Handel und Tourismus
Wie Touristen den Handel und die Innenstädte beleben
Erfolgsfaktoren und Tipps für Einzelhandel, Tourismus
und Stadtmarketing
Handel und Tourismus
Wie Touristen den Handel und die Innenstädte beleben
Handel und Tourismus
Wie Touristen den Handel und die Innenstädte beleben
Herausgeber:
Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag
Federführung Tourismus | Federführung Handel
Jägerstraße 40, 70174 Stuttgart
Telefon (0711) 225500-60, E-Mail: info@bw.ihk.de, www.bw.ihk.de
Redaktion: Elke Schönborn, IHK Nordschwarzwald | Bernhard Nattermann, IHK Bodensee-Oberschwaben |
Dr. Bernhard Harrer, dwif e.V.
Fotos: Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW), Tourismus Nördlicher Schwarzwald GmbH,
Wolfgang Martini, Outletcity Metzingen, Thyssen Krupp, Gruppe DREI GmbH, BEST WESTERN PREMIER Hotel Park
Consul Stuttgart/Esslingen, Altes Hallenbad, Schmuckwelten Pforzheim, Ravensburger
März 2016
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung auf Papier und elektronischen Datenträgern nur mit Genehmigung des Herausgebers. Alle Angaben
wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet und zusammengestellt. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhaltes sowie zwischenzeitliche Änderungen
übernimmt der Herausgeber keine Gewähr.
Handel und Tourismus
Wie Touristen den Handel und die Innenstädte beleben
Inhaltsverzeichnis
1. Editorial ...............................................................................................................................................4
2. Ergebnisse kurz gefasst! .....................................................................................................................6
3. Die Situation des Einzelhandels ........................................................................................................7
4. Potenzial für Destinationen ...............................................................................................................8
5. Einkaufen als Freizeitaktivität........................................................................................................ 10
6. Relevanz touristischer Marktsegmente.......................................................................................... 12
7. Touristische Umsätze ....................................................................................................................... 12
8. Strukturelle Unterschiede ............................................................................................................... 17
9. Bevorzugtes Warensortiment ......................................................................................................... 20
10.
Stadt- und Citymarketing ............................................................................................................... 22
11.
Erfolgsrezept Kooperation ............................................................................................................... 24
12.
Erfolgsrezepte Produkt & Service ................................................................................................... 26
13.
Einkaufsführer, Apps & Co. ............................................................................................................. 29
14.
Strategieansätze fürs ‚Ländle‘ ......................................................................................................... 31
15.
3 Tipps zum Schluss ......................................................................................................................... 32
Ihre Ansprechpartner bei den IHKs für Handel und Tourismus ............................................................... 35
Handel und Tourismus
1.
Editorial
4
Alles Shopping oder was? – Der
Handel profitiert vom Tourismus
Der Tourismus prägt Baden-Württemberg – die Landschaft, die Infrastruktur, die Städte und Tourismusorte. Er ist eine klassische Querschnittsbranche, von der zahlreiche andere Wirtschaftszweige profitieren. Seit Jahren steigen die Übernachtungszahlen. Ganz aktuell wurden
im Rekordjahr 2015 insgesamt 50,8 Millionen Übernachtungen gezählt,
inklusive Touristikcamping. Davon sind mehr als ein Fünftel ausländische Urlauber und Geschäftsreisende. Die Tages- und Übernachtungsgäste in Baden-Württemberg geben jedes Jahr rund 20,3 Milliarden
Euro im Land aus. Davon werden gut 7,2 Milliarden Euro, also mehr als
ein Drittel, für Einkäufe ausgegeben. Die Erhebungen des Deutschen
Wirtschaftswissenschaftlichen Institutes für Fremdenverkehr an der
Universität München (dwif e.V.) belegen, dass die Tagesausflügler,
Tagesgeschäftsreisenden sowie Verwandten- und Bekanntenbesucher
davon wiederum vier Fünftel in den Einzelhandelsgeschäften des Landes ausgeben. Neben diesen direkten Umsätzen profitiert aber auch
eine Vielzahl, meist lokal und regional tätiger Unternehmen, von der
Belieferung der Unternehmen in der Tourismuswirtschaft. Diese in
Fachkreisen als Vorleistungen bezeichneten Produkte und Dienstleistungen belaufen sich auf über 12 Milliarden Euro in BadenWürttemberg.
Die Einzelhandelsbetriebe gehören demnach maßgeblich zu den Profiteuren der florierenden Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Darüber
hinaus haben auch Lebensmittelhandwerker, landwirtschaftliche Betriebe und viele Dienstleistungsunternehmen einen hohen Nutzen von
den Urlaubern, Geschäftsreisenden und Tagesgästen.
Ihre Ansprechpartner:
Elke Schönborn
Federführung Tourismus
Telefon: 07441 / 86052-17
E-Mail: schoenborn@pforzheim.ihk.de
Bernhard Nattermann
Federführung Handel
Telefon: 0751/409-171
E-Mail: nattermann@weingarten.ihk.de
Dr. Bernhard Harrer
dwif e:V.
Telefon: 089 / 2370289-16
E-Mail: b.harrer@dwif.de
Der Shoppingtourismus wird inzwischen als flächendeckendes Phänomen in der Tourismuswirtschaft und im Handel erkannt. In den aktuellen Studien des dwif e.V. wird festgestellt, dass die Tagestouristen in
den baden-württembergischen Städten und Reisegebieten eine mengenmäßig deutlich höhere Bedeutung haben wie die Übernachtungsgäste. Darüber hinaus machen die Studien deutlich, dass ein Tagesgast
je nach Größe der Stadt durchschnittlich etwa zwischen 18,00 und
34,00 Euro ausgibt. 48 Prozent dieser Ausgaben fließen dabei durchschnittlich in die Kassen des örtlichen Einzelhandels.
Shopping ist heute für viele Menschen zu einer Freizeitbeschäftigung
geworden. Sogar bei der Reiseplanung spielt die Einkaufsattraktivität
eine große Rolle. Dabei punkten vor allem die Großstädte, die Shopping-Villages oder die Factory Outlets. Doch auch die Gäste in den
klassischen Urlaubsregionen des Landes, wie dem Schwarzwald, dem
Bodensee oder der Schwäbischen Alb wissen es zu schätzen, wenn sich
im Umfeld des Feriendomizils attraktive Einkaufsmöglichkeiten befinden. Diese werden spätestens dann besucht, wenn sich das Wetter
einmal nicht von der schönsten Seite zeigt.
Handel und Tourismus
5
Die Ausgaben, welche die Übernachtungs- und Tagesgäste in den
Handelsunternehmen der touristisch geprägten Orte des Landes
tätigen, sind erheblich. Gerade deshalb erstaunt es, wie selten konkrete
Maßnahmen, etwa im Rahmen des Stadt- und Citymanagements, unternommen werden, um den Umsatz mit den Touristen zu steigern.
Häufig wird der Gast als wichtige Zielgruppe, um die man sich auch
bemühen muss und deren Bedürfnisse man kennen sollte, vom Handel
nur am Rande wahrgenommen. Doch vor allem durch strategische
Kooperationen zwischen Handels- und Tourismusorganisationen sowie
den Betrieben können Synergie-Effekte für die örtlichen Unternehmen
geschaffen werden. Deshalb ist das zentrale Anliegen dieser Broschüre,
den Einzelhändlern, den Tourismusunternehmen und den Citymanagern
zu vermitteln, dass sich durch intensive Zusammenarbeit zusätzliche
Marktchancen ergeben können.
Um die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus für den Handel nicht
nur zu betonen, sondern auch anhand von Zahlen und Statistiken zu
belegen, haben die baden-württembergischen IHKs den renommierten
dwif e.V. in München, unter der Leitung von Dr. Bernhard Harrer, für
dieses Projekt gewinnen können.
In dieser Broschüre kommen darüber hinaus Einzelhändlerinnen und
Einzelhändler, Tourismusfachleute, Hoteliers sowie Wirtschaftsförderer
und Citymanager zu Wort. Sie berichten in ihren Statements über erfolgreiche Projekte und Kooperationen, die zu eigenen Aktivitäten anregen sollen.
© TMBW
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Handel und Tourismus
2.
Ergebnisse kurz
gefasst!
Die wichtigsten Zahlen auf einen
Blick
376 Mio. Tagesausflügler und Tagesgeschäftsreisende besuchen jährlich die Destinationen und Städte in Baden-Württemberg
153 Mio. touristisch relevante Übernachtungen werden pro Jahr in
Baden-Württemberg gezählt
20,3 Mrd. Euro geben die Touristen im Land jährlich insgesamt aus
26,10 Euro gibt jeder Tagestourist im Durchschnitt aus
48 Prozent davon geben die Tagestouristen im Handel aus
50- bis 60-Jährige sind die ausgabefreudigsten Gäste
80 Euro werden pro Person und Tag durchschnittlich bei Tagesausflügen mit dem Hauptmotiv "Einkaufsfahrt" ausgegeben
7,2 Mrd. Euro an touristischen Umsätzen fließen insgesamt in den
Einzelhandel im Land
6 Mrd. Euro werden von Tages- und Übernachtungsgästen für
Bekleidung, Lederwaren, Bücher, Souvenirs und sonstige Waren ausgegeben, der Rest für Lebensmittel
Quelle: dwif 2016
© Outletcity Metzingen
Handel und Tourismus
3.
Die Situation des
Einzelhandels
7
Online oder Buy Local?
Chancen für den Einzelhandel durch
Kooperationen
Warum sehen die baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern vor allem für den stationären Handel große Chancen? Wie
stellt sich die augenblickliche Situation insbesondere des örtlichen
Fachhandels dar?
Der Umsatzverlust durch Abfluss von Kaufkraft in andere Vertriebskanäle ist zur Realität geworden. Der anhaltende Onlineboom verschärft diese Marktanteilsverschiebungen erheblich.
Einkäufe von längerlebigen Produkten werden zunehmend als
Freizeitaktivität angesehen. Von dieser Entwicklung profitieren
vor allem die starken und attraktiven Oberzentren, moderne
Einkaufszentren und Factory Outlet Center (FOC).
Das örtliche Handelsangebot ist auch in den vielen kleineren
Städten des Landes Baden-Württemberg noch erfreulich stark
von inhabergeführten Einzelhandelsbetrieben geprägt. Dadurch
bietet es Vielfalt und Individualität.
Gerade Einkaufsstädte mit weniger als 25.000 Einwohnern haben oft das Nachsehen, sofern sie nicht über das entsprechende
Handels- und Dienstleistungsangebot oder überregional bekannte Highlights verfügen.
Viele kaufkräftige Kunden leiden heute unter Zeitmangel. Insbesondere der reine Versorgungskauf im stationären Handel
wird im Alltag häufig als Stress empfunden. Zeitfenster für
Shopping im Arbeitsjahr der beschriebenen Konsumenten stellen die Tagesausflüge und (Kurz)Urlaube dar. Dort haben sie die
Zeit und haben vor allem auch die Muße!
Diese Zustandsbeschreibung macht deutlich, dass durch eine durchgängige Verbesserung der Kooperationen zwischen Handels- und Tourismusorganisationen sowie Unternehmen zusätzliches Umsatzpotential im
stationären Handel generiert werden kann.
Aber auch die örtlichen Leistungsträger im Tourismus, z.B. Beherbergung, Gastronomie und Freizeitanbieter, können von der verbesserten
Kooperation profitieren. Gute Shopping-Möglichkeiten zu bieten, bedeutet gleichermaßen attraktiv für Einheimische und für Touristen zu sein!
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Handel und Tourismus
4.
Potenzial für
Destinationen
Große Angebotsvielfalt: Ob Outlet
Center oder Tourismusort
Wenn man von Shopping-Tourismus spricht, unterscheidet man zwischen verschiedenen Motiven und Zielen. Nach Ansicht der Industrieund Handelskammern birgt der Shopping-Tourismus in den kommenden
Jahren erhebliches Potenzial insbesondere für folgende ShoppingDestinationen:
Neue Orte des Shoppingtourismus
Klassische Orte des
Shoppingtourismus
Shoppingtourismus im
engeren Sinne
Shoppingtourismus im
weiteren Sinne
Shopping Malls
Flagship Stores
Factory Outlet Center
Themenpark Shopping
Shopping Villages
Bahnhöfe / Flughäfen
Shopping Center
Cities
Cross-Border-Shopping
Innenstädte
Tourismusorte
© Outletcity Metzingen
Shopping-Destinationen im engeren Sinne
Darunter versteht man Destinationen, deren hauptsächlicher Attraktivitätsfaktor das Shoppingangebot ist und die hauptsächlich Shoppingtouristen im engeren Sinnen anziehen, wie zum Beispiel Outlet City Metzingen, Wertheim Village und WMF. Es gibt allerdings nur wenige Destinationen dieser Art in ganz Deutschland. Vor allem für die Gäste aus
dem Ausland sind international bekannte Marken von großer Bedeutung. Hier gilt es, den Gast länger in der Region zu halten oder zum
Wiederkommen zu animieren. Kooperationen und Netzwerke zwischen
Outlets und örtlichen Leistungsträgern aus der Region sind der Schlüssel
zu erfolgreichen Angeboten.
© Outletcity Metzingen
Touristische Destinationen mit Shopping-Angebot
Dies sind Destinationen, deren Shoppingangebot ein wichtiger Bestandteil des Gesamtangebots ist und Shoppingtouristen im weiteren Sinne
anspricht, wie z.B. die Innenstädte und Städte in Tourismusdestinationen, z.B. direkt am Bodensee gelegene Orte. Die entscheidende Differenzierungsmöglichkeit für die Innenstädte – große wie kleinere – bietet
die Identität der Stadt. Diese muss als wesentliche Aufgabe des Citybzw. Stadtmarketings stärker hervorgehoben und kommuniziert werden.
Deshalb sollte die Vernetzung zwischen Gastronomie, Handel, Kultur,
Veranstaltungen und Events deutlich verbessert werden. Anspruchsvolle
und authentische Gesamterlebnisse und Besuchsanlässe lassen sich
hervorragend in historisch gewachsenen Innenstädten schaffen.
Handel und Tourismus
9
Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auch auf den verschiedenen
Märkten und Weihnachtsmärkten liegen, wie eine Studie der Deutschen
Zentrale für Tourismus (DZT) belegt. Danach gibt jeder Weihnachtsmarkt-Besucher im Durchschnitt 31,14 Euro aus, mehr als der durchschnittliche Tagesgast. Gerade die historischen Städte in BadenWürttemberg bilden den idealen Rahmen für Weihnachtsmarktbesuche.
Neue Orte des Erlebniseinkaufs
© TMBW
Dabei handelt es sich um Angebote, die allein als Attraktion für Shoppingtouristen geplant bzw. angelegt sind und Infotainment für ein breites Publikum bieten (z.B. Schmuckwelten Pforzheim). Aber auch große
Bahnhöfe und Flughäfen entwickeln sich immer häufiger zu attraktiven
Shopping-Einrichtungen mit teilweise recht großen Verkaufsflächen.
Hier wird ein anderer Grund des Besuches mit dem Shopping-Erlebnis
verknüpft.
Klassische Orte des Erlebniseinkaufs
Dort entwickelt sich der Shopping-Tourismus aus dem bestehenden
regionalen Angebot heraus, z.B. traditionelle Privatbrauereien, regionale
Lebensmittelproduzenten oder regionale Märkte. Bei diesen Formen des
Einkaufens stehen das Erlebnis, die Information und das authentische
Angebot einer Region im Vordergrund. Das Alleinstellungsmerkmal ist
herauszuarbeiten; weiterhin sollten Kooperationen mit anderen Leistungsträgern intensiviert werden.
Wolfgang Bauer, Vorstandsvorsitzender Holy AG, Metzingen
© Outletcity Metzingen
„Die Outletcity Metzingen und internationaler Shoppingtourismus sind
untrennbar miteinander verbunden. Etwa 3,5 Mio. Besucher strömen
jährlich nach Metzingen, seit Jahren haben wir hohe zweistellige Zuwachsraten insbesondere bei chinesischen, koreanischen, arabischen
und schweizer Besuchern. Die Markenanbieter in der Outletcity sowie
die Einzelhändler in Metzingen profitieren von den touristischen Aktivitäten in der Region und die Region profitiert von der internationalen
Kundschaft der Outletcity. Wir arbeiten eng mit dem Schwäbische Alb
Tourismusverband, der Tourismus- und Marketinggesellschaft BadenWürttemberg und der Regio Stuttgart Marketing zusammen. In Metzingen selbst strahlt die Outletcity als Tourismusmagnet positiv auf das
Gastgewerbe, den örtlichen Lebensmittel- und Bekleidungseinzelhandel
und Dienstleister aus. Noch nicht gehoben sind die Synergiepotentiale
insbesondere mit dem Einzelhandel, den Kultureinrichtungen und den
Stadtmarketinggesellschaften der Nachbarstädte.“
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Handel und Tourismus
5.
Einkaufen als
Freizeitaktivität
Der Shopping Tourist –
das (un-) bekannte Wesen
Der Tourismus ist eine typische Querschnittsbranche von der zahlreiche
Wirtschaftszweige profitieren. In der amtlichen Statistik werden lediglich die gewerblichen Übernachtungen erfasst. Hinzu kommen die Übernachtungen in den Privatquartieren, durch Dauercamper, in Reisemobilen sowie bei Verwandten und Freunden. Auch die Tagesreisen werden
statistisch nicht erhoben. Hier liegen Ergebnisse aus Grundlagenuntersuchungen des dwif vor. Die Ausgaben der Gäste und somit die Wertschöpfung durch den Tourismus hat positive Auswirkungen auf viele
Branchen. Einkaufen zählt zu den zentralen Betätigungen der Touristen
auf Reisen. Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden, welcher Stellenwert dem Einkauf im Rahmen des Aufenthaltes zukommt.
Einkaufen
als
Hauptanlass
Einkäufe sind ein zentrales Motiv für die Tages- oder
Übernachtungsreise.
In Baden-Württemberg sind Einkäufe bei etwa jedem achten
Tagesausflug Hauptanlass des Aufenthalts.
Lediglich bei den Outlet-Centern spielt das Einkaufen als Hauptanlass bei
den Übernachtungsreisenden in Baden-Württembergich eine
wesentliche Rolle.
Einkaufen
als Aktivität
im Rahmen
anderer
Hauptanlässe
Hier stehen andere Reiseanlässe im Vordergrund, allerdings werden im
Verlauf der Reise auch Einkäufe getätigt.
In Baden-Württemberg werden Einkäufe bei etwa zwei von fünf
Tagesausflügen während des Aufenthalts getätigt.
Bei Übernachtsungsgästen hat die Aktivität 'Einkaufen' in BadenWürttemberg eine größere Bedeutung als bei Tagesreisen.
Quelle: dwif 2016
Die Darstellungen des dwif konzentrieren sich auf die Bedeutung der
Einkäufe von Touristen als Umsatzbringer für den Einzelhandel. Bei den
Einkäufen werden sowohl Versorgungsaspekte (z. B. Lebensmitteleinkauf) als auch andere Bedürfnisse (z. B. Einkauf sonstiger Waren) einbezogen. Eine attraktive vielfältige Einkaufslandschaft ist als wichtiger
Tourismusmagnet anzusehen. Denn der Einkaufsbummel zählt sowohl
bei Tages- als auch bei Übernachtungsreisen zu den wichtigen Freizeitaktivitäten. Jeder Gast ist im Prinzip ein durch die Freizeitlaune motivierter potenzieller Kunde für den Einzelhandel.
Reinhard Skusa, Citymanager, Stadt Aalen
„Mit einer attraktiven Innenstadt, vielfältigen und einzigartigen Aktionen, Events, Konzerten und dem Weihnachtsmarkt haben wir die Frequenz der Tagestouristen kontinuierlich ausgebaut. Positive Effekte
durch den Fußballverein VfR Aalen aber auch durch den Radtourismus
sind deutlich spürbar. Wenn es gelingt, Neukunden und Gäste regelmäßig nach Aalen zu holen, ist dies ein Indiz für die Attraktivität des
Standorts.“
Handel und Tourismus
11
Bei den Tagesausflüglern mit Hauptmotiv „Einkaufsfahrt“ zur Deckung
des nicht täglichen Bedarfes in Baden-Württemberg lassen sich einige
Besonderheiten erkennen:
Bei Shopping-Ausflügen wird mit Abstand am meisten Geld im
Zielgebiet gelassen! In Baden-Württemberg werden pro Kopf
über 80,- Euro und damit mehr als im Bundesdurchschnitt ausgegeben. Der Großteil dieser Ausgaben kommt dem Einzelhandel zugute.
Bei den 20-29 Jährigen liegt der Einkäuferanteil – insbesondere
bei Single-Haushalten – deutlich über dem Durchschnitt.
Bei Einkaufsausflügen werden im Durchschnitt knapp 60 Kilometer einfache Wegstrecke zurückgelegt. Bei herausragenden
Angeboten (z. B. Outlet Stores, Shopping Centers, Märkte) kann
die Anfahrt aber auch deutlich weiter sein.
Rund zwei Drittel der Einkaufsausflüge beginnen vor 12.00 Uhr
und enden nach 18.00 Uhr. Entsprechend dauern etwa zwei
Drittel der Einkaufsausflüge zwischen sechs und zwölf Stunden.
Einkaufsausflügler sind überdurchschnittlich oft an Samstagen
unterwegs. Sonntage können meist nur zu bestimmten Anlässen
(z. B. verkaufsoffene Sonntage, Märkte) bzw. an bestimmten
Standorten (z. B. Flughafen, Bahnhof, Tankstelle) für Einkäufe
genutzt werden.
Mehr als zwei Drittel der Einkaufsausflügler sind mit dem Pkw
unterwegs. In städtischen Räumen ist der ÖPNV-Anteil höher
als in ländlichen Regionen.
Samstags werden nicht nur am häufigsten Einkaufsausflüge gemacht, an
Samstagen wird bei Ausflügen auch am meisten Geld ausgegeben. Die
niedrigsten Ausgaben werden aufgrund der Öffnungszeiten verständlicherweise an Sonntagen getätigt. Dies ist gerade vor dem Hintergrund
ungünstig, dass an Sonn- und Feiertagen die meisten Tagesreisen stattfinden. Bei Urlauberausflüglern sind in Bezug auf das Einkaufsverhalten
vergleichbare Rahmenbedingungen anzutreffen, die sich an den Öffnungszeiten der Händler orientieren.
Silke Wiskandt, Inhaberin Bär & Mehr... Kinderträume e. K., BadenBaden
„Das besondere Flair Baden-Badens macht die Stadt attraktiv für den
internationalen Tourismus. Dies hat zu einem enormen Kaufkraftzufluss
und einer ausgeprägten Vielfalt des örtlichen Einzelhandels, vor allem im
gehobenen Bereich, geführt. Die Anziehungskraft der Stadt erfährt
dadurch wiederum eine stetige Steigerung, welche dem Einzelhandel
wirtschaftliches Wachstumspotential beschert. Voraussetzung für diesen
Synergieeffekt ist eine optimale Einstellung des Einzelhandels auf die
wechselnden Bedürfnisse der Touristen unterschiedlichster Kulturen.“
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Handel und Tourismus
6.
Relevanz
touristischer
Marktsegmente
Zentrale Zielgruppen und ihre
Ausgaben: Wie viel geben unsere
Gäste aus?
In Baden-Württemberg ist auf das Gesamtjahr gesehen von insgesamt
376 Millionen Tagesreisen und mehr als 153 Millionen Übernachtungen
in gewerblichen und privaten Beherbergungseinrichtungen sowie bei
Verwandten und Bekannten (VFR) auszugehen.
Übernachtungen
47,1 Mio. in gewerblichen Betrieben
9,4 Millionen durch Touristik- und
Dauercamping sowie Reisemobilisten
10,5 Mio. in Privatquartieren und privaten
Ferienwohnungen
86,4 Millionen bei Verwandten- und
Bekannten
367 Mio.
Tagesausflüge und -geschäftsreisen
Quelle: dwif, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2016, Wirtschaftsfaktor Tourismus in Baden-Württemberg, hrsg. vom
Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, 2016 – eigene Darstellung, dwif (Hrsg.); Tagesreisen
der Deutschen, Schriftenreihe Nr. 55, München 2013.
Der mit deutlichem Abstand größte Anteil des Tourismusmarktes entfällt
übrigens auf die Tagesausflügler und Tagesgeschäftsreisenden, die von
ihrem Wohnort starten und am gleichen Tag – ohne Übernachtung –
wieder zurückkehren. Auf sie entfallen mehr als 71 Prozent der touristischen Aufenthaltstage in Baden-Württemberg. Der Besuch von Bekannten und Verwandten ist bei den Tagesausflüglern mit rund 30 Prozent
der wichtigste Hauptanlass.
Die Bedeutung des Einzelhandels für die touristischen Destinationen
lässt sich am besten am Ausgabeverhalten der Reisenden sichtbar machen. Hier zeigen sich enorme Abweichungen zwischen den verschiedenen Zielgruppen. Die Bandbreite der Ausgaben pro Kopf und Tag bzw.
Übernachtung ist groß und reicht von 0,– Euro bei manchen Tagesausflüglern, die beispielsweise nur einen Bummel oder einen Radausflug
machen, bis hin zu weit über 200,– Euro pro Kopf und Tag, wenn anspruchsvolle Beherbergungsbetriebe aufgesucht, gute Lokale frequentiert, Kulturveranstaltungen besucht und Einkäufe in größerem Umfang
getätigt werden. Bei den dargestellten Ausgaben sind Fahrtkosten für
die An- und Rückreise nicht enthalten.
Handel und Tourismus
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Definition
Übernachtungsreisen
Reisen mit Übernachtung können unterschiedliche
Motivationen zugrunde liegen. Neben Urlaubsreisen (z. B.
Erholungs-, Kultur-, Besichtigungs-, Wellnessreisen) und
Kuraufenthalten (Kurgäste in Reha-Einrichtungen) gehören
auch Geschäftsreisen (z. B. Teilnahme an Messen, Tagungen,
Kongressen, klassische Geschäftsreisen) dazu. Die
Beherbergungsmöglichkeiten sind vielfältig (z. B. Hotellerie,
Gasthöfe, Jugendherbergen, Erholungs-/Schulungs- und
Ferienheime, Ferienwohnungen, Campingplätze). Alle
Übernachtungsreisen gehören demzufolge unabhängig vom
Anlass der Reise zur touristischen Nachfrage.
Definition
Tagesreisen
Als Tagesausflug wird jedes Verlassen des Wohnumfeldes
bezeichnet, mit dem keine Übernachtung verbunden ist und
das nicht als Fahrt von oder zur Schule, zum Arbeitsplatz, zur
Berufsausübung vorgenommen wird, nicht als Einkaufsfahrt
zur Deckung des täglichen Bedarfs dient (z.B. Lebensmittel)
und nicht einer gewissen Routine/Regelmäßigkeit unterliegt
(z. B. regelmäßige Vereinsaktivitäten im Nachbarort,
Krankenhausbesuche, Arztbesuche, Behördengänge, o. ä.).
Bei Städten bis 100.000 Einwohnern wird das Wohnumfeld
mit der Ortsgrenze gleichgesetzt, in Großstädten mit dem
Stadtteil.
© TMBW
Zu den Tagesgeschäftsreisen zählen alle Ortsveränderungen
zur Wahrnehmung geschäftlicher Aufgaben, die über die
Gemeindegrenze, in der sich der ständige Arbeitsplatz des
Betroffenen befindet, hinausführen. Hierunter fallen nicht die
Fahrten zum ständigen oder wechselnden Arbeitsplatz (z. B.
Montage) und nicht die Fahrten innerhalb der
Arbeitsplatzgemeinde (z. B. Dienstgänge).
Quelle: dwif 2016
Tagesreisen werden in ihrer ökonomischen Bedeutung vielfach unterschätzt. Dabei entspricht der Nachfrageumfang durch Tagesreisen mehr
als dem sechsfachen Volumen der in der amtlichen Beherbergungsstatistik ausgewiesenen und in Privatquartieren ermittelten Übernachtungen. Die Tagesgäste leisten in Baden-Württemberg einen enorm wichtigen Beitrag zu einer ganzjährig guten Auslastung und Stabilisierung der
vorhandenen Infrastruktur wie Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen oder Einzelhandelsgeschäfte. Der Tagesreiseverkehr vom Wohnort aus muss also gerade auch unter ökonomischen Gesichtspunkten
als wichtiges Teilsegment in Zusammenhang mit den Verflechtungen
zwischen Einzelhandel und Tourismus angesehen werden. Er steht allerdings bei der Vermarktung der Tourismusregionen bislang kaum im Vordergrund.
Im Durchschnitt gibt jeder Tagesreisende in Baden-Württemberg
26,10 Euro aus. Tagesgäste geben damit zwar unter allen genannten
Zielgruppen am wenigsten Geld pro Kopf und Tag aus, der Einzelhandel
hat anteilig aber die mit Abstand größte Bedeutung. Fast die Hälfte der
Tagesausgaben entfallen auf den Einkauf von Lebensmitteln und sonstigen Waren.
Handel und Tourismus
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Projektförderer: Wirtschaftsministerien/Tourismusabteilungen des Bundes und der Länder, dwif-Consulting GmbH, ADAC e.V.
Quelle: dwif (Hrsg.); Tagesreisen der Deutschen, Schriftenreihe Nr. 55, München 2013.
Das zweite wichtige Segment des Tourismus sind unbestritten die Übernachtungsreisen. Gut 30 Prozent der Gäste übernachten in den gewerblichen Betrieben (z. B. Hotels, Pensionen, Jugendherbergen, Vorsorgeund Rehakliniken) des Landes. Auf die Privatquartiere entfallen knapp
sieben Prozent und die Camper auf und außerhalb der Campingplätze
kommen auf gut sechs Prozent.
Den mengenmäßig wichtigsten Übernachtungsmarkt stellen die Verwandten- und Bekanntenbesucher, die in den Privatwohnungen der
Einwohner Baden-Württembergs übernachten, dar. Auf sie entfallen
mehr als 56 Prozent aller dargestellten Übernachtungen. Damit ist die
einheimische Bevölkerung als enorm wichtiger Multiplikator im Empfehlungsmarketing anzusehen.
Bei den Übernachtungsgästen zeigen sich bei den Durchschnittsausgaben absolut betrachtet deutliche Unterschiede zwischen den Gästen in
gewerblichen Betrieben, in Privatquartieren und im Campingsegment.
Auf das Gastgewerbe entfällt aufgrund der dominierenden Ausgaben für
die Unterkunft verständlicherweise der mit Abstand größte Anteil. Die
Ausgabenanteile für Einkäufe liegen bei den Gästen in den unterschiedlichen Betriebstypen zwischen 15 und 30 Prozent. Die während eines
Übernachtungsaufenthaltes in den Zielgebieten unternommenen Ausflugsaktivitäten („Urlauberlokalverkehr“) sind bei diesen Ausgaben bereits enthalten.
Alexander Reinhard, Inhaber Reinhard Mode GmbH, Heidenheim
"Tagesgäste, Kulturreisende und Shoppinggäste bringen Innovation und
Zeitgeist in den Handel und beleben damit die ganze Stadt. Auch wir
Händler müssen uns täglich neu darauf einstellen. Tourismus hat somit
für uns einen unverzichtbaren Zusatznutzen! Dabei ist es wichtig, mit
allen Akteuren zusammen zu arbeiten. Wir machen viele gemeinsame
Aktionen. "
Handel und Tourismus
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dwif, Wirtschaftsfaktor Tourismus in Baden-Württemberg, hrsg. vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Baden-Württemberg, 2016.
7.
Touristische
Umsätze
Welche Branchen profitieren vom
Tourismus?
In Baden-Württemberg sorgen Touristen bei fast 530 Mio. Aufenthaltstagen jährlich und durchschnittlichen Tagesausgaben über alle Zielgruppen von 38,30 Euro pro Kopf für Umsätze von mehr als 20,3 Mrd. Euro.
Eine Gegenüberstellung der von Tages- und Übernachtungsreisen profitierenden Wirtschaftszweige zeigt deutliche Unterschiede: Bei Tagesreisen überwiegen die Ausgaben für Einzelhandelsprodukte; sie erreichen
einen Anteil von nahezu 50 Prozent. Der Gastronomie kommen fast 30
Prozent zugute. Bei Übernachtungsreisen dominieren die Ausgaben für
Unterkunft und Verpflegung, während auf den Einzelhandel 17,3 Prozent entfallen.
Quelle: dwif (Hrsg.), Tagesreisen der Deutschen, Schriftenreihe Nr. 55, München 2013 sowie dwif, Wirtschaftsfaktor Tourismus in
Baden-Württemberg, hrsg. vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, 2016.
Handel und Tourismus
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Die Gesamtheit der Bruttoumsätze aus der touristischen Nachfrage
ergibt sich aus folgender Multiplikation:
Touristische Aufenthaltstage/Übernachtungen x Ø Tagesausgaben pro Kopf
Die Höhe und die Struktur der vom Tourismus generierten Umsätze lässt
sich für Baden-Württemberg im Überblick wie folgt darstellen:
Quelle: dwif (Hrsg.), Tagesreisen der Deutschen, Schriftenreihe Nr. 55, München 2013, dwif, Wirtschaftsfaktor Tourismus in BadenWürttemberg, hrsg. vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, 2016 sowie Statistisches
Landesamt Baden-Württemberg, 2016.
Die aufgezeigten Umsätze sind allerdings als absolute Mindestgröße zu
verstehen, da mehrere touristisch relevante Segmente nicht in die Betrachtung einbezogen wurden; dies sind:
© Thyssen Kruppp, Testturm Rottweil
Der neue Thyssen Krupp Testturm in Rottweil soll zum
Besuchermagneten werden.
Fahrtkosten für den Transfer zwischen Quell- und Zielgebiet.
Ausgaben der Tages- und Übernachtungsgäste für Reisevorund -nachbereitung (z. B. Reiseliteratur, Medikamente, Filmentwicklung).
Umsätze durch Outgoing-Reisen der Einwohner BadenWürttembergs (z.B. Taxi zum Flughafen, Ausgaben im Reisebüro).
Spezifische Marktsegmente wie beispielsweise Übernachtungen
auf Bootsliegeplätzen, in Freizeitwohnsitzen etc.
Incoming-Tagesreisen aus Quellgebieten im Ausland.
Bei der Analyse des dwif handelt es sich also um eine klar abgegrenzte
„Zielgebietsbetrachtung“, bei der nur die genannten Marktsegmente
einbezogen wurden. Hinzuweisen ist nicht zuletzt auf die Steuerrelevanz des Tourismus für Baden-Württemberg. Zu nennen ist hierbei zu
allererst die Umsatzsteuer, die durch die Ausgaben der Touristen entsteht. Als weitere „Gemeinschaftssteuern“ dürfen auch die anteilige
Lohn- und Einkommensteuer der im Tourismus beschäftigten Personen
sowie die Gewerbesteuer der touristisch relevanten Unternehmen nicht
unberücksichtigt bleiben. Auf kommunaler Ebene werden diese zudem
ergänzt durch Steuern und Abgaben (z. B. Kurtaxe, Fremdenverkehrsabgabe, Zweitwohnungssteuer, Grundsteuer, Nutzungsgebühren).
Handel und Tourismus
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André Lomsky, Wirtschaftsförderung, Stadt Rottweil
„Mit dem innovativen Aufzugs-Testturm entsteht in Rottweil derzeit ein
technologisches Vorzeigeprojekt, das Rottweils Position als Tourismusdestination nachhaltig stärkt. Dieses einmalige Forschungszentrum,
Deutschlands höchste Aussichtsplattform auf 232 Meter Höhe und das
innovative Design des Turmes werden Gäste mit unterschiedlichen Motiven aus nah und fern anziehen. Sie finden hier den "richtigen Mix" aus
Erlebnis, Inspiration und Innovation. Durch die positiven Effekte der
Tourismuswirtschaft werden auch Umsatzzuwächse in der Gastronomie
und im Einzelhandel generiert werden.“
Ulrike Stauss, Geschäftsführerin Stauss Uhren & Schmuck, Rottweil
„Der Besuch des ThyssenKrupp-Testturms für Hochgeschwindigkeitsaufzüge wird meist mit einem Besuch in der Stadt Rottweil verbunden. Ich
spüre bereits jetzt eine höhere Frequentierung in der Innenstadt, obwohl
der neue Turm noch gar nicht fertiggestellt ist. Im geschichtsträchtigen
Rottweil kann man bereits Türme als wertiges Objekt in Form eines
Ringes oder Anhängers kaufen. Der Stadtring, auf dem auch der historische Kapellenturm und der Hochturm zu sehen sind, soll emotional und
symbolisch sein.“
8.
Strukturelle
Unterschiede
Stadt oder Land, Ältere oder Jüngere
– welche Gäste geben mehr Geld aus?
Beim Ausgabeverhalten lassen sich unterschiedliche Abhängigkeiten
feststellen, die bei Tages- und Übernachtungsgästen zum Teil in ähnlicher Art und Weise ausgeprägt sind. Bei Tagesausflüglern steigen beispielsweise die Tagesausgaben von rund 18,- Euro pro Kopf in ländlich
geprägten Regionen auf fast 34,- Euro in Großstädten an. Interessant ist
dabei der deutlich höhere Einzelhandelsanteil in den Großstädten. Dort
werden über die Hälfte der Gesamtausgaben für Einkäufe getätigt, während der Vergleichswert in kleineren Orten bei weniger als einem Drittel
liegt.
Alexander Kögel, Inhaber Modehaus Kögel GmbH & Co. KG, Esslingen
"Zum historischen Weihnachtsmarkt haben wir spürbar Touristen in
unseren Läden, ansonsten hätten wir aber gerne ein paar mehr davon bei
uns. Viele Tagestouristen haben doch eher wenig Zeit zum Shoppen.
Esslingen hat eine wunderschöne Innenstadt mit einem tollen Flair, aber
es fehlt ein Alleinstellungsmerkmal, das eine weitere Anreise lohnt. Wir
liegen im Windschatten von Stuttgart, obwohl wir nur ein paar S-BahnStationen entfernt liegen, und müssen für mehr Aufmerksamkeit bei
Besuchern der Region sorgen."
Handel und Tourismus
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Projektförderer: Wirtschaftsministerien/Tourismusabteilungen des Bundes und der Länder, dwif-Consulting GmbH, ADAC e.V.
Quelle: dwif (Hrsg.); Tagesreisen der Deutschen, Schriftenreihe Nr. 55, München 2013.
Regionale Unterschiede bei der Ausgabenhöhe und –struktur sind auch
bei den Übernachtungsgästen in den gewerblichen Betrieben (ohne Touristikcamping) Baden-Württembergs festzustellen. So liegen die Tagesausgaben dieser Zielgruppe in der Region Stuttgart bei über 186,- Euro
pro Kopf - mit einem Anteil des Einzelhandels in Höhe von rund einem
Fünftel. In der Region Oberschwaben liegt der Vergleichswert bei rund
130,- Euro pro Kopf - mit einem Einzelhandelsanteil von rund einem
Zehntel. Dies belegen regionalspezifische Studien des dwif.
Auch in Zusammenhang mit sozio-demographischen Ausprägungen
gibt es Abhängigkeiten, die bei Tages- und Übernachtungsgästen ähnlich
ausgeprägt sind:
Mit steigendem Monatseinkommen sowie bei höherem Schulabschluss bzw. besserer Stellung im Beruf wird mehr Geld auf Reisen
ausgegeben.
Besonders ausgabefreudig während Tages- und Übernachtungsreisen ist die Gruppe der 50- bis 60-jährigen.
Gäste aus dem Ausland tätigen in der Regel höhere Ausgaben bei
Reisen als die einheimische Bevölkerung.
Bei Familien mit Kind(ern) unter 14 Jahren sind die pro-KopfAusgaben am niedrigsten.
Räumliche
Strukturunterschiede
Zeitliche
Strukturunterschiede
In städtisch geprägten Reisezielen liegen aufgrund der
Angebotsvielfalt die Ausgaben im Einzelhandelssegment deutlich
über den Werten für ländliche Regionen.
Im Winterhalbjahr wird mehr Geld ausgegeben als in den
Sommermonaten. Hier schlagen nicht zuletzt Indooraktivitäten,
Weihnachtseinkäufe und Weihnachtsmärkte zu Buche.
Handel und Tourismus
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Allerdings gibt es auch Merkmale, bei denen sich das Ausgabeverhalten
pro Kopf und Tag zwischen Tages- und Übernachtungsgästen unterscheidet. Tagestouristen ticken manchmal anders als Übernachtungsgäste, Geschäftsreisende anders als Urlauber.
Tagesausflüge und
-geschäftsreisen
Paare und Mehrpersonenhausalte tätigen die höchsten Ausgaben
© TMBW
Privatreisende geben mehr Geld aus, als Geschäftsreisende.
Dies
gilt insbesondere beim Einkauf von Lebensmitteln und sonstigen
Waren.
Mit zunehmender Verweildauer steigen die durchschnittlichen
Tagesausgaben pro Kopf.
Übernachtungsgäste
Bei Alleinreisenden sind die Ausgaben am höchsten. Diese
gehören relativ oft der Gruppe von Geschäftsreisenden an, für
deren Unterkunftsausgaben vielfach der Arbeitgeber aufkommt.
Mit zunehmender Verweildauer sinken die durchschnittlichen
Tagesausgaben pro Kopf, da ab und zu ein 'Ruhetag' eingelegt
wird. Gerade bei länger verweilenden Urlaubsreisenden ist der
Einkäuferanteil höher.
Geschäftsreisende geben mehr Geld aus als Privatreisende.
Christoph Achenbach, Geschäftsführer Lederwaren Acker GmbH,
Stuttgart
"Für uns sind Touristen aus dem In- und Ausland extrem wichtig, das
können wir an unseren eigenen Zahlen und an den Auswertungen der
Umsatzsteuer-Rückerstattung sehen. Oft sind mehr als die Hälfte der
anwesenden Kunden erkennbar Touristen, weshalb auch die Sommermonate bei uns gute Umsatzmonate sind. Im Zentrum Stuttgarts sind Geschäftsreisende fast noch wichtiger als private Urlauber. Der Abstecher
in die Innenstadt mit Theater, Oper und Museen lohnt sich für viele."
Christian Keemss, Geschäftsführer Modehaus Schmidt Arkaden,
St. Blasien
„Handel und Tourismus gehören in der Domstadt St. Blasien zusammen.
Das Modehaus Schmidt Arkaden selbst ist aufgrund des denkmalgeschützten Gebäudeteils eine touristische Attraktion und trägt auf diese
Weise zur Attraktivität der Stadt bei. Zu unseren Stammkunden zählen
immer mehr ursprüngliche Tagesausflügler und Urlauber. Diese touristisch geprägte Einkaufsbeziehung hat sich so stabil entwickelt, dass es
sich für uns lohnt, unsere Verkaufsfläche auf 4000 m² zu erweitern und
das in einer Stadt mit etwa 2700 Einwohnern.“
Handel und Tourismus
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Petra Lorenz, Inhaberin LederPoint e. K., Karlsruhe
„In Karlsruhe sind die Übernachtungszahlen im Wesentlichen auf den
Geschäftsreisetourismus zurückzuführen. Jedoch ist in den letzten Jahren auch ein gesteigertes Interesse ausländischer Städtetouristen zu
beobachten. Auch der Stadtgeburtstag hat dazu beigetragen. Die Einnahmen dieser beiden Kundengruppen stellen dabei ein wichtiges Zusatzgeschäft für die hiesige Händlerschaft dar. Die Händler müssen
durch die Baustellensituation im Zusammenhang mit dem U-Bahn-Bau
momentan mit erheblichen Einschränkungen umgehen.“
9.
Bevorzugtes
Warensortiment
Ich kauf mir was! – Welche Produkte
werden besonders nachgefragt?
Eines ist klar: Die touristische Nachfrage ist für den Einzelhandel in
Baden-Württemberg von enormer Bedeutung. Mehr als 35 Prozent der
dargestellten Umsätze durch Tages- und Übernachtungsreisen entfallen
auf den Einkauf von Lebensmitteln und sonstigen Waren. Knapp 42 Prozent der Bruttoumsätze werden durch die Ausgaben der Gäste im Gastgewerbe generiert. Der Umsatzanteil, welcher der übrigen Dienstleistungswirtschaft zu Gute kommt, liegt bei etwa 23 Prozent.
Dem Einzelhandel fließen aus der touristischen Nachfrage demnach
jährliche Bruttoumsätze in Höhe von insgesamt gut 7,2 Milliarden Euro
zu. Rund vier Fünftel davon werden durch Tagesausflügler und Tagesgeschäftsreisende sowie Verwandten- und Bekanntenbesucher generiert.
Auf Lebensmitteleinkäufe entfallen weniger als ein Fünftel dieser Bruttoumsätze.
Doch welche Produkte werden von den Gästen am liebsten und am meisten gekauft? Auch darauf geben die Studien des dwif eine Antwort.
Quelle: dwif (Hrsg.), Tagesreisen der Deutschen, Schriftenreihe Nr. 55, München 2013 sowie dwif, Wirtschaftsfaktor Tourismus in
Baden-Württemberg, hrsg. vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, 2016.
Handel und Tourismus
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Lebensmitteleinkäufe sind der deutlich kleinere Teil bei den Einzelhandelsausgaben der Touristen. Beim Einkauf sonstiger Waren stehen verschiedene Produkte im Mittelpunkt des Interesses. Zwischen Tages- und
Übernachtungsgästen zeigen sich keine wesentlichen Unterschiede.
Mit deutlichem Abstand an erster Stelle liegt der Einkauf von Textilien,
Bekleidung, Schuhen und Lederwaren.
Papierwaren und Verlagserzeugnisse zählen ebenso zu den besonders
beliebten Warengruppen.
Weitere Kaufschwerpunkte stellen Produkte dar, die insbesondere den
Bereichen Schmuck, Kunst, Hobbies (z. B. Sportgeräte, Musikinstrumente) und Souvenirs zuzuordnen sind. Diese Artikelgruppen spielen bei den
Übernachtungsgästen eine größere Rolle als bei den Tagesgästen.
Gudrun Krüper, Inhaberin Arkadenbuchhandlung, Freudenstadt
„Meine Buchhandlung hat ihren Standort mitten auf dem größten
Marktplatz Deutschlands, in Freudenstadt. Zu unseren Kunden gehören
neben der Stammkundschaft auch überdurchschnittlich viele Tagestouristen und Übernachtungsgäste, da Freudenstadt und Baiersbronn eine
beliebte Destination im Schwarzwald sind. Durch die Stadtbahn kommen
ebenfalls sehr viele Tagesausflügler hierher in unsere Stadt. Viele Gäste
etwa aus der Schweiz oder aus Frankreich besuchen uns jedes Jahr wieder, um sich mit Urlaubslektüre einzudecken. Auch zu unseren Veranstaltungen, wie Lesungen oder dem Format „Einschließen und Genießen“
kommen Einheimische und Feriengäste.“
Darüber hinaus stehen weitere Handelswaren auf den Einkaufslisten der
Touristen. Deren Bedeutung ist aber im Vergleich zu den bereits erwähnten Produkten eher nachrangig, wenngleich deren Einkaufswert durchaus
beachtliche Größenordnungen einnehmen kann. Angeführt werden können hier beispielsweise Holz- und Korbwaren, Möbel, Heimwerkerbedarf,
elektronische Geräte, Glaswaren, Porzellan, Keramik, medizinische oder
kosmetische Artikel (z. B. Arznei-, Körperpflege-, Reinigungsmittel), Tabakwaren und vieles andere mehr.
Der Warenkorb der Tages- und Übernachtungsgäste ist also vielschichtig
und reicht von Dingen des täglichen Bedarfes über Gebrauchsgegenstände bis zu regionalspezifischen Besonderheiten in den Zielgebieten. Auch
die Ausgabenhöhe unterliegt enormen Schwankungen und reicht von
wenigen Euros bis hin zu Einkäufen von weit über 1.000,- Euro.
Ausländische Gäste zeigen ähnliche Produktpräferenzen wie die einheimische Bevölkerung. Allerdings ist es sicherlich für den einzelnen Händler schwierig, potentielle Gäste in weit entfernten Quellgebieten anzusprechen. Dies kann nur über ein zielgerichtetes Tourismusmarketing und
eine herausragende Produktqualität funktionieren. Für BadenWürttemberg sind neben den Übernachtungsgästen aus der ganzen Welt
insbesondere die Tagesbesucher aus der Schweiz und aus Frankreich von
Bedeutung, da dort die Kaufkraft und das Preisniveau höher sind.
Handel und Tourismus
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Inge Baeuchle, Inhaberin Buchhandlung Baeuchle, Hinterzarten
Die „Hinterzartener Winterlese“ ist vielmehr eine erfolgreiche Kooperation meiner Buchhandlung mit den besten Hotels in Hinterzarten. Es
kommen zwischen vierzig und sechzig Gäste - sowohl Einheimische als
auch Gäste - zu den jeweiligen Lesungen, die im tollen Ambiente eines
Hotels stattfinden. Einheimische und Hotelgäste treffen zusammen. Als
Gemeinschaftsprojekt der Buchhandlung Baeuchle, der Gemeinde Hinterzarten und der Hochschwarzwaldtourismus GmbH ist diese Aktion für
alle Beteiligten ein Erfolg. Fast die Hälfte meines Jahresumsatzes mache
ich so mit auswärtigen Gästen, oft aus der nahegelegenen Schweiz.
10.
Stadt- und
Citymarketing
Wie kann man die Bedeutung des
Shopping-Tourismus strategisch
verankern?
Eine höhere Zahl an Touristen schafft im Einzelhandel zusätzliche Nachfrage und wird damit auch zu mehr Umsatz führen. Hierzu bedarf es der
nachhaltigen Optimierung des Einzelhandelsangebotes. Auch durch die
Verbesserung der touristischen Infrastruktur wird die Akzeptanz des
Ortes (auch als Einkaufsort) gesteigert. Tourismus und Einzelhandel befruchten sich also gegenseitig und die Wohn- und Aufenthaltsqualität
für Einheimische und Touristen wird verbessert. Allerdings sind positive
Wechselwirkungen kein Selbstläufer. Hier bedarf es gemeinsamer Anstrengungen, um zusätzliche Kunden zu erreichen und entsprechende
Kaufkraft abschöpfen zu können. Gerade durch die Bündelung finanzieller Mittel lässt sich mehr bewegen als durch individuelle Aktionen mit
kleinem Budget.
Einzubeziehen in solche Strategieansätze sind vor allem die engagierten
Unternehmen mit touristisch ausgerichtetem Warenangebot. Es müssen
Highlights statt Standards präsentiert werden. Alleinstellungsmerkmale
(USPs) sind von Vorteil. Kooperationen und Werbepartnerschaften, die
Einzelhandel und Tourismus umfassen, sind das Erfolgsrezept. Dann
klappt’s auch mit dem Einkaufserlebnis für den Gast! Die Möglichkeiten
von Kooperationen, verkaufsfördernde Aktivitäten umzusetzen und die
einzelnen Akteure zu sensibilisieren und zu motivieren, sind vielfältig:
Stadtfeste, Märkte, Events, Läden mit regionalen Produkten und gläserner Produktion sind hier beispielhaft genannt.
Handel und Tourismus
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Eine besondere Bedeutung kommt gemeinsamen Aktionen und Events
zu, die neue Gäste und Zielgruppen in die Stadt ziehen. Besonders passend sind authentische und regionaltypische Events, die es nicht zweimal
gibt.
Die eingesetzten Werbemittel zur zielgerichteten Kundenansprache sind
von zentraler Bedeutung für den Erfolg. Dazu sollten sowohl das Internet
als auch Printmedien mit konkreten Einkaufstipps zählen. Zudem sind
weitere Werbeaktivitäten je nach Bedarf umzusetzen (z. B. Messeauftritte, Vermarktung über Busreiseveranstalter, Apps).
Susanne Fiek, Event & Eventchen, Heidelberg
„Die weltberühmte Schlossruine, die malerische Altstadt und die älteste
Universität Deutschlands sind die markanten touristischen Leuchttürme
Heidelbergs. Doch die Stadt hat auch noch ‚Sehenswürdigkeiten‘ anderer
Art zu bieten: In alteingesessenen Geschäften lässt es sich herrlich shoppen und genießen. Dazu gibt es Wissenswertes und Unterhaltsames zur
Geschichte der Häuser und Geschäfte und natürlich in jedem Laden ein
‚Versucherle‘. Die Heidelberger Einkaufs(ver)führung ist eine unterhaltsame Kombination von Stadtführung und Einkaufserlebnis, die nicht nur
für Touristen sondern auch für Einheimische interessant ist und neue
Zielgruppen erschließt.“
Hans-Peter Schwarz, Geschäftsführer Tübingen Erleben GmbH
„Der Tübinger Einzelhandel in der Innenstadt und das Gastgewerbe profitieren von Touristen und Besuchern. Gerade in den zentralen Lagen der
Innenstadt sind die Einnahmen der Tages- auch Übernachtungsgäste
nicht zu unterschätzen. Man spürt deutlich, dass bei den Touristen der
Geldbeutel etwas lockerer sitzt. Besonders signifikant spüren wir in Tübingen den Umsatz durch die chocolART. Deutschlands größtes Schokoladenfestival lockt in der Vorweihnachtszeit alljährlich im Schnitt
250.000 Besucher in die historische Altstadt und diese lassen ihr Geld
nicht nur auf dem Schokoladenmarkt, sondern ebenso in den Geschäften
und Restaurants. Die fortlaufend durchgeführte Evaluation zeigt, dass in
den sechs Markttagen von den Besuchern und Touristen vier bis fünf
Millionen Euro zusätzlich in den Geschäften ausgegeben werden.“
Handel und Tourismus
11.
Erfolgsrezept
Kooperation
24
Yes we can – Kooperationen zwischen
Handel und Gastgewerbe lohnen sich!
Es gibt vor Ort ein einzigartiges Einzelhandelsangebot, doch kein Gast
weiß es? Wie profitieren alle Akteure eines Ortes von gemeinsamen
Kooperationen? Klar ist, dass die Hoteliers und Gastronomen nur dann
für eine Zusammenarbeit mit den Einzelhändlern gewonnen werden
können, wenn eine echte win-win-Situation daraus entstehen kann.
Die Ausgangssituation ist klar: Der Handel möchte mehr Umsatz mit den
Gästen, die in den Hotels untergebracht sind, erzielen. Auch der Hotelier
möchte seinen Gästen zusätzliche Anreize bieten. Ergänzende Angebote
bringen einen Mehrwert für den Gast, was wiederum zu einer höheren
Kundenzufriedenheit beitragen kann.
Warum sind gerade Touristen eine lohnende Klientel für den Handel?
Viele Konsumenten sind in ihrem Alltag zeitlich so eingebunden, dass
das Thema Shopping häufig zu kurz kommt. Dies ist auch ein wesentlicher Grund, warum der Online-Handel in den letzten Jahren boomt.
Wenn diese Kunden aber Freizeitaktivitäten nachgehen oder sich für ein
verlängertes Wochenende eine Auszeit gönnen, dann verfügen sie während ihres Aufenthalts häufig über die Muße, ausgiebig zu bummeln und
zu shoppen. Diese Gäste sind häufig zu Spontankäufen bereit, wenn
Angebot, Ambiente und Beratung stimmen.
Bereits heute gibt es vielseitige Formen von Kooperationsmöglichkeiten:
Ein gutes Beispiel: BEST WESTERN PREMIER Hotel Park
Consul Stuttgart/Esslingen a.N. - Vitrinen mit regionalen
Produkten der Firma Hengstenberg und von lokalen
Einzelhändlern.
Produktpräsentationen und Hinweise auf den Einzelhandel in
Hotels (z.B. Modenschau, Schaukästen, Hotelshop)
Buchhändler laden die Gäste zu Lesungen ein bzw. führen Lesungen in Cafés und Hotels durch
Anbieter von regionalspezifischen Produkten (z.B. Weingenossenschaft) laden die Gäste zu Verkostungen ein, führen
diese im Hotel oder Restaurant durch oder laden zu Führungen
in den Weinberg ein
Übernachtungspauschalen, die mit einem speziellen Angebot
der Händler gekoppelt sind
In Einkaufsführern wird das örtliche Angebot vorgestellt und
auf die Besonderheiten hingewiesen
Integration einzelhandelsspezifischer Angebote in TouristCards
mit entsprechenden Rabattangeboten
Spezielle Einkaufs-Apps weisen den Weg in die Geschäfte und
stellen das Waren- und Dienstleistungsangebot vor
Meist mangelt es den Akteuren nicht an Ideen, um neue gemeinsame
Angebote zu erarbeiten. Sie müssen jedoch erst einmal ins Gespräch
kommen! Wie so häufig im Leben, kommt es auf den ersten Schritt an.
Die Initiative sollte aus Sicht der baden-württembergischen IHKs von
Seiten des Handels ausgehen, da er einer der Hauptprofiteure ist.
Handel und Tourismus
25
Auch die regionale Tourismusorganisation kann solche Prozesse anstoßen. In den Tourist-Informationen sollte das Personal die Attraktivität
des örtlichen Einzelhandels kennen und empfehlen. Kooperationen mit
Leistungsträgern aus dem Ort und der Region zur Verbreitung des Einzelhandelsangebotes verbessern die Marktdurchdringung (z. B. Ausstellungen im Kurhaus, Produktpräsentationen im Wellnesshotel, im Restaurant oder in der Tourist Information, Verbesserung der einzelhandelsspezifischen Beratungskompetenz des Personals in Tourist Informationen
oder gastgewerblichen Betrieben, Tages- und Übernachtungspauschalen
mit Einzelhandelsangeboten).
Andreas Joos, Geschäftsführer Zweirad Joos GmbH & Co. KG,
Radolfzell
„Obwohl wir hier in einer Zuzugs-Region wohnen, können wir nur durch
die Touristen unsere Kundenfrequenz erhöhen. Durch erhöhte Kaufkraft
beleben wir somit auch unseren Umsatz. Wir bieten den Touristen Leihräder an für die individuelle aber auch für die geführte Tour. Mit geführten E-Bike Touren oder Segway-Touren zu den schönsten Aussichtspunkten der Region stärken wir das Angebot in unserer Stadt. Kooperationen
mit Hotels und der Mettnau-Kur ergeben oft eine Win-Win Situation.“
Jutta Bausch, Inhaberin Schuh-Hug, Hinterzarten
„Es gibt eine exzellente Zusammenarbeit der familiengeführten Hotels in
Hinterzarten mit unserem Schuhhaus. Meine exklusive Mode kann ich in
schönen Vitrinen oder Verkaufsräumen in den Hotels ausstellen. Ergänzt
wird dies durch Modeschauen, die gemeinsam mit Hotels am Abend als
Unterhaltungsprogramm angeboten werden. Unser anspruchsvolles Sortiment würde ohne internationalen Tourismus, wie wir ihn in Hinterzarten vorfinden, nicht funktionieren. So schaffen wir es ein einmaliges
Einkaufs- und Aufenthaltserlebnis zu inszenieren.“
Thomas Lerch, Geschäftsführer Parkhotel Jordanbad Lerch GmbH,
Biberach
„Wir kooperieren in unseren Hotels zum einen mit dem Modehaus Warth
und mit Sport Reischmann, um unseren Bekanntheitsgrad zu erweitern.
Im Gegenzug stellen wir unseren Partnern gerne attraktive Preise für
Veranstaltungen, Foto-Locations oder auch kleinere Caterings zur Verfügung. So profitieren beide Seiten gleichermaßen und der finanzielle
Aufwand ist überschaubar.“
26
Handel und Tourismus
12.
Erfolgsrezepte
Produkt & Service
Die Besonderheiten des Standorts und
der perfekte Service
Ob in den zentralen Lagen der Innenstädte, in Einkaufszentren im Außenbereich, auf zugkräftigen Märkten, beim „Fabrikverkauf“ am Produktionsstandort, im Factory Outlet, beim Markenshop oder auch in originellen individuellen Läden in peripherer Lage, Einzelhandelsgeschäfte
müssen sich einen Kundenstamm aus Touristen und Einheimischen aufbauen. Dieser sollte vor allem über positive Mundpropaganda – also über
zufriedene Kunden – ausgeweitet werden, damit die vorhandenen Potenziale als zusätzliche Einnahmequellen erschlossen werden können.
Vorteilhaft ist dabei das Vorhandensein mehrerer Geschäfte oder Dienstleitungen mit verschiedenen Angeboten, da dies attraktiver für den potenziellen Gast ist. Die Wege sollten allerdings kurz sein.
Erfolgsfaktor:
Erreichbarkeit des
Standortes und
Atmosphäre
• Eine verkehrsgünstige Lage, die
gute Erreichbarkeit der
Standorte (mit Pkw, ÖPNV,
Shuttle Service etc.) sowie eine
hohe Gästefrequenz sind
vorteilhaft für eine erfolgreiche
Marktpräsentation. Hier bieten
sich Möglichkeiten zum
Straßenverkauf und zur
Förderung der Straßenkultur
(Märkte, Musik) an.
• Atmosphäre schaffende,
phantasievoll gestaltete
Schaufenster und saubere
Ladeneinrichtungen mit
Wohlfühlambiente, attraktiven
Exponaten aus der Region sowie
„Impulskaufartikel“ erhöhen die
Kaufwahrscheinlichkeit beim
Kunden.
Ziel muss es sein, die Produkt- und Servicequalität der Geschäfte sowie
das Marketing permanent zu kontrollieren und zu verbessern. Die Erfolgsfaktoren sind einfach, können aber nicht oft genug genannt werden: Von besonderer Bedeutung ist eine ansprechende Produktqualität
der angebotenen Waren, mit ausgewogener Sortimentsbreite und –tiefe,
die der Kundenstruktur entspricht. Notwendig sind regelmäßige Qualitätsoffensiven und ein hoher Erlebniswert.
Innovative, einzigartige, unverwechselbare Produkte, die von sich reden
machen (Pionierverhalten!), und herausragende authentische Produkte
(Originalität, Individualität, Kuriositäten, Emotionen) mit regionalem
oder überregionalem Bekanntheitsgrad sowie positivem Image sind verkaufsfördernd (z. B. regionaltypische Speisen und Getränke, regionale
traditionelle Handwerkskunst, Naturmaterialien aus der Region, themenspezifische Produktpräsentation). Dazu gehören beispielsweise faszinierende Ausstellungsflächen, Probier- oder Leseecken, um den Aufenthalt
möglichst angenehm zu gestalten. Werden Familien angesprochen, sollten ansprechende Kinderspielbereiche oder eine qualifizierte Kinderbetreuung nicht fehlen.
Handel und Tourismus
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Elmar-Matthias Fehser, Inhaber Weinhaus Fehser, Heidelberg
„Das älteste und traditionsreichste Weinhaus Heidelbergs kann auf eine
über 125-jährige Familien- und Firmengeschichte zurück blicken. Bei der
Heidelberger Einkaufs(ver)führung sind wir natürlich sehr gerne dabei.
Wenn die Gäste in unser Geschäft kommen, begrüßen wir sie persönlich
mit einem Gläschen Wein und beantworten ihre Fragen. So finden auch
Gäste den Weg zu uns, die sonst nur im oberen Altstadtbereich und dem
Schloss unterwegs wären. Für uns ist das eine wunderbare Gelegenheit,
das Ambiente und die Fachkompetenz unseres Hauses zu präsentieren.“
Individuelle, persönliche Betreuung und Beratung der Kundschaft mit
praktizierter Herzlichkeit und „maßgeschneiderten“ Produkten werden
vom Gast geschätzt (z. B. Namensschilder für das Verkaufspersonal,
kostenloses Getränkeangebot, Kundenkartei mit zielgerichteten Aktionen, Versand eines Newsletters, Rabattaktionen für Stammkunden, Personal mit Fremdsprachenkenntnis, spezifische Weiterbildung der Mitarbeiter, ansprechende Give-Aways).
Hinzu kommt unter anderem ein zielgruppengerechter, an den Bedürfnissen der Gäste ausgerichteter Service mit kurzen Wartezeiten:
Bring- oder Versandservice nach Hause
Farb- und Stilberatung
Modeschauen
Gepäckaufbewahrung
Einkaufszettel mit den wichtigsten Produkten aus der Region
Termine außerhalb der üblichen Geschäftszeiten
Einladungen zu Schnupper-Kochkursen
Verköstigung vor Ort
Hausspezialitäten
Unverzichtbar ist die Internetpräsenz des Einzelhandels. Hier gibt es
verschiedene Möglichkeiten, die von der direkten Online-Bestellung
(„Online-Shop“) über die Reservierung von Produkten bis hin zur reinen
Information über die Angebotspalette reichen. Wichtig sind in diesem
Zusammenhang entsprechende Verlinkungen mit den relevanten Homepages von Partnerorganisationen. Es geht letztendlich um eine Verzahnung der verschiedenen Verkaufskanäle.
Vor Ort wird die Nachfrage nach kostenlosen Hotspots oder „ShoppingApps“ zur mobilen Information per Smartphone immer größer.
Als selbstverständlich wird heute auch die Möglichkeit des bargeldlosen
Einkaufes angesehen (z. B. Kreditkartenakzeptanz, Bezahlung mit dem
Smartphone).
Zentral ist ein gutes Preis-Leistungsverhältnis, das dem gestiegenen
Preisbewusstsein der Kunden Rechnung trägt. Dies bedeutet aber nicht,
dass Billigprodukte gewünscht werden. Es geht vielmehr um einen
„fairen“ Preis und den Mehrwert für den Kunden.
Handel und Tourismus
28
Das Alte Hallenbad in Heidelberg: Ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel von Beherbergung, Handel, Gastronomie, Wellness und Events
unter einem Dach.
Wer in Heidelberg nicht das Schloss und die Alte Brücke besichtigen will,
sondern Wohlfühlambiente, Entspannung, Shopping-Erlebnis, Veranstaltungen und kulinarische Überraschungen sucht, findet das im Alten
Hallenbad Heidelberg vereint.
© Altes Hallenbad
© Altes Hallenbad
Der komplett sanierte Jugendstil-Bau aus dem Jahr 1906 überzeugt mit
einem spannenden Angebot: Ein modernes Design-Hotel, Wellness in
Salzräumen, Yoga, verschiedene Restaurants, Veranstaltungen sowie
anspruchsvoller Einzelhandel mit Markthalle lassen keine Wünsche offen. Wo einst ganze Familien anreisten, um sich zu waschen und zu
baden, kommen heute Gäste aus aller Welt. Aus Sicherheitsgründen
wurde 1981 der Badebetrieb eingestellt. Lange stand das Gebäude dann
leer, bis es 2008 der Heidelberger Immobilienunternehmer Hans-Jörg
Kraus kaufte. Mit großem Engagement sanierte er den im Jugendstil und
Klassizismus erbauten Gesamtkomplex.
Übernachtungsgäste schätzen das moderne Hotel Bergheim 41. Gefrühstückt und gesnackt wird bei Bergheim 41 Kaffeekultur. Frisch gestärkt
bietet sich ein Einkaufsbummel in den historischen Mauern an: Im ehemaligen Männerbad und in den Passagen lockt die Markthalle Heidelberg mit Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse, Feinkost, Wein, Dekorationen,
Wohnaccessoires, Büchern und frischen Backwaren sowie die Wein-Bar
‚kassenhäuschen‘ mit köstlichen Weinen und Fingerfood. Im ehemaligen
Kesselhaus schlagen Bio-Herzen höher: Dort präsentiert Alnatura Super
Natur Markt rund 6.000 verschiedene Bio-Produkte. Im Neubau-West
hingegen finden Fantasy-Fans beim Fantasy Kolosseum Tabletop-Spiele,
Trading-Cards und Rollenspiele.
Das ehemalige Frauenbad, das früher allein dem weiblichen Geschlecht
zum Schwimmen vorbehalten war, ist heute eine besondere Location für
Feierlichkeiten und Veranstaltungen aller Art. Hungrige finden vielseitige
Küche für jeden Geschmack: Leckereien to go in der Markthalle, asiatische Spezialitäten beim Restaurant Mr. Zhao und Cross-over-Küche bei
Urban Kitchen.
Wem danach der Sinn nach Entspannung steht, besucht das Casa Salis.
Salzräume mit Solevernebelung, ein Soleschwebebad sowie eine JadeMassageliege laden dazu ein. Auch das Yoga-Studio in touch mit seinen
warmen Eichendielen und hohen Decken bietet dafür den passenden
Rahmen.
© Altes Hallenbad
www.alteshallenbad.de
Handel und Tourismus
13.
Einkaufsführer,
Apps & Co.
29
Lotsen für den Gast
Den Tagesgästen, Geschäftsreisenden und Urlaubern die ganze örtliche
Angebotsvielfalt eines Standortes zu verdeutlichen und den Kunden in
Entdeckerlaune zu versetzen, das ist die zentrale Aufgabe von Einkaufsführern und Shoppings-Guides für Städte, Stadtteile oder Geschäftsquartiere.
Was strahlen viele dieser meist gut gemeinten aber oft nicht gut gemachten Einkaufsführer aus? Manche wirken wie ‚Anzeigenfriedhöfe‘.
Der häufig auf der Rückseite abgedruckte Stadtplan ist oftmals übersät
mit kleingeschriebenen Hinweisen. Der überwiegende Teil der Gäste
wird sich diese verwirrende Angebotswelt nur mit Hilfe einer Sehhilfe
erschließen können, oder er legt die Broschüre gleich zur Seite.
Was erwarten die Gäste von einem guten Einkaufsführer bzw. Shopping-Guide?
Eine kompakte Übersicht ausgewählter Einkaufsmöglichkeiten und
örtlicher ‚Leuchttürme‘, ergänzt um serviceorientierte Angebote und
Informationen, schafft für Tages- und Übernachtungsgäste die notwendige Orientierung.
Touristen wollen vom örtlichen Angebot überrascht, überzeugt und
verführt werden!
Bei einem erheblichen Teil der Einkäufe von Touristen handelt es sich
um Spontankäufe. Deshalb muss das erste Ziel von Shopping-Guides
sein, den Gästen zu verdeutlichen, welche besonderen Läden und Angebote sie wo erwarten und wie sie auf dem schnellsten und bequemsten Weg in die beworbenen Lagen kommen, ob zu Fuß, mit öffentlichen
Verkehrsmitteln oder mit dem eigenen Fahrzeug. Die Anreizwirkung
kann durch Coupons oder auch durch die Gewährung von exklusiven
Vorteilen erhöht werden.
Wenn die potentiellen Besucher den Weg zu den Highlights gefunden
haben, werden sie auch viele andere Anbieter wahrnehmen. Je nachdem wie sich diese Betriebe präsentieren, werden die Gäste auch diese
Geschäfte besuchen. In Nebenlagen werden sie sich meist nur dann
begeben, wenn es dort etwas wirklich Besonderes zu entdecken gibt.
Wie ein Shopping-Guide aus Sicht des örtlichen Handels oder des innerstädtischen Gewerbes konzipiert werden muss, damit er einen möglichst großen Nutzen für die Unternehmen entfaltet, hängt allerdings
von mehreren Faktoren ab: von der Größe des Ortes, der Gästestruktur,
der Anzahl der Unternehmen, der Branchenvielfalt und dem touristischen und kulturellen Angebot. Für jüngere Gäste bieten sich auf jeden
Fall ein elektronischer City-Guide oder eine App und/oder der Einsatz
von QR-Codes an.
Handel und Tourismus
30
Die Aufgabe eines Einkaufsführers ist es, die Bedürfnisse des Gastes zu
wecken. In etlichen Städten wurden Einkaufsführer erstellt, die in den
Beherbergungsbetrieben, in der Tourist-Info und im Handel ausgelegt
werden. Doch auch hier kommt es auf die Art der Präsentation an. So
kann man die Einkaufsführer in einen Prospektständer legen, wo sie nur
dann und wann mitgenommen werden, oder ein Gastgeber kann aktiv
auf besondere Angebote und Events hinweisen und den Besuch so
schmackhaft machen.
Durch eine engere Kooperation der Händler mit dem Gastgewerbe im
Ort können kreative Möglichkeiten gefunden werden, den Einkaufsführer an den Gast zu bringen. So wird gemeinsam ein Mehrwert für den
Gast geschaffen.
© GRUPPE DREI GmbH
Carolin Doderer, Stellv. Geschäftsführerin GRUPPE DREI® GmbH,
Villingen-Schwenningen
Der stationäre Fachhandel, speziell in Klein- und Mittelstädten, hat zu
kämpfen. Das veränderte Konsumverhalten, der extreme Wettbewerb Stichwort: online - oder aber die gestiegenen Ansprüche an das Einkaufserlebnis sind nur wenige Beispiele mit denen sich der stationäre
Fachhandel auseinandersetzen muss. Eine entscheidende und mittel- bis
langfristig unumgängliche Maßnahme ist die Kooperation mit anderen
Händlern, der Stadt oder der Industrie; klassischerweise also Stadtmarketingorganisationen an denen alle Händler beteiligt sind.
Eine tolle, einfache und kundenbindungsorientierte Maßnahme ist zum
Beispiel ein Einkaufsführer, der die Geschäfte mit Ihren Besonderheiten,
Öffnungszeiten etc. abbildet und eventuell sogar Gutscheine oder andere
Vergünstigungen beinhaltet. Berücksichtigt werden sollten hierbei immer
print- und online-basierte Versionen.
Handel und Tourismus
14.
Strategieansätze
fürs ‚Ländle‘
© Ravensburger
31
Potenziale erkennen und gemeinsam
nutzen
Der Tourismus ist für den Einzelhandel sehr häufig Frequenzbringer,
Wirtschaftsfaktor sowie Werbepartner. Der lokale Handel ist für den
anspruchsvollen Gast ein wichtiges Glied in der touristischen Dienstleistungskette. Eine stärkere Tourismusorientierung der Einzelhandelsgeschäfte verspricht Erfolg. Dieser kann etwa durch entsprechende
Öffnungszeiten und eine herausragenden Servicequalität noch erhöht
werden. Durch eine intensivere Kooperation der Einzelhändler mit den
Betrieben der Tourismus- und Freizeitwirtschaft könnten häufiger zielgerichtete Projektideen und Konzepte zum gegenseitigen Nutzen entwickelt werden.
Aber auch die Verbesserung der Zusammenarbeit auf institutioneller
Ebene, ist aus Sicht der IHKs zu begrüßen. Die Handels- und Gewerbevereine sollten eine aktive Mitarbeit in den touristischen Vermarktungsorganisationen anstreben. In immer mehr Städten wird die Zusammenführung der Stadtmarketing-Organisationen, der Handels- und
Gewerbevereine und der örtlichen Tourist-Informationen unter einem
Dach vorangetrieben, um Synergie-Effekte zu erzielen.
© Outletcity Metzingen
© Schmuckwelten Pforzheim
© TMBW
© TMBW
© TMBW
Auch das Innenmarketing, im Sinne der Einbeziehung der Bevölkerung, ist nicht zu unterschätzen. Bei einem großen Teil der Übernachtungsreisen und Tagesausflüge handelt es sich um Bekannten- und
Verwandtenbesuche. Die jeweiligen Gastgeber sind somit entscheidende Multiplikatoren. Sie geben Tipps und Empfehlungen zum regionalen
Angebot. Eine positive Grundeinstellung der Bevölkerung zum Tourismus und zum örtlichen Handelsangebot ist somit von großem Vorteil dann kann auch die häufig zitierte „Mundpropaganda“ funktionieren.
Eine Marketingkampagne unter dem Motto „Shopping made in …“
würde zur Markenbildung beitragen. Im Auslandsmarketing werden die
Destinationsmarken „Schwarzwald“ oder „Bodensee“ mit ihren typischen Produkten für die touristische Vermarktung schon seit vielen
Jahren erfolgreich eingesetzt. Beim Shopping zählen die Marken und
Produkte, welche die Regionen repräsentieren, allen voran der
Schwarzwälder Schinken oder die Kirschtorte, aber auch hochwertige
Uhren und Schmuck, Töpfe und Besteck, Teddy-Bären oder Bekleidung.
Auch typische regionale Produkte wie Wein und Edelbrände, regionales Obst und Gemüse sowie Feinkostprodukte lassen sich gut in ein
Gesamtkonzept integrieren.
Eine Verknüpfung der bekannten Produktmarken mit den touristischen
Marken ist sinnvoll. Ein gutes Beispiel dafür ist das Mercedes-BenzMuseum in Stuttgart, welches eine weltbekannte Marke aus dem Land
repräsentiert. Hier wird Kultur, Information und Kaufmotivation verknüpft. Ebenso die Schmuckwelten in Pforzheim, die Information und
Emotion eng verbinden. Angebote wie diese lassen sich gut in ein
„Shopping-Tourismus“-Konzept einfügen.
32
Handel und Tourismus
15.
3 Tipps zum
Schluss
Vor Ort die Basis schaffen!
TIPP 1: Atmosphäre ist das A & O
Gerade in der heutigen Zeit legen alle Zielgruppen besonderen Wert auf
die stressfreie Erreichbarkeit des Shopping-Ziels, das Einkaufserlebnis,
den Komfort vor Ort sowie die Sicherheit. Diese Tendenz wird mit dem
fortschreitenden demografischen Wandel noch weiter zunehmen.
Hier eine kleine Checkliste, ob die Rahmenbedingungen stimmen:
Gibt es attraktive ÖPNV-Tarifsysteme oder kostenlose Nutzungsmöglichkeiten mit der Gästekarte?
Ist eine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleistet? Gibt es ein P & R-System?
Existiert ein einfaches Parkleitsystem?
Sind die Parkgebühren kundenfreundlich?
Ist die Beschilderung in der Stadt übersichtlich?
Gibt es einen Info-Point, an dem man schnell einen guten Überblick über das für Touristen geeignete Angebot bekommt?
Wie gut ist die Straßenbeleuchtung in der dunklen Jahreszeit?
Führt sie den Gast durch die Stadt?
Gibt es ein Beleuchtungskonzept für die zentralen innerstädtischen Bereiche und die stadtbildprägenden Gebäude? Denken sie
daran: Licht lockt Menschen an und kann eine Stadt zu einem
Gesamtkunstwerk werden lassen.
Aber auch die Frage nach einer angenehmen und modernen Toilettenanlage wird vielfach unterschätzt. Das Projekt „Nette Toilette“ gibt es zum Beispiel schon in Tübingen, Radolfzell, Nagold
und Esslingen. Die Kooperation mit der Gastronomie hat sich hier
bewährt.
Gibt es auch Ruhebereiche in der Stadt, wo sich der Gast etwas
erholen, sich bequem hinsetzen und die Stadt auf sich wirken lassen kann?
Ist die Einkaufsmeile gepflegt und sicher?
Laden die Läden zum Einkauf ein?
Werden Events mit besonderer Anziehungskraft geschaffen (z. B.
Schauwerkstätten, Candle-Light-Shopping, themenspezifische
Führungen)?
Ist ein Einkaufsführer vorhanden?
Sind die Öffnungszeiten abgestimmt?
Wird die Straßenkultur gefördert (z. B. Märkte, Feste)?
Das Ziel muss lauten, dem Gast einen so positiven Eindruck zu vermitteln, dass er gerne wieder kommen möchte und in seinem Bekanntenkreis von den Besonderheiten der Betriebe und der Atmosphäre des
Ortes oder der Stadt berichtet.
Handel und Tourismus
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TIPP 2: Unser Gäste kennen (lernen)
Business
Messe
Tagung /
Kongress
Marktforschung wird immer wichtiger. Werten sie deshalb alle verfügbaren Quellen aus oder machen Sie eigene Marktforschung. Wichtige
Kennzahlen und Informationen sind:
Shopping
Kunst &
Kultur
Event (Sport,
Musik, Fest)
Busgruppen
Zahl der Ankünfte und Übernachtungen
In welchen Betriebsarten erfolgen diese Übernachtungen?
Durchschnittliche Aufenthaltsdauer
Anteil der ausländischen Gäste und Herkunftsländer
Was sind die Besuchsanlässe?
Welche besonderen touristischen Betriebe und Freizeiteinrichtungen gibt es im Ort und der Region? Welche Zahlen und Fakten
können diese beisteuern?
Welches Potenzial wurde bisher noch wenig oder gar nicht genutzt, um weitere Attraktionen und Besuchsanlässe zu schaffen?
Welche Daten liegen zu den Verhaltensweisen der Gäste vor (z. B.
Informationsverhalten, Bewertung der Angebots- und Servicequalität, Reiseanlass, Reiseaktivitäten, Gästezufriedenheit, Weiterempfehlungsbereitschaft, Gründe für die Reiseentscheidung, Ausgabeverhalten)?
Gibt es Anregungen bzw. Verbesserungsvorschläge aus Gästesicht?
…
Nun müssen die Bedürfnisse und Erwartungen der teilweise höchst
unterschiedlichen Touristen mit ihren jeweiligen Besuchsanlässen sehr
sorgfältig analysiert werden. Jeder Besuchsanlass erfordert eine individuelle Konzeption, um die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu
wecken und zu befriedigen.
© Outletcity Metzingen
TIPP 3: Alle Partner an den Tisch holen
Zur Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie empfiehlt sich die Gründung eines Arbeitskreises. Damit alle beteiligten Akteure aus Handel,
Gastgewerbe und Dienstleistung den gleichen Wissenstand haben,
sollten zu Beginn der ersten Arbeitskreissitzung das generelle touristische Vermarktungskonzept und ggf. die Stadtmarketing-Strategie
vorgestellt und erläutert werden. Voraussetzung, damit sie mit einer
intensivierten Kooperation auch erfolgreich sein können, ist das Vorhandensein klarer Vermarktungsstrategien.
Handel und Tourismus
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Wen spreche ich an? Das differiert von Ort zu Ort, je nachdem ob und
wie die jeweiligen Gruppen organisiert sind und welche sonstigen z.B.
touristischen Vermarktungsstrukturen bestehen.
In einer Auftaktveranstaltung sollten alle potentiellen Akteure aus
Handel, Dienstleistungswirtschaft und Tourismus eingeladen werden.
Hinzu kommen Meinungsbildner, Leistungsträger und Vereinigungen.
Diese Gruppe kann ein Grundkonzept erstellen. Es versteht sich von
selbst, dass bei der Besetzung des Arbeitskreises ein ausgewogenes
Verhältnis aus den Wirtschaftszweigen zu berücksichtigen ist.
In kleineren Städten könnte der Bürgermeister die Moderatorenrolle
übernehmen. Für diese Aufgabe kommen aber auch die örtliche Wirtschaftsförderung oder die Leitung des örtlichen Tourismusbüros in
Frage.
Wann lade ich ein? Spätestens in den Herbstmonaten muss die Planung für das kommende Jahr vorbereitet werden, damit die Aktionen,
Events, Veranstaltungen und Kooperationsmaßnahmen auch in die
entsprechenden Broschüren aufgenommen werden können.
Wenden sie sich bezüglich der Vorbereitung gerne an die zuständigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Ihrer regionalen IHK.
Zugegeben: Schnelle und leichte Erfolge sind bei einer Intensivierung
der Kooperation meist nicht zu erwarten. Die notwendigen Abstimmungsprozesse können insbesondere in der Anfangsphase zeitintensiv
sein, denn es treffen unterschiedliche Wirtschaftszweige aufeinander,
die erst einmal die jeweiligen Interessen verstehen lernen müssen.
Örtliche Kooperationen bei besonderen Events und Großereignissen
funktionieren bereits recht gut. Die Chancen, die sich aber durch eine
durchgängige Verknüpfung während des ganzen Jahres ergeben können, sollten in Zukunft noch viel intensiver genutzt werden.
© Tourismus Nördlicher Schwarzwald GmbH
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Handel und Tourismus
Ihre Ansprechpartner bei den IHKs für Handel und Tourismus
Industrie- und Handelskammer
Bodensee-Oberschwaben
Bernhard Nattermann– Handel und Tourismus
Telefon: 0751 / 409-171
E-Mail: nattermann@weingarten.ihk.de
www.weingarten.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken
Christoph Oberländer – Tourismus
Telefon: 07131 / 9677-172
E-Mail: christoph.oberlaender@heilbronn.ihk.de
Herbert Feiler - Handel
Telefon: 07131 / 9677-128
E-Mail: herbert.feiler@heilbronn.ihk.de
www.heilbronn.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee
Bertram Paganini – Handel und Tourismus
Telefon: 07531 / 2860-130
E-Mail: bertram.paganini@konstanz.ihk.de
www.konstanz.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Karlsruhe
Dr. Andreas Förderer – Tourismus
Telefon: 0721 / 174-169
E-Mail: andreas.foerderer@karlsruhe.ihk.de
Nicolas Schruff – Handel
Telefon: 0721 / 174-161
E-Mail: nicolas.schruff@karlsruhe.ihk.de
www.karlsruhe.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Ostwürttemberg
Alexander Paluch – Handel und Tourismus
Telefon: 07321 / 324-179
E-Mail: paluch@ostwuerttemberg.ihk.de
www.ostwuerttemberg.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald
Elke Schönborn – Tourismus
Telefon: 07441 / 86052-17
E-Mail: schoenborn@pforzheim.ihk.de
www.tourismus-akademie.de
Hubert Spannagel – Handel
Telefon: 07231 / 201-105
E-Mail: spannagel@pforzheim.ihk.de
www.nordschwarzwald.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Reutlingen
Karin Goldstein – Handel und Tourismus
Telefon: 07121 / 201-125
E-Mail: goldstein@reutlingen.ihk.de
www.reutlingen.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar
Petra Hörmann – Tourismus
Telefon: 0621 / 1709-212
E-Mail: petra.hoermann@rhein-neckar.ihk24.de
Petra Emmerich – Handel
Telefon: 0621 /1709-160
E-Mail: petra.emmerich@rhein-neckar.ihk24.de
www.rhein-neckar.ihk.de
Industrie- und Handelskammer
Schwarzwald-Baar-Heuberg
Anne Spreitzer – Tourismus
Telefon: 07721 / 922-156
E-Mail: spreitzer@vs.ihk.de
Barbara Sand – Handel
Telefon: 07721 / 922-167
E-Mail: sand@vs.ihk.de
www.schwarzwald-baar-heuberg.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart
Claus Coschurba – Tourismus
Telefon: 0711 / 2005-1461
E-Mail: claus.coschurba@stuttgart.ihk.de
Martin Eisenmann – Handel
Telefon: 07031 / 6201-8249
E-Mail: martin.eisenmann@stuttgart.ihk.de
www.stuttgart.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein
Thomas Kaiser - Handel und Tourismus
Telefon: 07821 / 2703-640
E-Mail: thomas.kaiser@freiburg.ihk.de
www.suedlicher-oberrhein.ihk.de
Industrie- und Handelskammer Ulm
Josef Röll – Handel und Tourismus
Telefon: 0731 / 173-117
E-Mail: roell@ulm.ihk.de
www.ulm.ihk.de
Handel und Tourismus
Wie Touristen den Handel und die Innenstädte beleben
Herausgeber: Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag |www.bw.ihk.de
März 2016
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