten sein, den weiteren Aus- und Umbau des Flughafens dahingehend zu beeinflussen, dass günstige Kostenstrukturen für den späteren Betrieb resultieren – sonst wird die Wirtschaftlichkeit des BER zusätzlich belastet. Fall 7: Variation des Eigenkapitalkostensatzes Fall 7 Ertragskennzahlen Mio Euro Jahresgewinn v. St. erforderliche EK-Verzinsung Überschuss nach EK-Verz. Cash Flow p. a. NPV -150,9 84,6 -235,5 39,5 -4370,0 Rahmendaten Investiertes Kapital (Mio E) Anfängl. Kapazität (Mio VE) PAX-Wachstum (p. a.) Fracht Wachstum (p. a.) Betriebskosten/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/VE Inflationsrate (p. a.) Eigenkapitalkosten 4758,0 28,2 2,30 % 2,40 % 16,5 11,1 5,0 1,0 % 3,90 % Quelle: Simulation zukünftiger Wirtschaftlichkeitskennziffern des BER („Ertragskennzahlen“). Berechnet mit dem eigenen Simulationsprogramm u. a. auf Basis der genannten „Rahmendaten“. Weitere Erläuterungen im Text. Eine schwierig zu schätzende Größe ist der Eigenkapitalkostensatz im Rahmen des WACC. Wir haben einen Satz von 4,9 % p. a. Eigenkapitalkosten v. St. geschätzt. Um zu prüfen, ob diese Schätzung Einfluss auf die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hat, variieren wir den EK-Kostensatz um 1 %-Punkt. Das heißt, wir führen jetzt eine Simulation mit einem EK-Kostensatz von 3,9 % statt 4,9 % durch. Die Ergebnisse zeigt Fall 7. Der Vergleichsfall ist Fall 4. Die Simulation zeigt, dass die Auswirkungen äußerst gering sind. Worin liegt der Grund? Eine einfache Faustrechnung kann dies plausibel machen: Bezogen auf ein Eigenkapital von 2 Mrd. Euro macht eine Kostensenkung von 1 %-Punkt nur eine jährliche Ersparnis 41 von 20 Mio. Euro aus. Da in der Rechnung der Staat ohnehin in allen betrachteten Fällen auf die Ausschüttung seiner Ansprüche verzichtet, also die Liquiditätslage nicht belastet, ändert sich relativ wenig. Die Kapitalkosten werden in ihrer Bedeutung oft überschätzt. Auch in der Antwort der EU im Beihilfe-Verfahren wird den Kapitalkosten breiten Raum gewidmet. Demgegenüber wird die Schätzung der Erlöse und der Kosten viel kürzer gehandhabt. Die EU hätte durch Simulationsrechnungen leicht feststellen können, dass die wirtschaftliche Situation des BER viel stärker durch Variationen bei den Erlösen und Kosten beeinflusst wird als bei den Kapitalkosten. Dann hätte sie vielleicht der Analyse der geschätzten Erlöse breiteren Raum widmen und ein ernsthafteres Beihilfeverfahren durchführen können, dem man nicht von vornherein ansieht, dass ein bestimmtes Ergebnis resultieren sollte. Fall 8: Wegfall der Umsteigefunktion des Flughafens (Hub-Funktion) Fall 8a Ertragskennzahlen Mio Euro Jahresgewinn v.St. erforderliche EK-Verzinsu Überschuss nach EK-Verz. Cash Flow p.a. NPV -153,2 104,0 -257,3 37,1 -4195,0 Rahmendaten Investiertes Kapital (Mio E Anfängl. Kapazität (Mio V PAX-Wachstum (p.a.) Fracht Wachstum (p.a.) Betriebskosten/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/ Inflationsrate (p.a.) Hubfunktion (konstant 6% Transferpax) 4758,0 28,2 2,30% 2,40% 16,5 11,1 5,0 1,0% Nein Quelle: Simulation zukünftiger Wirtschaftlichkeitskennziffern des BER („Ertragskennzahlen“). Berechnet mit dem eigenen Simulationsprogramm u. a. auf Basis der genannten „Rahmendaten“. Weitere Erläuterungen im Text. 42 Im Folgenden untersuchen wir, wie sich der Wegfall der Transferpassagiere auswirken würde. Laut den Zielen des Flughafenbetreibers und laut Prognosegutachten von Intraplan wird der Flughafen BER im Lauf der Jahre einen zunehmenden Anteil von Transferpassagieren haben. Berlin soll im Lauf der Zeit in eine HubFunktion hineinwachsen. Als Betreiber eines solchen Drehkreuzes wurde die Fluggesellschaft Air-Berlin genannt, die laut Planungen am BER ein Drehkreuz errichten will. Grundsätzlich könnten natürlich auch ganz andere Airlines als Betreiber eines Drehkreuzes in Frage kommen, die heute noch nicht bekannt sind. Intraplan Consult GmbH schätzt den Anteil der Transferpassagiere auf anfänglich 6 % der Gesamtpassagierzahl. Diese Zahl steigt in den Prognosen von Intraplan im Lauf der Jahre auf gut 20 % an. Wir simulieren im Folgenden, welche wirtschaftlichen Auswirkungen sich ergäben, wenn die Hubfunktion ausbliebe und die Zahl der Transferpassagiere, die in Berlin umsteigen, nicht über die 6 % der Vergangenheit hinausstiege. Fall 8a zeigt die Ergebnisse. Es ergeben sich zum Vergleichsfall Fall 4 fast keine Änderungen. Zwar fertigt der Flughafen weniger Passagiere insgesamt ab (eben die entfallenden Transferpassagiere). Aber da der Flughafen ohnehin von vornherein an der Kapazitätsgrenze operiert, hat dies keine negativen Auswirkungen auf die Auslastung: Der Flughafen bleibt ausgelastet. Er erspart sich Erweiterungsinvestitionen, was den Cash Flow entlastet. Letztlich verliert er nur die kleine Ertragsmarge pro Passagier bezogen auf die entfallenden Transferpassagiere. Ist diese aber negativ, dann kann eine Minderung der Passagierzahlen nur vorteilhaft sein. Anders wäre es, wenn die Transferpassagiere besonders lukrative Passagiere wären. Der Verlust der Hubfunktion könnte u. U. die Zahl von Passagieren aus Ländern mindern, die traditionell viel Geld im Non-Aviation-Bereich ausgeben. Am Münchener Flughafen geben Reisende aus den USA etwa 50 % mehr aus als der typische europäische Vielflieger. Asiaten geben im Schnitt viermal so viel aus. Derartige Zahlen sind bekannt. Aber sie lassen sich nicht genau Originär- und Transferpassagieren zuordnen. D. h., es ist nicht genau bekannt, wie sich die Einnahmen von Menschen aus verschiedenen Ländern ändern, wenn sie als Originäroder als Transferpassagiere reisen. Flughäfen werben Umsteiger oft mit kurzen 43 Umsteigezeiten, was die Möglichkeiten zum Shoppen senkt. Deshalb kann es sein, dass Transferpassagiere gar nicht so lukrativ sind, wie oft behauptet. Wir unterstellen im Folgenden aber trotzdem einmal, dass Transferpassagiere zu 50 % mehr Einnahmen im Non-Aviation-Bereich führen als Originärpassagiere (Fall 8b). Fall 8b: 50 % Mehreinnahmen durch Transferpassagiere Fall 8b Ertragskennzahlen Mio Euro Jahresgewinn v.St. erforderliche EK-Verzinsung Überschuss nach EK-Verz. Cash Flow p.a. NPV -164,2 104,0 -268,2 26,1 -4475,5 Rahmendaten Investiertes Kapital (Mio E) Anfängl. Kapazität (Mio VE) PAX-Wachstum (p.a.) Fracht Wachstum (p.a.) Betriebskosten/VE Einnahmen Aviation/VE Einnahmen Non-Aviation/PAX Inflationsrate (p.a.) Hubfunktion (konstant 6% Transferpax) 4758,0 28,2 2,30% 2,40% 16,5 11,1 4,6 1,0% Nein Quelle: Simulation zukünftiger Wirtschaftlichkeitskennziffern des BER („Ertragskennzahlen“). Berechnet mit dem eigenen Simulationsprogramm u. a. auf Basis der genannten „Rahmendaten“. Weitere Erläuterungen im Text. Die Simulation zeigt: Relativ zum Basisfall führt der Wegfall von Transferpassagieren, die 50 % mehr Non-Aviation-Einnahmen verursachen als Originärpassagiere zu einer Ertragsverschlechterung wie sie in der Abb. von Fall 8b zu sehen ist. 44 Insgesamt verändert der Verlust der Hub-Funktion das Ergebnis des Flughafens BER damit auf zwei wesentliche Weisen: Zum einen führt die Minderung des Passagierzahlenwachstums zu geringeren Erweiterungsinvestitionen in der Zukunft, was die Cash Flows entlastet. Der Flughafen bleibt aber ausgelastet, d. h. es treten keine Unterauslastungskosten auf. Zum anderen führt der evtl. eintretende Rückgang der Einnahmen aus dem NonAviation-Bereich zu einer Ertragsverschlechterung, welche die Hauptursache für den Gewinnrückgang in Fall 8b darstellt. Das bedeutet: Nicht das ausbleibende Passagierwachstum an sich stellt das Problem dar, sondern die hier angenommene Ertragsverschlechterung durch den Verlust von Passagieren mit besonders hohem Ertragspotential. Das bedeutet andersherum: Die Drehkreuzfunktion wird von vielen Berlinern kritisch gesehen, weil der Flughafen mit seinem ungünstigen lärmbelastenden Standort für eine massive Ausweitung des Flugverkehrs nicht geeignet erscheint. Die Simulation zeigt nun, dass der Verlust der Drehkreuzfunktion die wirtschaftliche Situation Flughafen überhaupt nur dann belastet, wenn die wegfallenden Umsteigerpassagiere dem Flughafen mehr Einnahmen/PAX bringen bzw. gebracht hätten als der Originärverkehr. Wirtschaftlichkeitsberechnung, Kredittilgung und Bad Bank Im Folgenden soll zu der Frage Stellung genommen werden, wie Kredittilgungen in einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu behandeln sind, was man von Eigenkapital zu erwarten hat und wie die Stellungnahmen des Flughafens vom 16.6.2014 zur zukünftigen Wirtschaftlichkeit des BER einzuschätzen sind. Das Eigenkapital steht einem Unternehmen prinzipiell unbegrenzt zur Verfügung. Zurückgezahlt wird es nur in Ausnahmefällen z. B. im Rahmen einer Kapitalherabsetzung an die Kapitalgeber, wenn ein Unternehmen schrumpft. Ansonsten kann es sich durch Verluste mindern – dann hat der Kapitalgeber sein Geld verloren. Die Eigenkapitalgeber erwarten eine regelmäßige Dividende. Im Fall des Flughafens BER sollte der Steuerzahler nicht auf den Anspruch einer Dividende 45 verzichten, wenn ein Gewinn ausgewiesen wird und der Cash Flow dafür ausreicht. Ansonsten hätte er von seinem Eigenkapital keinen Vorteil. Eigenkapital gilt dann als aufgezehrt, wenn sich plötzlich oder im Lauf von Jahren so hohe Verluste angesammelt haben, dass sie den Wert des Vermögens abzüglich der Schulden übersteigen. Die Folgen einer drohenden Aufzehrung des Eigenkapitals sind meist, dass die Kreditgeber ihre Kredite nicht mehr prolongieren und anfangen, deren Rückzahlung zu fordern. Es kann zur Insolvenz kommen, wenn der Flughafen bei Fälligkeit eines Kredites nicht zahlungsfähig ist und/oder kein Vermögen mehr hat, aus dem er die Kreditgeber befriedigen kann. Ein Unternehmen, dessen Betrieb nicht in absehbarer Zeit enden soll, sondern das auf Dauer betrieben werden soll, tilgt im Regelfall seine Kredite nicht. Bei solchen Unternehmen werden Kredite mit kürzerer Laufzeit laufend durch neue Kredite ersetzt (Prolongation). Dies ist insbesondere bei wachsenden Unternehmen der Fall, die im Zeitablauf immer mehr Kapital brauchen. Sie prolongieren alte Kredite und nehmen neue Kredite auf. Ihr Kreditvolumen kann ständig zunehmen, ohne dass dies ein Problem darstellen würde (wenn das Unternehmen keine Verluste macht, welche das Eigenkapital aufzehren, s.o.). In Bezug auf den BER liegt gemäß Intraplanprognose der Fall eines auf Dauer angelegten Unternehmens mit einem Marktwachstum von 2,3% p.a. vor. Das Wachstum erfordert regelmäßig Erhaltungs- und Erweiterungsinvestitionen. Zu einer Kredittilgung wird es deshalb nur dann kommen, wenn der betriebliche Cash Flow größer ist als der Bedarf für die Aufrechterhaltung des Betriebes sowie die Erhaltungs- und Erweiterungsinvestitionen. Ein so hoher betrieblicher Cash Flow wird vom BER in der Zukunft nur in einigen sehr guten Szenarien erwirtschaftet. In den mittleren – und eher wahrscheinlichen – Szenarien reicht der betriebliche Cash Flow gerade aus, den Betrieb aufrechtzuerhalten und die Erweiterungsinvestitionen zu tätigen. In den schlechten Szenarien ist der betriebliche Cash Flow negativ, und die Flughafengesellschaft kann weder Kredite tilgen, noch Erweiterungsinvestitionen tätigen. Vielmehr müssen die Ge- 46 sellschafter in diesen Fällen laufend Geld nachschießen, damit der Betrieb aufrechterhalten bleiben kann. Würde man nach 25 Jahren einmal einen Strich ziehen und die Situation bewerten, dann ergibt sich Folgendes: Fall A: In den schlechten Szenarien wird der Steuerzahler nach 25 Jahren sein anfänglich hingegebenes Eigenkapital verloren haben. Er hat nie eine Dividende auf sein Kapital erhalten. Er muss zudem die aufgelaufenen Kredite tilgen, weil der Flughafen keine Reserven gebildet hat. Ansonsten würde der Flughafen insolvent. In den sehr schlechten Fällen, in denen der Flughafen mit jährlichen Verlusten und einem jährlichen negativen Cash Flow wirtschaftete, kann es auch sein, dass der Steuerzahler zwischendurch Kapital zuschießen musste, dass er nie wieder sehen wird. Fall B: In den mittleren Szenarien verliert der Steuerzahler sein anfängliches Eigenkapital, erhält keine Dividende und muss je nach Höhe der aufgelaufenen Verluste alle oder einen Teil der aufgelaufenen Kredite tilgen. Wenigstens hat der Flughafen seinen Betrieb und sein Wachstum selbst finanziert. Im Fall 4 unserer Szenarien z. B. macht der Flughafen einen anfänglichen Verlust von rund 150 Mio. Euro jährlich bei einem positiven Cash Flow von 39 Mio. Euro p.a.. Dies bedeutet, dass der Flughafen mit den 39 Mio. Euro, die er jährlich in die Kasse erwirtschaftet, gerade seine Erweiterungsinvestitionen tätigen kann. Für eine Dividende reicht das Geld schon nicht (5 % Dividende erfordern bei 2 Mrd. Euro Eigenkapital 100 Mio. Euro p. a.). Und für eine Tilgung von Krediten, die mehr als 2 Mrd. Euro betragen, reicht es auch nicht. Der Verlust von 150 Mio. Euro p.a. zeigt, dass der Flughafen aus der Substanz lebt und jedes Jahr weniger erwirtschaftet als der Werteverzehr (d. h. die Abnutzung) des investierten Kapitals beträgt. Würde sich diese Situation Jahr für Jahr wiederholen und sich im Lauf der Jahre nichts an der Ertragslage verbessern, dann würde der Flughafen nach 10 Jahren 1,5 Mrd. Euro (10 * 150 Mio. Euro p. a.) und nach 20 Jahren 3 Mrd. Euro Vermögen verloren haben. Damit wäre nach 20 Jahren das Eigenkapital aufgezehrt, und auch für eine vollständige Kredittilgung wäre nicht genug Geld vorhanden, so dass die EK-Geber nachzahlen müssten. 47 Fall C: In den guten Szenarien kann der Flughafen aus den in den 25 Betriebsjahren erwirtschafteten Überschüssen seine Kredite tilgen. Der Steuerzahler bekommt sein Eigenkapital zurück und erhält, wenn es sehr gut gelaufen ist, auch noch die kumulierte Dividende. Erklärung des Flughafens vom 16. Juni 2014 Die Geschäftsführung des Flughafens hat am 16. Juni 2014 mitgeteilt, dass sie zwar mit Anfangsverlusten, aber einem positiven Cash Flow in 3-stelliger Millionenhöhe rechnet. Dieser von der Geschäftsführung genannte Fall liegt damit zwischen unserem Fall 1 und unserem Fall 4. Er bestätigt die Richtigkeit unserer Szenarien. Wir hatten vorhergesagt, dass der Flughafen anfänglich Verluste machen, aber einen positiven Cash Flow haben wird. Der Unterschied der Meldung der Geschäftsführung zu unserem „Normalfall“ Fall 4 ist die sehr positive Sicht auf die zukünftigen Einnahmen. Der Flughafen führt seine positive Einnahmeschätzung auf relativ mäßige Einnahmen aus AviationGeschäften und erstaunlich hohe Einnahmen aus Non-Aviation-Geschäften zurück. Letztere betreffen i. d. R. Ausgaben von Reisenden am Flughafen, Parkhäusereinnahmen, Airport-City-Erlöse usw. An der optimistischen Darstellung des Flughafens können Zweifel geäußert werden, denn es ist nicht leicht, Non-Aviation-Einnahmen zu erzielen. Schon jetzt haben die beiden Berliner Flughäfen Probleme, Non-Aviation-Einnahmen zu erreichen. Es ist nicht zu erkennen, dass sich die Einnahmen in Zukunft in dem benötigten Maße steigern ließen. Airport-City-Erlöse fließen nicht automatisch. Es sind erhebliche Vorleistungen zu erbringen. Zu den Quellen der Non-AviationEinnahmen sollte der Flughafen auf jeden Fall konkrete Angaben machen. Es ist deutlich zu erkennen, dass der Flughafen mit seiner Bekanntgabe ganz gezielt versucht, die Airlines zu beruhigen und ihnen zu signalisieren, dass sie in Zukunft mit wenig Gebühren belastet werden. Die Airlines sollen sich – bildlich gesprochen – in ein preiswertes Nest setzen können. Zum Ausgleich dafür muss der Flughafen dann hohe Non-Aviation-Einnahmen haben oder zumindest behaupten sie zu haben, sonst wird seine wirtschaftliche Situation desaströs werden. 48 Anders formuliert: Bei den mäßigen Entgelten, welche die Airlines für die Nutzung des Flughafens in Zukunft offenbar nur bezahlen sollen, muss der Flughafen seine Erträge aus dem Non-Aviation-Bereich erzielen, wenn er nicht in einem wirtschaftlichen Desaster enden soll. Die Angaben des Flughafens zu diesen Einnahmen sind bisher nicht überzeugend und erscheinen überhöht. Wir halten es für dringend erforderlich, dass der Flughafen genau erklärt, wie er sich die Einnahmen aus Non-Aviation vorstellt, und was alles noch investiert werden muss, um diese Einnahmen überhaupt erzielen zu können. Bad Bank Für die Konstruktion einer Bad Bank ergeben sich aus diesen drei Fällen folgende Grundmerkmale: Im Fall C ist keine Bad Bank nötig. Im Fall B arbeitet der Flughafen im laufenden Betrieb aus eigener Kraft. Er erwirtschaftet genügend betrieblichen Cash Flow, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und einfache Modernisierungs- und Erweiterungsinvestitionen selbst tätigen zu können. Dazu ist es nicht erforderlich, dass der Flughafen Gewinn macht. Denn auch dann, wenn der Flughafen mit (begrenztem) Verlust arbeitet, kann er über die Abschreibungen noch genügend betrieblichen Cash Flow erwirtschaften, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die begrenzten Verluste zehren nach und nach das bilanzielle Eigenkapital auf. Die Bad Bank wird in diesem Fall in den ersten Jahren nur als Sicherungsgeber gebraucht, um für die Kredite zu garantieren und diese gegebenenfalls abzulösen. Wenn das Eigenkapital (evtl. erst nach vielen Jahren) aufgezehrt ist, muss die Bad Bank Eigenkapital nachschießen. Im Fall A, in welchem der Flughafen laufend zahlungswirksame Verluste macht, muss die Bad Bank den Flughafen laufend vor der Insolvenz schützen. Dies kann auf verschiedene Weisen gelingen. Z. B. könnte die Bad Bank dem Flughafen so viele Kostenpositionen abnehmen, dass die verbleibenden Kosten durch die eigenen Erlöse des Flughafens gedeckt sind. Dies kann rechtlich durchaus ein Problem darstellen. Andernfalls müsste die Bad Bank laufend neues Kapital nachschießen, 49 um regelmäßig das durch die Verluste verminderte Eigenkapital wieder aufzufüllen. Auch dies kann ein rechtliches Problem darstellen, insbesondere weil der Staat Eigentümer des Flughafens ist. Zusammenfassung Wie wird sich die wirtschaftliche Situation des BER nach seiner Eröffnung entwickeln? Diese Frage stand am Anfang der vorliegenden Untersuchung. Mit Hilfe eines Simulationsprogramms wurde die Frage untersucht. In einem Ausgangsfall, der zum Zwecke des Vergleichs formuliert wurde, wurden folgende Daten verwendet: x Luftverkehrsprognose von Intraplan von 2013 x Kosten- und Erlösstruktur sowie Investitionsvolumen wie eine Vergleichsgruppe von Flughäfen Diese Basisdaten wurden dann peu à peu in den Punkten verändert, bei denen sich voraussichtlich für den BER abweichende Werte ergeben werden. Wichtige Resultate sind Folgende: Baufehler und Mehrinvestitionen Schon heute zeichnet sich ab, dass der BER aufgrund von Fehlern während der Bauphase Mehrinvestitionen tätigen muss. Während für einen Flughafen mit einer Kapazität von 30 Mio. PAX etwa 3,5 Mrd. Euro Investitionsvolumen „normal“ sind, wird am BER nach dem Kenntnisstand vom Frühjahr 2014 etwa 4,7 Mrd. Euro investiert werden müssen, um diese Kapazität zu erreichen. Aber auch noch höhere Werte stehen im Raum. Diese Mehrkosten sind z. T. durch Baufehler verursacht, die korrigiert werden müssen und z. T. durch teurere Anlagen als nötig. Der BER wird kein „Billigflughafen“, sondern ein „Hauptstadtflughafen“, der repräsentativ sein soll und bei dem nicht auf die allerkostengünstigsten Bauvarianten geachtet wurde. 50 Welche Auswirkungen haben nun Mehrinvestitionen? Die Auswirkungen auf den Betrieb sind erstaunlich gering. Zwar werden die Kapitalgeber, d. h. die staatlichen Anteilseigner bzw. der Steuerzahler, keine Rendite auf ihr Geld erhalten und es vermutlich auch abschreiben müssen. Aber der reine Betrieb des Flughafens wird durch die Mehrinvestitionen wenig belastet. Sie machen sich in der Gewinnund Verlustrechnung in Form von höheren Abschreibungen bemerkbar und Zinskosten (falls fremdfinanziert). Diese mindern den Gewinn, aber nur teilweise den Cash Flow (Zinsen auf Fremdkapital). Der Flughafen wird deshalb weniger rentabel sein, aber er kann (ausreichende Einnahmen unterstellt) trotzdem einen Cash Flow erwirtschaften, der ausreicht, das Fremdkapital und das weitere Wachstum zu bedienen. Überspitzt formuliert kann man sagen, dass ein Flughafen, der sich von seinen Kapitalgebern anfänglich mit ausreichend viel Kapital ausstatten lässt, der also genügend Anfangskapital aus seinen Kapitalgebern „gequetscht“ hat, in der Zukunft ein bequemes Leben führen kann, weil er über die Abschreibungen selbst bei Verlusten genügend Cash Flow erwirtschaftet, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und sogar Erweiterungsinvestitionen zu tätigen. Es ist deshalb zu vermuten, dass nach der Eröffnung des BER und des Beginns des Flugbetriebes eine gewisse Beruhigung in der Öffentlichkeit eintreten wird, weil die Rentabilität von Flughäfen dann, wenn nicht ständig nachfinanziert werden muss, traditionell wenig interessiert. Ertragslage Die zukünftige Ertragslage des BER ist ein kritischer Punkt. Das Berliner Flughafensystem hat traditionell mit einem hohen Anteil von preiskritischen, touristischen Reisenden zu tun. Die Erlöse/PAX und die Erlöse/VE sind deshalb im Vergleich mit anderen Flughäfen sehr niedrig. Wenn sich diese Erlössituation am neuen BER fortsetzt, dann wird der Flughafen große jährliche Verluste schreiben und sogar einen negativen Cash Flow erwirtschaften, der zu laufenden Liquiditätsproblemen und Nachschusspflichten der Gesellschafter führt. 51 Die Bauherren haben sich einen repräsentativen „Hauptstadtflughafen“ bauen lassen. Aber die Klientel, die diesen Flughafen benutzen wird, besteht mindestens zur Hälfte aus wenig zahlungswilligen Reisenden im Low-Cost-Segment. Für die traditionelle Zahlungsbereitschaft dieser Klientel wäre ein einfachster Flughafen, der auf geringe Investitionsvolumina und geringe Betriebskosten hin optimiert wurde, angemessen. Man kann nur hoffen, dass es Konzepte gibt, das Erlösniveau trotz der problematischen Klientel wirksam zu erhöhen. Wenn man annimmt, es gelinge, die Erlöse im Aviation- und Non-Aviation-Bereich um 50 % pro Verkehrseinheit (1 PAX oder 100 kg Fracht) zu erhöhen, dann würde der Flughafen damit gerade aus der Illiquiditätssituation herauskommen. Aber er würde immer noch 150 Mio. Euro Verluste p. a. erzielen. Eine Eigenkapitalverzinsung oder tilgung wäre ausgeschlossen. Wachstum und Hubfunktion Immer wieder wird behauptet, dass weiteres Wachstum die wirtschaftlichen Probleme löse. Dies kann nicht bestätigt werden. Viele Kosten- und Erlöspositionen sind an die Verkehrsleistung gekoppelt, so dass Wachstum sowohl die Erlöse als auch die Kosten erhöht. Dazu kommt, dass bei Wachstum ständig in Erweiterungskapazitäten investiert werden muss. Ein Flughafen, der sich bei ausgelasteten Kapazitäten in der Verlustzone befindet, wird durch Wachstum den Verlust nur vergrößern. Die Simulationen auf der Basis branchenüblicher Kosten- und Erlösrelationen zeigen, dass ein höheres Wachstum als die von Intraplan geschätzten durchschnittlichen 2,3 % p. a. die wirtschaftliche Situation des BER nicht grundsätzlich verbessert. Genauso zeigt sich, dass ein Wegfall der 17 % Transferpassagiere und der Hubfunktion nicht zu nennenswerten Auswirkungen auf Cash Flow und Gewinn kommen muss. 52 Kapitel 4 Der Flughafen BER aus baulicher und technischer Sicht Executive Summary Für den BER können folgende Entwicklungsmöglichkeiten gesehen werden: Umsteigefähigkeit und Hub-Funktion x Die Umsteigefähigkeit ist grundsätzlich gegeben. Die Funktionalität der Gebäude ist geeignet. Die Flexibilität des Systems wird durch die Laufleistung der Passagiere gesichert. x Der BER wird kein Umsteigerflughafen, weil kein Interesse von Airlines absehbar ist, einen Hub zu entwickeln. Ein Hub entsteht nicht automatisch, sondern muss von einer Airline (mühsam) entwickelt werden. Dafür ist derzeit kein Interesse absehbar. x Das Streckennetz von Air Berlin reicht nicht aus, einen Hub zu entwickeln. x Die Umsteigeranteile am PAX-Aufkommen werden unter 10 % bleiben. x Im Nachhinein gesehen war es Mitte der 90er Jahre ein Fehler, nicht auf die Bedingungen einzugehen, die Lufthansa an die Entwicklung von BER als Hub gestellt hat. Veränderungen am Terminal und den angrenzenden Gebäuden x Eine Entkernung des Terminals mit anschließendem Neuausbau auf eine Kapazität von 50 Mio. PAX p. a. löst Reparaturprobleme und schafft Zeit- und Kostensicherheit. x Der oft erwähnte Ausbau der Satelliten ist nicht vordringlich, da die luftseitigen Kapazitäten schon heute die Abwicklung von 45 Mio. PAX erlauben. Schönefeld-Alt x Die Nutzung von Schönefeld-Alt ist aus zwei Gründen empfehlenswert. x Zum einen begrenzt sie die Ausbaunotwendigkeiten des BER. x Zum anderen ermöglicht sie eine unterschiedliche Behandlung von Passagieren und kommt deshalb den Bedarfen von LowCost-Airlines entgegen sowie dem Bedarf des BER, angemessene Preise zu erlösen. x Das Regierungsterminal kann in einer der Pierstangen des BER untergebracht werden. 53 Flughafensystem x Die Segmente Low-Cost, Ferienflug und Bedarfsverkehr sind nicht Hub-fähig, machen am Standort BER aber mehr als 50 % des Verkehrsaufkommens aus. Das ist eine Inkonsistenz. Man drängt Verkehr in einen (geplanten) Hub, der dort nicht sein müsste. x Ein Flughafensystem kann den BER entlasten. Es ist aber nicht Aufgabe dieser Studie, hierzu Stellung zu nehmen. Zufahrten und Modalsplit x Die zu kurze Vorfahrt zum Hauptterminal wird zu Problemen führen. x Bei zu kurzen Vorfahrten ist zu wenig Fläche für die Abwicklung der Ein- und Ausstiegsvorgänge vorhanden. Es gibt kaum Möglichkeiten der Verlängerung der Vorfahrt. x Die Lösung liegt in einem geänderten Modalsplit mit mehr Anreisen mit dem öffentlichen Verkehr. Eine Verlängerung der U7 von Rudow nach BER kann überlegt werden. Nachtflug x Eine Nachtflugerlaubnis ist nicht notwendig. x Berlin hat eine solitäre Lage. Ein Ausweichen der Airlines auf andere Flughäfen ist praktisch ausgeschlossen. x Jede Airline, die wegen des Nachtflugverbotes Flüge nicht anbietet, wird sofort von anderen Airlines ersetzt. Tegel als Regierungsflughafen x Tegel als Regierungsflughafen ist kritisch zu sehen. x Die Kosten der Aufrechterhaltung eines ganzen Flughafens für Regierungsflüge stehen in keinem Verhältnis zu dem Nutzen. x Die nächtliche Lärmbelastung der Bürger ist unverhältnismäßig. x Das Regierungsterminal könnte in einer der Pierstangen des BER untergebracht werden. Dies ist eine kostengünstige Lösung. 54 Einführung Das folgende Kapitel untersucht die gegenwärtige Situation des Flughafens BER aus vorwiegend luftfahrttechnischer Sicht. Es wird eine Bestandsanalyse der vorhandenen Anlagen erstellt. Dann werden Alternativen für die weitere Entwicklung aufgezeigt. Bestandsanalyse der errichteten Anlagen Folgende Begriffe sind zunächst zu bestimmen: 4 Primäre Anlagen : Flugbetriebsflächen (Pisten, Rollwege, Vorfelder), Passagier- und Frachtterminal, Gepäckanlagen, Postanlagen. Die primären Anlagen sind kapazitätsbestimmend (vgl. Abb. 15 dunkel markierte Flächen). 4 Sekundäre Anlagen: Flugzeugserviceanlagen, Betriebsanlagen, Verwaltung öffentlicher Nah- und Fernverkehr, internes und externes Straßennetz, ruhender Verkehr, Toranlagen. 4 Tertiäre Anlagen: Besuchereinrichtungen, Hotels, Kongressräume, Flächen für externe Administrationen. Flugbetriebsflächen x Pisten Die Piste 07L/25R mit einer Länge von 3600 m und einer Breite von 45 m ist für alle Flugzeugtypen bis ICAO-Code Letter E (ICAO Annex 14) und die Piste 07R/25L mit 4000m und einer Breite von 60m ist für alle zugelassenen Flugzeuge – bis ICAO Code Letter F (A380, B748) – geeignet. x Schnellabrollwege Längst nicht alle planfestgestellten Schnellabrollwege und Rollwege wurden auch gebaut. Die fehlenden Schnellabrollwege reduzieren die stündliche Kapazität. Bei der Südbahn (07R/25L) wurde je Betriebsrichtung ein Schnellabrollweg nicht gebaut. Bei der Nordbahn (07L/25R) wurde ebenfalls je Betriebsrichtung ein Schnellabrollweg nicht gebaut. 55 x Rollwege Planfestgestellt wurden je Piste zwei parallele Rollwege. Nur mit zwei parallelen Rollwegen kann ein unterbrechungsloser Betriebsrichtungswechsel erfolgen. Für beide Pisten fehlt dieser zweite parallele Rollweg. Abbildung 15 Realisierte primäre Anlagen am Flughafen BER Quelle: Gutachten des ARC von 2011 x Vorfelder In der Planfeststellung wurden für 360.000 jährliche Flugbewegungen 2,1 Mio. m² Vorfelder genehmigt. Von der genehmigten Fläche wurden im 1. Bauabschnitt rund 800.000 m², also 38 % realisiert. 56 x Ergebnis Die Pisten entsprechen der Planfeststellung. Nicht unerhebliche Beschränkungen in der Kapazität sind durch die nicht realisierten Rollwege und Vorfelder und die zu geringe Anzahl der Gebäudepositionen zu erwarten. Dies ist aber mit begrenztem Aufwand bei Bedarf heilbar. Passagierabfertigung x Terminal Anhand konkreter Berechnungen, die in der Flughafenplanung Standard sind, können die notwendigen Flächen und Einrichtungen ermittelt werden. Beispielhaft lässt sich der Bedarf wie folgt ermitteln: Pax 22 Mio. Pax pro Peakhour 6600 Fbw Direction Peack/h 51 Parkpositionen 102 Check-in 146 44 Mio. 11000 85 170 245 Vorhanden k. A. k. A. 70 116 Erwartetes Aufkommen bei Inbetriebnahme: Pax/h 7500 Fbw/h 74 Int-Pax/h 1500 Transfer-Pax/h 750 Koffer/h 8500 Aufkommen, das mit den vorhandenen Anlagen abgefertigt werden kann: Pax/h 5.500 Fbw/h 57 Int-Pax/h 650 Transfer-Pax/h 600 Koffer/h 5100 Im Ergebnis zeigt sich, dass mit den vorhandenen Abfertigungsanlagen (Pax und Gepäck) 17 Mio. Pax/a abgefertigt werden können. Mit den vorhandenen Passkontrollstellen können 1,3 Mio. Auslandspassagiere (5 %) pro Jahr abgefertigt werden. Mit den abgehenden Gepäckverladebändern können pro Stunde 38 Abflüge – also 74 Prozent der Nachfrage – restriktionsfrei abgefertigt werden. Mit den Gepäckausgabebändern können 60 % des erwarteten Aufkommens restriktionsfrei abgewickelt werden. Die Ergebnisse können ausführlich im Gutachten von Faulenbach da Costa für die CDU-Landtagsfraktion im Brandenburger Landtag vom 21.11.2012 im Einzelnen nachvollzogen werden. 57 x Kapazität der Terminalvorfahrt Die Terminalvorfahrt in zwei Ebenen – Abflug und Ankunft – mit einer Gesamtlänge von 860m hat, bei einem Modalsplit von 50 % IV zu 50 % ÖV, eine Spitzenstundenkapazität von etwa 6.600 Passagieren und erlaubt damit eine Jahreskapazität von 22 Mio. Passagieren pro Jahr. Weitere primäre Anlagen x Flugzeugbrücken Im Privatisierungsverfahren forderte die FBB, dass 75 % der Flugzeuge in der Spitzenstunde an einer Passagierbrücke andocken sollen. Für die einzelnen Szenarien hätte dies bedeutet: Pax/a 22 Mio. Pax-Brücken 44 44 Mio. 73 Vorhanden 25 Bei einem wahrscheinlichen Flz-Mix in der Spitze von 10 % light, 70 % medium und 20 % heavy sähe die Belegung der Parkpositionen wie folgt aus: Parkpositionen Vorhanden Light Medium Heavy Außen 45 (44 %) 7 (100 %) 37 (76 %) 8 (57 %) Gebäude 25 (36 %) 0 (0 %) 12 (24 %) 6 (43 %) Mit einer Brückenposition können im Jahresdurchschnitt 600.000 Passagiere und mit einer Außenposition 300.000 Passagiere abgefertigt werden. Damit könnten theoretisch, mit den vorhandenen Positionen 28 Mio. Pax/a abgefertigt werden, Kapazitätsreserven sind nicht vorhanden. Da aber bei der Positionierung der Passagierbrücken nicht der Flugzeugmix maßgeblich war und in Spitzenzeiten nur 72 % der Passagierbrücken belegt sein können, reduziert diese Planung das luftseitige Passagieraufkommen um rund 5 Mio. Pax/a, sodass mit dem vorhandenen Vorfeld nur weniger als 23 Mio. Pax/a abgefertigt werden können. x Frachtanlagen 58 Zu den errichteten Frachtanlagen liegen keine Kenntnisse vor. Da das geflogene Frachtaufkommen am Standort BER unerheblich ist, hat das Frachtaufkommen für die hier angestellten Betrachtungen keine Relevanz. x Luftpostanlagen Spezifische Luftpostanlagen am BER sind nicht bekannt. Der Bedarf ist in seiner Flächenbeanspruchung vernachlässigbar. Segmente des Luftverkehrs und deren Anforderungen an die Servicequalität Der Luftverkehr in Berlin zeichnet sich im Gegensatz zu den beiden Großflughäfen Frankfurt und München durch eine ausgewogene Airlinestruktur aus (siehe fdc-Gutachten für CDU-Landtagsfraktion im Brandenburger Landtag vom 21.11.2012). Keine Airline hat einen Marktanteil von mehr als 30 Prozent. Weiterhin weist Berlin, im Gegensatz zu den beiden anderen Flughäfen einen hohen Anteil an Low-Cost- und Ferienflugverkehr auf. Beide Verkehrsarten sind nicht drehkreuztauglich. Weiterhin weist der Berliner Luftverkehrsmarkt einen hohen Anteil innerdeutschen Verkehrs auf. Dieser innerdeutsche Verkehr ist auch Feeder zu den Drehkreuzen Frankfurt und München. Der Auslandsverkehr (grenzüberschreitend) und der interkontinentale Verkehr weisen dagegen in Berlin unterdurchschnittliche Werte auf. Außer der Allgemeinen Luftfahrt (GA) sollen am BER alle Segmente in einem „One-Roof-Concept“ zentral über die Haupthalle – sowohl Abflug als auch Ankunft – abgefertigt werden. Dieses Konzept gestattet keine diskriminierungsfreie Differenzierung bei den Nutzungsentgelten für die Terminaldienste. x Premium-Verkehr (Linienverkehr) Der Premium-Verkehr ist nicht preissensibel. Er reagiert empfindlich auf Qualitätsmängel in der Abfertigung und im Service. Sowohl als Originärals auch als Transferpassagier ist er eine ergiebige Umsatzquelle für den Non-Aviation-Bereich. Der Premium-Verkehr ist grundsätzlich als Drehkreuzverkehr geeignet. Der Premium-Verkehr wird ausschließlich von Netzwerk-Carriern IATA-Gesellschaften angeboten. 59 x Linien-Verkehr Hier geht es um den Linienverkehr von Netzwerk-Carriern, sogenannten IATA-Gesellschaften. Diese Passagiere mit Preissensibilität werden zusammen mit den Premium-Passagieren abgefertigt und transportiert. Die Anforderungen an den Service entsprechen in etwa den Anforderungen der Premium-Passagiere. Dieser Verkehr ist Drehkreuz-geeignet. Der Verkehrsanteil von Premium- und Linien-Verkehr am Berliner Luftverkehrsmarkt wird auf etwa 60 Prozent geschätzt. x Ferienflug- und Bedarfsverkehr (Linien- und Bedarfsverkehr) Dieser Verkehr läuft in der Regel unter dem Begriff „Charter“, setzt sich aber zusammen aus Linienverkehr und Bedarfsverkehr. Die Fluggesellschaften sind in der Regel keine IATA-Gesellschaften. Die ausgestellten Tickets gelten ausschließlich für die ausstellende Gesellschaft. Diese Verkehrsart ist preissensibel und nicht drehkreuzfähig. Da die Reisenden in der Regel lange vor dem Abflug erscheinen, können Einnahmen im NonAviation-Bereich erzielt werden. Der Anteil dieses Verkehrsaufkommens am Berliner Luftverkehrsmarkt wird auf etwa 10 % geschätzt. x Low-Cost-Verkehr (Linienverkehr) Dieser Verkehr ist preissensibel und nicht drehkreuztauglich. Die Passagiere sind „leidensfähig“. Die Anforderungen an den Service sind gering. Der Anteil dieses Verkehrsaufkommens wird auf etwa 30 % geschätzt. Die Unterschiede der Segmente machen deutlich, dass die am BER verfolgte Strategie, alle Segmente in einem „One-Roof-Concept“ zentral über die Haupthalle – sowohl Abflug als auch Ankunft – abzufertigen, problematisch in Bezug auf die erzielbaren Nutzungsentgelte für die Terminaldienste werden wird. Eine gewisse Differenzierung ist sicherlich möglich. Aber ob diese ausreicht, den Flughafen aus der Verlustzone zu bringen, ist zweifelhaft 60 Erweiterungspotenziale Vorbemerkung Unter Erweiterungspotenzial wird hier, neben der Erweiterung der bisher gebauten Anlagen am jetzigen Standort, auch die Nutzung oder Mitbenutzung anderer Standorte verstanden. Damit wird die Diskussion über alternative Singlestandorte, über ein Flughafensystem oder den Single-Airport BER mit Satellitenairports angestoßen. Jedes dieser Systeme hat Vor- und Nachteile, die hier nicht abschließend diskutiert werden können. Ebenfalls diskutiert werden die Möglichkeit der Entwicklung eines Drehkreuzes, die Besonderheiten eines Drehkreuzes und die Voraussetzungen für die Entwicklung eines Drehkreuzes. Eigentlich sollte bei einem neuen Flughafen wie dem BER nicht über Erweiterungspotentiale geredet werden müssen. Denn bei der Neuplanung von Passagierterminals, aber auch der Neuplanung von Flughäfen, sollte das zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme erwartete Verkehrsaufkommen für die Dimensionierung der Anlagen verdoppelt werden. Dann schlagen höhere Wachstumsraten während der Planungs- und Bauzeit nicht auf die Planung durch und führen nicht zu „Nachbesserungen“, Mehrkosten und Zeitverzögerungen. Bei der Aufnahme der Planung 2006 wurde 2011 als Jahr der Inbetriebnahme geplant. Ein Passagieraufkommen von 22 Mio. Passagieren (Pax) und 260.000 Flugbewegungen (Fbw) wurde für 2011 angenommen. Eine engpassfreie Planung hätte demnach 44 Mio. Pax/a annehmen und zur Planungsgrundlage machen müssen. Dies war aber nicht der Fall. Planungsgrundlage waren 22 Mio. PAX und 260.000 Fbw. Passagierterminal Mit 340.000 m² wäre das Passagierterminal für 44 Mio. Passagiere pro Jahr ausreichend dimensioniert. Allein die Abfertigungseinrichtungen für Passagiere und Gepäck und der dadurch vorbestimmte Passagier- und Gepäckfluss kann diese Kapazität nicht leisten (Nachweise siehe fdc-Gutachten). 61 x Erweiterungspotenziale des Flughafens und des Passagierterminals Neben der Erweiterbarkeit des Passagierterminalkonzepts muss auch die Frage der Erweiterbarkeit des Flughafens diskutiert werden. Die bisherigen Indikatoren weisen darauf hin, dass der Luftverkehr weiter wachsen wird und heute am Standort Berlin Brandenburg Vorsorge für die zukünftige Entwicklung des Flughafenstandorts BER nach 2030 getroffen werden muss. Im Raumordnungsverfahren (ROV) von 1993 wurde der Standort Schönefeld für einen Flughafenstandort als ungeeignet bewertet. Der 60km lange und 25km breite Lärmkorridor südlich von Berlin bestätigt – trotz anders dargestellter Entwicklungspotenziale im Planungsatlas (siehe LEP) die raumordnerische Bewertung des ROV. Im Planungsatlas, der bis 2035 reicht, ist ein Flughafen BER mit der planfestgestellten Kapazität von 33 Mio. Pax/a und 360.000 Fbw/a unterstellt. 2035 aber dürfte das Luftverkehrsaufkommen des Luftverkehrsstandorts Berlin Brandenburg bei mehr als 40 Mio. Pax/a und mehr als 450.000 Fbw/a liegen. Der Planungsatlas zeigt den Menschen eine veraltete Situation. x Das „One-Roof-Terminal“ Am Flughafen BER wird ein Konzept des „Single-Airports“ und „One-Roof“ Terminals realisiert. Während alle großen Airports mehrere Terminals aufweisen oder jeweiligen Segmenten des Luftverkehrs zugeordnete Abfertigungsbereiche – Check-in, Sicherheitskontrolle, Pass- und Zollkontrolle, Gepäckausgabe – aufweisen, soll dieser Service in Berlin zentral erfolgen, von der Billigairline bis zum Premium-Carrier. Dies ist ein Konzept, das mehr Nachteile als Vorteile bietet. x Erweiterung Passagier-Abfertigungseinrichtungen Es wird unterstellt, dass zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme mit einem Passagieraufkommen von 28 bis 33 Mio. Pax/a zu rechnen ist. Davon werden 5 % Umsteiger sein, sodass 26,6 Mio. bis 31,4 Mio. Originärpassagiere im Berliner Luftverkehrsmarkt erwartet werden können. Die errichteten Anlagen haben eine engpassfreie Kapazität von 18 Mio. Pax/a (siehe fdc-Gutachten für die CDU in Berlin und Brandenburg). 62 Satelliten Die immer wieder diskutierte Erweiterung durch den Bau der luftseitigen Satelliten würde die Engpasssituation verschärfen. Denn durch einen Satelliten werden ausschließlich luftseitige Warteflächen bereitgestellt. Von denen verfügt der BER jedoch über eine ausreichende Reserve für bis zu 45 Mio. Pax/a. Vorfahrt Erforderlich sind Veränderungen im Bereich der Passagier- und Gepäckabfertigung. Die Terminalvorfahrt hat eine Kapazität von 22 Mio. Pax/a – bei einem unterstellten Modalsplit von 50 % IV- und 50 % ÖV-Verkehr – und ist nicht erweiterungsfähig. Das ist zu wenig. Zusätzliche Abfertigungen in der Innenstadt Berlins Ein Terminal an zentraler Stelle in der Stadt Berlin könnte nur die Defizite beim Abflug reduzieren. Ein Check-in in der Stadt mit anschließendem Transfer zum Flughafen ist möglich. Ankommende Passagiere in einem Terminal in der Stadt final abzufertigen, ist aufwändig und in vielen Aspekten sinnlos, da nicht alle Reisende nach dem Flug ins Stadtzentrum wollen. Weiternutzung der Altanlagen von SXF Die Weiternutzung der Altanlagen von SXF bietet sich vordergründig als Sofortlösung an. Die Anlagen sollen eine Kapazität von 7 Mio. Pax/a haben. Die Anlagen sind stark sanierungsbedürftig. Während der Sanierung wird die Kapazität der Anlagen stark eingeschränkt. Deshalb ist eine Sanierung im laufenden Betrieb bis zur Inbetriebnahme schwierig bis ausgeschlossen. Eine Sanierung nach der Inbetriebnahme ist ebenfalls ausgeschlossen, da die Kapazität von 7 Mio. Pax/a sofort verfügbar sein muss, sonst kommt es am neuen BER zu erheblichen qualitativen Mängeln in der Abfertigung (siehe PFB vom 13. August 2004, Seite 459ff). Singlestandort BER mit Satellitenairports In Brandenburg gibt es eine Reihe ehemaliger Militärflughäfen, die für den Regionalverkehr (Europaverkehr bis 3500km Flugstrecke) über ausreichende Pisten63 längen verfügen. Diese Flughäfen bieten sich als Satellitenairports an. Betrieben werden sollten Satellitenairports für den Low-Cost-Verkehr durch private Betreiber. Der „Gemeinsame Landesentwicklungsplan Berlin Brandenburg“ (GLEP-BB) vom 31.03.2009 schließt (Linienverkehr, Ferienflugverkehr und Low-CostVerkehr) an anderen Standorten außer des Standorts BER aus. Um die kapazitiven Anforderungen des Luftverkehrsstandorts Berlin Brandenburg zu decken, wäre eine Änderung des GLEP-BB notwendig (die Begründung kann im Gutachten von Faulenbach da Costa für die CDU-Landtagsfraktion im Brandenburger Landtag vom 21.11.2012 im Einzelnen nachvollzogen werden). Eine solche Änderung erscheint aber politisch weder gewollt noch durchsetzbar. Flughafensystem Ein Flughafensystem gilt als die leistungsfähigste und anpassungsfähigste Form, eine regionale Luftverkehrsnachfrage zu bedienen. In einem Flughafensystem kann jeder dazugehörige Flughafen bestimmte Segmente bedienen und Betriebszeiten des Luftverkehrsstandorts ermöglichen, die ein Single-Airport wegen seines Standorts nicht bieten kann. Ein Flughafensystem ist im Gegensatz zu einem Single-Airport-Konzept immer in der Lage, kurzfristig auftretenden Nachfrage oder Nachfrageveränderungen aufzunehmen. Ein solches Flughafensystem muss nicht auf die Länder Berlin-Brandenburg beschränkt sein. Neuer Single-Standort Sollten die Politik und die Bürger zur Überzeugung kommen, dass (i) der Bau einer weiteren Piste am jetzigen Standort nicht raumverträglich ist und nicht realisiert werden kann und will die Politik andererseits (ii) am Single-Airport-Konzept für Berlin festhalten, dann müsste ein neuer Standort gesucht und durch die Landesplanung planungsrechtlich gesichert werden. Weiternutzung Standort Tegel Das Fluglärmschutzgesetz (FlugLärmG) enthält eine „Lex-Tegel“. Danach müssen für einen Flughafen keine Schutzzonen festgelegt werden, wenn der Flughafen zehn Jahre nach in Kraft treten des FlugLärmG stillgelegt werden soll. Die 64 Stilllegung des Flughafens Tegel soll sechs Monate nach Inbetriebnahme des Flughafens BER erfolgen4. Allerdings zeichnet sich in der aktuellen Diskussion eine Verschiebung der Inbetriebnahme des BER ab. Danach wäre nicht vor 2017 mit der Inbetriebnahme des Flughafens BER zu rechnen. Da die Anwohner des Flughafens dann zehn Jahre Fluglärm ohne Anspruch auf passiven Schallschutz hinnehmen mussten, kann es für den passiven Schallschutz am Flughafen Tegel keine Übergangsfrist mehr geben. Spätestens ab 2017 müsste der gesetzlich vorgeschriebene Schallschutz vorhanden sein. Laut Planfeststellung (PFB, S. 235) sollen auf beiden Flughäfen (TXL und THF) rund 135.000 Menschen von relevantem Fluglärm betroffen sein. Da die Berechnung vermutlich noch nach dem alten FlugLärmG von 1971 angestellt wurde, wird unterstellt, dass nach dem FlugLärmG von 2007 am Flughafen Tegel etwa von 200.000 Betroffenen ausgegangen werden kann, die Anspruch auf passiven Lärmschutz haben. Dies entspricht etwa 95.000 Wohneinheiten (WE). Bei durchschnittlich 6.000 €/WE gäbe es einen Finanzierungsbedarf von rund 570 Mio. € für passiven Lärmschutz am Flughafen Tegel. Die Kosten können drastisch reduziert werden, wenn für den Flughafen Tegel ein Nachtflugverbot, auch für Regierungsflüge, von 22 Uhr bis 6 Uhr – als fluglärmfreie Zeit - eingeführt würde. Der Ausweichflughafen Schönefeld hat keine Nachtflugrestriktionen. Ergebnis Die vorstehende Diskussion zeigt, dass - weitere Zunahme des Luftverkehrs vorausgesetzt - die langfristige Entwicklung des Luftverkehrsstandortes Berlin Brandenburg problembehaftet ist. Sollte das Single-Konzept weiterverfolgt werden, müssten die dafür erforderlichen Flächen durch die Landesplanung sichergestellt und die Auswirkungszonen von weiterer Bebauung freigehalten werden. Dies wird jedoch kaum zu erreichen sein. Ein Flughafensystem, wie oben geschildert könnte dagegen politisch vermittelbar sein. 4 Diese Verfügung ist unsinnig. Erstens gibt es nach der Inbetriebnahme des Flughafens BER nur noch einen Luftraum, der den Verkehr des Flughafens BER regelt. An- und Abflüge zum Flughafen TXL sind danach nicht möglich. Zweitens werden Einrichtungen, Anlagen und Geräte des Flughafens Tegel zum Flughafen BER – z.B. die Flughafenfeuerwehr – umziehen, so dass ein Weiterbetrieb des Flughafens Tegel ausgeschlossen ist. 65 Möglichkeiten der Flughafenbegrenzung Gründe für eine Begrenzung des Verkehrsaufkommens am Standort Das Ergebnis des ROV von 1993 war die Ungeeignetheit des Standorts Schönefeld als Flughafenstandort. Die Gründe hierfür waren: 4 Berlin konnte sich im Gegensatz zu allen anderen Metropolen weltweit, nicht flächenmäßig ausdehnen. Dieser Bereich ist bereits stark besiedelt. 4 Im Verlauf von zwei bis drei Jahrzehnten wird sich der Bereich so entwickeln, dass der Flughafenstandort Schönefeld als innerstädtischer Flughafen anzusehen ist. 4 Der Standort Schönefeld wird genau die Probleme auslösen, die an den jetzigen innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof als nicht bewältigbare Problemlage zu bezeichnen ist. 4 Eine 80km lange und 25km breite Zone der Verlärmung wird eine städtebaulich qualifizierte Entwicklung verhindern. 4 Als Flughafenstandort fehlen dem Standort Schönefeld die Erweiterungspotenziale. 4 Die Konflikte zwischen vorhandener Siedlungsstruktur und potenziellen Siedlungsentwicklungen in Verbindung mit einem Flughafenstandort wurden als unlösbar angesehen. Daneben gibt es weitere Gründe, die gegen den Standort Schönefeld sprachen und sprechen: 4 Der Hauptentwicklungsbereich für Siedlungsflächen liegt südlich von Berlin bis zum Autobahnring. 4 Die Bereiche südöstlich und westlich von Berlin sind bedeutende Naherholungsflächen. Zentrales Argument der Begrenzung sind Inkonsistenzen in der gemeinsamen Landesentwicklungsplanung und dem dazugehörigen Planungsatlas von 2008. Im Planungsatlas wird der Planungshorizont 2035 mit dem Verkehrsaufkommen und dem Layout des Flughafens BER von 2023 unterstellt. Der GLEP-BB unterstellt 66 damit, dass kein Wachstum am Flughafen BER stattfindet. Dies ist eine ungewöhnliche Unterstellung, die, wenn der fragliche Zeitraum näherrückt, Berlin große Probleme bereiten wird. Es ist keine zukunftsträchtige Perspektive. Perspektive Strukturelle Veränderungen im Luftverkehr können relativ kurzfristig stattfinden. Deshalb ist es ratsam, für einen Flughafen in regelmäßigen Abständen (alle 5 Jahre) die Prognosen zu aktualisieren und Generalausbaupläne zu überarbeiten. Das „Leben“ eines Flugzeugs dauert etwa 30 Jahre. Länger dauert der Zyklus eines vollständigen Flottenaustauschs. Anders formuliert: Alle Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes werden erst nach einem Zeitraum von 20 bis 30 Jahren und dann nur schrittweise wirksam. Deshalb muss Flughafenpolitik immer in Zeiträumen von 50 Jahren denken. Dies kann aber nur in Szenarien erfolgen und bedarf der regelmäßigen Überprüfung und ggf. auch der Korrektur. Bezogen auf den jetzigen Standort BER ist die Frage zu beantworten, ob der Flughafen am Standort eine langfristige Perspektive hat. Will die Politik am Standort festhalten, dann müssten jetzt schon für diesen Standort langfristige Entwicklungspotenziale vorgehalten und raumordnerische Fehlentwicklungen vorsorgend verhindert werden. Mit dem geltenden LEP und dem Planungsatlas geschieht dies nicht. Lautet die Antwort nein, dann müssen viele Fragen geklärt werden: neuer Standort, Flughafensystem, Satelliten-Airport? – eben all die Fragen, welche die beabsichtigten Entwicklungen raumordnerisch absichern. Insgesamt bedarf es auch der Überprüfung der Steuerungsinstrumente der Raumordnung. Bisher wird nur deutlich, dass die Steuerungsinstrumente nicht greifen, langfristige Entwicklungen nicht absichern und Konflikte nicht verhindern. Die Flughafenentwicklung wird schlicht und einfach nachvollziehend abgesegnet. Von vorausschauender Planung kann keine Rede sein. 67 Berlin als Drehkreuz Vorbemerkung Immer wieder verwechselt werden Transit- und Transferverkehr. Transitverkehr belastet das Passagierterminal nicht. Im Transitverkehr kommen Passagiere mit dem Flugzeug XYZ an und fliegen mit diesem Flugzeug weiter. Häufig kann es aber auch vorkommen, dass nur ein technischer Zwischenstopp eingelegt wurde und keine Passagiere zusteigen. Für den Transferverkehr – also Umsteigeverkehr – müssen international gesonderte Abfertigungseinrichtungen vorgesehen werden, damit sich die Transferpassagiere ohne Grenzkontrollen an Land bewegen und weiterfliegen können. Für Transferpassagiere, die bei ihrem Umstieg einreisen oder ausreisen müssen, müssen keine besonderen Abfertigungseinrichtungen vorgesehen werden, sie werden wie Originärpassagiere behandelt. Bei Passagieren, die innerhalb des Schengenraums umsteigen oder aus dem Schengenraum einen Auslandsflug antreten, entfällt die Sicherheitskontrolle am Umsteigeflughafen. Schließlich muss angemerkt werden, dass nur etwa 20 Prozent des weltweiten Luftverkehrs Umsteigeverkehre und 80 Prozent Direktverkehre sind. Auch in Deutschland liegt der Anteil der Umsteiger am Gesamtaufkommen bei nur 24 Prozent. Damit wird auch deutlich, warum 80 Prozent aller Buchungen „auf der ersten Seite“ stattfinden: Es ist der schnellere Direktverkehr, der bevorzugt wird. Umsteigebeziehungen erscheinen immer auf den weiteren Seiten des Buchungssystems unabhängig von der Umsteigezeit. Über ein Drehkreuz werden in der Regel Destinationen bedient, bei denen häufig ein Direktflug nicht ausgelastet wäre und Direktflüge nur sporadisch zwischen den beiden Flughäfen stattfinden würden (bspw. wie ein Ferien- oder ein Charterflug). Steigt jedoch die Nachfrage nach Direktflügen, wird der „Umweg“ über das Drehkreuz zwar noch angeboten, aber nicht mehr genutzt: Es wird direkt geflogen. 68 Was ist Umsteigeverkehr Zunächst einmal gilt die Definition, dass Umsteigeverkehr als Intra-AirlineVerkehr verstanden wird. Hierzu bedarf es allerdings eines IATA-Full-FaireTickets (also eines preislich nicht reduzierten Tickets). Bei preislich reduzierten Tickets ist die Umsteigemöglichkeit beschränkt. Findet der Umsteigevorgang ausschließlich als Inner-Airline-Umsteigeverkehr statt, ist dies im Sinne der Drehkreuzdefinition kein Umsteigeverkehr. Umsteigeverkehr im Ferienflugverkehr stellt eine Ausnahme dar. In der Regel fliegen die Passagiere im Ferienflugverkehr nur im Direktverkehr, können also als Transitpassagiere bei einem Gabelflug vorkommen. Im LCC gibt es keinen Transferverkehr. Die Bedeutung der Umsteigezeit Immer wieder wird die Umsteigezeit als Kriterium beschrieben, um als Drehkreuzflughafen konkurrenzfähig zu sein. Die „Minimum Connecting Time“ (MCT) gibt aber lediglich an, in welcher Zeit ein Koffer umgeladen werden kann. Sie gibt nicht an, in welcher Zeit ein Passagier umsteigen kann. Braucht der Passagier weniger Zeit für den Umsteigevorgang als mit der MCT angegeben ist, kann er sicher davon ausgehen, ohne Gepäck am Zielort anzukommen. Schon kurzzeitige Verspätungen können dazu führen, den Anschlussflug zu „verpassen“ bzw. ohne Gepäck weiterzureisen. Die tatsächliche Umsteigezeit ist also in der Regel vernünftigerweise länger als die MCT. Auswertungen zeigen, dass eine MCT von 45 bis 60 Minuten nur von 4 Prozent der Umsteigepassagiere wahrgenommen wird. Am Drehkreuz Frankfurt beträgt die durchschnittliche Umsteigezeit zwei Stunden und acht Minuten. Weiterhin zeigt Lufthansa, dass bei einem Drehkreuz die MCT nachrangig ist. Lufthansa ist gerade dabei, die Feeder-Flüge von und zu den Drehkreuzen nicht mehr an den Knoten zu orientieren, sondern den Feedern eine regelmäßige Taktzeit zu geben. Dann wird von einem „gleitenden“ Hub gesprochen. Dies hat Vorund Nachteile. Nachteil: Die MCT ist dabei nachrangig. Vorteil: Die Airline kann ihren Flugzeugeinsatz optimieren. 69 Transferverkehr in Deutschland und Potentiale für zusätzlichen Transferverkehr Nur 20 Prozent des weltweiten Luftverkehrsaufkommens ist Umsteigeverkehr. In Deutschland wurde 2013 ein Umsteigeverkehr von rund 49 Mio. Pax/a, also 24 Prozent des Gesamtaufkommens, gezählt. Davon wickelten die beiden Drehkreuze Frankfurt und München rund 47 Mio. Umsteigepassagiere, also fast 96 Prozent des Umsteigeverkehrs ab. Beide Drehkreuze in Deutschland sind Drehkreuze der Lufthansa mit ihren Töchterfirmen und den Allianzpartnern. Die Bildung eines weiteren Drehkreuzes in Deutschland, bei dem bereits hohen Anteil von 24 Prozent Umsteigeverkehr kann sich nur zulasten der Lufthansa durch eine andere Airline entwickeln. Um ein primäres Drehkreuz wirtschaftlich bilden zu können, muss der interkontinentale Verkehr am lokalen Verkehrsaufkommen einen Anteil von etwa 20 Prozent haben. In Berlin beträgt dieser Anteil weniger als 5 Prozent am Gesamtaufkommen. In der 2013 in den Medien diskutierten Prognose von Intraplan wird für 2025 ein Umsteigeranteil von etwa 17 Prozent für BER (etwa 5,1 Mio. Transferpassagiere pro Jahr) angenommen. 2013 betrug der Umsteigeranteil am lokalen Aufkommen in Berlin laut FBB 5 Prozent - also 1,3 Mio. Transferpax/a - von 26,7 Mio. Pax/a. Um den Anteil von 17 Prozent zu erreichen, müsste der Transferverkehr jährlich um 24 Prozent zunehmen. Würde dieses Prognoseszenario zutreffen, fände der Zuwachs des Passagieraufkommens ausschließlich im Transferverkehr statt, während der Originärverkehr sogar leicht rückläufig wäre. Dies ist ein eher unwahrscheinliches Szenario. 70 Abbildung16 Verkehrsentwicklung am BER laut Prognose von Intraplan Consult 2013 26,0 26,3 29,1 25,0 24,0 21,0 16,0 11,0 5,1 6,0 1,3 1,0 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 BER Pax BER Transfer BER Originär Quelle: ITP Intraplan, 2013. Interessenten zur Entwicklung eines Transferverkehrs am BER Ein Drehkreuz entsteht nicht aus sich selbst heraus, es muss durch eine Airline (mühsam) entwickelt werden. Die großen Airlines in Berlin (Lufthansa, Air France, KLM, BA) werden Berlin als Zubringerflughafen zu ihren „Drehkreuzen“ begreifen und entwickeln. Derzeit käme überhaupt nur Air Berlin in Partnerschaft mit One World und Etihad und einem Marktanteil von etwa 30 Prozent am lokalen Aufkommen in Frage, ein Drehkreuz zu entwickeln. Dies sei auch erklärtes Ziel von Air Berlin, heißt es. Daran können aber Zweifel geäußert werden. AB nutzt derzeit mehrere Umsteigeflughäfen (Mallorca, Düsseldorf, Nürnberg, etc.). Dies hängt mit dem Streckennetz, dem preislichen Angebot verschiedener Flughäfen und der Preispolitik zusammen. Es hat nichts mit einer Nachfrage nach Umsteigeverbindungen zu tun. Ähnlich wird auch das „Drehkreuz“ der AB am Standort BER zu bewerten sein. Stichprobenartige Abfragen auf der Webseite der AB zeigen, dass der Standort Berlin ein „Umsteigeflughafen“ neben weiteren Umsteigerflughäfen ist: in Richtung Osten ist dies Abu Dhabi, in Richtung Westen New York und in Richtung Süden ebenfalls Abu Dhabi. Air Berlin ist die „Airline des maximalen Umsteigens“. Selbst vom „Drehkreuz“ Berlin aus sind die Destinationen der Langstrecke 71 häufig nur über ein weiteres „Drehkreuz“ zu erreichen, bevor man dann endlich die lange Strecke erreicht. Bei zweimaligem Umsteigen vor dem Start in die Ferne wird die Dauer des Umsteigevorgangs zur Nebensache; abgesehen davon, dass die MCT generell unerheblich ist.5 Deshalb erscheint die Festlegung einer MCT am Standort BER als unerheblich. Businessreisende werden nicht über ein Drehkreuz fliegen, wenn sie ihre Destination im Direktflug erreichen können. Der Standort BER im Netz der AB ist zuerst als Feeder zu dem One-World-Drehkreuz und zu den Etihad-Drehkreuzen zu sehen. Umsteigevorgänge in BER werden Zufallsergebnisse oder Ergebnis einer aggressiven Preispolitik der AB sein. Zusammen mit Etihad (EY) und BA dürfte AB am Standort BER einen Marktanteil von 42,5 % haben. Unter Beachtung dieses Marktanteils wird BER immer ein Feederflughafen für die beiden Drehkreuze von Etihad und BA sein. Der am BER stattfindende Umsteigeverkehr zu diesen Drehkreuzen macht die MCT am „Drehkreuz“ BER nachrangig. Ebenso ergeht es dem Inner-Airline Umsteigeverkehr der Air Berlin. Die interkontinental angebotenen Destinationen für einen Direktverkehr von/nach Berlin sind nachrangig und erzeugen auch nachrangigen Umsteigeverkehr. Die anderen Verbindungen von AB werden wiederum über einen anderen Drehkreuzflughafen angebunden. Zweimaliges Umsteigen, selbst bei einer kurzen MCT, verlängert die kürzestmögliche Reisezeit um mindestens 90 Minuten und die durchschnittliche Reisezeit um mehr als vier Stunden. Bei Etihad kommt hinzu, dass der für den Umsteigeverkehr aus Europa relevante Umsteigeknoten an den Flughäfen Dubai und Abu Dhabi in der Zeit von 23 Uhr bis 3 Uhr stattfindet.6 Dies ist eine Zeit, in der Geschäftsreisende lieber im Flug schlafen als wartend auf einem Flughafen zu verbringen. Die Verbindungen über Dubai sind hauptsächlich interessant für Pauschalreisende, bei denen der Ticketpreis maßgeblich für die gewählte Strecke ist, um ihr Ziel zu erreichen. Die Umsteigezeit ist für diese Reisenden unerheblich. Dass die Umsteigezeit keine wirklich beachtenswerte Größe ist, belegt Lufthansa derzeit. Lufthansa will die Feeder von/zum Flughafen Frankfurt vertakten. Dies 5 Drehkreuze entstehen nicht in Konkurrenz zu Direktflügen, sondern als Ergänzung zu Direktflügen. Strecken, auf denen das Aufkommen für Direktflüge zu gering ist, werden über ein Drehkreuz angeflogen. 6 Im Netzwerk der interkontinentalen Drehkreuzflughäfen, der Lage und der Zeitzonen die richtig zugeordnete für den Knoten. So können Ankünfte in Singapur, Kuala Lumpur, etc. gegen Mittag und Ankünfte in Europa am Vormittag erzielt werden. 72 führt im Ergebnis dazu, dass nicht mehr die Umsteigezeit maßgeblich ist, sondern die Regelmäßigkeit der Feeder. In der Fachwelt wird diese Form des Knotens als „gleitender“ Knoten bezeichnet. Das Nachtflugproblem Vorbemerkung Um einer Falle aus dem Weg zu gehen, wenn es im Folgenden heißt, dass es keinen Nachtflugbedarf gebe, dann bedeutet dies ausschließlich, dass es keinen Nachtflugverkehrsbedarf am Standort gibt. Das im interkontinentalen Verkehr nachts geflogen wird und geflogen werden muss, steht außer Frage. Anders sieht dies beim Regionalverkehr aus. Am Flughafen BER mit seinen Feederflügen zu den beschriebenen primären Drehkreuzen müssen die Flüge immer in der Zeit von 8 Uhr bis 20 Uhr stattfinden, da sonst die Feeder außerhalb der jeweiligen Knoten im primären Drehkreuz ankommen würden. Auch die interkontinentalen Flüge von/nach Berlin finden derzeit am Tage von 6 bis 22 Uhr statt, obwohl der Flughafen SXF keine Nachtflugrestriktionen hat. Für Starts und Landungen interkontinentaler Flüge in der Nacht gibt es keinen Bedarf. Folglich gibt es auch keinen Nachtflugbedarf für den Feeder-Verkehr. Der Nachtflugbedarf für LCC und Ferienflugverkehr ist ausschließlich eine Frage betriebswirtschaftlicher Betrachtungen der jeweiligen Airline. Die alternativen Handlungsmöglichkeiten, Nachtflugverkehr zu vermeiden sind vorhanden. Es stellt sich lediglich die Frage, welche Kosten diese Alternativen für die betroffenen Airlines verursachen. Generell gilt es anzumerken, dass selbst Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften einen unbeschränkten Nachtflugbetrieb nicht für erforderlich erachten. In der Regel – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – liegt der Anteil des Nachtflugbetriebs an einem Flughafen in Mitteleuropa bei maximal 8 Prozent des gesamten Jahresverkehrsaufkommens. Für 8 Prozent des Verkehrsaufkommens und nur geringfügig höhere Entgelte in der Nacht müssen aber nicht nur deutlich höhere Energiekosten, sondern auch unverhältnismäßig hohe Personalkosten für den 73 Nachtflugverkehr vorgehalten werden. Etwa 25 Prozent des Personals müssen für den Nachtflugverkehr bereitgehalten werden. Generell kann festgehalten werden, dass Nachtflugbetrieb den Flughafenbetreiber mehr kostet und das Defizit aus dem Flugbetrieb vergrößert. Auswirkungen von Verbotsszenarien x Nachtflugbeschränkungen mit Flugverbot Zu Ärger und Friktionen führt eine regelmäßig Flugverbotszeit, die „über“ der Schwelle liegen. Das heißt, es kann vorkommen, dass bereits „gebordete“ Flugzeuge wieder umkehren müssen, weil absehbar ist, dass sie an der Startschwelle in der Zeit des Flugverbots starten würden. Deshalb wird empfohlen, bei allen Nacht-Beschränkungen die Verbotszeit auf Beginn/Anfang des Fluges (OnBlock/Off-Block) zu legen. Ein Flug beginnt mit dem Schließen der Flugzeugtür und endet mit dem Öffnen der Flugzeugtür. x Nachtrandstunde von 22 bis 23 Uhr Die Erforderlichkeit der Nachtrandstunde von 22 bis 23 Uhr kann mit der im Tagesumlauf auftretenden Verspätungswahrscheinlichkeit begründet werden. Im Zusammenhang mit einer On-Block/Off-Block-Regelung sollten über 23 Uhr hinausgehende Verspätungen ausgeschlossen werden. x Nachtrandstunde von 5 bis 6 Uhr Die Nachtrandstunde von 5 bis 6 Uhr verbessert zwar die potenzielle Umlaufzeit für Flugzeuge, kann aber, da Flugverbotszeiten nicht auf allen angeflogenen Destinationen existieren, umflogen werden. Die Nutzung der Nachtrandstunde von 5 Uhr bis 6 Uhr ist für den Flugbetrieb am Flughafenstandort BER als nachrangig zu bewerten. x Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr Ein Nachtflugverbot mit der Regelung On-Block/Off-Block von 22 bis 6 Uhr erzeugt außerhalb des Flughafens eine fluglärmfreie Zeit von etwa 21.30 bis 5.30 74 Uhr beim Anflug und 22:30 bis 6:30 Uhr beim Abflug. Im Kern wird um den Flughafen mit dieser Regelung eine fluglärmfreie Zeit von 22:30 bis 5:30 Uhr möglich. Für den Flughafen BER selbst wäre unter Berücksichtigung seiner Lage eine solche Regelung nicht nachteilig. x Fracht Der bekannte Spruch „Die Fracht braucht die Nacht“ ist flott und hat sich eingeprägt. Aber er gilt nicht. Die Fracht braucht die Nacht nicht. Im Gegensatz zum Passagier ist es der Fracht egal, wann sie transportiert wird und wie lange sie am Boden liegen bleibt. Expressfracht wird nicht schneller transportiert als normale Fracht, sie wird lediglich bevorzugt transportiert. Außerdem wird in Deutschland mehr als 2/3 der Luftfracht in Lkw als Frachtersatzverkehr oder als Beifracht in Passagierflugzeugen transportiert. Wenn die Fracht die Nacht braucht, bräuchte auch der Passagierverkehr wegen der Beifracht die Nacht. Diese Forderung hat die Luftverkehrswirtschaft aber nie aufgestellt. Geflogen wird Fracht fast ausschließlich im interkontinentalen Verkehr. Die Verteilung zwischen Nurfracht und Beifracht ist eher zufällig. Weshalb nur die Nurfracht dringend in der Nacht aboder angeflogen werden muss, ist nicht nachvollziehbar. Expressfracht wird, vergleichbar mit einem First-Class-Passagier, nicht schneller als die andere Fracht, sondern nur bevorzugt transportiert. Die Alternativen für den Nachtbetrieb x Passagierverkehr Alternativen für Berlin gibt es nicht. Hannover ist mit 286 km zu weit entfernt, um bei Betriebsbeschränkungen in Berlin, als Alternative infrage zu kommen. Leipzig, mit 172 km näher an Berlin, hat ein wenig attraktives Angebot und keine ausreichenden Kapazitäten in Bezug auf Frequenzen und Destinationen. Außerdem hat der Flughafen Leipzig in Bezug auf den Passagierverkehr ähnliche Nachtflugbeschränkungen wie der Flughafen BER. Ein Wechsel nach LEJ wäre also mit keinem zeitlichen Vorteil verbunden. Immerhin ist Leipzig terrestrisch per Bahn gut an den Raum Berlin angebunden. 75 Insgesamt ist die Lage des Flughafens BER derart solitär, dass vernünftige Alternativen selbst bei einem Nachtflugverbot nicht zu Verfügung stehen. Das ist ein erheblicher Vorteil für ein Nachtflugverbot. Es bedeutet nämlich: Sollte eine Airline wegen irgendwelcher Flugbeschränkungen von/nach Berlin aus Protest ihren Verkehr einstellen und sich nicht an diese Beschränkungen anpassen, wird eine andere Airline umgehend die Nachfrage decken. Ein Nachtflugverbot am Standort BER wird zu keinen Einschränkungen beim Verkehrsaufkommen führen. x Frachtverkehr Der Frachtverkehr am Standort Berlin ist unerheblich. Mögliche Zunahmen werden nicht dazu führen, dass vermehrt Fracht von/nach Berlin geflogen wird. Der Anteil der Großraumflugzeuge, welche Frachten mitnehmen (Ferienflieger nehmen keine Fracht mit) die für den Frachttransport unerlässlich sind, ist und wird am Standort Berlin zu gering sein und auch im überschaubaren Zeitraum keine für die Fracht beachtliche Größenordnung erreichen. Berlin wird über die Standorte Leipzig, Frankfurt und Köln-Bonn erschlossen. Die Luftfracht von/nach Berlin zu diesen Frachtdrehkreuzen erfolgt auch weiterhin per Frachtersatzverkehr. Die wenigen Ausnahmen des Bedarfsverkehrs erzeugen keinen Nachtflugbedarf. Da alle Flüge vorher geplant werden müssen, kann auch auf Tageszeiten oder ein Frachtdrehkreuz ausgewichen werden. Der Hinweis, dass mit Nachtflugbeschränkungen der Verkehr auf ein anderes Drehkreuz ausweichen werde, belegt nämlich, dass die Fracht ebenso gut am Tag geflogen werden kann. Die Fahrtzeit nach Leipzig beträgt knapp drei Stunden, die Fahrtzeiten nach Köln-Bonn oder Frankfurt gute acht bis zehn Stunden. x Standortalternativen Bestehende Großflughäfen stellen keine Alternative für den Luftverkehrsmarkt der Hauptstadtregion dar, sind folglich auch keine Konkurrenz für den Standort BER. Ergänzende Alternativen wären zwar vorhanden, verfügen aber nicht über die erforderlichen Genehmigungen als Satellitenairports den Single-Airport zu entlasten, oder sind planerisch nicht gesichert. 76 Ergebnis Ein Nachtflugverbot würde kein Nachteil für den Luftverkehrsstandort sein. Im interkontinentalen Passagierverkehr gibt es den Bedarf am Standort nicht. Der Frachtverkehr kann, soweit Nachfrage vorhanden ist, ohne Nachteile am Tage abgewickelt werden. Der Nachtflugbedarf des Ferien- und LCC-Verkehrs kann durch airlineinterne Lösungen oder über andere Airports abgewickelt werden, ohne den Siedlungsraum um den jetzigen Standort zu belasten. 77 Kapitel 5 Wachstum und Beschäftigung Executive Summary Der Luftverkehr erscheint in vielen Gutachten als Ursache von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Hinter vielen Begutachtungen stehen aber Interessen, welche zu einer Verfälschung der Ergebnisse führen. Renommierte Forschungseinrichtungen bieten sich im Internet an, jedwede von den Auftraggebern verlangte Aussage wissenschaftlich untermauern zu können. Das Fachwort dafür lautet „client results“. Wichtige neue neutrale Studien von OECD und EU kommen zu anderen Ergebnissen. Die OECD beschreibt die Bedeutung der Flughäfen für die Wirtschaft als „underwhelming“: Der Luftverkehr ist nicht Antreiber von wirtschaftlicher Entwicklung, sondern entwickelt sich dort gut, wo die Wirtschaft gut läuft (umgekehrte Kausalität). Die OECD erkennt in zu vielen Fällen von ausgebauter Luftverkehrsinfrastruktur lobbyistischen Druck, der zur Errichtung von Flughäfen führt, die keinen Beitrag zur Wohlfahrt leisten. Für die Flughafenregionen in Deutschland bedeuten die Ergebnisse, dass die Regionen nicht hoffen dürfen, durch Ansiedlung von Flughäfen ihr Wachstum und ihre Beschäftigung zu steigern. Flughäfen führen den Erkenntnissen von OECD und EU vor allem dazu, dass sich die Struktur der Wirtschaft ändert. Es entstehen sog. „verlagerte“ Arbeitsplätze. Im Mittel werden aber keine Arbeitsplätze neu geschaffen. Manche verweisen auf den Beschäftigungsboom in Freising als Resultat des Flughafens München. Tatsächlich zeigt dieser Ort die ganze Problematik: Dass sich Flughafenmitarbeiter, die zu 75 % (!) im Schichtdienst arbeiten, möglichst in Flughafennähe niederlassen, ist selbstverständlich. Das erklärt die hohe Beschäftigung in Freising. Aber schon auf der Ebene des Großraums München ist kein Effekt des Flughafens mehr nachzuweisen. Dasselbe gilt für Airport-Cities. Die Unternehmen domizilieren dort in zunehmendem Maße gar nicht mehr wegen der Luftverkehrsnähe, sondern wegen der guten terrestrischen Infrastruktur. Die Arbeitsplätze von Unternehmen, die in AirportCities angesiedelt sind, sind überwiegend verlagerte Arbeitsplätze. Dieser Beschäftigungseffekt kannibalisiert aber die Beschäftigung anderswo in Berlin. Aus Gründen des Tourismus und des Geschäftsreiseverkehrs ist es nicht zwingend erforderlich, dass ein Flughafen in Schönefeld angesiedelt ist. Es gibt keine Erkenntnisse, dass ein anderswo angesiedelter 78 Flughafen oder ein Flughafensystem mit mehreren Standorten dem Tourismus und den Geschäftsleuten nicht genauso dient. 79 Einführung Seit Bestehen des Luftverkehrs wird über drei Aspekte diskutiert: (i) die Faszination des Fliegens, (ii) den Lärm und (iii) die Job-Effekte des Luftverkehrs. Das älteste Gutachten, das Lärm und Jobs gemeinsam thematisiert, stammt aus dem Jahr 1965: „Ohne Zweifel wird die unmittelbare Umgebung durch die Existenz des Flughafens stark beeinflusst, wie die anhaltenden Diskussionen über den Fluglärm und die Baubeschränkungen zeigen. Die Fragen der wirtschaftlichen Wirkungen stehen dagegen weniger im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Arbeit.“7 Das Gutachten von 1965 versucht, Kritikern des Flughafens dessen wirtschaftliche Bedeutung entgegenzustellen und den politischen Entscheidungsträgern ein Argument an die Hand zu geben, die Flughafenförderung gegen die Interessen der Geschädigten zu beschließen. 1965 war der Luftverkehr im Entstehen begriffen. Man war fasziniert von ihm, hatte aber keine langfristigen Daten und Erfahrungen. Mittlerweile liegen diese vor. Dabei hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr gezeigt, dass die tatsächlichen Beschäftigungswirkungen des Luftverkehrs eher gering sind. Dies führte dazu, dass die Gutachter der Luftverkehrswirtschaft mehr und mehr zu Fälschungen griffen, die nachstehend beschrieben werden. Allerdings sind schon bei dem ersten Gutachten von 1965 Manipulationen festzustellen. Der Autor untersucht Kaufkraftströme und zählt positiv wirkende Kaufkraftströme doppelt, während er negativ wirkende weglässt.8 Damit hat er zwei Fehler begangen, die heute noch in Gutachten verwendet werden, um die ausgewiesenen Wirkungen des Luftverkehrs zu steigern.9 7 DILS, 1965, S. 7 DILS, 1965, S. 30ff. 9 Vgl. Thießen, 2012, 2. Aufl., S. 50 ff. 8 80 Das Weglassen unliebsamer Effekte in den Gutachten ist standardisiert. Es werden i. d. R. die gleichen negativen Effekte weggelassen. Nur die Begründungen der Autoren für das Weglassen sind oft individuell. Einer schreibt: „Die Höhe dieser negativ zu bewertenden Effekte lässt sich nicht schätzen“10, ein anderer verklausuliert: „Nahezu alle Studien haben diese Annahme zur Grundlage“11, ein dritter formuliert wieder deutlicher: „Die Ausgaben der Outgoing-Touristen können in der vorliegenden Studie wegen fehlender Daten nicht bestimmt werden“12. Die Daten sind schon vorhanden, aber der Wille, sie zu verwenden, fehlt. Welche negativen Effekte werden regelmäßig weggelassen? Die Kaufkraftabflüsse des ausreisenden Tourismus fehlen, während die Kaufkraftzuflüsse des Incoming-Tourismus berücksichtigt werden. Die den Flughäfen und Airlines zufließenden Gelder werden berücksichtigt, aber die Tatsache, dass diese Gelder bei Verzicht auf eine Flugreise anderswo verwendet werden und dann dort Beschäftigung hervorrufen, wird verschwiegen. Heute hat sich um die fehlerhafte Berechnung der Beschäftigungswirkungen des Luftverkehrs eine ganze Industrie entwickelt, die am laufenden Band Gutachten erstellt, welche die angeblichen Wirkungen der Flughäfen schönrechnen. Das dabei verwendete Grundschema ist simpel, so dass es mittlerweile sogar Internetprogramme gibt, welche auf Basis weniger Eingaben (z. B. dem Hinzufügen von neuen Landebahnen) positive Beschäftigungs-, Einkommens- und Steuereffekte berechnen.13 Viele Forschungsinstitute bieten sich als Gutachter an. Ihr Ziel ist es, Deckungsbeiträge für die von ihnen aufgebauten Datenbestände und die beschäftigten Mitarbeiter zu erhalten. Der besondere Vorteil von Studien zur Beschäftigungswirkung des Luftverkehrs liegt für sie darin, dass es sich um Studien handelt, die weitgehend standardisiert abgewickelt werden können. Es hat sich ein einfaches Standardschema der Einbeziehung und Weglassung von Zahlungsströmen herauskristallisiert, das keine besonderen Anforderungen an die Analysetätigkeit stellt. Dies senkt die Kosten, und die Besteller solcher Gutachten erleben keine Überraschungen. Ihre Projekte erscheinen immer in einem positiven Licht, 10 Basler, Bulwien, 2007, S. 87 Penzkofer, 2009, S. 34, Fußnote 2 12 Siehe Klophaus, 2013, S. 45 13 Vgl. http://www.wsdot.wa.gov/aviation/planning/economiccalc 11 81 worauf sie sich verlassen können. Für das Standardschema hat sich der Name „Impact Studie“ eingebürgert. Mit dem Suchbegriff „Airport Impact Study“ können im Internet hunderte solcher Studien von den verschiedensten Flughäfen der Welt gefunden werden. Die Verwendung des Begriffs „Impact-Studie“ durch die Luftverkehrswirtschaft für ihre Gutachten stellt ein Ärgernis und eine Vernebelung dar, denn im ursprünglichen Sinne waren „Impact-Assessments“ wertvolle Analysen, die helfen sollten, Folgeabschätzungen vorzunehmen. Hier drückt der Begriff „Impact-Studie“ dagegen aus, dass eine ganz einseitige, unvollständige Vorteilhaftigkeitsanalyse durchgeführt wird, statt einer vollständigen KostenNutzen-Analyse. Eine wichtige Stütze dieser Studien sind Politik und Gerichte, welche diese Sorte von Gutachten bisher uneingeschränkt akzeptiert haben. Deshalb werden sie bestellt, und deshalb sind sie für viele Forschungsinstitute ein sicheres Zubrot. Gestützt auf die Basismethodik findet man mittlerweile auf vielen Internetseiten ganz unverhohlene Angebote von Forschungseinrichtungen, jeden nur denkbaren Beweis im Sinne der Kunden führen zu wollen: “We can creatively apply economic principles to nearly any issue“14, lauten solche Angebote. Ein anderer Anbieter spricht von den “client results”15, die er hieb- und stichfest begründen könne. Solche Impact-Studien sind als wissenschaftlicher Betrug zu klassifizieren, wenn sie unter dem Siegel der Wissenschaftlichkeit vorgetragen werden. Ein etwas korrekter arbeitendes Institut wehrte sich gegen Vorwürfe der Einseitigkeit und Unvollständigkeit seiner Analyse mit der Entschuldigung, seine Studie stelle doch nur „eine reine Impact-Analyse dar.“ Diese Aussage des ifo-Instituts und der Kontext, in dem sie entstand, zeigen, dass Impact Studien etwas anderes sind als umfängliche Evaluationen der Vorteilhaftigkeit von Projekten. Es wird Zeit, dass auch Gerichte und die Politik den tatsächlichen Charakter dieser Studien wahrnehmen. Oder anders formuliert: Mittlerweile ist der tatsächliche Charakter von Impact Studien auch für Nichtfachleute begreifbar. Deshalb ist das Festhalten von Politik und Gerichten an dieser Art Gutachten nicht mehr tolerierbar. 14 Vgl. Oxford Economics, 2014, Quantitative and Economic Analysis, in: http://www.oxfordeconomics.com/thought-leadership/research-techniques/quantitative-andeconomic-analysis/overview 15 Campbell-Hill Aviation Group, 2014, What we do, in: http://www.av-econ.com/ 82 Neue wissenschaftliche Erkenntnisse Wie sehen die tatsächlichen Beschäftigungswirkungen des Luftverkehrs aus? OECD und EU haben in der jüngeren Vergangenheit umfangreiche Metastudien vorgelegt. Eine Metastudie ist eine Sichtung und Bewertung aller Studien, die zu einem bestimmten Thema vorliegen. Diese Sichtung durch OECD und EU hat folgende Ergebnisse gebracht – zunächst zur OECD. Die OECD untersucht den Beitrag von Luftverkehrsinfrastrukturen, d. h. Flughäfen, zu Wachstum und Beschäftigung in Regionen. Sie findet: “Attempts have been made to measure this contribution empirically, with somewhat underwhelming results.” Die OECD findet „no significant impact on output”16 und „absence of robust findings on growth effects”17. D. h. die OECD fand heraus, dass Verkehrsinfrastrukturen wie Flughäfen keine signifikanten Wachstumsbeiträge in den jeweiligen Regionen leisteten. Währenddessen beschäftigt sich die EU mit der alten Frage, ob der Luftverkehr die wirtschaftliche Entwicklung determiniert oder ob wirtschaftliches Wachstum den Luftverkehr nach oben zieht? Die EU fragt: „Which way does the causality run?” Ergebnis ist, dass für “core regions” die Kausalität von der regionalen Entwicklung zur Luftverkehrsentwicklung verläuft, während in einigen sehr entfernten „peripheral regions“ (z. B. Nordfinnland) auch die umgekehrte Kausalität zu finden ist.18 Weiter hingewiesen werden soll auch noch auf zwei andere Studien. Die eine stammt von Bogai und Wesling. Diese Autoren haben für die deutsche Bundesanstalt für Arbeit die Beschäftigungswirkungen von Großflughäfen untersucht. Sie kommen wie OECD und EU zu der Ansicht, dass diese sehr vorsichtig interpretiert werden müssen.19 Zu gleichen Ergebnissen kommt die Meta-Studie von CEDelft von 2013 „Aviation Policy Development Framework“.20 16 OECD, 2013, S. 102 OECD, 2013, S. 103 18 Vgl. Mukkala, Tervo, 2012, S. 3 19 Bogai, Wesling, 2010, und Bogai, Wesling, 2011 20 Wichtige Ergebnisse aus dieser Studie lauten: This study has reviewed the evidence on the relation between connectivity and economic performance. Although the few academic studies found report some degree of correlation, this study has not identified any evidence of causation either way. Hence, claims about the economic benefits of connectivity are not founded on solid evi17 83 Katalytische Effekte Wenden wir uns abschließend den katalytischen Effekten zu. Darunter versteht man die Wirkungen des Luftverkehrs im weiteren Sinne, der sich durch die Erleichterung von Geschäftsanbahnungen und Geschäftskontakten indirekt befruchtend auf eine Vielzahl von Unternehmen und Branchen auswirken soll. Ohne Luftverkehr funktionieren moderne Marktwirtschaften nicht mehr, und deshalb müsste das Wirtschaftsgeschehen in Regionen mit viel Luftverkehr und guten Flughäfen besser verlaufen. Dies sind die sog. katalytischen Effekte. Viele Autoren haben versucht, diese Effekte empirisch nachzuweisen. Das ist aber bis heute nicht gelungen. Man findet im Mittel in Flughafenregionen kein höheres Wachstum von Einkommen und Beschäftigung als in Nicht-Flughafenregionen. Was ist der Grund? Als Grund wird derzeit vermutet, dass katalytische Effekte sowohl positiver als auch negativer Natur sind. Der Luftverkehr führt vor allem zu Strukturwandel, der Gewinner und Verlierer hat. In Gutachten, die von der Luftverkehrswirtschaft gesponsert werden, wird regelmäßig nur darauf hingewiesen, dass ein Flughafen der heimischen Wirtschaft neue Kundenkreise und neue Märkte erschließe. Das sind Argumente, die bei Industrieund Handelskammern und regionalen Politikern gut ankommen und ihre Unterstützung finden. Aber tatsächlich haben durch bessere Flugverbindungen auch ausländische Unternehmen bessere Chancen im Inland und können die heimischen Unternehmen bedrängen und verdrängen. Es kommt zu einem Strukturwandel, bei dem heimische Unternehmen im Mittel genauso häufig gewinnen wie verlieren. Dies wird von den IHK’s in der Regel nicht thematisiert. Dasselbe trifft für regionale Wirkungen zu. Der Flughafen München begründete seine Expansion mit Reisenden, die er aus der Flughafenregion Nürnberg und vom Flughafen Frankfurt abziehen wollte. dence.” Siehe auch die Studie von CE-Delft „The Economics of Airport Expansion” verfügbar in: http://www.cedelft.eu/publicatie/the_economics_of_airport_expansion/1363. 84 Bei der Unterstützung von Flughafenausbauten durch IHK’s und der lokalen Politik kommt es oft gar nicht darauf an, ob es positive katalytische Effekte wirklich gibt. Wichtig ist, dass man kurzfristig eine positive Nachricht verkünden kann. Im Fall des Flughafens Kassel hat die lokale IHK z. B. darauf hingewiesen, dass die lokalen Unternehmen den Flughafenausbau unbedingt bräuchten. Währenddessen haben parallel durchgeführte Umfragen bei diesen Unternehmen aber gezeigt, dass sie eine Fahrt per Bahn oder PKW nach Frankfurt einer schlechten Flugverbindung ab Kassel vorziehen.21 Die Wünsche waren Direktflüge an die USOstküste und nach China. Aber von solchen Flügen ab Kassel war ohnehin nie die Rede. Die gesamte Planung basierte deshalb auf erkennbar falschen Voraussetzungen. Der maue Flugplan seit Eröffnung des ausgebauten Flughafens ist letztlich ein Beweis der fehlerhaften Argumentation der IHK. Sollte man nicht fordern, dass die IHK Kassel aus Strafe für ihre Falschempfehlung einen Teil der jährlichen Verluste des Flughafens aus ihren Mitgliedsbeiträgen übernimmt? Machtaspekte und Lobbyismus Die OECD hat in jüngsten Publikationen als Konsequenz auf die geringen festgestellten positiven Effekte des Luftverkehrs (s. o.) auf einen Aspekt aufmerksam gemacht, der in fast keinem Gutachten bisher zum Tragen kam, i. e. den Einfluss, den der Luftverkehrssektor auf die regionalen Entscheidungsträger ausübt, um Entscheidungen in seinem Sinne zu beeinflussen. Ausgangspunkt der OECD für diese Überlegungen ist die niedrige messbare volkswirtschaftliche Rendite auf Investitionen in Luftverkehrsinfrastruktur (d. h. keine Zusatzbeschäftigung, kein Mehrwachstum). Die OECD fragt sich, worin die Ursachen liegen? Die Hypothese der OECD lautet, dass Machtaspekte und erfolgreiche politische Lobbyarbeit eine Rolle spielen, welche zu Investitionen in ungeeignete Projekte mit niedriger oder negativer Rendite führen, welche die zweifellos auch vorhandenen Projekte mit hoher Rendite konterkarieren.22 21 Vgl. Klophaus, 2013 Einem hessischen Politiker aus Wiesbaden wird nachgesagt, dass er sein Eintreten für den Ausbau des Klughafens KSF (Kassel) in einem Gespräch folgendermaßen begründete: Nordhessen sei immer sozialdemokratisch, er hoffe durch diese Investitionsentscheidung die Situation der CDU in Nordhessen zu verbessern. 22 85 Zusammenfassung Insgesamt und mit Bezug auf den BER kann gesagt werden: Die Hoffnung auf besondere Beschäftigungseffekte durch den BER sind auf Basis des derzeitigen Erkenntnisstandes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übertrieben. 86 Kapitel 6 Nachtflugverbot Executive Summary Nachtflüge anzubieten stellt, wenn erlaubt, eine legitime Handlungsweise der Luftverkehrswirtschaft dar. Die Wohlfahrt einer Region steigt dadurch aber nicht zwingend, denn nächtliche Flugbewegungen nützen nur wenigen Personen und lösen erhebliche Schäden aus, welche sich wohlfahrtsmindernd auswirken. Ein zwingender Bedarf nach Nachtflügen ist auf Seiten der Passagiere nicht in nennenswertem Maß zu erkennen. Das Gros der Passagiere bevorzugt Starts und Landungen am Tag. Aus interkontinentalen Langstreckenverbindungen kann ein nennenswerter Nachtflugbedarf nicht hergeleitet werden, denn Europa hat im Kontext der anderen Erdteile eine Lage derart, dass Nachtstarts und landungen nicht erforderlich sind. Die Feeder-Verkehre für interkontinentale Flüge können größtenteils außerhalb der Nachtstunden abgewickelt werden. Ein zwingender Bedarf nach Nachtflügen aus technischen Bedingungen auf Seiten der Airlines (Umlaufplanung, Wartung, Crewheimkehr) ist nicht zu erkennen. Der Einsparungsfaktor „higher aircraft utilization“ hat in der gesamten Kostenstruktur einer Airline eine untergeordnete Bedeutung. Die Airlines verfügen über eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten, mit denen sie Nachtflüge kostengünstig und effizient vermeiden können. Angesichts der Schäden, welche Nachtflüge auslösen, ist es der Branche zumutbar, auf nächtliche Starts und Landungen zu verzichten und die verfügbaren Handlungsalternativen zu ergreifen. Ein Nachtflugverbot muss keine Minderung der Passagierzahlen auslösen. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Kapazität eines Flughafensystems, alle nachgefragten Flüge am Tag abwickeln zu können. Gerade die Region um Berlin ist für ein Nachtflugverbot ideal geeignet. Denn die Lage des Ballungsraums Berlin ist derart solitär, dass Airlines vernünftigerweise nicht auf andere Flughäfen ausweichen können. Das ist ein erheblicher Vorteil für ein Nachtflugverbot. Es bedeutet nämlich: Sollte eine Airline wegen irgendwelcher Flugbeschränkungen aus Protest ihren Verkehr von/nach Berlin einstellen, wird eine andere Airline umgehend die Nachfrage in den erlaubten Zeiten decken (ausreichende Kapazitäten der Berliner Flughäfen unterstellt). Ein Nachtflugverbot am Standort BER wird zu keinen Einschränkungen beim Verkehrsaufkommen führen. 87 Analyse Es wird die Forderung kontrovers diskutiert, ob der Flughafen BER mit einem Nachtflugverbot ausgestattet werden kann oder ob darauf verzichtet werden sollte. Ein Nachtflugverbot wird aus den erheblichen Lärmschäden abgeleitet, welche der Nachtbetrieb des Flughafens verursacht. Die gegenteilige Forderung zugunsten einer Nachtflugerlaubnis wird aus den wirtschaftlichen Nachteilen abgeleitet, welche die Region hätte, wenn der Flughäfen nachts geschlossen bliebe. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, welche wirtschaftlichen Nachteile aus dem Nachtflugverbot resultieren. Die Frage der Lärmschäden wird in einem anderen Kapitel behandelt. Wirtschaftliche Schäden des Nachtflugverbotes Zu den wirtschaftlichen Schäden des Nachtflugverbotes liegt ein Gutachten des Institut für Verkehrswissenschaften, Köln, zusammen mit KE-Consult Kurte und Esser GbR aus dem Jahr 2007 vor. Kernpunkte des Gutachtens werden im Folgenden zusammengefasst: Zunächst motivieren die Gutachter ihr Gutachten mit einen Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. März 2006. Sie interpretieren das Urteil nicht als ein Nachtflugverbot. Vielmehr habe das Gericht verkündet, dass Flüge in der nächtlichen Kernzeit (0.00 bis 5.00 Uhr) absolut erlaubt seien. Es müssten nur „besondere Umstände“ vorliegen. Auch in den Nachtrandstunden könnten jederzeit Flüge stattfinden. Es müssten nur „plausibel nachgewiesene sachliche Gründe“ vorhanden sein. Solche Gründe würden ausreichen, „sich gegen die Belange des Lärmschutzes durchzusetzen“.23 Plausibel sei ein Grund dann, wenn gezeigt werden könne, dass ein Flug in der Zeit von 22.00 bis 24.00 Uhr und 5.00 bis 6.00 Uhr „aus nachvollziehbaren Gründen“ nicht auf den Tag gelegt werden könne. Mit der Zielsetzung, diese besonderen Gründe für die Kernzeit und die plausiblen Gründe für Nachtrandstunden aufzuzeigen, gehen die Gutachter an das Gutachten heran. Die Gutachter führen folgende besonderen Gründe an: 23 Vgl. Baum, Kurte, Esser, 2007, S.8 88 x Ein Nachtflugverbot führe zu einer Einschränkung der Angebotsmöglichkeiten des Flughafens an die Airlines. Die Bedingungen für eine effiziente Umlaufplanung der Airlines verschlechterten sich. x In der Folge zögen die Airlines ihre in Berlin (über Nacht) stationierten Flugzeuge ab. Dies mindere die Beschäftigung in Berlin. x Des Weiteren verringerten die Airlines ihr Flugangebot. Sie reduzierten die Zahl der angebotenen Flüge. Dadurch reisten weniger Passagiere. Dies führe zu Beschäftigungsverlusten im Raum Berlin. x Schließlich werde durch das Nachtflugverbot den Passagieren Flexibilität genommen, die für Geschäftsreisende wie für Privatreisende wichtig sei. Es komme zu „Mehrkosten, Übernachtungen, Spesen u.s.w“.24 Die katalytischen Vorteile aus dem Luftverkehr minderten sich. Im Einzelnen finden sich folgende Argumente: 2006 fanden 1,3 % der Flugbewegungen des Berliner Flughafensystems in der Kernnacht und 5,9 % in den Nachtrandstunden statt. An diesen Nachtflügen waren sowohl konventionelle Carrier als auch Low-Cost-Carrier, Charterflieger und die Fracht beteiligt. Beispielhaft für die geringe Bedeutung des Nachtflugs kann auch der Flughafen Köln-Bonn genannt werden. Die drei wichtigsten Airlines, die 80 % des Flugbetriebs auf sich vereinen, haben im Winterflugplan 2012 nur 12 von 1300 wöchentlichen Flügen in der Kernnacht durchgeführt. In einer typischen Woche (38. Woche) fanden 52 Flugzeugübernachtungen in Berlin statt. Diese entfielen zum größten Teil auf Lufthansa, Air Berlin, dba, Easy Jet und Germanwings. Die Gutachter ordnen den in Berlin stationierten Flugzeugen Personal zu. Auf jedes stationierte Flugzeug entfielen im Mittel 4,5 Crews. Würden die Flugzeuge in der Nacht gewartet, kämen weitere Wartungsmitarbeiter dazu. Berlin sei ein Wartungsstandort, der Wartungskapazitäten für viele Wartungsarten bereithielte. Ein solcher Wartungsstandort sei mit Nachtflugmöglich24 Vgl. Baum, Kurte, Esser, 2007, S. 10 89 keiten zwingend gekoppelt, weil Überführungsflüge nachts stattfinden müssten, damit die gewarteten Flugzeuge am folgenden Tag wieder an ihren eigentlichen Abflugorten zur Verfügung stünden. Hier ist den Gutachtern sogleich entgegenzuhalten, dass Lufthansa und Air Berlin ihre Flugzeuge und Crews nicht in Schönefeld, sondern in Tegel stationieren. Tegel hat ein Verbot von Flügen in der Zeit von 23 bis 6 Uhr. Obwohl SXF keine Beschränkungen aufweist, sind die Airlines, die Nachtflugbedarf geltend machen, nicht nach SXF umgezogen. Im Gegenteil, Germanwings ist nach der Übernahme der Flüge der Lufthansa sogar an den nachtflugbeschränkten Flughafen Tegel umgezogen. Damit zurück zum Gutachten: Besondere Nachteile eines Nachtflugverbotes sehen die Gutachter in den Hub-Feeder-Verkehren. Berlin sei Zubringerflughafen und müsse seine Flüge so gestalten, dass sie kurz vor den Starts der Hauptflüge an den jeweiligen Hubs dort ankämen oder kurz danach dort wegflögen. Diese erfordere Flüge in den Nachtrandstunden insbes. 22.00 bis 23.00 Uhr. Bei Low-Cost-Airlines wird die Notwendigkeit von 3 bis 4 Flugzeugumläufen betont. Deshalb müssten Landungen nach 22.00 Uhr notwendig sein, weil sonst ein Umlauf wegfiele. Bei Touristikflügen hinge die Wirtschaftlichkeit der Touristikangebote stark von der Möglichkeit zum Fliegen in der Kernnacht ab. Andernfalls gelte: „Abwanderungen vom Standort Berlin sind wahrscheinlich“.25 Die Gutachter prognostizieren für den Fall eines Nachtflugverbotes erhebliche Probleme der Low-Cost-Carrier in Berlin.26 Die Low-Cost-Carrier würden stark an Wachstum einbüßen. Es würden weniger Crews in Berlin stationiert. Die Flugzeuggröße würde nicht wie sonst im Lauf der Jahre ansteigen, sondern konstant bleiben. Berlin würde kein Wartungsschwerpunkt mehr sein. Außer Lufthansa würde keine Airline mehr ihre Flugzeuge in Berlin warten lassen. Berlin als Wartungsstandort würde unattraktiv. Wartungsfirmen würden an andere Flughäfen abwandern. Die Gutachter stellen fest, dass insbesondere Low-Cost-Carrier ihre 25 26 Vgl. Baum, Kurte, Esser, 2007, S. 35 Ebenda S. 35ff. 90 Flugzeuge in Berlin übernachten lassen würden.27 Da die Low-Cost-Carrier aus Kostengründen auf Nachtflüge angewiesen seien, würde ein Nachtflugverbot die Zahl der übernachtenden Flugzeuge senken und die wirtschaftlichen Vorteile solcher Übernachtungen für Berlin mindern. Wie in einer Kaskade würden dann die zurückgehenden Übernachtungszahlen die Wartungsdienstleistungen behindern, welche sich daraufhin zurückziehen.28 Schließlich würde ein Nachtflugverbot auch eine Angebotsausweitung im Intercont-Verkehr behindern, weil dieser Ankünfte vor 5.00 Uhr und Abflüge nach 22.00 Uhr erfordere. Eine letzte Gruppe von Effekten resultiert aus katalytischen Wirkungen. Diese werden von den Autoren „Standorteffekte“ genannt.29 Der neue Großflughafen BER könne – den Gutachtern zufolge – eine Standortverlagerung von Unternehmen nach Berlin bewirken. Insbesondere Unternehmen, die mehrere Standorte haben, könnten diese wegen des großartigen Angebotes des Flughafens BER in Berlin zusammenführen. Dies führe zu neu geschaffenen Arbeitsplätzen. Ein weiterer Effekt ist der Folgende: Das Angebot des Flughafens BER steigere die Absatzmöglichkeiten der Unternehmen der Region. Die „verbesserten Absatzmöglichkeiten“30 ließen rund 21.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Beide katalytischen Effekte zusammengenommen, d. h. die Verlagerung der Unternehmen nach Berlin und die Erschließung neuer Absatzchancen – alles wegen des Flughafens – verursachte der BER bis 2023 34.500 zusätzliche Arbeitsplätze. Addiert man die Kaufkrafteffekte zu den katalytischen Effekten hinzu, so erhält man einen Zuwachs an Beschäftigten von 79.100 bis 2023. Diese Zahl ist nun die Ausgangsbasis für die weiteren Überlegungen. Ein Kern-Nachtflugverbot mindert diese Beschäftigten um 1.400 oder rund 2 %.31 Kommt dazu eine Flugbeschränkung in den Nachtrandzeiten, dann erhöhen sich die Beschäftigungsverluste auf 18.300 Beschäftigte (davon im Betrieb 9.200, über den Kaufkrafteffekte 3.700 27 Vgl. Baum. Kurte, Esser, 2006, S.30 Vgl. Baum, Kurte, Esser, 2007, S. 42, S. 55 29 Vgl. Baum, Kurte, Esser, 2007, S. 59 ff. 30 Vgl. Baum, Kurte, Esser, 2007, S. 60 31 Vgl. Baum, Kurte, Esser, 2007, S. 67 28 91 und katalytisch 5.400).32 Dabei wird unterstellt, dass 2023 wegen des Nachtflugverbotes max. 22 bis 25 Mio. PAX abgewickelte werden.33 Die Gutachter rechnen alles zusammen genommen bei einem Nachtflugverbot mit einer Abflachung des Wachstums in Berlin von 2,9 % p. a. auf 1,4 % p. a., was zu einem Rückgang der Passagierzahlen auf unter 25 Mio. PAX für 2023 führt. Bewertung Wie sind die Ausführungen der Gutachter zu bewerten? Grundsätzlich stört zunächst, dass die Größenordnungen der Effekte nicht abgeleitet, sondern überwiegend behauptet werden. Die Effekte (Flugzeugübernachtungen, Wartungsarbeiten, katalytische Effekte etc.) sind der Art nach aus der Literatur bekannt. Die Quantifizierungen der Effekte, welche die Gutachter vornehmen, werden nicht abgeleitet, sondern mit geschickt gewählten Formulierungen behauptet. Es heißt oft „geht man aus von.“ oder „wird ein Zusammenhang unterstellt …“ oder „ist auszugehen von …“ oder „ist anzunehmen, dass …“ etc. Der Ausdruck vom Typ „wird unterstellt, dass. “ kommt 17 Mal vor, und der Ausdruck vom Typ „ist auszugehen von …“ kommt sogar 20 Mal vor. Dies zeigt, wie die Autoren bei der Quantifizierung der Effekte vorgegangen sind: Auf eine verbale Erklärung, welche darauf abzielt, einen Effekt zu plausibilisieren, folgt eine relativ freihändige Quantifizierung. Wir vermuten, dass die Autoren retrograd vorgegangen sein könnten: In einem ersten Schritt wird eine Zahl für die Gesamtwirkung festgelegt, die begründet werden soll. Dann wird die Gesamtzahl auf die behandelten Effekte so umgelegt, dass gerade noch einigermaßen plausible Werte herauskommen. Diese können bei diesem Verfahren naturgemäß nicht abgeleitet werden, sondern müssen mit Ausdrücken wie „es ist auszugehen von…“ oder „… ist anzunehmen, dass.“ behauptet werden. Derartige Aussagen mit behauptetem Charakter sind im Fall von Nachtflugbeschränkungen häufig in der Luftverkehrswirtschaft. Bei einer Anhörung zu einem geplanten Nachtflugverbot am Flughafen Köln-Bonn haben die Airlines und der Flughafen folgende Aussagen gebraucht, um zu dokumentieren, dass es außer dem (für die Airlines sehr günstigen) Status quo nur noch extrem schlechte Alter32 33 Vgl. Baum, Kurte, Esser, 2007, S. 74 Vgl. Baum, Kurte, Esser, 2007, S. 69 92 nativen gebe. Die Notwendigkeit, den Status quo aufrechtzuerhalten, wurde begründet mit x „zwingende strukturelle Erfordernisse“, x „unantastbar“, x „unabdingbare Bedingungen“, x „zwingend gebunden“ x „unabweisbarer Bedarf“, x „nicht möglich“, x „unveränderbar“, x „essentieller Bedeutung“, x „zwingende Voraussetzung“, Die negativen Folgen einer Einführung eines Nachtflugverbotes wurden dramatisiert: x „von erheblicher nachteiliger Wirkung“, x „unmittelbare und erhebliche Auswirkung“, x „erhebliche Einschränkungen“, x „erhebliche Kosten“, x „ganz verzichten“, x „nicht darstellbar“, x „muss eingestellt werden“. Uns ist kein einziger Fall bekannt, in welchem in einer sauberen Rechnung die Auswirkungen eines Nachtflugverbotes quantifiziert werden. Stattdessen wird mit den Begriffen, wie sie in den obigen Liste aufgeführt sind, eine Drohkulisse aufgebaut, die dem Betrachter vor Augen führen soll, was er anrichtet, wenn er eine Nachtflugerlaubnis abschaffen will. Effekte und Handlungsalternativen im Einzelnen Betrachten wir nun die behandelten Effekte und die genannten Handlungsalternativen im Einzelnen. Was diese anbetrifft, sehen wir folgende Probleme: Es werden nur ausgewählte Effekte und Handlungsalternativen behandelt. Die Literatur kennt viele weitere Wirkungen und Handlungsmöglichkeiten. Es ist kein Zufall, 93 dass die Autoren den Begriff „katalytische Effekte“ nicht erwähnen, sondern den ungebräuchlichen Begriff der „Standorteffekte“ verwenden. Sie greifen aus dem großen Kreis an vorteilhaften und nachteiligen katalytischen Wirkungen gerade zwei vorteilhafte heraus. Diese Einseitigkeit wäre mit Sicherheit mehr Menschen aufgefallen, wenn die Autoren den Begriff der „katalytischen Wirkungen“ genannt hätten. Stattdessen verwenden sie den ungebräuchlichen Begriff der „Standorteffekte“, der es schwieriger macht zu erkennen, dass die von den Autoren unter diesem Begriff behandelten Effekte ein ganz kleiner Ausschnitt all der Effekte sind, die in der Literatur als Wirkungen des Luftverkehrs behandelt werden. Besonders bei den Handlungsalternativen geht die Argumentation der Gutachter viel zu kurz. Wenn Airlines mit Nachtflugverboten konfrontiert werden, dann stehen ihnen weit mehr Handlungsalternativen zur Verfügung als die Gutachter dies skizzieren. Wegen der vielen Handlungsalternativen sind auch die Folgen von Nachtflugverboten nicht gravierend. Viele dieser Handlungsalternativen gehören zum täglichen Managementgeschäft der Fluggesellschaften. In Gutachten wie solchen von Baum, Kurte und Esser 2007 werden die alternativen Handlungsmöglichkeiten der Luftverkehrswirtschaft unvollständig und einseitig dargelegt. Den Airlines stehen den Gutachten zufolge immer nur solche Handlungsalternativen zur Verfügung, die mit gravierenden negativen Konsequenzen verbunden sind. Handlungsalternativen und die Ziele von Nachtflugverboten Bevor wir uns Handlungsalternativen zuwenden, betrachten wir zuerst die Ziele von Nachtflugverboten. Es geht unserer Wahrnehmung nach überhaupt nicht darum, die Luftverkehrswirtschaft durch Nachtflugverbote zu beschneiden, sondern sie zum Ergreifen von Handlungsalternativen zu drängen, die einen raumverträglichen Luftverkehr herstellen. Dies führt zu einer Steigerung der Wohlfahrt eines Landes. 94 Über die Nachtflugverbote werden die Luftverkehrsunternehmen zum Ergreifen derjenigen Handlungsalternativen gedrängt, die sie sonst nicht ergreifen würden. So sind die Airlines bisher nicht zum Ersatz der Lärmschäden bei den Betroffenen verpflichtet, was ihre Anstrengungen zur Lärmminderung verringert. Nachtflug ist deshalb für sie eine gute Sache. Er ist lukrativ, weil man die Lärmschäden, die man verursacht, nicht bezahlen muss. Die Wohlfahrt steigt dadurch aber nicht. Die Schäden können höher sein als der Nutzen. Deshalb ist es notwendig, die Unternehmen zur Wahl der wohlfahrtsmaximierenden Handlungsalternativen indirekt zu drängen, da man sie nicht zur direkten Bezahlung ihrer Schäden verpflichten kann. In der Wissenschaft wird das indirekte Hindrängen der Unternehmen zu einem wohlfahrtssteigernden Verhalten neuerdings als „libertärer Paternalismus“, als „Nudging“ oder wohlmeinendes „Stubsen“ bezeichnet. 34 Die Unternehmen werden durch einen kleinen „Stubser“ zum Ergreifen der sozial überlegenen Handlungen gebracht, die sie von sich aus nicht ergreifen. Dieses „Nudging“ gilt mittlerweile als wichtiger Teil der sozialen Marktwirtschaft. Peter Altmeier sieht im Nudging „das große Potential von Anreizen, die den Staat kein Geld kosten.“ 35 Das Hindrängen von Unternehmen zu optimalen Verhaltensweisen ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Unternehmen über solche Handlungsalternativen verfügen, die bereits durch einen kleinen „Stubser“ oder einen kleinen zusätzlichen Anreiz ins Blickfeld der Unternehmen geraten. Handlungsalternativen bei Nachtflugverboten Welche Handlungsalternativen gibt es im Fall des Nachtflugverbotes? Welche Folgen würde der kleine „Stubser“ eines Nachtflugverbotes auslösen? In der Literatur werden erwähnt das (i) alternative Verkehrstagekonzept, (ii) die Fluggerätoptimierung, (iii) Kooperationen mit anderen Airlines, (iv) Änderungen von Ankunfts- und Abflugzeiten, (v) Mehrsektorenrotationen statt einfachem 34 http://www.stiftungmarktwirtschaft.de/fileadmin/user_upload/Tagungsberichte/Tagungsbericht_Nudging_2013_06_04.pdf 35 Ebenda, S. 4 95 Pendeln. Dies sind nur einige Beispiele für Handlungsalternativen, welche im Gutachten von Baum, Kurte und Esser 2007 überhaupt nicht erwähnt werden. Es handelt sich um Handlungsalternativen, die im Controlling der Airlines ohnehin ständig mitberücksichtigt werden müssen – sie stellen also keine Besonderheit dar, welche die Airlines zu schwierigen Abwägungen zwingen würde. Speziell für den BER zeigt Dieter Faulenbach da Costa in einem Gutachten 2010 Handlungsalternativen auf.36 Seine Argumente werden im Folgenden auszugsweise wiedergegeben: „Die Blockzeiten eines Flugzeugs, sogar einer Flugzeugflotte, werden nicht durch begrenzte Flugzeiten eines einzelnen Flughafens innerhalb des Flugnetzes einer Fluggesellschaft begrenzt“,37 d. h. Nachtflugverbote verringern die Wirtschaftlichkeit bei geschickter Umlaufplanung nicht. Und: „Die Befriedigung der Nachfrage ist nicht auf Betriebszeiten eines einzelnen Flughafenstandortes begrenzt“,38 d. h. durch Installierung eines Flughafensystems kann jede vorhandene Nachfrage befriedigt werden. Weiter heißt es: Bei absehbaren Verfrühungen können Piloten mit Maßnahmen reagieren (z. B. Geschwindigkeitsdrosselung, Veränderungen der Flughäfen), die „weder unwirtschaftlich noch ökologisch schädlich“39 sind. Die Rotationsplanung der Flugzeuge wird mindestens zwei Mal jährlich erneuert. Zwischendurch reagiert sie auf aktuelle Ereignisse. Sie berücksichtigt die Nachfrage, alle bekannten Rahmenbedingungen, vorausschauend Wartungsintervalle. Das bedeutet: Anpassung an Datenänderungen, die gerade im Luftverkehr immer wieder auftreten, ist etwas völlig normales. Die zusätzliche Restriktion eines Nachtflugverbotes ist deshalb keine unzumutbare weitere Datenänderung. Fallbeispiel 1: Umlaufplanung ab Köln An einem Fallbeispiel kann die Wirkung eines alternativen Handelns aufgezeigt werden. Grundlage ist ein realer Fall. Eine Airline begründete am Flughafen Köln-Bonn die Nachtflugnotwendigkeiten mit folgendem Flugplan, der durch zweimaliges Pendeln zu verschiedenen Zielen die Flugzeugnutzungszeit maximal 36 Vgl. Faulenbach, 2010 Faulenbach, 2010, S. 18 38 Faulenbach, 2010, S.18 39 Faulenbach, 2010, S. 19 37 96 ausschöpft und dabei Starts und Landungen in der Kernnacht in Köln erfordern würde (Tab. 1). Tabelle 1 Originärer Umlaufplan aus Anhörung Abflug Uhrzeit Ankunft Minuten Ort Ort Stunden CGN 4 0 TFS 8 25 CGN 14 25 HRG 20 0 Uhrzeit Stunden Minuten TFS 7 35 CGN 13 40 HRG 19 0 CGN 1 0 Quelle: Air Berlin, 2011, S. 12 Nun können durch ein einfaches Verschieben der Flüge auf der Zeitskala die Nachtflüge in Köln vermieden werden. Tabelle 2 Um fünf Stunden verschobener Umlaufplan Abflug Uhrzeit Ort Stunden Minuten Ankunft Uhrzeit Ort Stunden Minuten CGN 9 0 TFS 12 35 TFS 13 25 CGN 18 40 CGN 19 25 HRG 24 0 HRG 1 0 CGN 6 0 Der verschobene Plan hat folgende Eigenschaften: x Keine Starts und Landungen in der Kernnacht in Köln-Bonn. x Alle Umläufe können unverändert durchgeführt werden. x Für die Flugzeugwartung steht derselbe Zeitraum wie vorher zur Verfügung. x Die An- und Abflugzeiten an den verschiedenen Standorten haben für die Passagiere Eigenschaften, die nicht schlechter sind als die des ursprünglichen Flugplans. Der verschobene Flugplan belegt auch, dass es nicht einmal notwendig ist, die Nachtrandstunden zu verwenden. D. h. es können bei gleicher Einsatzzeit des Flugzeugs pro Tag sowohl Kernnachtstarts- und -landungen als auch Flugbewegungen in den Nachtrandstunden vermieden werden. 97 Nun lassen sich nicht alle Ziele auf diese einfache Weise anfliegen. Noch weit mehr Handlungsalternativen erschließen sich aber leicht, wenn man Dreiecksflüge oder Mehrsektorenrotationen zulässt. Fallbeispiel 2: Condor und der Flug nach Kuba Condor kündigte an, wegen der nächtlichen Beschränkungen in Frankfurt seinen Flug nach Varadero (Kuba) von Frankfurt nach Köln zu verlegen. Man sei darauf angewiesen – so der der Vertreter der Condor – seine Flugzeuge möglichst lange in der Luft zu halten, dafür brauche man auch die Nacht. Den Verlust des Fluges habe sich Frankfurt wegen des Nachtflugverbotes nun selbst zuzuschreiben. Aber gerade das Ziel Varadero in Kuba eignet sich für dieses Argument in keiner Weise, wie dem Condor-Vertreter leider erst zu spät einfiel. Ironisch könnte man sagen: Mit dem Flug nach Varadero gelingt es Condor besonders gut, seine Flugzeuge möglichst lange in der Luft zu halten. Denn für den Hin- und Rückflug braucht das Flugzeug mehr als 26 Stunden inkl. der Vor- und Nachlaufzeiten. Dabei kommt das Flugzeug am Nachmittag aus Kuba in Frankfurt an und wird danach am gleichen Tag nicht nochmals eingesetzt. Warum kommt es da wohl auf die Nacht an? Die Flüge nach Varadero fanden auch schon vor dem Ausbau in Frankfurt am Tage statt. Sie starten jetzt ab Nov. 2014 jeden Dienstag um 12.30 Uhr in Köln-Bonn. Was hat das Ganze mit dem Nachtflugverbot zu tun? Der Anlass für die Verlagerung nach Köln kann also nicht in den nächtlichen Beschränkungen liegen (Offenbach Post vom 08.05.2014, S. 2). Fallbeispiel 3: Berlin-Tegel Die Region Berlin bietet mit dem anhaltenden Betrieb des nachtflugbeschränkten Flughafens Tegel ein wichtiges Experiment, wie Airlines auf Nachtflugbeschränkungen tatsächlich reagieren. Der Großraum Berlin ist mit zwei funktionsfähigen Flughäfen, i. e. Schönefeld-Alt und Tegel, die in einem Fall restriktionsfrei und im anderen Fall nachtflugbeschränkt sind, ein hervorragendes Beispiel über die tatsächlichen Wirkungen von Nachtflugbeschränkungen. Es wird behauptet, LowCost-Airlines würden besonders darunter leiden. Aber Air Berlin erweiterte 2007 98 seine Kapazitäten am beschränkten Flughafen und nicht am unbeschränkten. Es wird behauptet, die Intercont-Verbindungen würden die Nachtflüge benötigen. Aber gerade die Intercont-Verbindungen wurden von den Airlines mehrheitlich im beschränkten Tegel angesiedelt.40 Die Low-Cost-Airline Germanwings hat 2013/2014 Flüge von Schönefeld nach Tegel verlagert. Tegel ist mit 796 Starts pro Woche mittlerweile der größte LowCost-Flughafen Deutschlands. 55 % aller Flüge sind im Low-Cost-Segment angesiedelt. Die Wachstumsraten am nachtflugbeschränkten Flughafen Tegel haben in den letzten Jahren Rekorde gesprengt. Der Flughafen hat heute eine Passagierzahl, welche weit über derjenigen Zahl liegt, welche die Gutachter Baum, Kurte und Esser für die 2020er Jahre inklusive Nachtflugerlaubnis vorhergesagt haben. Die Zahlen liegen weit oberhalb derjenigen Zahlen, die für einen nachtflugbeschränkten Flughafen vorhergesagt wurden. Das sind Indizien dafür, dass die Wirkungen des Nachtflugverbotes nicht richtig abgeleitet wurden. Die Airlines haben mehr und vor allem leicht erreichbare Handlungsalternativen, die sie ergreifen können. Im Gutachten von Baum, Kurte und Esser haben Nachtflugbeschränkungen weniger Flugzeugübernachtungen zur Folge. Im Flughafensystem Berlin mit dem beschränkten Flughafen Tegel und dem unbeschränkten Flughafen Schönefeld zeigt sich nun aber, dass der nachtflugbeschränkte Flughafen Tegel mehr Flugzeugübernachtungen zu verzeichnen hat als Schönefeld.41 Geschäftsleute achten auf Flugverbindungen, die ihren Schlaf nicht unnötig stören. Geschäftliche Aktivitäten, die unausgeschlafen durchgeführt werden, können negative Ergebnisse zeitigen – sie sind gefährlich. Am Geschäftsreiseflughafen Egelsbach kann die Nachfrage von Geschäftsreisenden gut beobachtet werden. Der Flughafenbetreiber NetJets wählt Betriebszeiten von 7.00 bis 21.00 Uhr, weil nach eigenen Aussagen der Bedarf für Starts und Landungen außerhalb dieser Zeiten zu gering ist.42 40 Faulenbach, 2010, S. 22 f. Faulenbach, 2010, S. 31 42 Faulenbach, 2010, S. 33 41 99 Prognosen auch mit Nachtflugbeschränkungen überschritten In einem Gutachten für die Initiative Luftverkehr von Mitte der 2000er Jahre weist Intraplan Consult GmbH nach, dass das Flughafensystem Berlin im Jahr 2020 einen Zahl von 368.000 Flugbewegungen auch mit Nachtflugbeschränkungen bewältigen kann. Trotzdem wird eine Nachtflugerlaubnis beantragt, weil der Bedarf noch höher sei. In einem neuen Gutachten aus dem Jahr 2013 stellt derselbe Gutachter fest, dass nur noch ein Bedarf im Jahr 2020 für 279.000 Flugbewegungen bestehe.43 Das sind 100.000 weniger als ursprünglich einmal behauptet. In der neuen Prognose wird selbst für 2035 mit 347.000 Flugbewegungen noch mit niedrigeren Zahlen gerechnet als früher bis 2020. In dem Gutachten von ITP von 2013 heißt es wörtlich: „kein Bedarf für eine 3. Start- und Landebahn vor 2035“.44 Diese Daten werden abgeleitet unter der Annahme eines Flugverbotes in der Kernnacht und einem reduzierten Betrieb in den Nachtrandstunden.45 Dabei nimmt ITP in Bezug auf LCC an, dass BER für die LCC „ein wichtiges Standbein“46 und dass (trotz Nachtflugverbot) eine „Angebotsausweitung“ zu erwarten ist.47 Dies widerspricht den drastischen Einbrüchen, welche die Gutachter Baum, Kurte und Esser erkannt haben wollen. Intercont-Verbindungen und globales System Ein klassisches Argument für Nachtflüge führt die interkontinentalen Verbindungen an, welche Nachtflüge erforderten. Tatsächlich ist dies aber nicht der Fall. Flüge von der US Westküste zur US Ostküste dauern ca. acht Stunden. Flüge von der Ostküste der USA nach Zentraleuropa dauern ebenfalls knapp acht Stunden. Von Zentraleuropa nach Nahost (Dubai) dauern Flüge etwas über sechs Stunden, von Dubai nach Singapur rund sieben Stunden, von Singapur nach Japan sieben Stunden und nach Australien ebenfalls rund sieben Stunden. Wird die Zeitverschiebung beachtet, können Flüge, die von der Westküste der USA am Morgen 43 ITP Intraplan, 2013, Luftverkehrsprognose für den Flughafen Berlin Brandenburg BER, Vorgehensweise, Annahmen und Ergebnisse, August 2013, Intraplan Consult GmbH 44 Vgl. ITP Intraplan, 2013, S. 11 45 Vgl. ITP Intraplan, 2013, S. 95 46 Ebenda, S. 96 47 Ebenda, S. 97 100 abfliegen, nachmittags an der Ostküste sein. Von der Ostküste starten die Flugzeuge am Abend und kommen am Morgen oder Vormittag in Europa an. Am Nachmittag gehen die Flüge zu den Drehkreuzen in Nahost, kommen dort gegen Mitternacht an und haben Anschlussflüge in der Nacht nach Fernost und kommen dort am frühen Vormittag an. Anschlussflüge von Singapur nach Japan gehen am Vormittag ab und kommen am späten Nachmittag/frühen Abend in Japan oder Australien an. Dieses System hat sich international eingependelt und ermöglicht es, in Europa Interkontinentalverkehr ohne Nachtflugstarts- und Landungen durchzuführen. Die untenstehende Abb. 17 aus dem Geschäftsbericht der Lufthansa verdeutlicht das System. Abbildung 17 Internationales System der Interkontinentalverbindungen Quelle: Lufthansa, Geschäftsbericht 2012, S. 51 Abweichungen von diesem System in Form von Verfrühungen oder Verspätungen erfordern keine Nachtflugerlaubnisse. Sie können durch gegensteuernde Maßnahmen ohne unzumutbare Belastungen der Luftverkehrswirtschaft durchgeführt werden. Dazu gehört die Steuerung der Fluggeschwindigkeit, die Berücksichtigung ausreichender Reserven und Spielräume, weniger enger Flugpläne. 101 Europäischer Regionalverkehr Auch der Regionalverkehr in Europa erzeugt keinen zwingenden Nachtflugbedarf. Der Regionalverkehr orientiert sich aufgrund des Hub and Spokes-Systems an den interkontinentalen Flügen. Deshalb wird der Regionalverkehr zwischen die anund abfliegenden interkontinentalen Verbindungen gelegt. Wenn diese nicht nachts stattfinden, dann ist auch für den Regionalverkehr keine Nachtflugnotwendigkeit gegeben. Eine Ausnahme besteht für die ersten zubringenden und die letzten wegbringenden Flüge. Die derzeit existierenden Flugpläne der Satellitenflughäfen zeigen aber, dass sich das System so organisieren lässt, dass Starts und Landungen in den Nachtrandzeiten nicht wichtig sind. Flughäfen außerhalb der Ballungsräume haben derzeit häufig keine Nachtflugbeschränkungen, weisen aber kaum Nachtflugverkehr auf. Der Ferienflieger-Verkehr ist weniger von Vernetzungen betroffen. Hier sind die Airlines freier, solche Flüge auch nachts stattfinden zu lassen. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass Nachtflüge bei Reisenden unbeliebt sind. Auch aus Kapazitätsgründen sind keine Nachtflüge zwingend erforderlich, denn das deutsche Flughafensystem hat insgesamt enorme Überkapazitäten und kann alle gewünschten Ferienflüge tagsüber abwickeln. Betriebswirtschaftliche Aspekte Es wird behauptet, engste Flugpläne seien notwendig, um die Flugzeuge eine möglichst große Zahl von Stunden in der Luft zu halten. Dadurch käme es zu Verspätungen. Die erforderten dann Nachtlandegenehmigungen. Tatsächlich sind die Kostenersparnisse, die durch eine Maximierung der Einsatzzeit der Flugzeuge erzielt werden, weniger hoch. Denn die Crewkosten bemessen sich nach Dienststunden. Die Abnutzung der Flugzeuge und der Triebwerke ist eine Funktion der Einsatzstunden und der Zahl der Starts und Landungen. Es bleiben praktisch nur die Zinskosten übrig, deren Bedeutung in der aktuellen Niedrigzinsphase als Kostenverursacher abgenommen hat. Im Lehrbuch Luftverkehr von Pompl findet sich ein Überblick über Kostenstrukturen im Luftverkehr und eine Berechnung von 102 Einsparungsmöglichkeiten.48 Dabei wird die Handlungsalternative „higher aircraft utilization“ mit Kostenersparnissen von 3 % assoziiert. Verglichen mit anderen Handlungsoptionen wie engere Bestuhlung (16 % Kostenreduktion), billigere Airports (6 % Kostenreduktion), Verzicht auf Agenturprovisionen (8 % Kostenreduktion) etc. ist dies ein relativ bescheidener erzielbarer Vorteil einer Mehrnutzung von Flugzeugen. Das heißt, dass die sehr geringen Vorteile der Airlines aus „higher aircraft utilization“ die erheblichen Nachteile der Gesellschaft aus Nachtflügen nicht kompensieren. Heimatflughäfen für Besatzungen Gelegentlich wird argumentiert, dass es notwendig sei, dass Besatzungen und Flugzeuge morgens von einem Flughafen starten und abends zu genau diesem Flughafen zurückkehrten. Um eine möglichst hohe Einsatzleistung eines Flugzeugs pro Tag zu gewährleisten, müssten die Flughäfen deshalb Ankünfte und Abflüge in den Nachtrandstunden und sogar in der Kernnacht zulassen. Ein Flugzeug müsse also z. B. um 4.00 Uhr morgens losfliegen und um 1.00 Uhr der nächsten Nacht zurückkommen, was einer Einsatzzeit von 21 Stunden pro Tag entspricht. Dieser These liegt die falsche Vorstellung von den Abläufen bei der Umlaufplanung zugrunde. Besatzungen haben nach EU-OPS eine maximale Dienstzeit von 13h. Daraus lässt sich kein Nachtflugbedarf ableiten. Flugzeuge fliegen viel länger. Allerdings gehen die Ansichten über die optimalen Nutzungszeiten von Flugzeugen pro Tag auseinander. Bei Anhörungen zum Nachtflugverbot am Flughafen Köln-Bonn gab eine Airline eine beabsichtigte Nutzungszeit ihrer Flugzeuge „in der Luft“ von 18h/Tag an. Eine andere Airline hielt 15h/Tag für optimal. Lufthansa strebte im längerfristigen Mittel 12h/Tag an. Flugzeuge werden in komplizierten Rotationssystemen in Dreiecken oder Vielecken hin- und hergeschickt. Die Besatzungen wechseln die Flugzeuge derart, dass sie möglichst nach der erlaubten Einsatzzeit wieder am Stationierungsort ankommen. Das heißt, das immer wieder angeführte Hin- und Herpendeln zwischen 48 Vgl. Pompl, 2007, S. 108 103 zwei Orten ist nicht die einzige Handlungsalternative für Airlines. Sie haben es in der Hand, durch entsprechende Streckenführung sowohl die Einsatzzeit der Flugzeuge zu maximieren als auch Crews entsprechend der Dienstzeiterfordernisse zu steuern. Die Crews wechseln entsprechend die Flugzeuge. Flugzeuge und Wartung Auch die Argumente, bei fehlender Übernachtung von Flugzeugen müsste ein Wartungsstandort aufgegeben werden, sind unrichtig. Wartungen werden in Intervallen entsprechend der Flugleistung vom Controller der Airline eingeplant. Das Flugzeug wird dabei so gelenkt, dass es nach der entsprechenden Anzahl von Flugstunden den Wartungsstandort erreicht. Ob das Flugzeug die Nächte vorher an diesem Flughafen übernachtet hat oder irgendwelche Strecken beflogen hat, spielt für die Wartung und den Wartungstermin keine Rolle. Nachtflug und Investitionsaufwand Gelegentlich wird Nachtflug mit Engpässen bei den Flugzeugkapazitäten begründet. Diesem Argument zufolge optimieren die Airlines ihre verfügbaren Flugzeugkapazitäten nicht auf den Maximalbelastungsfall hin, sondern auf einen „Normalfall“. Wenn nun, wie z. B. in den Ferienmonaten, die Nachfrage steigt, dann erhöhen die Airlines die Anzahl von Umläufen und nehmen die Nacht zu Hilfe. Die Nachtflüge sind in diesen Fällen ein Resultat zu geringer Kapazitäten, d. h. zu geringer Investitionen. Hier ist die Frage erlaubt, ob die Airlines, welche sich die Anschaffung ausreichender Flugzeugkapazitäten ersparen und dadurch Geld einsparen, es den Anliegern zumuten können, unter dem Fluglärm zu leiden, um dann ihrerseits Geld investieren zu müssen, um sich vor dem Lärm zu schützen. Die Anwohner müssen das, was die Airlines an Investitionen sparen, auf eigene Kosten investieren. Das ist nicht gerecht und auch nicht marktwirtschaftlich, weil in Marktwirtschaften das Schädigen Dritter, d. h. das Schließen von Verträgen auf Kosten von Dritten, nicht marktgerecht ist. 104 Insgesamt erinnert das Verhalten der Luftverkehrswirtschaft, notwendige Investitionen auf Kosten von Dritten einzusparen, an das Südkoreanische Unglück der Fähre Sewol. Auch dort hatte der Eigner die Investition in eine größere Fähre gespart und stattdessen die vorhandene Fähre überladen (3.600 t Fracht statt 987 t). Der Unterschied zwischen den Strategien der Reederei in Südkorea und der Luftverkehrswirtschaft in seiner Forderung nach Nachtflügen ist nicht groß. In Wirklichkeit betrachtet sind beide Strategien unethisch, aber durchaus typische Reaktionen in kapitalintensiven Branchen. Welche Alternativen hätten Airlines im genannten Fall, plötzlicher Nachfragesteigerungen? Eine Möglichkeit, Kapazitäten kurzfristig zu steigern, sind sog. „wet lease“-Verträge. Mit diesem Leasing kann die Flugzeugflotte kurzfristig vergrößert werden. Die kürzeste Mietdauer liegt bei etwa einem Monat. Fazit Alles in allem betrachtet ist Folgendes zu schlussfolgern: Nachtflüge anzubieten stellt, wenn erlaubt, eine legitime Handlungsweise der Luftverkehrswirtschaft dar. Die Wohlfahrt einer Region steigt dadurch aber nicht zwingend, denn nächtliche Flugbewegungen lösen erhebliche Schäden aus, welche wohlfahrtsmindernd wirken. Erstens ist ein zwingender Bedarf nach Nachtflügen auf Seiten der Passagiere höchstens für eine absolute Minderheit zu erkennen. Das Gros der Passagiere bevorzugt Starts und Landungen am Tag. Zweitens ist auch bei interkontinentalen Langstreckenflügen ein nennenswerter Nachtflugbedarf nicht herleitbar, denn Europa hat im Kontext der anderen Erdteile eine Lage derart, dass (nur) Tagankünfte und -starts international zu einem guten Gesamtsystem führen. Drittens ist ein zwingender Bedarf nach Nachtflügen durch technische Bedingungen auf Seiten der Airlines auch nicht zu erkennen. Der Einsparungsfaktor „higher aircraft utilization“ hat in der gesamten Kostenstruktur eine untergeordnete Bedeutung. Die Airlines verfügen über eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten, mit denen sie Nachtflüge kostengünstig und effizient vermeiden können. Angesichts der Schäden, welche Nachtflüge auslösen, ist es der Branche zumutbar, auf Nachtflüge zu verzichten. 105 Kapitel 7 Externe Effekte Executive Summary Externe Effekte sind Wirkungen des Handelns von Personen auf Dritte, welche von den Handelnden nicht einkalkuliert werden. Dadurch findet in Bezug auf diese Effekte keine Kosten-Nutzen-Abwägung statt. Das Resultat des Handelns kann ein Abweichen vom Wohlfahrtsoptimum darstellen. Man unterscheidet im Luftverkehr positive und negative externe Effekte. Zu den positiven gehören wirtschaftliche Wachstumseffekte (s. dazu aber das Kapitel Beschäftigung in diesem Gutachten und die neuen Erkenntnisse der OECD). Zu den negativen gehören: x x x x x Luftschadstoffe Lärm Unfälle Flächennutzung Klimaänderung Durch seine ungünstige Lage verursacht der BER mehr negative externe Effekte als er sie bei einem günstigen Standort verursacht hätte. Der BER beeinträchtigt im Raum Berlin Gebiete, die als Wachstumskerne und als Erholungsgebiete ausgewiesen sind. Durch die ungünstige Lage der beiden Start- und Landebahnen ist daran auch in Zukunft nichts zu ändern. Von Flughäfen und Airlines werden Maßnahmen zur Verringerung der negativen externen Effekte vorgeschlagen (aktiver und passiver Schallschutz). Eine Analyse dieser Maßnahmen zeigt aber, dass die meisten davon wirkungslos sind oder völlig unerhebliche Beiträge leisten. Wirklich wirkungsvoll sind nur zwei Maßnahmen: x x Beschränkung der Zahl der Flugbewegungen des BER und Verlagerung des Wachstums auf günstigere Standorte. 106 Einführung Als externe Effekte bezeichnet man Wirkungen von Entscheidungen, die nicht in die Kalkulation der Handelnden eingehen. Die Handelnden kalkulieren diese Effekte also nicht mit. Bei positiven externen Effekten berücksichtigen die Handelnden also nicht, dass ihr Handeln an anderer Stelle zu positiven Wirkungen führt. Bei negativen externen Effekten berücksichtigen die Handelnden nicht, dass ihr Handeln an anderer Stelle Schäden bewirkt.49 Beispiele für positive externe Effekte sind die Verschönerung eines Hauses, das bei vielen vorbeilaufenden Menschen angenehme Gefühle weckt, oder eine Impfung, die über ein vermindertes Ansteckungsrisiko zu einer Senkung der Krankheitswahrscheinlichkeit auch nicht geimpfter Personen führt. Ein Beispiel für einen negativen externen Effekt ist die Lärmemission, die unbeteiligte Dritte schädigt. Externe Effekte werden gesellschaftlich gesehen insbesondere immer dann ein Problem, wenn die verursachten Schäden von den Handelnden nicht bezahlt werden müssen. Dies ist bei der Luftverkehrswirtschaft aufgrund großzügiger gesetzlicher Regelungen mehr als in anderen Branchen der Fall. Der Tatbestand, dass für die verursachten Schäden nicht aufgekommen werden muss, trägt dazu bei, dass alternative Handlungsweisen nicht ergriffen werden, welche dazu dienen könnten, die Schäden zu verhindern. Warum sollte ein Unternehmen, das für die Schäden, die es verursacht, nicht aufkommen muss, alternative Handlungsweisen wählen? Es hat gar kein Interesse daran. In Marktwirtschaften herrscht im Rahmen der Gesetze Vertragsfreiheit. Externe Effekte sind ein Problem für die Vertragsfreiheit. Denn wenn zwei Geschäftspartner ihre Handlungsfreiheit zu Verträgen ausnutzen, die Dritte schädigen, dann kann das Resultat für die Gesellschaft als Ganzes nicht optimal sein. Dann verliert aber die Marktwirtschaft insgesamt an Glaubwürdigkeit und an Sinn. Ein optimales Handeln in Marktwirtschaften erfordert es deshalb, dass die Handelnden alle Schäden, die sie verursachen, einkalkulieren. Dies kann der Staat indirekt über Gebote und Verbote bestimmter Handlungen regeln. Die Menschen unterlassen dann Handlungen. Sie verhalten sich so, als ob sie die Schäden einkalkuliert und eine (freiwillig) eine bessere Handlungsalternative gewählt hätten. Alternativ kann man auch für die Schäden Preise festsetzen und die Handelnden zur Zahlung dieser Preise verpflichten, wenn sie die Handlungsweise 49 Quelle siehe RDF, 2006, S. 12 107 mit den Schäden wählen. Man spricht dann von der Internalisierung der externen Effekte. Solche Preise können auch durch entsprechende Steuern und Gebühren gesetzt werden. Im Folgenden werden die externen Nutzen und externen Kosten erläutert, die derzeit Flughäfen zugeordnet werden. Die externen Nutzen sind bisher nur für den Flughafen Frankfurt insgesamt behandelt worden. Die dort gemachten Ausführungen haben aber allgemeine Gültigkeit. Externer Nutzen Die systematische Erfassung der externen Nutzeneffekte von Flughäfen ist bisher nur einmal durchgeführt worden und zwar im Rahmen des Regionalen Dialogforums, das den Ausbau des Flughafens Frankfurt begleitete. Es war ein Expertenkreis berufen worden, der zum Thema „Volkswirtschaftlicher Nutzen des Flughafens Frankfurt“ die externen Nutzeneffekte erarbeiten sollte, die über die in den bekannten Input-Output-Studien (direkte, indirekte und induzierte Effekte) und den Studien zu den katalytischen Wirkungen hinausgingen. 50 Man wollte durch diese Untersuchung den zunehmenden Beschwerden über den Lärm etwas entgegenstellen. Es wurden die folgenden externen Effekte gefunden: x Wertsteigerungen von Immobilien. x Indirekte Nutzeneffekte aus der Mehrbeschäftigung am Flughafen. x Nutzen aus dem zunehmenden Image der Region. x Nutzen aus der hochwertigen landseitigen Anbindung des Flughafens. Die Quantifizierung der Effekte war schwierig. Das Gremium war auch nicht einhellig der Meinung, ob es sich um wirkliche Nutzeneffekte handelte. Insgesamt kam man zu folgenden Schlüssen: 50 Vgl. RDF, 2006 108 x Wertsteigerung Immobilien: Eine flughafenbedingte Wertsteigerung von Immobilien konnte nicht nachgewiesen worden. Fluglärmbedingte Wertminderungen sind dagegen in mehr als 50 nationalen und internationalen Untersuchungen eindeutig nachgewiesen. Einige empirische Untersuchungen finden einen Näheeffekt derart, dass bei gleichem Lärm näher am Flughafen gelegene Immobilien einen höheren Wert haben als entferntere, was aber von anderen Untersuchungen nicht bestätigt wird.51 x Nutzen aus Mehrbeschäftigung: Dies ist abgehandelt in der umfangreichen Literatur zu katalytischen Effekten. Es gibt auch Minderbeschäftigungseffekte. Luftverkehr kann mit Strukturwandel einhergehen, der zu Schrumpfung von Regionen beiträgt. Insgesamt wird derzeit kein positiver Beschäftigungseffekt nachgewiesen. x Nutzen aus Image: Flughäfen können dazu beitragen, dass Städte als leicht erreichbare, internationale weltoffene Orte wahrgenommen werden, was die Entscheidung von Menschen, diese Orte zu besuchen oder dort Handel zu treiben, fördern kann. Flughäfen können aber auch zu einer Imageverschlechterung einer Region beitragen, indem sie für schlechte Lebensqualität, Industriedominanz, Rücksichtslosigkeit von Politik und Wirtschaft den Menschen gegenüber stehen. Das wirkt eher abschreckend und mindert das Interesse an einer Region. x Nutzen landseitige Infrastruktur. Flughäfen werden häufig mit hervorragender landseitiger Infrastruktur ausgestattet, die dann auch von verschiedenen Gewerbetreibenden unabhängig vom Luftverkehr genutzt wird. Da diese Infrastruktur aber meist vom Staat und nicht von den Flughäfen bezahlt wird, handelt es sich im eigentlichen Sinne nicht um externe Effekte der Flughäfen, sondern um solche der staatlichen Investitionsprogramme. Externe Kosten Die externen Kosten, die im Zusammenhang mit Flughäfen üblicherweise betrachtet werden52, lassen sich in die folgenden Kategorien einteilen: 51 52 Vgl. Haase 2013 und Mense, Kholodilin 2012; siehe auch Thießen, 2013 Vgl. Schmid u.a., 2003, S. 18 109 x Luftschadstoffe x Lärm x Unfälle x Flächennutzung x Klimaänderung Die den Kategorien zugeordneten Schadensgüter, welche die eigentlichen externen Effekte darstellen, lauten wie folgt: x Luftschadstoffe: Menschliche Gesundheit, Materialschädigung, Schädigung von Feldpflanzen. x Lärm: Menschliche Gesundheit, Belästigung. x Unfälle: Menschliche Gesundheit. x Flächennutzung: Veränderungen in Natur und Landschaft mit verschiedensten Folgen. x Klimaänderung: Veränderung des Verhaltens naturbedingter Systeme. Teilweise können sich erhebliche indirekte Wirkungen ergeben. Alle Schadensgüter können dazu beitragen, Verhaltensänderungen auszulösen, die zu weitreichenden weiteren Folgen führen können. Die Messung des Wertes der Schadensgüter erfolgt mit zwei Verfahren. x Contingent Valuation: Direktes Verfahren mittels Befragung von Personen. x Hedonic Pricing: Indirektes Verfahren basierend auf einer Ableitung aus Marktpreisen, die sich bereits gebildet haben. Es gibt eine Diskussion über die Frage, ob Schäden anhand der direkten Schadenskosten oder anhand der Schadensvermeidungskosten bewertet werden sollen. Schadensvermeidungskosten rechtfertigen sich immer dann, wenn die Schadenskosten nicht ermittelbar sind. Sie rechtfertigen sich auch dann, wenn die Schadensvermeidungskosten niedriger sind als die Schadenskosten, da es unwirtschaftlich wäre, vermeidbare Schäden zuzulassen. 110 Ein schwieriges Problem ist die Bewertung von gesunder Lebenszeit bzw. eine Verringerung der Lebenszeit als Schaden. Dass den Menschen gesunde Lebenszeit etwas wert ist, erkennt man an den vielen Ausgaben für Medikamente, gesunde Ernährung, Airbags und vielen anderen Sicherheitseinrichtungen. Es gibt aber derzeit noch keine wissenschaftlichen Ansätze, welche den Wert gesunder Lebenszeit aus all den Ausgaben ableiten, die Menschen zu dessen Sicherstellung im Mittel tätigen. Demgegenüber wird meist auf einzelne Aspekte abgestellt, die sich leichter messen lassen. Z. B. werden verhinderte Todesfälle (Value of Statistical Prevented Fatality, VPF) bewertet durch die Ausgaben, die Menschen tätigen (z. B. 100 Euro p. a.) und die Wahrscheinlichkeit eines Todesfalls, der durch die Ausgabe verhindert wurde (z. B. 100 Euro / (1/10.000) = 1 Mio. Euro). Empirische Untersuchungen zeigen, dass der VPF (für einen Menschen) häufig zwischen 1 und 4 Mio. Euro liegt. Die EU-Kommission hat 1,5 Mio. Euro vorgeschlagen.53 Ein anderes Maß sind die Kosten eines verlorenen Lebensjahres („Value of a Life Year Lost“). Diese werden häufig mangels besserer Schätzungen indirekt aus dem VPF durch Division mit den Restlebensjahren abgeleitet. Lärm Ähnlich wie bei den Schadstoffen geht man auch bei der Erfassung der externen Kosten des Lärms vor. Der Wirkungspfadansatz angewendet auf Fluglärm umfasst aus der Modellierungsperspektive folgende Schritte: 1. Lärmemission – Ausbreitung – Lärmpegel in der Umwelt 2. Exposition der Bevölkerung 3. Physische Schäden mit Hilfe von Dosis-Wirkungsbeziehungen (Gesundheitseffekte) 4. Monetarisierung entweder der Lärmpegel oder der physischen Schäden 53 Vgl. Schmid u.a., 2003, S. 21 111 Die Lärmimmissionswerte werden von Flughäfen an ausgewählten Standorten gemessen und von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen auf die betroffene Fläche umgerechnet. Alternativ ist auch ohne Messungen des Schalldrucks die Berechnung der Lärmexposition möglich. Dazu existiert eine Software (Integrated Noise Model), die Lärmdaten der gängigen Flugzeugtypen enthält und daraus Fluglärmkonturen berechnet. Dabei wird eine bestimmte Auflösung nicht unterschritten, so dass für ganz feine Berechnungen interpoliert werden muss. Schlimmer ist die Tatsache, dass neuerdings viele zuständige Einrichtungen keine Lärmwerte unter 50 dB(A) oder sogar 55 dB(A) mehr berechnen bzw. veröffentlichen. Dadurch wird die Ermittlung der Lärmschäden systematisch behindert. In Hessen gibt es ein Umweltinformationsgesetz, das öffentliche Stellen zur Herausgabe aller Umweltinformationen verpflichtet. Trotz dieses Gesetzes haben sich zuständige Stellen (z. B. das „Umwelthaus“) geweigert, Lärmmesswerte herauszugeben. Man müsste diese Daten erst auf dem Rechtsweg einklagen (was für einen typischen Forscher zu aufwändig ist). Die Forschung hat gezeigt, dass Fluglärm bis hinunter zu 10 dB(A) Beitrag zum Umgebungslärm wahrgenommen wird und negative Auswirkungen hat. Dies erscheint zunächst überraschend. Der Grund ist aber leicht erklärbar: Die veröffentlichten Dauerschallwerte stellen Durchschnittswerte dar. Das menschliche Ohr nimmt aber nicht den Durchschnitt wahr, sondern die Einzelschallereignisse. Im Gehirn werden dann diese Einzelereignisse zu einer Bewertung zusammengesetzt. Dabei spielt der Durchschnitt nicht die ausschlaggebende Rolle. Ein Durchschnittslärm von 10 dB(A) kann sich aus sehr unangenehm lauten Phasen zusammensetzen, die von längeren Ruhepausen abgelöst werden, wobei die unangenehmen Phasen den Menschen im Gedächtnis bleiben und zu einer insgesamt negativen Bewertung der Situation beitragen, obwohl der Schalldruck im Durchschnitt nicht hoch ist. Ab einer Lärmbelastung von 40 dB(A) intensiviert sich die negative Reaktion der Menschen auf Fluglärm deutlich. Welche Schäden werden durch Lärm ausgelöst? Die Literatur diskutiert (i) medizinische Wirkungen, (ii) soziale Wirkungen und (iii) ökonomische Wirkungen (insbes. Wertminderungen von Immobilien). Aydin 112 und Kaltenbach verglichen 2007 die Krankheitsverläufe von Patienten, welche 40 dB(A) Fluglärm ausgesetzt waren, mit solchen, welche 50 dB(A) Fluglärm hatten. Sie fanden signifikante Differenzen in den Krankheitsbildern. Daraus schlossen sie, dass Fluglärm die Gesundheit ab einer kritischen Lärmgrenze für die Tagbelastung beeinträchtigt, die unterhalb von 50 dB(A) liegen muss. 54 Münzel, Hoffart und Meinertz führten 2013 eine Metastudie durch und zeigten, dass die Verständnisfähigkeit beim Lesen durch Kinder ab 40 dB(A) gemindert wird.55 Außerdem zeigen sie anhand der HYENA-Studie, dass sich Menschen durch Fluglärm belästigt fühlen56 ab etwa 40 dB(A).57 Kaltenbach, Maschke, Klinke zeigten 2008, dass „die Verordnung blutdrucksenkender Medikamente mit einem nächtlichen Fluglärmpegel von etwa 45 dB(A) assoziiert [ist], die ebenfalls dosisabhängig ist.“58 Sie zeigten außerdem anhand der HYENA-Studie für Nachtlärm, dass die „erste signifikante Pegelklasse bei 40 bis 44 dB(A)“59 liegt. Wirth u. a. zeigten anhand einer Befragung von Anwohnern des Flughafens Zürich nach Einführung des Deutsch-Schweizerischen Staatsvertrages von 2001, dass der mittlere Belästigungswert im Bereich 40 bis 45 dB(A) Leq Lärmbelastung bei 6 (Skala von 0 bis 10) lag, d. h. eine deutliche Beeinträchtigung bei dieser Lärmexposition vorhanden war.60 Untersuchungen zu den Wertminderungen von Immobilien zeigen, dass Fluglärm einen signifikanten Einfluss auf Mieten und Kaufpreise von Immobilien haben. Häufig werden die Ergebnisse in einem sog. NSDI (Noise Sensitivity Depreciation Index) zusammengefasst. Der NSDI liegt typischerweise in einer Bandbreite von 0,8 bis 1,2. Das heißt, dass eine Zunahme des Lärmpegels um 1 dB(A) Dauerschall mit einer Wertminderung der Immobilien von 0,8 % bis 1,2 % einhergeht. Einige Untersuchungen zeigen, dass die Wertminderungen exponentiellen Charakter haben und oberhalb von 60 dB(A) Lärmbelastung steil nach oben gehen. Weitere Untersuchungen zeigen, dass Wertminderungen bis hinunter auf Fluglärmbeiträge zum Gesamtlärm von 10 dB(A) nachweisbar sind. Die Wertminde54 Aydin, Kaltenbach, 2007, S. 357 Vgl. Münzel, Hoffart, Meinertz, 2013, S. 21 56 Diese Belästigungsmasse geben den Anteil von „highly annoyed“ Personen in Abhängigkeit von der Lärmbelastung wider. 57 Vgl. Münzel, Hoffart, Meinertz, 2013, S. 22 58 Kaltenbach, Maschke, Klinke, 2008, S. 548 59 Kaltenbach, Maschke, Klinke, 2008, S. 548 60 Vgl. Wirth u.a., 2005, Abschnitt 3.1 55 113 rungen bleiben dann bis etwa 40 dB(A) Lärmbelastung relativ konstant und steigen dann steiler an. Diese Wertminderungsentwicklung deckt sich mit der oben angesprochenen medizinischen Forschung und der Belästigungsforschung. Speziell für Berlin liegt eine neue Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW vor. Das DIW verwendete Daten aus Internetplattformen mit Immobilienangeboten und untersuchte den Preiszusammenhang zum Fluglärm, der von Flugrouten ausgeht. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie sind: Die Wertminderungen wurden in einem Korridor von plus/minus 4,5 km um das Zentrum einer Flugroute herum untersucht und nachgewiesen. Der Wert einer Immobilie sinkt um 187 € pro Quadratmeter für jeden Kilometer mehr Nähe zum Flugroutenzentrum ausgehend von einem anfänglichen Abstand von 4,5 km. Die Autoren konnten anhand von Preisveränderungen in den Internetportalen auch nachweisen, dass die Menschen aufmerksam sind und bereits Ankündigungen von neuen Flugrouten ausreichen, Preisveränderungen zu bewirken. Dabei schießen die Preisminderungen zuerst über das Ziel hinaus. Entwarnungen durch Erklärungen der Behörden, zuerst geplante Flugrouten doch anderswohin zu verlegen, führen zu unterdurchschnittlichen Werterholungen, weil die verunsicherten Menschen einen Misstrauensfaktor einkalkulieren. Insgesamt gesehen bestätigen die Autoren mit ihrer Untersuchung die ältere Literatur, indem sie zeigen, dass Fluglärm signifikant auf Immobilienwerte wirkt. Zum zweiten zeigen die Autoren, dass nicht nur der Lärm von Flughäfen, sondern auch der aus Flugrouten systematisch und signifikant auf Immobilienwerte einwirkt. In Zukunft muss den Flugrouten mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die überschießenden Wertminderungen und die unterschießenden Werterholungen belegen, wie belastend der Fluglärm und die Fluglärmdebatte auf die Menschen wirkt. Falsche Flughafenstandorte und mangelnder Schutz der Menschen vor Fluglärm führen zu großen sozialen Schäden. Man hat den Eindruck, dass ein Teil der Politik diese Wirkungen des Luftverkehrs in ihrer Bedeutung unterschätzt. Der „Hauptstadtflughafen“ BER ist eine grandiose Vorstellung. Aber was haben die zigtausenden von Menschen davon, die tagtäglich unter dem Fluglärm leiden und ihr Leben in jeder Minute danach ausrichten müssen? „Hauptstadtflug- 114 hafen“, „Regierungsterminal“, „Kathedrale der Neuzeit“ sind Begriffe, die gut klingen. Die Begriffe verdecken aber, dass dadurch eine große Zahl von Menschen negativ betroffen wird. Die großartigen „Kathedralen der Neuzeit“, die Architekten faszinieren, sind in Wirklichkeit die Orte, an den Nutzen und Lasten in einer Gesellschaft erheblich umverteilt werden, und um die Verlierer kümmert sich keiner – ernsthaft. Unfälle Das Unfallgeschehen in der kommerziellen Luftfahrt mit Großflugzeugen ist dadurch charakterisiert, dass die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit gering ist, jedoch der Schadensumfang erheblich sein kann. Währenddessen ist in der Allgemeinen Luftfahrt das Schadensrisiko für die Reisenden erheblich. In der kommerziellen Luftfahrt ist insbesondere das Risiko relevant, dass unbeteiligte Dritte zu Schaden kommen. Die damit verbundenen Kosten sind die externen Kosten – soweit sie nicht durch Versicherungen der Airlines abgedeckt sind. Die Dritten können zwar je nachdem, wo sie leben, die Wahrscheinlichkeit der Betroffenheit für sich errechnen und sich dagegen wappnen und Vorkehrungen treffen. Aber die durch die Unfallgefahr bei ihnen ausgelösten Ängste und Maßnahmen gehen nicht in die Kalkulationen von Airlines und Reisenden ein. Airlines und Reisende schließen ihre Verträge auf Kosten von Dritten. Das sind typische externe Effekte. Demgegenüber gehören die Risiken der Passagiere und der Crews nicht zu den externen Kosten. Sie sind als internalisiert zu betrachten, da man annimmt, dass die fliegenden Personen sich der Risiken bewusst sind und diese bei ihrer Entscheidung zu fliegen berücksichtigen. Über Unfälle liegen gute Datensammlungen vor, welche es erlauben, die Unfallwahrscheinlichkeit und die Unfallschwere abzuschätzen.61 In diesem Gutachten wird dieser Aspekt nicht weiter vertieft. Die vorliegenden Erkenntnisse für Frankfurt können sicherlich auf den BER übertragen werden. 61 Vgl. Schmid u.a., 2003, S. 99 115 Luftschadstoffe Die externen Kosten der Luftschadstoffe werden nach folgender Systematik Schritt für Schritt ermittelt: 1. Flugaktivität 2. Emissionsberechnung 3. Ausbreitung und chemische Umwandlung 4. Exposition von Schadgütern 5. Physische Schäden, berechnet mit Hilfe von ExpositionsWirkungsbeziehungen 6. Monetarisierung der physischen Schäden. Die Flugaktivität kann Prognosen entnommen werden. Die Emissionen unterscheiden sich für verschiedene Flugzeugtypen und Flugphasen (TakeOff, ClimbOut, Approach, Idle).62 Für die übrigen Wirkungen gibt es wissenschaftlich anerkannte Durchschnittswerte. Schließlich kann jedem Start- und Landevorgang eine Schadstoffmenge und eine Kostengröße zugeordnet werden.63 Die Gesamtemissionen stammen aus dem eigentlichen Flugverkehr, dem induzierten Straßenverkehr sowie vor- und nachgelagerten Prozessen. Dazu werden die Energie- und Kraftstoffbereitstellung sowie die Wärme- und Kälteversorgung gezählt, bei deren Bereitstellung Schadstoffe entstehen. Der induzierte Verkehr (Zu- und Wegbringerfahrten per Bahn, Bus, Pkw) wiederum wird nicht nur nach seinen Schadstoffen beurteilt, sondern auch nach den mit ihm verbundenen Unfällen und Lärmwirkungen. Hierfür gibt es aufgrund der großen Fallzahlen verlässliche Mittelwerte. In diesem Gutachten wird dieser Aspekt nicht weiter vertieft. Die vorliegenden Erkenntnisse für Frankfurt können sicherlich auf den BER übertragen werden. 62 63 Vgl. Schmid u.a., 2003, S. 35 Vgl. Schmid u.a., 2003, S. 35f. 116 Natur und Landschaft Der „Verbrauch“ von Natur und Landschaft stellt eine Art der Flächenumnutzung dar. Um die Möglichkeiten einer Bewertung zu erfassen, werden die Folgen der Flächenumnutzung zunächst wie folgt charakterisiert:64 x Die Fläche steht für andere Nutzungen, die u. U. als freie Güter im Marktpreis der Fläche nicht enthalten sind, z. B. die Nutzung zur Naherholung, nicht mehr zur Verfügung. x Durch das Abholzen des Waldes kommt es zu einem Verlust von Lebensräumen für bestimmte Tiere. Die lokale Artenvielfalt und Artenzusammensetzung werden verändert. Der Wasserhaushalt im Boden kann beeinträchtigt werden. x Ein Teil der Fläche wird durch die Rollwege versiegelt. Diese Versiegelung kann Auswirkungen auf das lokale Klima und den Boden- und Grundwasserhaushalt haben. x Durch den Betrieb der Fläche in der neuen Nutzung kann es möglicherweise zu Auswirkungen auf das Boden- und Grundwasser kommen. Es werden weitere Wertarten von Ressourcen unterschieden: Optionswert, Existenzwert und Vermächtniswert. Der Optionswert liegt darin, dass eine Ressource auch in anderen Verwendungen betrieben werden kann. Wiesen haben einen hohen Optionswert, während bebaute und versiegelte Flächen einen geringen haben, weil man sie kaum noch wirtschaftlich umnutzen kann. Der Existenzwert entsteht allein durch das Wissen um die Existenz eines Gutes, etwa eines Platzes der Erinnerung, einer seltenen Tierart etc. Der Vermächtniswert gibt schließlich die Wertschätzung eines Gutes an, damit es zukünftigen Generationen erhalten bleibt. Diese drei Wertkategorien werden im Folgenden nicht weiterverfolgt. Im Fall des Flughafens BER sind die folgenden Kategorien von Bedeutung: 64 Vgl. Schmid u.a., 2003, S. 104 117 Unmittelbar nutzungsabhängige externe Kosten: x Verlust von Naherholung am Flughafen BER, x lokales Klima, x Boden- und Grundwasserhaushalt. Grundwassereinträge und Grundwasserneubildung. Mittelbar nutzungsabhängige externe Kosten: x Verlust der Naherholung in Regionen unter Flugrouten, x Nutzungsänderungen von Ressourcen (Landschaftsflächen), um Auswirkungen des Luftverkehrs auszuweichen, x Beeinträchtigung an Orten, an denen Ersatzaufforstungen stattfinden (Eigenart einer vorher offenen Landschaft wird verändert etc.). Abbildung 18 Wachstums- und Erholungsgebiete im Süden Berlins und BER Quelle: fdc-Airport Consult, Offenbach Abb. 18 gibt einen Überblick über die geschädigten Bereiche östlich und westlich des BER. Es ist traurig, dass diese Erholungsgebiete und potentiellen Stadterweiterungsgebiete durch den quer liegenden Flughafen blockiert und geschädigt werden und dies, obwohl der Flughafen ohne Nachteile für die Region Berlin auch an einem anderen Standort hätte errichtet werden können. 118 Bewertung der Schäden Wie können nun die Veränderungen, die in der Natur und in der Landschaft durch den Luftverkehr bewirkt werden, monetär bewertet werden? Einem Ansatz zufolge werden die tatsächlichen Schäden ermittelt und bewertet. Einem anderen Ansatz zufolge werden die Beseitigungskosten der die Schäden bewirkenden Maßnahmen ermittelt und diese statt der eigentlichen Schäden angesetzt. Ein dritter Ansatz misst die Kosten der Ersatzmaßnahmen wie Aufforsten an anderer Stelle und setzt diese Kosten an die Stelle der eigentlichen Schäden. In einem Gutachten zum Flughafen Frankfurt wurde letztere Variante gewählt.65 Allerdings kommt diese Variante zu wesentlich zu niedrigen Kosten, weil Flughäfen i. d. R. nie tatsächlich rückgebaut werden, sondern auf „ewig“ bestehen bleiben. Das bedeutet, dass die Schäden an Natur und Landschaft Jahr für Jahr erneut auftreten. Währenddessen werden aber die Beseitigungskosten nur einmalig gerechnet. Es gibt also für Einrichtungen wie Flughäfen, die auf Dauer angelegt sind, keine vernünftige Alternative zur Berechnung der tatsächlich anfallenden Schäden. Hier bietet sich wieder die Erfassung der Zahlungsbereitschaften von Wirtschaftssubjekten für die Beibehaltung des ursprünglichen Zustandes an. Ein Beispiel kann den Unterschied der beiden Methoden beleuchten. Während nach dem Beseitigungsansatz am Flughafen Frankfurt ein Schaden des Waldverlustes von rund 25 Euro/m2 angesetzt wurde, hatte nach dem Beibehaltungsansatz der Erhalt des Waldes einen Wert von 60 Euro/Person/Jahr.66 Je nachdem, wie viele Personen betroffen sind und wie lang der Flughafen an Ort und Stelle verbleibt, errechnen sich mit beiden Methoden ganz unterschiedliche Gesamtschäden. Da der Flughafen nie beseitigt wurde, ist nur die zweite Methode realistisch. Bei Umfragen ergaben sich besonders hohe Zustimmungswerte zu den Zielen „Bewahrung der Natur“ und „Bewahrung der Umwelt“. Hoch war die Zustimmung auch zu den Zielen „Erholung“ sowie „Freude an der Natur haben“. Das spricht gegen Fluglärm in Erholungsgebieten. Ziele wie „Bewahrung der Lebensgrundlage“ und „Bewahrung der Artenvielfalt für zukünftige Generationen“ hat65 66 Vgl. Schmid u.a., 2003, S. 106 Vgl. Schmid u.a., 2003, S. 106 119 ten deutlich weniger Zuspruch. Auch durch die Ersatzaufforstung kann es zu ungewünschten Umweltauswirkungen kommen. Es werden folgende Punkte in der Literatur erwähnt. x Veränderung der Eigenart und der Schönheit des Landschaftsbildes sowie des Landschaftserlebens, x Änderung von Sichtbeziehungen, x Beanspruchung beliebter Erholungsbereiche, x Unterbrechung bzw. Behinderung von Kalt- und Frischluftabflussbahnen, x Verlust und Veränderung von Offenlandlebensraum für Pflanzen und Tiere und x Veränderung des Landschaftswasserhaushaltes. Ein weiteres Problem ist, dass Ersatzaufforstungen praktisch nicht kontrolliert werden. Es wurden Fälle nachgewiesen, bei denen zur Aufforstung vorgesehener Flächen anderweitig verwendet wurden. Eine Kontrolle der Aufforstungsarbeiten durch Behörden hatte es nicht gegeben. Es wird vermutet, dass bewusst nicht kontrolliert wird. Insgesamt schneidet der Flughafen BER tief in den Wert des Natur- und Landschaftserlebnisses als eines Naherholungsgebietes für die Berliner ein. Eine exakte monetäre Bewertung kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Aber es ist unverkennbar, dass es günstigere Standorte im Raum Berlin gibt als den Standort Schönefeld. Infrastruktur und Betriebskosten Unter Infrastrukturkosten werden hier die Kosten zur Bereitstellung der Infrastruktur verstanden, die einen Flugverkehr ermöglichen. Infrastruktur umfasst materielle, institutionelle und personelle Komponenten. Erstere umfassen die Gesamtheit aller Anlagen, Ausrüstungen und Betriebsmittel, die zur Energieversorgung, Verkehrsbedienung und Telekommunikation dienen. Unter institutioneller Infrastruktur werden Normen, Einrichtungen und Verfahrensweisen in ihrer Verfassungswirklichkeit verstanden. Hierunter fallen Institutionen, die den Luftver- 120 kehr ermöglichen. Die personelle Infrastruktur besteht aus Zahl und Eigenschaft der Menschen im Hinblick auf ihre Fähigkeiten, zum Flugverkehr. Von Interesse im Hinblick auf die externen Kosten des Luftverkehrs sind die sogenannten „ungedeckten“ Infrastrukturkosten. Das sind diejenigen Kosten, die nicht von den Verursachern (Flughäfen, Airlines, Reisenden), sondern von Dritten unter Verletzung des Verursacherprinzips getragen werden. Zu den institutionellen, d. h. direkt luftverkehrsbedingten Infrastrukturen gehören die Deutsche Flugsicherung und der Deutsche Wetterdienst sowie Sicherheitsdienstleistungen an Flughäfen. An vielen kleineren Flughäfen verursachen diese Institutionen externe Kosten, weil der Staat die Kosten anstatt der Airlines und der Reisenden übernimmt. Als externe Kosten der Infrastruktur und des Flughafenbetriebs werden in der Literatur die folgenden genannt: x Grundsteuerbefreiung von Flughäfen x Steuerfreier Einkauf von Waren am Flughafen x Befreiung internationaler Flugscheine von der Mehrwertsteuer x Befreiung des Kerosins von der Mehrwertsteuer x Befreiung des Luftverkehrs von der Mineralölsteuer (gewerbsmäßiger Einsatz von Luftfahrtbetriebsstoffen) Die Grundsteuerbefreiung gilt für alle dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege, Plätze, Wasserstraßen, Häfen und Schienenwege sowie die Grundflächen mit den diesem Verkehr unmittelbar dienenden Bauwerken und Einrichtungen, zum Beispiel Brücken, Schleuseneinrichtungen, Signalstationen, Stellwerke, Blockstellen. Für Flughäfen sind alle Flächen befreit, „die unmittelbar zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Flugbetriebes notwendig sind“ (Grundsteuergesetz § 4, 3b). Soweit Flächen nicht eindeutig zugeordnet werden können (z. B. Ladenpassagen etc.), zählt die „überwiegende“ Nutzung. Dies kann zur ungerechtfertigten Steuerbefreiung ausgenutzt werden, was dann externe Kosten des Luftverkehrs darstellen würde. 121 Der Einkauf steuerfreier Waren kann zu erheblichen externen Kosten führen. Für den Flughafen Schipol wurde der Wert der Steuerbefreiung 2000 auf 2,3 Euro pro Passagier für solche (abfliegenden) Passagiere, deren Flug außerhalb der EU endet, ermittelt.67 Die Mehrwertsteuerbefreiung gilt als große Wettbewerbsverzerrung. Aus Sicht externer Kosten ist die Mehrwertsteuerbefreiung uneingeschränkt anzurechnen. Man braucht nicht nur mit anderen Verkehrsträgern zu vergleichen. Ein Vergleich nur mit anderen Verkehrsträgern, die evtl. auch steuerbefreit sind, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Menschen ihr verfügbares Geld ausschließlich für Verkehr ausgäben. Das aber ist nicht richtig. Denn als Alternative für eine Flugreise kommen sowohl privat wie geschäftlich viele andere Handlungen in Frage, welche nicht steuerbefreit sind. Die Steuerbefreiungen der Flugleistungen sind insofern uneingeschränkt als externe Kosten anzusetzen. In Bezug auf Sicherheitsdienstleistungen gilt Folgendes: Ein Teil der Sicherheitsleistungen (grenzpolizeilicher Schutz) ist hoheitliche Aufgabe, die vom Bundesgrenzschutz durchgeführt wird und nicht kostenmäßig erstattet wird (Luftverkehrsgesetz, LuftKostV). Da diese Kosten nur dann anfallen, wenn ein entsprechender Flughafen existiert, sollten sie in die Entscheidungskalküle der Handelnden eingehen. Soweit Flughäfen privatwirtschaftlich betrieben werden, ist dies aufgrund der fehlenden Kostenübernahme aber nicht der Fall, weshalb externe Kosten vorliegen. Subventionen In der Literatur wird darüber diskutiert, ob unentgeltliche Leistungen der öffentlichen Hand – in Form von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, Subventionen und Steuererleichterungen bis hin zur Bereitstellung öffentlicher Güter – den externen Kosten zuzurechnen sind. Der Grund, warum es sich um externe Kosten handeln könnte, wird darin gesehen, dass Subventionen und andere Zuwendungen des Staates in den Preisen der 67 Vgl. Schmid, u.a., 2003 122 Handelnden (Luftverkehrswirtschaft und Reisende) nicht enthalten sind. Sie stellen also externe Kosten im klassischen Sinne dar. Andererseits wird argumentiert, dass der Staat diese Zuwendungen mit voller Absicht gibt und deshalb offenbar ein Nutzen dahinter stehen müsse. Die Zuwendungen würden also einen externen Nutzen verbreiten, der sich mit den externen Kosten kompensiere – sonst würde der Staat die Subventionen nicht tätigen.68 In jüngster Zeit mehren sich die Zweifel an den externen Nutzen von Flughäfen. In Deutschland sind viele Regionalflughäfen ungenutzt oder unterausgelastet. Der Sinn der staatlich finanzierten Überkapazitäten ist kaum einzusehen. Zudem hat die OECD in einer umfangreichen Studie über den externen Nutzen von Luftverkehrsinfrastruktur69 2013 herausgefunden, dass vorteilhafte Wirkungen empirisch nicht feststellbar sind. Diese für viele überraschende Erkenntnis begründet die OECD damit, dass zu viel irrelevante Luftverkehrsinfrastruktur durch lobbyistische Maßnahmen und Druck auf politische Entscheidungsträger staatlich gefördert wurde und wird.70 Diese Erkenntnis der OECD führt direkt zu den externen Kosten. Wenn man Subventionen von vornherein mit behauptetem externen Nutzen verrechnet, wird den Entscheidungsträgern nicht klar, welches Kostenrisiko sie eingehen, sollte der externe Nutzen nicht wie erhofft kommen. Es ist deshalb absolut notwendig, das Bruttoprinzip anzuwenden und bei jedem Projekt die externen Kosten der Subventionen aufzuzeigen – zusammen mit dem eventuell erwartbaren externen Nutzen. Strategien zur Minderung externer Effekte am Flughafen BER Es liegen Vorschläge zur Minderung externer Effekte vor. Diese können wie folgt evaluiert werden: 68 Vgl. Schmid u.a., 2003, S. 140 Vgl. OECD, 2013 70 Vgl. OECD, 2013 69 123 x Flugrouten Die Fragen, ob mit „anderen“ Flugrouten Lärmprobleme gelöst und Wirtschaftlichkeit des Flugverkehrs infrage gestellt werden, können begründet bezweifelt werden. Flugrouten sind, weil ihnen die physischen Merkmale fehlen, keine Straßen. Flugrouten sind flüchtig und jederzeit veränderbar. Auf Flugrouten wird auch nicht exakt geflogen. In der Regel kann, nach Freigabe durch den zuständigen Lotsen, von der Flugroute abgewichen werden. Flugrouten dienen offensichtlich nur dazu, den Fluglärm in der Planung und bei den Auswirkungsbetrachtungen einer bestimmten Zone zuordnen zu können, ohne zu sagen, dass er dort auch vorkommen wird. Flugrouten sind immer Ergebnis und Folge des Flughafenstandorts und des Flughafenlayouts. Bei Flughafenstandorten innerhalb dichter Siedlungsräume gibt es keine „richtigen“ Flugrouten. Jede Veränderung wird eine andere Betroffenheit, in der Regel in gleicher Größenordnung, hervorrufen. x Pistennutzungsstrategie (DROps) DROps eignet sich nicht zur Lärmminderung. Mit DROps können lediglich wechselweise Lärmpausen verlängert werden. Die Verlängerung der Lärmpause unter der einen Piste bedeutet gleichzeitig aber die Verdoppelung des Lärms unter der anderen Piste. Um eine Pistennutzungsstrategie – möglicherweise auch mit einer Lärmobergrenze verbunden – dauerhaft umzusetzen, muss der Flughafen über „überschießende“ Kapazitäten, welche jedoch nach deutschem Planungsrecht nicht zulässig sind, verfügen. x Betriebsrichtungen Die Luftverkehrsordnung (LuftVO) schreibt vor, dass gegen den Wind gestartet und gelandet werden soll, und nennt Ausnahmen, wann diese Regel nicht zu beachten ist. Die Grenzen, mit dem Wind zu starten und zu landen, liegen in der Seiten- und Rückenwindempfindlichkeit der Flugzeuge. Bei Seitenwindkomponenten bis 20 Knoten (ktn) können und bei Rückenwindkomponenten (RWK) bis 5 ktn dürfen die heutigen Flugzeuge in Ausnahmesituationen starten und landen. Sobald Freiflächen um Flughäfen vorhanden sind, ist die Berücksichtigung einer 124 RWK dann sinnvoll einsetzbar, wenn dadurch Siedlungsbereiche entlastet werden. Am Flughafen BER reicht die Besiedlung aber auf beiden Seiten des Flughafens so nahe an den Flughafen heran, dass mit einer RWK keine Entlastung einhergehen würde. Aus planerischer Sicht müssen die betroffenen Bereiche (TGZ 1) zur Problembewältigung abgesiedelt werden. Die meteorologischen Bedingungen am Standort ergeben rund 60 Prozent Betriebsrichtung BR25 und rund 40 Prozent BR07. x Betriebsregime Alle derzeit diskutierten Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes sind als Einzelmaßnahmen in ihrer Wirksamkeit unerheblich. Weiterhin muss festgestellt werden, dass alle Maßnahmen Umsetzungszeiträume von 20 bis 30 Jahren haben, oder erst nach einem weiteren planfeststellungspflichtigen Ausbau wirksam werden, also aktuelle Lärmprobleme nicht lösen. Dies kann auch dem Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen vom März 2014 entnommen werden. x Leise Flugzeuge Bis ein vollständiger Flottenaustausch stattgefunden hat, vergeht ein Zeitraum von etwa 30 Jahren. Weiterhin verbessern alle lärmmindernden Maßnahmen an den Flugzeugen auch deren Strömungsverhalten, reduzieren also die erforderlichen Staffelungsabstände. Dies führt im Ergebnis zwar dazu, dass die Einzelpegel (Emission) gesenkt werden können, der für die Auswirkungen aber maßgebliche Dauerschallpegel (Immission) nimmt, durch zunehmendes Verkehrsaufkommen, weiter zu. x Lärmabhängige Entgelte Die Hoffnung, über Entgelte die Flottenerneuerung zu forcieren, ist eine unerfüllbare Hoffnung. Entgelte sollen kostendeckend erhoben werden und keine Gewinne erwirtschaften. Dies führt dazu, dass mit der Mehrbelastung für laute Flugzeuge eine Minderbelastung für leise Flugzeuge einhergeht. Dies führt im Ergebnis 125 dazu, dass der „Platzhirsch“, und damit der Hauptverursacher des Dauerschallpegels, durch eine solche Regelung weder belastet noch entlastet wird. Andere Airlines, die den Flughafen nur wenig frequentieren, werden eine betriebswirtschaftliche Rechnung anstellen: entweder fliegen und höhere Entgelte zahlen oder die Flüge zum Flughafen einstellen. Der deutsche Luftverkehr hat einen Anteil von etwa sechs Prozent am weltweiten Flugbewegungsaufkommen. Im Durchschnitt hat jeder deutsche Flughafen einen Anteil von 0,3 Prozent am weltweiten Luftverkehrsaufkommen, selbst der aufkommensstärkste Flughafen Frankfurt hat nur einen Anteil von weniger als zwei Prozent. Mit dem deutschen Anteil am weltweiten Luftverkehrsaufkommen ist die Entgeltordnung nicht geeignet, ein Flottenerneuerungsprogramm zu beschleunigen. Lande- und Lärmentgelte sollten sinnvollerweise dazu genutzt werden, die externen Kosten (Lärm, Schadstoffen Gesundheit) des Luftverkehrs zu finanzieren. Zusammenfassung Die Literatur zeigt, dass der Luftverkehr erhebliche externe Kosten verursacht. Externe Nutzeneffekte wurden untersucht. Die OECD zeigt in einer neuen Untersuchung, dass besondere messbare Nutzeneffekte des Luftverkehrs nicht vorliegen. Die OECD führt dies auf lobbyistischen Druck zurück, der zur Realisierung zu vieler ungünstiger Infrastrukturprojekte führt. Im Fall des BER resultieren die „schlimmsten“ negativen externen Effekte aus dem Landschaftsverbrauch, der Schädigung von Erholungs- und Wachstumsgebieten, dem Fluglärm und den staatlichen Subventionen für den Flughafen. Eine Diskussion der Maßnahmen zur Verringerung der negativen externen Effekte zeigt, dass die meisten Maßnahmen wirkungslos sind oder unerhebliche Beiträge leisten. Wirklich wirkungsvoll sind nur zwei Maßnahmen: Beschränkung der Zahl der Flugbewegungen und Verlagerung des Wachstums auf günstigere Standorte. 126 Kapitel 8 Flughafenkonzept für Deutschland Executive Summary Es gibt über 60 Flughäfen in Deutschland. Viele davon werden von der öffentlichen Hand subventioniert, ohne dass jemals mit einer Rendite oder einem Rückfluss der Steuergelder gerechnet werden kann. Viele haben einen falschen Standort. Der Luftverkehr erzeugt in vielen Regionen vermeidbare negative externe Effekte. Die OECD prangert die fehlerhafte Subventionierungspolitik an: Standortentscheidungen seien zu häufig Ergebnis lobbyistischen Drucks und falsch verstandener regionaler Interessen. Überträgt man die Erkenntnisse der OECD auf Deutschland, ergeben sich folgende Forderungen an ein vernünftiges Flughafensystem: x x x Verringerung der Zahl der Flughäfen Gute Anbindung an die landseitige Infrastruktur Minderung der negativen externen Effekte (Lärmschäden) durch geeignete Standortwahl und Beschränkungen der Flugbewegungen an den ungeeigneten Standorten Die falsche Behauptung, dass jeder Flughafen Beschäftigung und Wachstum schaffe, darf angesichts unbestreitbarer gegenteiliger Forschungsergebnisse nicht mehr die Politikmaßnahmen bestimmen (Zurückdrängung des Lobbyismus). Genauso sollten die falschen Behauptungen, aktiver Lärmschutz schaffe schnell wesentliche Erleichterung und passiver Lärmschutz sei ganz etwas anderes als Käfighaltung ebenfalls nicht mehr verwendet werden. Rahmenbedingungen eines Flughafenkonzeptes liegen u. a. in erheblichen Länderkompetenzen, die sich de facto kaum beschneiden lassen werden. Einziger Stellhebel derzeit sind die internationalen Flughäfen, für die der Bund für die Luftraumkontrolle, Instrumentierung, Befeuerung und überregionale Anbindung aufkommt Das sind heute 21 Flughäfen. Insgesamt kann sich u. E. ein Flughafenkonzept für Deutschland an den Entwicklungslinien orientieren, die im Flughafenkonzept der Luftverkehrswirtschaft von 2004 und dem Flughafenkonzept der Bundesregierung von 2009 angerissen wurden: Ein optimales Flughafenkonzept nimmt die vernünftigen betriebswirtschaftlichen Argumente aus dem Masterplan von 2004 und dem existierenden Flughafenkonzept von 2009 und bereinigt beide Konzepte um die lobbyistischen Elemente. 127 x Etwa sechs vom Bund unterstützte „Makrostandorte“ verteilt über die Fläche Deutschlands. Ein Makrostandort ist eine Region, in welcher der Bund internationalen Luftverkehr unterstützt. x Ein Makrostandort kann mit einem (i) existierenden Flughafen oder einem (ii) existierenden Flughafensystem zusammenfallen oder – bei Vorliegen besonderer negativer externer Effekte – einen (iii) neu zu bauenden Flughafen an einem zukunftsträchtigeren Standort beinhalten. x Makrostandorte sind, ohne konkrete Orte zu nennen, die noch zu bestimmen sind: (i) Nord, (ii) Nordwest, (iii) West, (iv) Mitte, (v) Süd und (vi) Ost. x Die Analyse der Makrostandorte ist nicht Aufgabe dieser Studie. 128 Einführung Seit langem besteht in der Luftverkehrswirtschaft Unbehagen über den Wildwuchs der Entwicklung der deutschen Flughäfen. Ende der 1990er Jahre wurde das Wachstum der Luftverkehrswirtschaft immer kontroverser diskutiert. Bedingt durch die Liberalisierungen im Luftverkehr und der Einführung diverser Innovationen und Preissenkungen hatte ein starker Zuwachs an Flugbewegungen für Unruhe gesorgt. Ein Flughafenkonzept für Deutschland wurde von allen Seiten, der Luftverkehrswirtschaft, der Politik ja selbst den Flughafengegnern gefordert. Da der Luftverkehr wie kein anderer Verkehrsträger für die internationalen Verkehrsverbindungen der Bundesrepublik Deutschland steht, liegt es nahe, die Planungskompetenz dafür beim Bund anzusiedeln. Diese Zuständigkeit würde jedoch nicht den föderalen Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland und den abgeschichteten Planungsrundsätzen entsprechen und eine Grundgesetzänderung erforderlich machen. Es ist aber kaum vorstellbar, dass der Bund als Genehmigungsbehörde für Baumaßnahmen infrage käme. Die bisher geltende Abschichtung in der Raumordnung sollte weiter gelten, der Bund auch im Luftverkehr seine „Linienkompetenz“ wahrnehmen. Allerdings fehlt dem Bund in dieser Frage Planungskompetenz. Da aber ein nationaler Luftverkehrsplan keine dauerhafte, sondern eine periodisch wiederkehrende Aufgabe ist, muss geklärt werden, wie die Planungskompetenz des Bundes in der Zeit, in der die Fragen anfallen, verfügbar gemacht werden kann, ohne dass daraus eine dauerhafte Planungsadministration wird. Wie der SRU richtig feststellt,71 ist die Frage der Anpassung der Flughafenkapazitäten keine aktuelle Frage, da mit BER, MUC und FRA alle bedeutenden Großflughäfen gerade erst erweitert wurden, oder deren Erweiterung genehmigt ist. Würde aber erst zum Zeitpunkt der Offensichtlichkeit des Erweiterungsbedarfs mit der Standortsuche begonnen, wäre es zu spät, um die Frage von Standortalternativen zu prüfen. Diese Prüfung muss jetzt beginnen. Zu prüfen wäre, ob die Bundesrepublik Deutschland zur bedarfsgerechten Abdeckung der Nachfrage 60 71 Vgl. SRU, 2014 129 Flughäfen benötigt. Zu prüfen wäre, ob Flughafenstandorte außerhalb der Verdichtungsräume die Entwicklungspotenziale der Regionen, der Flughäfen und der Luftverkehrswirtschaft besser bedienen, als es mit den jetzigen Standorten möglich ist. Dies wäre eine vom Bund wahrzunehmende Aufgabe der Bundesraumordnung mit empfehlendem Charakter. Ein erstes Flughafenkonzept wurde 2000 vom damaligen Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen formuliert.72 Es thematisierte folgende Ziele:73 x Beschäftigung sichern, x Standorte sichern, x Anwohner schonen, x Umwelt schonen, x Leistungsfähigkeit der Flughäfen erhalten. In diesen Zielen werden die damals widerstreitenden Interessen deutlich. Es wird auch deutlich, dass ein Flughafenkonzept ein Kompromiss sein muss, denn je nach Region und Betroffenheit ergeben sich lokal unterschiedliche Vor- und Nachteile aus Flughafenprojekten und damit unterschiedliche politische Forderungen. Es wurde ein umfangreicher Katalog von denkbaren Maßnahmen aufgestellt. Dazu gehörte ganz konkret der weitere Ausbau der Flughäfen. Dieser sollte sowohl Hubs als auch Satellitenflughäfen betreffen. Der Ausbau sollte „nachfragegerecht“ sein, also praktisch überall dort stattfinden, wo die Luftverkehrsbranche Bedarf sah. Ausbauten sollten mit Umweltmaßnahmen flankiert werden. Diese hatten aber keinen Zeithorizont, waren nicht konkret und nicht an die Deckung der Nachfrage geknüpft.74 72 Bundesverkehrsministerium, 2000 Bundesverkehrsministerium, 2000 74 Vgl. BUND, Stellungnahmen zum Flughafenkonzept der Bundesregierung, in: http://www.dfld.de/Downloads/BUND_000830_%28StellungnahmeFlughafenkonzept%29.pdf 73 130 Letztlich entfaltete das Konzept keine Wirkungen, welche die Luftverkehrswirtschaft zufriedenstellte. Es kam zu einem ungehemmten Wachstum jedweden Flughafens. Deshalb nahm die Luftverkehrswirtschaft etwas später einen neuen Anlauf. Der nächste Schritt zur Weiterentwicklung des Flughafenkonzeptes der Bundesregierung war der in den Jahren 2004 und 2006 vorgestellte „Masterplan“. Es war eine „Initiative Luftverkehr für Deutschland“ gebildet worden, welche „Schlüsselakteure der Luftverkehrswirtschaft als Initiatoren sowie Repräsentanten von Bund und Ländern“75 einschloss. Diese Gruppe formulierte einen Masterplan zur zukünftigen Entwicklung des Luftverkehrs in Deutschland. Ziel war die geordnete Anpassung der Flughafeninfrastruktur an die steigende Nachfrage.76 Der Masterplan forderte für acht große Flughäfen in Deutschland einen Ausbau.77 Die Notwendigkeit des Ausbaus wurde mit Arbeitsplätzen begründet, anstatt, wie es mehr der Wirklichkeit entsprochen hätte, den Wachstumsinteressen der größeren Flughäfen. Weiter wurde argumentiert: Die zunehmende Bedeutung von Allianzen im Luftverkehr führe zu einer zunehmenden Konzentration des Luftverkehrs auf Hubs. Ausländische Hubs stünden bereit, aber der Luftverkehrsstandort Deutschland müsse gestärkt werden. Die Verhinderung der Abwanderung von Nachfrage an ausländische Drehkreuze sei eine vordringliche Aufgabe der deutschen Luftverkehrspolitik.78 Die Kapazitäten regionaler Flughäfen sollten nicht mehr uneingeschränkt ausgebaut werden. Flughafenwachstum sollte in Landesentwicklungsplänen verankert sein, damit Flughafenausbauten schneller vonstattengehen könnten. Siedlungen sollten auf das voraussichtliche Wachstum der Flughäfen Rücksicht nehmen. In Bezug auf die Flughafendichte wurde eine Bereinigung empfohlen. Deutschland habe so viele Flughäfen, dass 95 % der Bevölkerung einen Flughafen inner- 75 Initiative Luftverkehr, 2004, S. 3; Initiative Luftverkehr, 2006 Initiative Luftverkehr, 2004, S. 3 77 Initiative Luftverkehr, 2004, S. 3 78 Initiative Luftverkehr, 2004, S.4 76 131 halb von weniger als 90 Minuten erreichen könnten. Die Vielzahl der Flughäfen und die Subventionsbereitschaft regionaler Körperschaften führten zu einem ruinösen Wettbewerb. Deshalb spricht sich die Initiative für eine Konzentration des Wachstums auf die ohnehin großen Flughäfen aus. Es wurde auch ausgeschlossen, dass die Politik die Nachfrage auf weniger ausgelastete Flughäfen lenken dürfe, weil dies „marktwidrig“ sei.79 Insgesamt fordert die Initiative80 x den Verzicht auf neue Wettbewerber (d.h. neue Flughäfen), x keine Ausbauten kleiner Flughäfen, x Beibehaltung und uneingeschränkte Förderung der existierenden Struktur großer Flughäfen, x eine zügige Genehmigung weiterer Ausbauten, x eine Freihaltung der für Ausbauten benötigten Flächen von Siedlungen, x den Ausbau der landseitigen Infrastruktur durch die öffentliche Hand, damit den Kernflughäfen Deutschlands möglichst viel Verkehr (d. h. Passagiere) landseitig in kurzer Zeit zugeführt werden könne.81 Dieser Masterplan wurde mit seinen Forderungen Grundlage einer Überarbeitung des Flughafenkonzeptes der Bundesregierung. Das Flughafenkonzept der Bundesregierung von 2009 2009 legte die Bundesregierung ein neues Flughafenkonzept vor, das Forderungen aus dem Masterplan von 2004 und von 2006 aufgriff.82 Im Koalitionsvertrag von 2005 hatte es bereits geheißen, den Masterplan in das Flughafenkonzept der Bundesregierung integrieren zu wollen.83 Dies geschah bei dessen Überarbeitung 2009. Man sprach sich nun gegen eine ungehemmte Förderung des Ausbaus jedweden Flughafens aus. Man versprach, alte Infrastrukturen, d. h. die existierenden Flughäfen, zu schützen und keine neuen Wettbewerber mehr zuzulassen. Man versprach, die sechs großen Flughäfen ausbauen zu wollen, so wie es die Branche 79 Initiative Luftverkehr, 2004, S.23 Initiative Luftverkehr, 2004, S.23ff. 81 Vgl. Initiative Luftverkehr, 2004, S.34ff. 82 Vgl. Bundesverkehrsministerium, 2009, S. 81ff. 83 Vgl. Bundesverkehrsministerium, 2009, S. 7. 80 132 für richtig hielt. Ausbauwünsche kleiner Flughäfen sollten behindert werden.84 Nachtflüge sollten zugelassen und Lärmschutzbelange nur dann berücksichtigt werden, wenn deutsche Luftverkehrsunternehmen dadurch nicht im internationalen Wettbewerb behindert würden.85 Die Bevölkerung sollte Nachteile, die Lärmbelastung, tragen. Zusammenfassend kann man im Flughafenkonzept zwei Bereiche erkennen: (i) einen Bereich vernünftiger Regeln über die Makrostruktur der Flughäfen in Deutschland und (ii) einen Bereich der lobbyistischen Förderung der Luftverkehrsindustrie, indem sie falsche Standorte beibehalten können soll und die von ihr verursachten externen Kosten nicht tragen muss. Dafür wird das Argument des drohenden Wettbewerbs und der vielen gefährdeten Arbeitsplätze im Luftverkehr verwendet. Die Arbeitsplätze werden mit einem Verweis auf eine Publikation des ACI, des internationalen Lobbyverbandes der Flughäfen, begründet. Arbeitsplatzwirkungen der Luftverkehrswirtschaft Über die Arbeitsplatzwirkungen der Luftverkehrswirtschaft liegen neue Erkenntnisse der OECD vor. Die OECD erforscht als überregionale Einrichtung seit langem die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen des Luftverkehrs. In vielen von Flughäfen beauftragten Gutachten wird dem Luftverkehr ein positiver Einfluss auf Beschäftigung und Wirtschaftswachstum nachgesagt. Die OECD fragte 2013 in einer Forschungsinitiative: „What exactly is the potential contribution that investment in transport infrastructure can make to productivity and output growth?”86 Die Antwort der OECD lautet: “Attempts have been made to measure this contribution empirically, with somewhat underwhelming results.”87 Investitionen in Verkehrsinfrastrukturen zeigen „no significant impact on output“88 und „absence of robust findings on growth effects”.89 Die Behauptung einer besonde- 84 Vgl. Bundesverkehrsministerium, 2009, S. 82. Dies wurde so formuliert: bei großen und mittleren Flughäfen werde die Bundesregierung einen Bedarf „unterstellen“, bei kleinen müsse dieser Bedarf nachgewiesen werden und er muss zum bisherigen „Widmungsfeld“ des Flughafens passen; a.a.O, S. 82. 85 Vgl. Bundesverkehrsministerium, 2009, S. 82 86 OECD, 2013, S. 102 87 OECD, 2013, S. 102 88 OECD, 2013, S. 102 89 OECD, 2013, S. 103 133 ren arbeitsplatzschaffenden Eigenschaft der Luftverkehrswirtschaft kann nicht länger aufrechterhalten werden. Die OECD spricht nach diesen Ergebnissen neuerdings nicht mehr von Wachstumsbeiträgen des Luftverkehrs, weil sich diese nicht nachweisen lassen, sondern nur noch von „contributions to the performance“90, was ein sehr vager Begriff ist, oder „contribution of mobility to welfare“91, was auch die externen Effekte (Lärmbelastung) einschließt. Und es wird auch nicht mehr von den regionalen Beiträgen des Luftverkehrs gesprochen, sondern von „national economies“92, da sich auf regionaler Ebene keine systematischen Effekte nachweisen lassen. Betrachten wir ganz kurz, warum die aufgebaute Infrastruktur und der Luftverkehr nicht zu messbaren Wachstumseffekten beitragen? Die OECD macht einen wahrscheinlichen Verursacher aus, nämlich den lobbyistischen Druck, den die Betreiber von Verkehrsinfrastrukturen auf die Politik ausüben. Die OECD vermutet, dass es der “prevailing project selection mechanisms“93 sei, welcher dazu führe, dass zu viele unrentable Infrastrukturprojekte finanziert werden. Es wird Druck auf politische Entscheidungsträger ausgeübt. Es gibt viele Interessenten, die Interesse an Projekten unabhängig von ihren wahren langfristigen Wirkungen haben. Alte, bereits existierende Infrastrukturen wie Häfen oder Flughäfen üben Macht aus, um die Politik zu beeinflussen. „In reality, large infrastructure users can have substantial bargaining power over what infrastructure they require. “ 94 Die Infrastruktur wird nicht auf die Wohlfahrt des Landes hin gestaltet, sondern auf die Interessen ausgewählter Nutzer hin optimiert. „They influence the ultimate economic returns from infrastructure investment.”95 Die langfristige gesamtwirtschaftliche Rendite der Infrastruktur sinkt. “Project selection is subject to political economic pressures that reduce the overall social returns from infrastructure investment.” 96 90 OECD, 2012, 136. Siehe auch OECD, 2012, S. 67. OECD, 2013, S. 106 92 OECD, 2012, S. 136 93 OECD, 2013, S. 103 94 OECD, 2013, S. 103 95 OECD, 2013, S. 103 96 OECD, 2013, S. 103 91 134 Konsequenzen für ein Flughafenkonzept für Deutschland Nimmt man die vorliegenden Erkenntnisse aus dem Masterplan der Luftverkehrswirtschaft, dem Flughafenkonzept der Bundesregierung und den Erkenntnissen der OECD zusammen, dann zeichnen sich die Umrisse eines optimalen Flughafenkonzeptes für Deutschland deutlich ab. Ein optimales Flughafenkonzept nimmt die vernünftigen betriebswirtschaftlichen Argumente aus dem Masterplan von 2004 und dem existierenden Flughafenkonzept von 2009 und bereinigt beide Konzepte um die lobbyistischen Elemente. Als Eckpfeiler eines neuen Konzeptes ergeben sich damit: x Eine Verringerung der Zahl der Flughäfen x Hohes Augenmerk für den Ausbau der terrestrischen Infrastruktur x Minderung der negativen externe Effekte (Lärmschäden) durch geeignete Standortwahl x Stopp der falschen Behauptung, dass jeder Flughafen Beschäftigung und Wachstum schaffe. Damit ergibt sich für Deutschland eine Reduzierung der großen vom Bund geförderten Flughäfen auf 6 Makrostandorte. Makrostandorte sind (i) Nord (Kiel/Hamburg/Bremen), (ii) Nordwest (Köln/Düsseldorf/Ruhrgebiet), (iii) West, (iv) Mitte (Rhein-Main/Mannheim/Stuttgart), (v) Süd (München/Nürnberg), (vi) Ost (Berlin/Brandenburg). Die weitere Analyse der Makrostandorte ist nicht Aufgabe dieser Studie. 135 Literatur Air Berlin, 2011, „Geplante Neuregelung der Nachtflugbeschränkungen am Verkehrsflughafen Köln/Bonn“ vom 24.10.2011, Air Berlin PLC & Co Luftverkehrs KG ARC, 2011, Berlin Brandenburg International, Bodengebundene Luftseitige Betriebskonzepte, BER-Bahnnutzungskonzepte, Airport Research Center, Aachen Aydin, Y., Kaltenbach, M., 2007, “Noise perception, heart rate and blood pressure in relation to aircraft noise in the vicinity of the Frankfurt airport”, in: Clin Res Cardiol, Vol. 96, S. 347 – 358 Basler, Bulwien, 2007, Auswirkungen des Vorhabens 3. 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Der FlughaFen Ber analyse Der wirtschaFtlichen situation mit alternativen szenarien Print www.gruene-fraktion-brandenburg.de www.gruene-fraktion-berlin.de www.gruene-bundestag.de kompensiert Id-Nr. 1439321 www.bvdm-online.de ISBN 978-3-9815807-4-7
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