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Full text: Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland (Rights reserved)

CHANCE EINKOMMEN KOMMUNIKATION INFORMATION UNTERHALTUNG PRIVATSPHÄRE GESCHLECHT INTERNETKOMPETENZ ÜBERFORDERUNG VERTRAUEN ONLINE VERANTWORTUNG ONLINE-COMMUNITY FREIZEIT ZUGANG WANDEL DATA ECONOMY BERUF ANGST FAMILIE DIGITALE TEILHABE SOZIALE NETZWERKE SICHERHEIT ZUKUNFT GESUNDHEIT SMARTPHONE BILDUNG FREIHEIT DIVSI Ü60-Studie Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland SENIOREN GESCHLECHT SOUVERÄNITÄT DIGITALE GESELLSCHAFT RISIKO INTERNET-MILIEU CHANCENGLEICHHEIT OFFLINE MOBILITÄT LEBENSWELT SOZIALE TEILHABE INTERNET EINKOMMEN ALTER ENKEL DIVSI Ü60-Studie Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Eine Grundlagenstudie des SINUS-Instituts Heidelberg im Auftrag des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) Hamburg, Oktober 2016 IMPRESSUM Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) Mittelweg 110B, 20149 Hamburg Matthias Kammer, Direktor Joanna Schmölz, Stellv. Direktorin und Wissenschaftliche Leitung Meike Otternberg, Dr. Dirk Graudenz, Projektteam Studien SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH, Heidelberg Projektleitung: Dr. Silke Borgstedt Projektteam: Jochen Resch, Maximilian von Schwartz, Susanne Ernst © 2016 Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) DIVSI ist eine gemeinnützige Initiative der Deutsche Post AG, gegründet im Jahr 2011. DIVSI® DIVSI Internet-Milieus® sind eingetragene Markenzeichen von Deutsche Post gemeinnützige Gesellschaft für sichere und vertrauliche Kommunikation im Internet mbH, 53113 Bonn. Erschienen: 1. Auflage, Oktober 2016 Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................................................................... 4 1. Einführung ........................................................................................................................................... 6 1.1 Hintergrund, Aufgabenstellung und zentrale Forschungsfragen ............................................... 6 1.2 Forschungsdesign: Methode und Stichprobe ............................................................................... 7 2. Zentrale Befunde ................................................................................................................................ 9 3. Bedeutung des Internets im Leben der über 60-Jährigen ............................................................ 12 3.1 Wie wichtig ist es, online zu sein? ............................................................................................... 12 3.2 Der tiefe Graben zwischen Onlinern und Offlinern .................................................................... 15 4. Treiber und Hürden auf dem Weg in die digitale Welt ................................................................... 18 4.1 Wahrgenommene Vor- und Nachteile der Digitalisierung ......................................................... 18 4.2 Die zentralen Treiber: Was digitale Teilhabe fördert .................................................................. 19 4.3 Die zentralen Hürden: Was Menschen an digitaler Teilhabe hindert ....................................... 23 4.4 Ü60-Strategien im Internet: Welche Auswirkungen haben Barrieren auf das Online-Verhalten? ........................................................................................................... 27 5. Was unterscheidet die über 60-Jährigen im Internet? .................................................................. 33 5.1 Alter, Bildung, Lebensphase und Geschlecht und ihr Einfluss auf die Nutzungsintensität ........................................................................................................ 33 5.2 Der Ansatz der DIVSI Internet-Milieus ...................................................................................... 35 6. Vorstellung der DIVSI Internet-Milieus Ü60 ................................................................................... 38 6.1 Internetferne Verunsicherte ....................................................................................................... 38 6.2 Vorsichtige Skeptiker .................................................................................................................. 44 6.3 Verantwortungsbedachte Etablierte .......................................................................................... 49 6.4 Unbekümmerte Hedonisten ....................................................................................................... 54 6.5 Effizienzorientierte Performer ................................................................................................... 60 6.6 Souveräne Realisten ................................................................................................................... 65 6.7 Netz-Enthusiasten ...................................................................................................................... 70 7. Zusammenfassung und Fazit ........................................................................................................... 76 8. Anhang: Methode und Stichprobe ................................................................................................... 79 9. Anhang: Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 81 DIVSI Studien im Überblick .................................................................................................................. 82 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 3 Matthias Kammer Direktor des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) 4 Die alten Chinesen wussten es schon lange bevor irgendjemand überhaupt von Begriffen wie Digitalisierung oder World Wide Web auch nur geträumt hat. Sie fassten ihre Erkenntnis in diese Worte zusammen: „Es zählt nicht, wie alt du bist, sondern wie du alt bist.“ Wie wahr. DIVSI, das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet, ist jetzt in der Lage, die uralte fernöstliche Weisheit zu untermauern. Die Ü60-Studie, deren Ergebnisse und Erkenntnisse wir hiermit der Öffentlichkeit vorlegen, zeigt deutlich: Das Internet gewinnt auch bei den Älteren immer mehr an Bedeutung. DIVSI hat die Untersuchung gemeinsam mit dem Sinus-Institut realisiert. Mehr als die Hälfte dieser Altersgruppe ist online. 15 Prozent, das sind immerhin mehr als drei Millionen Menschen, gehören zu den souveränen Intensivnutzern. Allein diese beiden Fakten sollten uns alle aufhorchen lassen. Denn die Ergebnisse der Untersuchung zeigen eindeutig: Auch die Senioren sehen Digitalisierung als wesentliche Entwicklung für die Zukunft unserer Gesellschaft. Sie haben erkannt: Das Internet ist ein hervorragendes Medium, Kontakte zu pflegen, auszubauen und den Anschluss an die neue Zeit nicht zu verlieren. Also alles im Lot? Ist das Internet in nächster Zukunft tatsächlich das Instrument für alle und jeden in unserer Gesellschaft? Leider nein, wie auch diese Studie offenlegt. Ein tiefer Graben zwischen Onlinern und Offlinern bleibt noch zuzuschütten. Es ist sicherlich keine menschenwürdige Lösung, einfach abzuwarten, bis sich diese Situation quasi von selbst erledigt. Immerhin 83 Prozent der Offliner sind bereits über 70 Jahre alt. Für sie gilt besonders: ohne digitale Teilhabe keine soziale Teilhabe mehr. Hier besteht Handlungsbedarf. Allerdings möchte bitte niemand in den Fehler verfallen, die noch passive Haltung mancher Ü60-Jährigen generell als Desinteresse werten zu wollen. Die bei den Senioren sehr ausgeprägte DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Foto: Frederike Heim Vorwort Risikowahrnehmung und große Sorgen vor den durchaus vorhandenen Gefahren im Internet, mehr, als sie jüngeren Menschen zu eigen sind, sollten ernst genommen werden. Die Untersuchung liefert Anknüpfungspunkte für Anstrengungen, die unsere Gesellschaft in diesem Zusammenhang unternehmen müsste, um möglichst rasch den Kurs hin zu einer für die über 60-Jährigen insgesamt positiven Entwicklung zu ändern. Ein Punkt sei besonders hervorgehoben: Digitale Angebote werden überwiegend als selbsterklärend zur Nutzung angeboten und als intuitiv bedienbar angepriesen. Die Studie zeigt, dass dies nicht ausreicht: Gerade die Älteren erwarten zusätzlich ausreichende Erklärungen. Nicht jeder mag Neuem durch Ausprobieren auf die Spur kommen. Gleichzeitig ist ein genaues Verständnis der Angebote die Voraussetzung für deren Nutzung. Laut Studie ist über 60-Jährigen längst bewusst, dass eine Nutzung des Internets ihr Leben bereichern kann. Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sollten es gemeinsam anpacken, um allen zumindest die Chance zu bieten, sich dem Internet auf einer Basis zu nähern, der sie vertrauen. Die DIVSI Ü60-Studie liefert eine Vielzahl von Fakten für neue Blickwinkel auf die Frage im Sinne der chinesischen Weisheit, „wie du alt bist“, und gibt uns Ansätze zur Entwicklung von geeigneten Maßnahmen für eine bessere Teilhabe am sozialen Leben in der digitalen Zeit.  Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre und freue mich auf Reaktionen. Matthias Kammer Direktor DIVSI DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 5 1. Einführung 1.1 Hintergrund, Aufgabenstellung und zentrale Forschungsfragen Silver Ager, Best Ager, X-Plus-Generation – so lauten die mehr oder weniger gelungenen Wortkreationen zur Beschreibung „älterer Menschen“ in unserer Gesellschaft. Ca. 27 Prozent der deutschen Bevölkerung sind über 60 Jahre alt – Tendenz steigend. Kein Wunder also, dass seit Jahren Produktindustrien, Interessenvertreter und Medien um die Gunst der Ü60er ringen, sei es hinsichtlich Absatz oder Wählerstimmen. Dennoch ist das Feld der veröffentlichten empirischen Untersuchungen zu den älteren Generationen überschaubar.1 Dies erklärt unter Umständen auch, weshalb diverse Vorurteile und Verallgemeinerungen über diese Gruppe Bestand haben – sowohl in die eine Richtung („die kaufkräftigste und konsumfreudigste Altersgruppe“) wie auch in die andere („technische Analphabeten mit Faible für Volksmusik“). Auch zur Frage der Teilhabe der älteren Generationen an der digitalen Welt gibt es jenseits der Unterscheidung zwischen Onlinern und Offlinern nur vage Vermutungen; wie sich über 60-Jährige im Internet bewegen, welche Motive und Barrieren ihr Verhalten beeinflussen und welche Haltungen sie bei Fragen zu Vertrauen und Sicherheit im Internet einnehmen, ist noch gänzlich unbekannt. Aufgrund der reinen Abfrage von Online-Zugängen im Haushalt, der Nutzungsintensität und der Gerätenutzung allein2 können hierzu zumindest keine relevanten Erkenntnisse gewonnen werden. Die vorliegende Untersuchung nimmt daher die über 60-Jährigen in Deutschland und ihr Leben in einer zunehmend digitalisierten Welt näher unter die Lupe. Dabei zeigt sich, dass sich zwar übergeordnete Erkenntnisse zur Gruppe der Älteren in puncto Digitalisierung beschreiben lassen; wesentlicher ist aber festzuhalten, dass es auch in dieser Altersgruppe hierzu äußerst unterschiedliche Denkweisen und Zugänge gibt. Die Zusammenfassung von über 60-Jährigen (oder gar über 50-Jährigen, wie häufig zu lesen) zu einer „Zielgruppe“, die mit gleichen Angeboten und Dienstleistungen angesprochen werden könnte, ist daher kaum Erfolg versprechend und wird der Vielfalt dieser Alterskohorte nicht gerecht – zumal es sich bei den über 60-Jährigen um eine Gruppe handelt, der in den kommenden Jahren fast jeder Dritte in Deutschland angehören wird.3 Es ist somit sinnvoll, bei den etwas Älteren, d.h. über 60-Jährigen anzusetzen und von dort aus entsprechende Differenzierungen vorzunehmen. Aber wie unterscheiden sich die über 60-Jährigen in Deutschland voneinander und auch von der Gesamtbevölkerung hinsichtlich ihrer Einstellungen zum Internet und insbesondere mit Fokus auf Vertrauen und Sicherheit in der digitalen Welt? Welche Merkmale und Einstellungen verbinden sie? Welche trennen sie? Um sich diesen Fragen zu nähern, wurde Folgendes operationalisiert: Zentrale Fragekomplexe der Untersuchung Ziel der Studie ist es, Einstellungen und Verhaltensmuster der Menschen über 60 Jahren im Kontext Internet in der Tiefe zu verstehen. Dabei geht es darum, detailliert zu erfassen, ob und inwiefern 1 Statistisches Bundesamt: Die Generation 65+ in Deutschland. 2015: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/ Pressekonferenzen/2015/generation65/Pressebroschuere_generation65.pdf?__blob=publicationFile 2 BITKOM: Senioren in der digitalen Welt. 2014: https://www.bitkom.org/Presse/Anhaenge-an-PIs/2014/Dezember/141212BITKOM-Praesentation-Senioren-in-der-Digitalen-Welt-12-12-2014.pdf 3 Bundeszentrale für politische Bildung: Bevölkerungsentwicklung und Altersstruktur: https://www.bpb.de/nachschlagen/ zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61541/altersstruktur 6 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland ältere Menschen am digitalen Leben teilnehmen, was Teilhabe dabei genau ausmacht und was die jeweiligen Treiber und Barrieren sind. Im Zentrum der Studie stehen die folgenden Themenbereiche: Digitalisierungslevel ■ ■ ■ Wie oft, wie lange, womit und wofür gehen die über 60-Jährigen ins Internet? Offenheit gegenüber dem Internet Selbst zugeschriebene Online-Kompetenz Chancen und Risiken in der digitalen Welt ■ ■ Wahrgenommene Vor- und Nachteile der Digitalisierung Bewertung von Risiken und daraus folgende Konsequenzen Einstellungen zu Vertrauen und Sicherheit im Internet ■ ■ Sicherheitsgefühl und Sicherheitsmaßnahmen Wer ist verantwortlich, und wem vertraut man bezüglich Sicherheitsfragen im Netz? Privatsphäre und Personal Data Economy ■ ■ Umgang mit persönlichen Daten Einstellungen gegenüber der Ökonomisierung der eigenen Daten Mit der Thematisierung der o.g. Fragen zeichnet die vorliegende Studie erstmals ein umfassendes Bild der über 60-Jährigen in der digitalen Welt. Zusätzliche Alleinstellungsmerkmale der Untersuchung sind zum einen die Möglichkeit des zeitlichen Vergleichs mit der Situation vor vier Jahren; zum anderen können durch die zeitgleich mit der vorliegenden Untersuchung erhobenen Daten für die Gesamtbevölkerung auch etwaige Gemeinsamkeiten und Unterschiede dargestellt werden (vgl. Kapitel 1.2 Forschungsdesign). 1.2 Forschungsdesign: Methode und Stichprobe Da bisher nur wenig über die Einstellungen und Handlungslogiken der über 60-Jährigen im Kontext Internet bekannt ist, wurde ein zweistufiges Erhebungsverfahren gewählt, um die jeweiligen Ansichten zunächst grundlegend verstehen und sie dann in ihrer Relevanz für die Gesamtheit dieser Altersgruppe wie auch in ihrer Bedeutung in den einzelnen Lebenswelten gewichten zu können. Die folgende Grafik zeigt einen Überblick über das zweistufige Forschungsdesign. Detaillierte Informationen zum methodischen Vorgehen und zur zugrunde liegenden Stichprobe finden sich im Anhang dieses Berichts. DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 7 Forschungsdesign Modul 1: Qualitative Vorstudie Modul 2: Quantitative Repräsentativbefragung Im Rahmen einer qualitativen Leitstudie wurde das thematische Feld geöffnet und in seiner Reichweite und Struktur bestimmt: Im Rahmen einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung wurden die in Modul 1 gebildeten Hypothesen operationalisiert und quantifiziert: 34 ethnografische In-Home-Interviews mit Vertretern ab 60 Jahren aus allen 7 Internet-Milieus: Quantitative Befragung der deutschen Wohnbevölkerung ab 60 Jahren in Form von persönlichen computergestützten Interviews (CAPI) ■ Interviewzeit ca. 2 Stunden ■ Fotografische Dokumentation des Wohnumfelds ■ N = 1.091 ■ Befragungsdauer ca. 40 Minuten Erhebungszeitraum: August – Oktober 2015 Erhebungszeitraum: Oktober – November 2015 Um Veränderungen bei den Ü60-Jährigen bezüglich Nutzungsverhalten und Einstellung gegenüber dem Internet zu identifizieren, wurden zudem aus der DIVSI Milieu-Studie 2012 die Ergebnisse der Ü60-Jährigen ausgewertet. Ziel der Erhebung war neben der Quantifizierung der qualitativen Erkenntnisse die Entwicklung einer Zielgruppentypologie hinsichtlich Vertrauen und Sicherheit im Internet. Die Ergebnisse der qualitativen Leitstudie und der Repräsentativbefragung wurden schließlich in einem integrierten Bericht zusammengeführt. Die Anlage der Studie ermöglicht einen direkten Vergleich mit zwei weiteren Studien des DIVSI: ■ Im Rahmen der Auswertung wurden zum einen Bezüge zur DIVSI Milieu-Studie 20164 hergestellt, in der zu den zentralen Themenblöcken die exakt gleichen Fragen an die Gesamtbevölkerung gestellt wurden. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit, die Ergebnisse der Untersuchung immer auch im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zu betrachten, um damit einzelne Erkenntnisse zu relativieren oder besonders hervorzuheben. ■ Zudem wurde aus der DIVSI Milieu-Studie 20125 die Gruppe der über 60-Jährigen herausgefiltert, um so auch einen Zeitvergleich zu ermöglichen. Damit werden nicht nur aktuelle Einstellungen dargestellt, sondern können auch Aussagen über die Dynamik spezifischer Ansichten gemacht werden und lassen sich Trends zu jenen Aspekten identifizieren, die sich im Denken und Handeln der Menschen verändert haben. 4 DIVSI (2016): DIVSI Internet-Milieus 2016. Die digitalisierte Gesellschaft in Bewegung. Hamburg. 5 DIVSI (2012): DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet. Hamburg. 8 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 2. Zentrale Befunde Bei den über 60-Jährigen in Deutschland hat das Internet eine hohe Bedeutung im Alltag. ■ ■ 44 Prozent in dieser Altersgruppe halten das Internet für die beste Erfindung, die es je gab. 38 Prozent möchten an dem teilhaben, was im Internet geschieht. Dieser Wert ist in den letzten vier Jahren um 11 Prozentpunkte gestiegen (2012: 27 Prozent). 48 Prozent der über 60-Jährigen sind Offliner – das sind ca. 10 Millionen Menschen in Deutschland. Der Graben zwischen Onlinern und Offlinern ist in dieser Bevölkerungsgruppe somit deutlich existent. ■ ■ Ü60-jährige Onliner sind häufiger im Netz als vor vier Jahren: Fast doppelt so viele nutzen das Internet mittlerweile täglich (2016: 22 Prozent; 2012: 14 Prozent). Bei Ü60-jährigen Offlinern ist die Distanz zum Internet in den letzten Jahren noch größer geworden. Sie fühlen sich von der Komplexität des Internets überfordert, sehen größtenteils keinen Nutzen darin und lehnen es daher ab. Gegenüber 2012 haben die Vorbehalte zugenommen. Die wesentlichen Treiber für die zunehmende Internetnutzung unterscheiden sich nicht von denen in der Gesamtbevölkerung. ■ Wahrgenommene Informationsfülle und der Zugang zu günstigen Diensten und Angeboten: Für 79 bzw. 76 Prozent der über 60-Jährigen sind dies wesentliche Anreize, online zu sein. haben in den vergangenen vier Jahren enorm an Bedeutung im digitalen Alltag der über 60-Jährigen gewonnen (Besitzzunahme von 4 auf 24 Prozent). Kommunikations- und Interaktionsangebote: Für diejenigen, die das Internet mobil nutzen, sind vor allem Messenger-Dienste attraktiv, um mit Freunden und Familienmitgliedern in Kontakt zu sein. Berufstätigkeit: Ob ältere Menschen das Internet nutzen, hängt in großem Maße davon ab, ob sie noch im Berufsleben stehen oder nicht. Bei den Erwerbstätigen über 60 Jahren gibt es nur 9 Prozent Offliner. ■ Mobiles Internet: Smartphones ■ ■ Nicht nur für Offliner, sondern auch für Onliner gibt es Hürden bei der Internetnutzung. ■ ■ Auch Onliner zeigen Unsicherheiten im Umgang mit dem Internet und sehen in Online-Angeboten Risiken, denen sie nicht immer souverän begegnen können. Die Mehrheit der Ü60-Jährigen legt großen Wert auf die Bewahrung der Privatsphäre im Internet. Auch wenn Social-Media-Angebote ein wichtiger Treiber der Internetnutzung sind, existieren große Vorbehalte gegen die Veröffentlichung persönlicher Daten. DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 9 Die über 60-Jährigen haben unterschiedliche Verhaltensweisen entwickelt, um mit den Risiken bzw. Unsicherheiten im Internet umzugehen. ■ ■ ■ ■ Ü60-Jährige verzichten auf Angebote, die ihnen zu unsicher erscheinen: ■ Allen Services, bei denen es um das eigene Geld geht (Online-Banking, Online-Shopping) oder die persönlichen Daten (Soziale Netzwerke), begegnen sie mit Skepsis. ■ Sie verzichten eher als die Gesamtbevölkerung auf bestimmte Dienste aufgrund von Sicherheitsbedenken. Suche nach Unterstützung: Viele sind auf Hilfe Dritter angewiesen und suchen diese aktiv auf, indem sie z.B. bestimmte Angebote nur mit Unterstützung von (meist jüngeren) Familienmitgliedern nutzen. Forderung nach Verantwortungsübernahme durch Staat und Unternehmen: 71 Prozent sehen den Staat in der Pflicht, mehr für die Sicherheit im Internet zu tun; 85 Prozent meinen, die Unternehmen müssen für einen besseren Datenschutz sorgen. Gleichzeitig betonen 59 Prozent die Eigenverantwortung im Umgang mit dem Internet. Pragmatismus: Die über 60-jährigen Onliner gehen davon aus, dass sich das Internet nicht vollständig kontrollieren und sichern lässt. Zwar sehen die meisten von ihnen den Staat und Unternehmen in der Verantwortung, für Sicherheit im Internet zu sorgen; trotzdem sollte die Freiheit im Netz nicht zugunsten von mehr Kontrolle eingeschränkt werden. Jenseits zusammenfassender Aussagen über die Gruppe der über 60-Jährigen in Deutschland gibt es wesentliche Unterschiede in ihrem Online-Verhalten und ihren Einstellungen. Mit Blick auf die Nutzungsintensität zeigen sich vor allem soziodemografische bzw. lebensphasenspezifische Effekte. ■ ■ ■ ■ ■ ■ 10 Vor allem Alter, formaler Bildungsgrad und Einkommen haben einen großen Einfluss auf das Internetnutzungsverhalten der Ü60er und ihre Einstellungen zum Internet. Der Anteil der Offliner ist bei den jüngeren Befragten (60 bis 69 Jahre) deutlich geringer als bei den älteren (über 70 Jahre): 83 Prozent der Offliner sind über 70 Jahre alt. 81 Prozent der Offliner verfügen nur über einen einfachen formalen Bildungsgrad; nur 7 Prozent haben einen hohen formalen Bildungsgrad. Formal höher Gebildete nehmen sich selbst als deutlich kompetenter im Umgang mit dem Internet wahr als formal geringer Gebildete. Sie nutzen mehr Online-Angebote (z.B. Online-Shopping, Online-Banking oder Chatten) und sind weniger auf die Hilfe anderer angewiesen. Das Einkommen der Offliner ist meist niedrig: 71 Prozent haben ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 2.000 Euro. Nur 9 Prozent der Erwerbstätigen über 60 Jahren sind Offliner, aber 58 Prozent der Rentner und Pensionäre. DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Hinsichtlich der Einstellungen zu Vertrauen und Sicherheit im Internet und des übergeordneten Teilhabewunsches ist insbesondere die grundlegende Wertehaltung der Menschen maßgeblich. Souveräne Intensiv-Nutzer, für die das Internet nicht nur selbstverständliche Infrastruktur, sondern der digitale Lebensstil ein Abgrenzungsmerkmal gegenüber Gleichaltrigen ist (Internet-Milieus: Effizienzorientierte Performer, Souveräne Realisten, Netz-Enthusiasten). Internetfernes Segment (47 Prozent): Skeptische Internetnutzer oder Offliner, die dem Internet eher distanziert gegenüberstehen, Angst vor dem digitalen Wandel haben und sich selbst nicht souverän fühlen, den wahrgenommenen Risiken adäquat begegnen zu können (Internet-Milieus: Internetferne Verunsicherte). Segment mit hohem Teilhabepotenzial (38 Prozent): Internetnutzer, die gern mehr online unternehmen würden, als sie es bisher tun – teils aus Sicherheitsbedenken, teils aus geringer selbst zugeschriebener Internetkompetenz oder Unbedarftheit. Sie sehen den digitalen Wandel als Chance für die Zukunft, wissen aber nicht, ob sie umfassend teilhaben können oder angesichts bestehender Bedenken/Unsicherheiten wollen (Internet-Milieus: Verantwortungsbedachte Etablierte, Vorsichtige Skeptiker, Unbekümmerte Hedonisten). ■ Internetnahes Segment (15 Prozent): ■ ■ Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen sind ähnlich vielfältig wie die der jüngeren Altersgruppen. Entsprechend ist der Grad der digitalen Teilhabe in den verschiedenen Lebenswelten unterschiedlich ausgeprägt. Dabei gibt es eine große Gruppe von 38 Prozent der über 60-Jährigen, die mehr Teilhabe am digitalen Leben wünscht und konkrete Ansatzpunkte aufzeigt, wie dies erreicht werden kann. DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 11 3. Bedeutung des Internets im Leben der über 60-Jährigen 3.1 Wie wichtig ist es, online zu sein? Auf das „Dabei-Sein“ kommt es an: Menschen über 60 möchten am Internet teilhaben Die fortschreitende Digitalisierung verändert unseren Alltag umfassend. Ob über oder unter 60 Jahren – fast jeder hat daher mittlerweile eine Meinung zu Smartphones, Internet und Social Media, unabhängig davon, ob er oder sie diese Geräte oder Anwendungen selbst nutzt. Menschen über 60 Jahren begegnen den digitalen Neuerungen mit sehr unterschiedlichen Haltungen – von Neugier und Faszination bis hin zu bewusster Distanz oder Desinteresse. Wer im Internet unterwegs ist, macht dies aber nicht nur, um bisherige Aktivitäten schneller, günstiger oder bequemer zu erledigen. Die viel beschworene Erleichterung von Einkauf und Behördengängen sowie weitere Vereinfachungsargumentationen, mit denen insbesondere ältere Menschen adressiert werden, sind zwar relevant, aber längst nicht der alleinige Anreiz. Ü60-Jährige „whatsappen“ und „skypen“ mit Freunden und Familie, organisieren Wochenendausflüge online oder lassen sich für die nächste Reise inspirieren. Für viele von ihnen ist das Internet mittlerweile ein fester Bestandteil des Lebens geworden, für ein Drittel ist ein Leben ohne Internet gar nicht mehr vorstellbar. Vor allem der Wunsch, an dem teilzuhaben, was im Internet geschieht, ist in den letzten vier Jahren in dieser Altersgruppe um 11 Prozentpunkte gestiegen (2012: 27 Prozent; 2016: 38 Prozent). D.h. es geht nicht nur um zeitsparende Online-Suchmaschinen oder praktische Apps, sondern darum, insgesamt auf dem Laufenden bleiben zu wollen. Dies ist gerade angesichts der Tatsache von großer Bedeutung, dass digitale Teilhabe immer mehr zu einer Voraussetzung sozialer Teilhabe wird. Teilzuhaben meint dabei die Möglichkeit, an den Infrastrukturen und Angeboten einer Gesellschaft umfassend partizipieren zu können und dadurch ein gleiches Maß an sowohl beruflichen wie auch privaten Chancen zu erlangen. Wenn immer mehr Bereiche des Alltags online gesteuert sind, ist soziale Teilhabe somit nur noch möglich, wenn auch digitale Teilhabe gewährleistet ist. Persönliche Bedeutung des Internets und Teilhabewunsch in Prozent,Top-2-Werte einer 4er-Skala Das Internet ist eine der besten Erfindungen, die es je gab 44 2012 nicht gefragt 38 Ich möchte an dem teilhaben, was im Internet passiert 27 Ein Leben ohne Internet wäre für mich persönlich nicht vorstellbar 21 In Sachen Internet will ich immer auf dem neuesten Stand der Technik sein 21 29 27 2016 Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 12 ■ Ü60 2016 ■ Ü60 2012 2012 Basis: 615 Fälle (alle Befragten Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland „Ohne Internet geht es gar nicht mehr. Bestimmte Sachen, die könnte man vielleicht noch so regeln, so wie eben davor, aber ansonsten, die Kommunikation. Das geht doch alles klack, klack.“ (81 Jahre, weiblich) „Ja, also, Mails abrufen und das Online-Banking mache ich eigentlich jeden Morgen. Dann habe ich auch gleich Gelegenheit, mit meiner Frau kurz zu sprechen, wenn irgendwas ist.“ (73 Jahre, männlich) „Früher war es schön, nicht immer erreichbar zu sein. Allerdings ist es schon hilfreich, wenn ich eine Sau geschossen habe, auf dem Hochsitz zu sitzen und den Jagdfreunden schnell eine WhatsApp zu schreiben oder schnell ein Foto zu schießen.“ (63 Jahre, männlich) Immer mehr über 60-Jährige sind täglich im Netz Zwar nutzen die über 60-Jährigen das Internet weitaus seltener als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung in Deutschland, die Internetnutzung hat sich in dieser Alterskohorte in den letzten vier Jahren aber deutlich intensiviert: Knapp ein Viertel nutzt das Internet inzwischen täglich, 2012 waren es nur 14 Prozent. Die relative Steigerungsrate ist damit sogar etwas höher als die bei der Bevölkerung in Deutschland insgesamt (2012: 38 Prozent täglich online; 2016: 59 Prozent). Häufigkeit der Internetnutzung im Zeitvergleich Wie häufig nutzen Sie persönlich das Internet? in Prozent Täglich 14 21 22 Mehrmals pro Woche 6 Ein paarmal pro Monat Seltener ■ Ü60 2016 ■ Ü60 2012 22 3 9 4 48 Nie 2016 Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 51 2012 Basis: 615 Fälle (alle Befragten Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 13 Die wichtigsten Online-Aktivitäten Bei den über 60-Jährigen nutzen fast alle Onliner das Internet für zwei Dinge: E-Mail-Kommunikation und Recherche. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen den Alterskohorten über 60 Jahren und der Gesamtbevölkerung (jeweils ca. 90 Prozent Nutzung). Die anderen Internet-Aktivitäten haben für den Großteil der Befragten nach wie vor eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Am größten fällt die Differenz zum Bevölkerungsdurchschnitt bei den Unterhaltungsangeboten (Games, Musik- und Filmstreaming), Social-Media-Aktivitäten und Chat bzw. Instant Messaging aus. Gleichzeitig sind Letztere die wesentlichen Treiber für die intensivere Internetnutzung. Gerade die Älteren beginnen, sich immer mehr für Chat-Dienste (2012: 18 Prozent; 2016: 26 Prozent) und die aktive Teilnahme an Social Media (2012: 3 Prozent; 2016: 14 Prozent) zu öffnen. Internet-Aktivitäten der über 60-Jährigen Sagen Sie mir bitte, welche der folgenden Möglichkeiten Sie zumindest gelegentlich im Internet nutzen? in Prozent E-Mails versenden/empfangen 87 Suche nach Informationen und Inhalten 86 90 65 66 Online-Nachrichten lesen 41 Online-Shopping Auf Webseiten Kommentare, Bewertungen oder Rezensionen lesen 35 32 Online-Banking 26 Chatten bzw. Instant Messaging Einstellen eigener Beiträge wie Bilder, Videos, Texte in Foren, Blogs oder Sozialen Netzwerken 14 Online-Spiele in Sozialen Netzwerken und auf Webseiten spielen Streamen von Musik und Filmen über registrierpflichtige Online-Dienste wie z.B. Netflix, Spotify und iTunes 90 46 50 61 34 9 6 58 23 19 Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) ■ Ü60 ■ Gesamt* *Basis: 2.102 Fälle (Onliner Gesamtbevölkerung) „Oder ich habe dann noch dieses WhatsApp, da bin ich aber dann eher zu gezwungen worden von meinen Kollegen, die gesagt haben, wir müssen irgend so ein Kommunikationsmittel haben, wo wir uns untereinander verständigen, ohne das jedem einzeln schreiben zu müssen. Dafür ist es ganz gut, da bin ich mit eingestiegen.“ (63 Jahre, männlich) 14 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 3.2 Der tiefe Graben zwischen Onlinern und Offlinern Knapp die Hälfte der Menschen über 60 Jahre sind Offliner – dies hat sich in den vergangenen vier Jahren kaum verändert. Das ist Grund genug, diese Gruppe und ihre Internet-Barrieren genauer in den Blick zu nehmen. Sind es Sicherheitsbedenken oder eine wahrgenommene Komplexität, die dem Zugang zum Internet im Wege stehen? Oder sehen Offliner schlicht und ergreifend wenig Sinn darin, das Internet für sich zu entdecken und zu nutzen? Der Anteil der Offliner steigt mit dem Alter an. So zählt in der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen nur eine Minderheit von 13 Prozent zu den Offlinern, in der Gruppe der 70- bis 74-Jährigen ist es aber bereits über die Hälfte (61 Prozent), und bei den über 80-Jährigen geht ein nochmals deutlich höherer Anteil (89 Prozent) nie ins Internet. Offliner zu sein, trifft somit vor allem auf „die Älteren unter den Alten“ zu – eine Entwicklung, die sich in den kommenden Jahren noch verstärken dürfte, wenn immer mehr Menschen ins Rentenalter eintreten, die im Laufe ihres Berufslebens mit immer größerer Wahrscheinlichkeit Kontakt zum Internet hatten. Anteil der Offliner je Alterskohorte in Prozent 11 22 39 73 87 78 89 75 – 79 Jahre Über 80 Jahre 61 27 13 60 – 64 Jahre 65 – 69 Jahre 70 – 74 Jahre ■ Anteil Offliner ■ Anteil Onliner Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) Die folgende Grafik zeigt die altersspezifische „Online-Schwelle“ deutlich auf: Im Alter von 70 Jahren kippt das Verhältnis von Onlinern zu Offlinern, d.h., die Menschen über 70 Jahre gehören mit größerer Wahrscheinlichkeit zu den Offlinern als zu den Onlinern. Altersspezifische Verteilung der über 60-jährigen Onliner und Offliner in Prozent 100 90 80 70 60 ■ Anteil Offliner ■ Anteil Onliner 50 40 30 20 10 0 60 – 61 62 – 63 64 – 65 66 – 67 68 – 69 70 – 71 72 – 73 74 – 75 76 – 77 78 – 79 Ü80 Jahre Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 15 Jenseits des Alters entscheiden vor allem der formale Bildungsgrad und das – damit häufig korrespondierende – Haushaltsnettoeinkommen darüber, ob Menschen regelmäßig online sind oder nicht. Das Geschlecht ist in diesem Zusammenhang weniger relevant. Demografisches Profil der Offliner Ü60 in Prozent männlich 60 – 69-Jährige weiblich 46 17 54 Hohe Bildung 7 81 Bildung 83 Alter in Jahren Geschlecht Niedrige Bildung Über 70-Jährige Mittlere Bildung 12 71 Haushaltsnettoeinkommen in Euro Median: 1.750 – 2.000 5 1 23 ■ < 2.000 ■ 2.000–4.000 ■ > 4.000 ■ k.A. Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 81 Prozent der Offliner verfügen über einen einfachen formalen Bildungsgrad. Dieser Anteil liegt damit deutlich über dem Anteil der Niedriggebildeten bei den über 60-Jährigen insgesamt (58 Prozent). 71 Prozent der Offliner haben zudem ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 2.000 Euro (Ü60 gesamt: 52 Prozent). Das Interesse am Internet ist gestiegen – allerdings auch die Unsicherheit Die größte Barriere bei der Internetnutzung ist nicht mehr wie noch vor vier Jahren die fehlende Nutzenwahrnehmung. Heute sagt zwar noch immer knapp die Hälfte, dass sie im Internet für sich keinen Nutzen erkennen kann, das noch gewichtigere Argument ist jedoch die empfundene Komplexität. 2012 und auch heute sagen 54 Prozent, dass sie das Internet zu kompliziert finden und es deswegen nicht nutzen. Folgerichtig ist auch der Anteil derer gestiegen, die heute mehr noch als vor vier Jahren das Internet nicht nutzen, weil sie Angst haben, dabei etwas falsch zu machen. Dies unterscheidet sich erheblich von der Haltung insbesondere jüngerer Menschen (unter 25 Jahren), die einhellig der Meinung sind, das Internet sei „ganz einfach und daher könne es sich jeder selbst beibringen“.6 6 Calmbach et al. (2016): Wie ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Wiesbaden. Und: DIVSI (2014): DIVSI U25-Studie – Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der digitalen Welt. Hamburg. 16 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Diese vermeintliche Dynamik der Vereinfachung im Rahmen der Digitalisierung findet sich auch in vielen Medienberichten: Digitale Geräte würden zunehmend einfacher, und man könne sie „intuitiv“ bedienen. Die Befragten vertreten diesbezüglich offenbar jedoch eine deutlich andere Meinung. Gründe der Offliner gegen die Nutzung des Internets im Zeitvergleich Aus welchen Gründen nutzen Sie das Internet derzeit nicht? in Prozent In meinem Alltag benötige ich kein Internet 54 2012 nicht gefragt 54 54 Das Internet ist zu kompliziert Das Internet ist nichts für Menschen in meinem Alter 50 2012 nicht gefragt 48 Ich sehe keinen Nutzen für mich Ich erledige meine Aufgaben lieber im direkten persönlichen Kontakt Internetfähige Geräte (z. B. Laptops, Smartphones, Tablets) sind mir zu kompliziert 38 20 Das Internet ist mir zu zeitaufwendig Keiner dieser Gründe trifft auf mich zu Es gibt keinen Internetzugang an meinem Wohnort 27 18 Es gab bislang noch keinen konkreten Anlass Ich weiß nicht, was das Internet ist 28 20 Ich habe Angst, dabei etwas falsch zu machen 8 41 33 2012 nicht gefragt Ich habe kein Vertrauen in die Sicherheit im Internet 57 25 10 5 2012 nicht gefragt 1 6 1 2 Weiß nicht 0 0 2016 Basis: 531 Fälle (Offliner Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland ■ Ü60 2016 ■ Ü60 2012 2012 Basis: 300 Fälle (Offliner Ü60) 17 4. Treiber und Hürden auf dem Weg in die digitale Welt 4.1 Wahrgenommene Vor- und Nachteile der Digitalisierung Wie schätzt die ältere Bevölkerung generell die rasante Entwicklung der Digitalisierung ein? Ist sie eher optimistisch, oder blickt sie sorgenvoll in die Zukunft? Und wie unterscheidet sich dies von der Gesamtheit der Menschen in Deutschland? 53 Prozent der über 60-Jährigen sind der Ansicht, dass das Internet insgesamt mehr Chancen als Risiken birgt. In der Gesamtbevölkerung sehen dies 72 Prozent so. Dies lässt zunächst vermuten, dass die Älteren hinsichtlich digitaler Entwicklungen skeptischer sind. Bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass sich eine stärkere Risiko-Perspektive vor allem ab einem Alter von über 70 Jahren ausprägt: Während 70 Prozent der 60- bis 69-Jährigen noch eher Chancen als Gefahren sehen, sind es bei den über 70-Jährigen nur noch 41 Prozent. Auch mit Blick in die Zukunft urteilen die über 60-Jährigen deutlich verhaltener: 59 Prozent macht die Vorstellung, dass künftig vieles nur noch über das Internet möglich sein könnte, Angst (60- bis 69-Jährige: 50 Prozent; über 70-Jährige: 66 Prozent); in der Gesamtbevölkerung sind es 38 Prozent. Die Älteren sehen ähnliche Vor- und Nachteile der Digitalisierung wie die gesamte deutsche Bevölkerung Bei der genaueren Abfrage konkreter Innovationen, die durch die Digitalisierung (Gesundheit, Verkehr etc.) realisierbar sind bzw. wären, unterscheiden sich die Ansichten der über 60-Jährigen kaum vom Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Mehrheitlich sehen die älteren Menschen in der Sammlung und Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten durch deutsche oder ausländische Geheimdienste einen Nachteil. Den größten persönlichen Nutzen sehen sie hingegen in den Bereichen Gesundheit, Straftatenverfolgung und in der digitalen Vernetzung des Straßenverkehrs. Vor- und Nachteile der Digitalisierung ■ meistgenannte Vorteile ■ meistgenannte Nachteile Item in Prozent „Bitte sagen Sie uns, ob Sie in den folgenden Beispielen für sich persönlich eher einen Vorteil oder einen Nachteil sehen?“ Nachteil Weder noch Vorteil Thema nicht bekannt k.A. Ü60 Gesamt* 26 27 23 26 45 41 4 3 2 3 Ü60 Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten Gesamt* zur Verhütung/Verfolgung schwerer Straftaten 30 32 23 25 38 35 6 5 3 Digitale Vernetzung des Straßenverkehrs Ü60 Gesamt* 17 15 27 28 39 45 10 7 3 7 5 Sammlung und Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten durch deutsche Geheimdienste Ü60 Gesamt* 50 51 19 21 21 20 5 4 5 4 Sammlung und Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten durch ausländische Geheimdienste Ü60 Gesamt* 59 61 17 17 14 14 5 5 5 3 Speicherung des eigenen Surfverhaltens (z.B. durch Cookies) Ü60 Gesamt* 39 45 24 26 16 17 13 7 8 5 Sammlung und Nutzung von persönlichen Daten durch Unternehmen (z.B. Google, Amazon) Ü60 Gesamt* 50 54 18 20 14 18 10 4 8 4 Speicherung von persönlichen Gesundheitsdaten (z.B. auf der Gesundheitskarte) Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 18 *Basis: 2.683 Fälle (alle Befragten Gesamtbevölkerung) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 4.2 Die zentralen Treiber: Was digitale Teilhabe fördert  Kommunikation und Unterhaltung sind wichtiger als Gesundheits-Checks Die Gründe für die Internetnutzung der Ü60er sind vielfältig: Für vier von fünf Personen sind die Möglichkeiten relevant, im Internet nach Informationen zu suchen (79 Prozent) sowie Zugang zu günstigen Dienstleitungen und Angeboten zu haben (76 Prozent). Die Tatsache, dass zwar die Informationssuche online, etwa zur Vorbereitung auf einen Einkauf, wichtig ist, Online-Shopping aber weniger zum Einsatz kommt, deutet darauf hin, dass insbesondere ältere Menschen Online- und Offline-Kanäle beim Einkauf miteinander verbinden, häufig bezeichnet als sogenannter ROPO-Stil (research online, purchase offline). Die Erleichterung des privaten Alltags spielt ebenso eine große Rolle (75 Prozent) wie die Möglichkeit, vieles schnell erledigen zu können (71 Prozent). Für rund zwei Drittel der über 60-Jährigen sind auch die Kommunikations- und Unterhaltungsmöglichkeiten, die das Internet ihnen bietet, von Bedeutung. Mit der Zunahme der über 60-jährigen Smartphone-Besitzer ist aber auch das Kommunizieren über Messaging-Dienste wie WhatsApp oder Skype von steigender Bedeutung (44 Prozent) – vor allem wenn es darum geht, Kontakt mit Bekannten oder Familienmitgliedern zu halten, die nicht in der Nähe wohnen. Auch in dieser Altersgruppe sind Online-Dienste mittlerweile eine zentrale Infrastruktur, um mit anderen Menschen in Verbindung bleiben zu können. Die Kommunikation mit bekannten Bezugspersonen ist dabei wesentlich wichtiger („Mit Freunden und Bekannten in Kontakt bleiben können“: 64 Prozent Zustimmung) als das Kommunizieren im öffentlichen Raum, beispielsweise um neue Personen kennenzulernen (31 Prozent) oder sich Interessengruppen wie Vereinen oder Initiativen anzuschließen (36 Prozent). Die Möglichkeiten zur Überwachung des eigenen Gesundheitszustandes sowie zur Fernsteuerung und Vernetzung von Haushaltsgeräten über das Internet werden nur von wenigen als persönlich relevant eingestuft (13 bzw. 12 Prozent). Dies ist insofern interessant, als vor allem diese beiden Bereiche in der werbetreibenden Industrie zuweilen als zentrale Märkte für „Senioren“ gesehen werden. Ich Persönliche Relevanz verschiedener Aspekte des Internets (1) „Uns interessiert, wie wichtig für Sie folgende Aspekte des Internets sind.“ in Prozent, Top-2-Werte einer 4er-Skala Die große Informationsfülle 79 Zugang zu günstigen Dienstleistungen und Angeboten 76 Erleichterung im privaten Alltag 75 Die Möglichkeit, vieles schnell erledigen zu können 73 Mich über das Internet auf dem aktuellen Stand halten zu können 71 Mit Freunden und Bekannten in Kontakt bleiben zu können 64 Die Unterhaltungsmöglichkeiten, die mir das Internet bietet 63 Über das Internet Kontakt mit der Familie halten zu können 62 Fortsetzung nächste Seite DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) 19 Persönliche Relevanz verschiedener Aspekte des Internets (2) „Uns interessiert, wie wichtig für Sie folgende Aspekte des Internets sind.“ in Prozent, Top-2-Werte einer 4er-Skala Fortsetzung von vorheriger Seite Dienstleistungen und Angebote, die sich von überall ortsunabhängig in Anspruch nehmen lassen 60 Zugang zu Dienstleistungen und Angeboten, die es nur im Internet gibt 59 Die Bequemlichkeit von Internet-Transaktionen generell (z.B. Online-Banking oder Online-Shopping) 57 Das Internet als Gedächtnisstütze 55 Die Möglichkeit, Transaktionen (z.B. Online-Banking, Einkauf, Behördengänge) zuverlässig und sicher durchführen zu können 55 Informationen, die passgenau auf meine Interessen zugeschnitten sind 54 Außerhalb der regulären Öffnungszeiten einkaufen zu können 53 Die Möglichkeit, auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten Bankgeschäfte oder Behördengänge erledigen zu können Mich über das, was in meinem Freundesund Bekanntenkreis los ist, informieren zu können 48 Die Möglichkeit, Informationen zu meiner Umgebung zu finden (z.B. durch Ortungs-/Kartendienste) 48 50 Kostenlose Kommunikationsmöglichkeiten (z.B. via Skype oder WhatsApp) 44 Erleichterung im beruflichen Alltag 36 Die Möglichkeit, sehr einfach Interessengruppen zu finden und mich ihnen anzuschließen (z.B. Vereine, Bürgerinitiativen) 36 Die Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen 31 Andere an meinem Leben teilhaben zu lassen 29 Die Möglichkeit, Dinge mit anderen Privatpersonen teilen zu können 29 Die Möglichkeit, mich kulturell einzubringen (z.B. über eigene Texte, Beiträge, Videos, Bilder hochladen und teilen) 27 Die Möglichkeit mich politisch einzubringen (z.B. an Diskussionen im Internet beteiligen) 27 Werbung, die passgenau auf meine Interessen zugeschnitten ist 20 Die Möglichkeit, Geld zu verdienen 18 Die Möglichkeit, meinen Gesundheitszustand über das Internet überwachen zu lassen 13 Die Möglichkeit, über das Internet Haushaltsgeräte und Haushaltstechnik zu vernetzen oder fernzusteuern 12 Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) „Bei uns ist gerade das ganze Laub runtergefallen, und mein Mann stand gestern in so einem riesigen Haufen Laub auf dem Parkplatz. Das hatte ich dann mal nach [Ort] zu meiner Freundin geschickt. Manchmal kommt von ihr ein schöner Teller, wenn sie schön essen sind, oder ein Tier. Was einem gerade so gefällt, ach, das könnte dem anderen ja auch gefallen. Irgendwelche Grüße, schönes Wochenende, gute Besserung. Da kann man ja auch tausend tolle Bildchen finden oder Sprüche, die man weiterschicken kann, einfach so.“ (62 Jahre, weiblich) 20 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland „WhatsApp nutze ich natürlich, ist ja klar. Ist eigentlich die meistbenutzte App. Gerade im Urlaub ist es ganz nett. Dann schickt man mal ein Bild vom Urlaubsort, das ist natürlich sehr praktisch. Gerade aus den USA, das war natürlich super.“ (66 Jahre, männlich) „Das Internet ist für uns wie eine Art Duden, z.B. Wikipedia. Man kommt vom Arzt oder bekommt Tabletten, und auf dem Beipackzettel stehen irgendwelche Fachbegriffe drauf. Tippt man mal schnell ein über Google, bekommt man eine lange Erklärung. Viel mehr Informationen, als man beim Arzt erhält. Ein Nachschlagewerk ist für uns wichtig.“ (72 Jahre, männlich) Mobiles Internet gewinnt an Relevanz – auch wenn die stationäre Nutzung noch überwiegt Bei den über 60-Jährigen dominiert aktuell noch die stationäre Internetnutzung: 38 Prozent gehen mit dem Desktop-PC online, 27 Prozent mit einem Laptop/Notebook und 18 Prozent mit einem Smartphone. In der Gesamtbevölkerung bietet mittlerweile das Smartphone der überwiegenden Mehrheit den Weg ins Netz – 62 Prozent gehen auf diese Weise online, gefolgt von 58 Prozent via Desktop-PC und 57 Prozent via Laptop/Notebook. Die weiterhin große Alltagsrelevanz des stationären PCs zeigt sich auch im bevorzugten Modus der Internetnutzung: Typisch für viele Onliner unter den Ü60-Jährigen sind „Internet-Inseln“. Damit sind Orte im Haus oder in der Wohnung gemeint, die fest für den „Internetbesuch“ bestimmt sind. In der Regel ist das ein Schreibtisch in einem Arbeitszimmer oder einer Arbeitsecke, mit fest installiertem PC. Online zu sein, ist keine Situationsbeschreibung oder etwas, das nebenbei läuft; es ist eine Aktivität, der man gerne die volle Aufmerksamkeit widmet oder widmen muss. „Internet-Inseln“ der Ü60er – „Meinen Laptop nutze ich eher statisch. Der wohnt da.“ Fotos: SINUS Auch das digitale Inventar wird bei den über 60-Jährigen aktuell noch klar vom stationären PC dominiert (41 Prozent), während in der Gesamtbevölkerung das Smartphone mittlerweile die Liste der wichtigsten digitalen Geräte anführt (68 Prozent der Menschen in Deutschland besitzen eines7). Allerdings zeigt sich bei den über 60-Jährigen eine deutliche Dynamik hinsichtlich mobiler Internetnutzung: Bei ihnen ist das Smartphone insbesondere als Eintrittsvehikel ins Internet von großer Bedeutung. Knapp jeder Vierte besitzt mittlerweile eines; das ist das Sechsfache des Anteils von vor 7 Vgl. DIVSI (2016) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 21 vier Jahren und damit eine deutlich höhere Steigerungsrate als in der Gesamtbevölkerung (dort Steigerung um Faktor 4,25). Auch Laptops und Tablets haben in den letzten vier Jahren immer größeren Anklang bei den Älteren gefunden. Hier fallen die Zuwachsraten allerdings nur in etwa gleich (Laptops) oder deutlich schwächer (Tablets) als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung aus. Gerätebesitz im Zeitvergleich Gerätebesitz in Prozent Desktop PC 37 Laptop/Notebook Tablet Spielekonsole 29 20 Smartphone 24 4 7 1 1 41 ■ Ü60 2016 ■ Ü60 2012 2 2016 Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 2012 Basis: 615 Fälle (alle Befragten Ü60) Berufstätigkeit als Treiber – fast alle wurden bereits im erwerbsfähigen Alter zum Onliner 51 Prozent der Erwerbstätigen über 60 Jahre sind täglich online, aber nur 15 Prozent der Rentner. Dies zeigt, dass die Teilnahme am Erwerbsleben durchaus im Zusammenhang mit der Teilhabe an der digitalen Welt zu sehen ist. Beim genaueren Blick in die Daten wird deutlich, dass nur bei rund einem Viertel der Befragten der Erstkontakt mit dem Internet erst im „Rentenalter“ (d.h. nach Vollendung des 65. Lebensjahres) stattfand. Die Bedeutung der Lebensphase: Erwerbstätigkeit als Treiber Wie häufig nutzen Sie persönlich das Internet? in Prozent Täglich Mehrmals pro Woche 18 Nie 31 7 6 Ein paarmal pro Monat Seltener 51 15 2 3 ■ Erwerbstätige ■ Rentner/Pensionäre 9 58 Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 22 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Auch in den persönlichen Einzelgesprächen wurde der Einfluss des Berufsalltags auf die eigene Internetnutzung immer wieder betont. Viele der älteren erwerbstätigen Menschen in Deutschland haben die Digitalisierung von Prozessen im eigenen Unternehmen miterlebt und mussten sich daher zumindest rudimentäre Internetkompetenzen aneignen. In manchen Fällen hat die berufliche Nutzung die private überhaupt erst initiiert. „Ich benutze E-Mails zwar mittlerweile auch privat, aber der überwiegende Teil ist schon im Beruflichen zu suchen.“ (62 Jahre, weiblich) 4.3 Die zentralen Hürden: Was Menschen an digitaler Teilhabe hindert Das Internet ist für die meisten noch Neuland Obwohl das Internet nicht nur akzeptiert, sondern umfassend geschätzt wird, bekunden über 60-Jährige, dass sie sich im Internet nicht „wie ein Fisch im Wasser“ bewegen. Ein wesentlicher Grund ist die – aus Perspektive der Befragten – noch nicht ausreichende Erfahrung mit dem Medium. Sie sehen sich als „Neueinsteiger“, die erst jetzt etwas für sich zu entdecken beginnen, mit dem die Jüngeren quasi selbstverständlich aufgewachsen sind. 56 Prozent der über 60-Jährigen sagen, dass das Internet Neuland für sie ist (27 Prozent gesamt). Nicht bei allen, aber bei der Mehrheit führt dies zu einem Gefühl von Hilflosigkeit: 54 Prozent sehen sich den Gefahren im Internet hilflos ausgesetzt (39 Prozent gesamt). 59 Prozent resümieren gar: „Eigentlich bin ich mit dem Internet überfordert“ (versus 30 Prozent gesamt). Wahrgenommene Hürden bei der Internetnutzung in Prozent, Top-2-Werte einer 4er-Skala Für mich ist das Internet Neuland 56 Eigentlich bin ich mit dem Medium Internet überfordert 59 Die Vorstellung, dass vieles in Zukunft nur noch über das Internet erledigt werden kann, macht mir Angst Den Gefahren im Internet fühle ich mich hilflos ausgesetzt 59 54 Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 23 Bei genauerer Analyse zeigt sich, dass hier die Unterscheidung von Onlinern und Offlinern besonders relevant ist. Die wahrgenommenen Hürden zeigen sich vor allem bei den Offlinern dieser Altersgruppe. Die Onliner über 60 Jahre zeigen hingegen kaum Unterschiede zur Gesamtbevölkerung. Wahrgenommene Hürden bei der Internetnutzung (Onliner vs. Offliner) in Prozent, Top-2-Werte einer 4er-Skala 23 Für mich ist das Internet Neuland Eigentlich bin ich mit dem Medium Internet überfordert Die Vorstellung, dass vieles in Zukunft nur noch über das Internet erledigt werden kann, macht mir Angst Den Gefahren im Internet fühle ich mich hilflos ausgesetzt 92 19 87 42 78 44 64 Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60 2016) ■ Ü60 Onliner ■ Ü60 Offliner* *Basis: 531 (Offliner Ü60 2016) So gut wie kein Befragter würde sich als Internet-Experte bezeichnen; die meisten stufen die eigene Internetkompetenz als mittelmäßig ein. Die Mehrheit der über 60-Jährigen Onliner stuft sich 2016 weder als Experte noch als Anfänger ein, sondern sieht sich im Mittelfeld (53 Prozent geben die Werte 3 und 4 auf einer Skala von 1 bis 6 an). Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zählen sie sich häufiger zu den Internet-Anfängern (36 Prozent versus 18 Prozent) und wesentlich seltener zu den Internet-Experten (11 Prozent versus 24 Prozent). Insgesamt stufen sich die Onliner über 60 Jahre aber als kompetenter ein als noch vor vier Jahren (2012: Mittelwert 2,7; 2016: Mittelwert 3,0). Auffällig ist, dass sich Männer eher als Internet-Experten einstufen als Frauen. Auch die Bildung spielt eine Rolle, vor allem an den extremen Polen der Skala: Hier sehen sich die Niedriggebildeten wesentlich häufiger als Anfänger (21 Prozent) als die Menschen mit mittleren (16 Prozent) und höheren Abschlüssen (8 Prozent). Lediglich unter den Personen mit hoher Bildung existiert ein erwähnenswerter Teil (6 Prozent), der sich selbst den Expertenstatus zuschreibt. In den anderen beiden Bildungsgruppen liegt dieser Anteil jeweils unter einem Prozent. 24 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Subjektive Online-Kompetenz der Onliner im Zeitvergleich Wie bewerten Sie Ihre Online-Kompetenz: Sehen Sie sich im Moment eher als Anfänger oder als Experte? in Prozent 15 Anfänger (1) 19 21 21 (2) 26 26 (3) (4) 24 (5) Experte (6) 7 26 9 ■ Ü60 2016 ■ Ü60 2012 3 3 2016 Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) 2012 Basis: 315 Fälle (Onliner Ü60) Gegenüber der Gesamtbevölkerung ist die subjektive Internetkompetenz der über 60-jährigen Onliner insgesamt geringer (3,0 Ü60 versus 3,6 Gesamtbevölkerung). Dies deutet noch einmal darauf hin, dass sich die Älteren insgesamt als weniger souverän im Umgang mit dem Internet fühlen – auch wenn sie bereits Onliner sind. „Es geht so. Also, ich weiß das, was ich wissen muss für meine Sachen, aber nicht besonders viel drüber. Und ich bin da auch ein bisschen ängstlich, weil so auf irgendwas draufzuklicken, wo ich dann denke, oh Gott, hoffentlich, was mache ich denn jetzt? Oder passiert dann irgendwas, und das trägt mich fort, und ich kann es dann nicht mehr rückgängig machen, eigentlich will ich da gar nicht hin.“ (62 Jahre, weiblich) „Ja, ich bin schon manchmal überfordert. Aber wie gesagt, dann rufe ich meine Tochter an. Und mein Kind kennt das ja: ‚Kein Bild. Kein Ton. Ich komme schon.‘“ (71 Jahre, männlich) Geringes Vertrauen in die Sicherheit der Daten: Die Mehrheit der über 60-Jährigen glaubt, persönliche Daten sind im Netz nicht sicher Die Bereitschaft, vieles im Alltag online zu erledigen, setzt ein grundsätzliches Vertrauen voraus, dass mit den persönlichen Daten verantwortungsvoll umgegangen wird. Dieses Vertrauen fehlt der Mehrheit der Menschen über 60 Jahre: 60 Prozent gehen davon aus, dass persönliche Daten im Internet unsicher sind (Gesamtbevölkerung: 53 Prozent). Drei Viertel glauben (wie auch in der Bevölkerung insgesamt), dass Firmen die persönlichen Daten der Nutzer zu Geld machen, und lehnen dies entschieden ab. „Ich glaube, dass man durch die Nutzung des Internets auch gläsern geworden ist und dass viele Daten genutzt werden, von wem auch immer.“ (64 Jahre, männlich) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 25 Die ältere Bevölkerungsgruppe nimmt nicht nur eine größere Unsicherheit der Daten im Internet wahr, sie möchte sich gleichzeitig auch deutlich weniger mit diesem Befund „arrangieren“ als die Gesamtheit der Bevölkerung. Die Älteren sind etwas weniger deutlich der Ansicht, dass man sich an einen freieren Umgang mit Daten gewöhnen müsse (57 Prozent versus 64 Prozent gesamt). Nur einer Minderheit von 12 Prozent ist egal, was mit den eigenen Daten im Internet geschieht. Diesen Punkt sieht auch die Gesamtbevölkerung ähnlich (13 Prozent). Einstellungen zu Sicherheitsfragen in Prozent Wir müssen uns an einen freieren Umgang mit Daten gewöhnen. Mir persönlich ist es egal, was mit meinen Daten im Internet geschieht. Ich bin überzeugt davon, dass große, bekannte Marken mit persönlichen Daten im Internet sorgfältig umgehen. ■ Trifft ganz genau zu Ü60 19 Gesamt* Ü60 Gesamt* Ü60 Gesamt* 38 21 4 8 3 10 10 11 ■ Trifft eher zu 26 43 15 2 11 3 22 20 67 23 1 64 41 28 41 ■ Trifft eher nicht zu 31 ■ Trifft überhaupt nicht zu Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) 16 14 5 3 ■ weiß nicht *Basis: 2.102 Fälle (Onliner Gesamtbevölkerung) Klare Priorisierung: Sicherheit geht vor Benutzerfreundlichkeit Wie in der Gesamtbevölkerung hat auch bei den Onlinern der Altersgruppen 60plus die Sicherheit der eigenen Daten Vorrang vor einer einfachen Bedienbarkeit von digitalen Medien. Darüber herrscht unabhängig von Geschlecht, Alter und Bildung Einigkeit; nur jeweils ein Bruchteil von einem Prozent weiß nicht, wie man hier priorisieren soll. Präferenzen im Nutzungsverhalten: Unkompliziertheit versus Sicherheit Wenn Sie ganz generell an Ihr eigenes Nutzungsverhalten im Internet und Ihren Umgang mit digitalen Medien denken: Welcher Aspekt hat bei Ihnen in der Regel Vorrang? in Prozent Ü60 Gesamt* Einfache, unkomplizierte Bedienung Sicherheit der eigenen Daten 37 62 39 60 Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) 26 *Basis: 2.102 Fälle (Onliner Gesamtbevölkerung) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Diverse Online-Angebote werden als risikoreich eingestuft Online-Banking und das Einstellen persönlicher Daten im Internet sind Online-Aktivitäten, die als besonders risikobehaftet wahrgenommen werden. 80 Prozent der Befragten über 60 Jahre sehen Gefahren beim Online-Banking. Das Einstellen von eigenen Beiträgen in Foren, Blogs oder Sozialen Netzwerken betrachten 71 Prozent als potenziell gefährlich. 75 Prozent finden es riskant, elektronische Dokumente (z.B. Rechnungen, Lebensläufe) an Online-Speicherorten (z.B. Cloud-Diensten) abzulegen. Wahrgenommene Hürden bei der Internetnutzung Zustimmung zur Aussage „Ich sehe bei der Anwendung ein Risiko“ in Prozent Online-Banking 80 Dating-Portale 79 Download von Musik oder Videos über Sharehoster wie z.B. uploaded oder BitTorrent bzw. Filesharing-Netzwerke 76 Streamen von Filmen, ohne dafür zu bezahlen, auf Seiten wie movie4k.to oder kinox.to 76 Speichern von elektronischen Dokumenten (z.B. Rechnungen, Lebensläufen, Ausweisen) auf Online-Speicherdiensten (iCloud, Dropbox etc.) 75 Lotto/Online-Wetten/Glücksspiele/Poker 72 Einstellen von eigenen Beiträgen wie Bildern, Videos, Texten in Foren, Blogs oder Sozialen Netzwerken 71 Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) Kaum Risiken werden hingegen wahrgenommen beim Lesen von Online-Nachrichten und der Online-Recherche; 81 bzw. 73 Prozent sehen hier keine Gefahren. 4.4 Ü60-Strategien im Internet: Welche Auswirkungen haben Barrieren auf das Online-Verhalten? Die Wahrnehmung von Hürden und Unsicherheiten mit Blick auf konkrete Online-Angebote, aber auch auf die Digitalisierung insgesamt führt zu unterschiedlichen Handlungsstrategien. Zusammengefasst lässt sich beobachten, dass die Menschen über 60 Jahre ihren Einstellungen zum Internet deutlicher Taten folgen lassen als die Gesamtbevölkerung. Jüngere Menschen haben sich eher – wenn auch teilweise resigniert – damit abgefunden, dass das Internet nicht sicher ist und Daten von verschiedenen Akteuren für jeweils eigene Ziele verwendet werden. Sie verzichten beispielsweise trotzdem nicht auf bestimmte Online-Angebote, u.a. auch, weil diese mittlerweile zu einer unverzichtbaren Infrastruktur im Alltag geworden sind (insbesondere Soziale Netzwerke und Messenger-Dienste).8 Bei den über 60-Jährigen lassen sich jedoch deutlich häufiger Bewältigungsstrategien 8 Vgl. DIVSI (2016) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 27 identifizieren, mit denen versucht wird, die vermuteten negativen Konsequenzen zu vermeiden oder zumindest entscheidend zu verringern. Dies ist vor allem möglich, weil sich viele ältere Menschen noch vorstellen können, auch ohne Internet zu leben. Bei ihnen wird die Kündigung eines Accounts bei einem Sozialen Netzwerk nicht gleich zur existenziellen Frage, ob der Kontakt zum Freundeskreis noch aufrechterhalten werden kann. Über 60-Jährige bewegen sich vorsichtiger im Internet Zentrale Handlungsstrategie der Befragten ist es, sich im Internet eher zurückzuhalten und nicht jeden verlockenden Internet-Service gleich auszuprobieren. 76 Prozent (55 Prozent gesamt) betonen, dass sie hier Vorsicht walten lassen, vor allem auch, weil sie befürchten, Fehler zu machen, die möglicherweise irreversibel sind. Ü60-Jährige bewegen sich vorsichtig im Netz in Prozent, Top-2-Werte einer 4er-Skala Im Internet bin ich eher zurückhaltend, aus Sorge, dass ich Fehler mache Ich mache mir um die Sicherheit im Internet keine Gedanken, was soll mir schon passieren 76 55 18 25 Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) ■ Ü60 ■ Gesamt* *Basis: 2.683 Fälle (Gesamtbevölkerung) Verzicht als Ausweg: Bestimmte Online-Angebote werden allein aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht genutzt Wie das vorherige Unterkapitel aufzeigte, existieren bei den Befragten große Vorbehalte gegenüber Online-Angeboten, die das eigene Geld und die eigenen Daten betreffen. Entsprechend werden OnlineBanking und Soziale Netzwerke nicht nur skeptisch beäugt, sondern teilweise auch gänzlich vermieden bzw. die Aktivitäten darin entsprechend eingeschränkt. 43 Prozent verzichten auf Online-Banking, weil sie hier zu große Gefahren sehen; 34 Prozent stellen keine eigenen Beiträge (insbesondere Bilder und Videos) in den Sozialen Medien ein, weil sie dies für unsicher halten. 28 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Große Vorbehalte der Ü60-jährigen Onliner beim Online-Banking und Social Media Inwieweit sehen Sie bei folgenden Aktivitäten ein Risiko? Ich sehe ein Risiko und nutze diese Anwendung daher nicht in Prozent Online-Banking 43 27 Einstellen von eigenen Beiträgen wie Bildern, Videos, Texten in Foren, Blogs oder Sozialen Netzwerken 34 25 Streamen von Filmen, ohne dafür zu bezahlen, auf Seiten wie movie4k.to oder kinox.to 33 24 Online-Spiele in Sozialen Netzwerken oder auf Webseiten spielen 26 19 Chatten bzw. Instant Messaging ■ Ü60 ■ Gesamt* 24 12 Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) *Basis: 2.253 Fälle (Onliner Gesamt) Vor allem die Veröffentlichung persönlicher Daten im Internet wird deutlich stärker vermieden als bei der Gesamtbevölkerung: 23 Prozent der Onliner über 60 Jahren haben persönliche Daten in einem Sozialen Netzwerk hinterlassen, bei der Gesamtbevölkerung sind es 58 Prozent. Veröffentlichung persönlicher Daten im Internet Haben Sie im Internet persönliche Informationen von sich veröffentlicht (also Angaben zu ihrer Person, ihre Gedanken, Bilder etc.)? Ja in Prozent 23 In einem Sozialen Netzwerk In Kommentaren (Zeitungen, YouTube etc.) 14 In Rezensionen 14 Auf der Internet-Seite meines Arbeitgebers/ eines eigenen Gewerbes 9 25 58 Bei einem Dating-Portal Auf meiner privaten Homepage 6 11 8 11 22 16 In meinem Blog oder Online-Tagebuch Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) 5 9 ■ Ü60 ■ Gesamt* *Basis: 2.102 Fälle (Onliner Gesamtbevölkerung) „Und dann mit diesen Sozialen Netzwerken wie Facebook, da hört man ja immer wieder: ‚Ach, kannst mir doch schreiben, ich bin doch in Facebook.‘ Hab ich gesagt: ‚Nee, das mache ich nicht.‘ Weil man hört so viel und liest so viel, was da alles passieren kann. Man kann ja da ausgespäht werden in Facebook.“ (67 Jahre, weiblich) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 29 Die über 60-Jährigen möchten kein Geschäft mit den eigenen Daten machen Im Tausch für einen Service (z.B. Nutzung eines Messenger-Dienstes) würde jeder Zehnte der über 60-Jährigen zumindest tendenziell anderen Zugriff auf die eigenen Daten als Gegenleistung gestatten. Für drei Viertel käme dies jedoch nicht infrage. Nur 14 Prozent wären dazu bereit, Daten von sich weiterzugeben, wenn „der Preis stimmt“. Die Mehrheit der Befragten ist sich somit einig und steht einem Handel mit den persönlichen Daten kritisch gegenüber. Die meisten vertreten damit in Bezug auf die Ökonomisierung der eigenen persönlichen Daten eine klare Meinung; unentschlossen („weiß nicht“) antworten nur die wenigsten. Die Bezahlbereitschaft der älteren Generation für einen besseren Schutz der eigenen persönlichen Daten ist hingegen weitaus größer als die Bereitschaft zum Tausch von Daten gegen Service bzw. Geld gegen Service: 35 Prozent wären hierzu bereit. Handel mit persönlichen Daten und Zahlungsbereitschaft zum Schutz eigener Daten in Prozent Es ist für mich in Ordnung, wenn im Tausch für einen Service (z.B. eine App) andere Zugriff auf meine persönlichen Daten erhalten Wenn der Preis stimmt, wäre ich bereit, persönliche Daten von mir im Internet weiterzugeben Ich wäre bereit, für den Schutz meiner persönlichen Daten etwas zu bezahlen ■ Trifft ganz genau zu Ü60 2 8 Gesamt* 4 Ü60 3 Gesamt* 4 66 15 11 10 Gesamt* 10 6 26 52 19 15 Ü60 ■ Trifft eher zu 18 3 66 22 25 58 23 32 ■ Trifft eher nicht zu 1 1 38 25 29 ■ Trifft überhaupt nicht zu Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 4 4 ■ weiß nicht *Basis: 2.683 Fälle (Gesamtbevölkerung) „Ich meine, das Geschäftsprinzip ist klar, die brauchen meine Daten, um mich an ihre Werbepartner zu verkaufen. Und da ich aber Ad-Blocker benutze oder technische Vorkehrungen treffe, dass mich diese Werbung überhaupt nicht erreicht, auch nicht von Google, bin ich davon eigentlich überhaupt gar nicht betroffen. Es ist sogar so, dass ich manchmal denke, oh, das ist ja auch fies. Ich nutze die ganzen Dienste, ich gebe denen aber eigentlich gar nichts zurück.“ (60 Jahre, männlich) 30 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Unterstützung suchen und Verantwortlichkeiten delegieren Menschen über 60 möchten an dem teilhaben, was im Internet geschieht. Dies zeigen die Erkenntnisse der vorliegenden Studie deutlich. Verzicht und Einschränkung kann daher nur bedingt eine Option sein. Wenn der Wunsch zu partizipieren groß ist und die „gefühlte“ Kompetenz gering, suchen die über 60-Jährigen eher den Rat bei Bekannten und Experten, als sich unbekümmert auf Risiken einzulassen und zu hoffen, dass nichts passiert. 55 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sie ohne die Hilfe von Freunden und Bekannten im Internet verloren wären. Hilfe von anderen wird aber auch aktiv und durchaus selbstbewusst eingefordert: 52 Prozent betonen, dass sie einzelne Aktivitäten im Internet von anderen erledigen lassen. Der Nutzen bzw. die Vorteile werden also gesehen, nur für die Ausführung wird Unterstützung benötigt. Unterstützungsbedarf der Ü60-Jährigen bei der Internetnutzung in Prozent, Top-2-Werte einer 4er-Skala Wenn es um Sicherheit im Internet geht, überlasse ich das den Spezialisten 55 Im Internet nutze ich nur Webseiten, Dienstleistungen und Angebote, die mir von vertrauten Menschen (Freunden, Bekannten, Familie etc.) empfohlen worden sind 51 Ohne die Hilfe von Freunden und Bekannten wäre ich im Internet verloren Wenn ich das Internet für etwas brauche, erledigen das andere für mich 34 28 Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 66 64 55 52 ■ Ü60 ■ Gesamt* *Basis: 2.683 Fälle (Gesamtbevölkerung) „Der Jüngste, das ist so ein IT-Spezialist, und bevor ich dann da was mache, da sage ich ‚Uwe, wie sieht‘s denn aus?‘“ (73 Jahre, männlich) Experten werden nicht nur im eigenen Freundeskreis gesucht. Die Befragten nehmen vor allem auch Staat und Unternehmen in die Pflicht, wenn es darum geht, übergeordnet für Sicherheit im Internet zu sorgen: 71 Prozent sind überzeugt, dass der Staat eine wichtige Rolle bei dieser Aufgabe hat, 85 Prozent sind der Meinung, dass Unternehmen (z.B. mit Blick auf Datenschutz) hier Verantwortung übernehmen müssen. Diese Zuordnung von Verantwortung bedeutet aber nicht – wie die vorausgehenden Handlungsstrategien zeigen –, dass sich die über 60-Jährigen aus der Eigenverantwortung zurückziehen: 59 Prozent betonen beispielsweise: Für Datenschutz im Internet ist jeder selbst verantwortlich. DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 31 Einstellungen zu Sicherheitsfragen in Prozent Im Internet bewege ich mich stets vorsichtig, z.B. stelle ich keine Daten und Fotos ins Internet Mir ist es wichtig, dass der Staat aktiv für Sicherheit im Internet sorgt Wer nichts zu verbergen hat, hat im Internet auch nichts zu befürchten ■ Trifft ganz genau zu Ü60 42 Gesamt* 29 Gesamt* Gesamt* ■ Trifft eher zu 35 41 27 10 ■ Trifft eher nicht zu 2 1 7 2 19 8 2 32 3 34 ■ Trifft überhaupt nicht zu Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) 32 14 31 25 8 13 41 30 7 12 22 36 Ü60 Ü60 36 29 2 ■ weiß nicht *Basis: 2.102 Fälle (Onliner Gesamtbevölkerung) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 5. Was unterscheidet die über 60-Jährigen im Internet? 5.1 Alter, Bildung, Lebensphase und Geschlecht und ihr Einfluss auf die Nutzungsintensität Wie häufig Menschen über 60 online sind, steht in Zusammenhang mit Alter und Bildung Nur ein Zehntel der über 70-Jährigen ist täglich online, bei den Menschen zwischen 60 und 69 Jahren sind es viermal so viele. Menschen mit niedriger formaler Bildung sind deutlich seltener oder gar nicht im Internet. Ca. dreimal so viele Mittel- und Hochgebildete wie Niedriggebildete nutzen das Internet täglich. Häufigkeit der Internetnutzung – Bildungs- und Altersunterschiede Wie häufig nutzen Sie persönlich das Internet? in Prozent Alter Täglich Seltener Nie 12 41 10 Mehrmals pro Woche Ein paarmal im Monat Bildung 14 30 15 28 33 4 6 9 7 5 3 2 34 39 ■ 60 – 69-Jährige ■ Über 70-Jährige 19 68 ■ Niedrige Bildung ■ Mittlere Bildung ■ Hohe Bildung 2 4 3 16 28 68 Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) Selbstsicherheit im Internet unterscheidet sich bei Männern und Frauen Männer über 60 Jahre schätzen ihre Internetkompetenz höher ein als Frauen dieser Altersgruppe. Während diese Unterschiede in jüngeren Alterskohorten zunehmend verschwinden, sind sie hier noch deutlich ausgeprägt: 48 Prozent der Männer bewerten sich auf einer 6-stufigen Skala (1 Anfänger; 6 Experte) mit 4 oder höher, aber nur 25 Prozent der Frauen ordnen sich hier zu. Zudem zeigt sich dieser Unterschied bei der Geschlechterverteilung in den Internet-Milieus. Vor allem in den internetnahen Milieus der Souveränen Realisten und Effizienzorientierten Performer ist der Männeranteil höher, während das Verhältnis in den meisten anderen Milieus ausgeglichen ist. Wer noch im Beruf steht, gehört selten zu den Offlinern Ob und wie häufig ältere Menschen das Internet nutzen, hängt in großem Maße davon ab, ob sie noch im Berufsleben stehen oder nicht. Bei den Erwerbstätigen über 60 Jahre gibt es nur 9 Prozent Offliner. Der Großteil der Rentner und Pensionäre ist hingegen gar nicht online, nur etwa ein Fünftel täglich DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 33 oder mehrmals pro Woche. Umgekehrt nutzt die Mehrheit der Erwerbstätigen das Internet täglich – auch, aber nicht nur für berufliche Zwecke. „Später wurde dann der PC auch in den Unterricht mit eingebunden. Obwohl ich privat nichts damit zu tun habe, musste ich mich damit auseinandersetzen, berufsbedingt natürlich.“ (64 Jahre, männlich) „Internet war im Beruf selbstverständlich, und E-Mails waren so mehr oder weniger am Anfang, wenn ich so zurückdenke. Und da hatte ich das nur im Berufsleben. Im Privatleben nicht.“ (72 Jahre, männlich) Der Besitz von internetfähigen Geräten ist bei den über 60-Jährigen in hohem Maße eine Frage des Geschlechts und des Geldbeutels Beim Gerätebesitz zeigt sich ein Zusammenhang mit Geschlecht und vor allem Alter, Bildung und Einkommen. Bei den über 60-Jährigen besitzen Frauen, Ältere, Bildungsferne und Einkommensschwache viel seltener internetfähige digitale Geräte als Männer, bildungsnahe und einkommensstarke Personen. Gerätebesitz nach Alter und Geschlecht Gerätebesitz in Prozent Alter Geschlecht Desktop-PC Laptop/Notebook 13 Tablet 4 0 5 12 34 48 15 Smartphone Spielekonsole 63 25 24 41 19 ■ 60–69-Jährige ■ Über 70-Jährige 6 1 9 47 33 30 ■ Männlich ■ Weiblich 4 Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) Ähnliche soziodemografische Effekte zeigen sich auch in der Gesamtbevölkerung, wenngleich hier die Unterschiede etwas geringer ausfallen. Zum Beispiel liegen die Frauen beim Besitz von mobilen Geräten zur Internetnutzung wie Laptop, Tablet oder Smartphone mit den Männern nahezu gleichauf (ohne Grafik). 34 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Gerätebesitz nach Einkommen und Bildung Gerätebesitz in Prozent Einkommen 26 Desktop-PC 13 Smartphone 4 2 Spielekonsole 3 0 9 25 54 14 Laptop/Notebook Tablet Bildung 14 42 34 58 80 61 13 52 4 19 ■ < 2.000 Euro ■ 2.000 – 4.000 Euro ■ > 4.000 Euro 40 65 56 39 40 10 14 1 4 3 ■ Niedrige Bildung ■ Mittlere Bildung ■ Hohe Bildung Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 5.2 Der Ansatz der DIVSI Internet-Milieus Soziodemografische Merkmale und lebensphasenspezifische Aspekte (hier insbesondere Erwerbstätigkeit versus Ruhestand) erklären vor allem das Ausmaß der Nutzungsintensität bzw. die Zugehörigkeit zur Gruppe der Onliner bzw. Offliner. Mit Blick auf grundlegende Haltungen zu Vertrauen und Sicherheit im Internet, die wesentlich bestimmen, wie sich Menschen im Internet bewegen und welche Vorbehalte, Ängste oder Kompetenzen dabei eine Rolle spielen, helfen diese Unterscheidungsmerkmale allerdings nicht weiter. DIVSI erforscht daher die digitalen Lebenswelten der Menschen in Deutschland und entsprechende Konsequenzen für Handlungskorridore und Umsetzungspotenziale. Die 2012 daraus entstandenen DIVSI Internet-Milieus9 bilden die jeweils aktuelle digitale Alltagswirklichkeit in der Gesellschaft mit besonderem Fokus auf den Zusammenhängen „Vertrauen und Sicherheit im Internet“ ab. Mit der DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet wurde 2012 erstmals ein Modell zur Erfassung und Beschreibung digitaler Lebenswelten in Deutschland entwickelt. Die DIVSI Internet-Milieus ermöglichen es, die digitale Gesellschaft in ihrer Komplexität und Heterogenität zu verstehen und Differenzierungen auch jenseits soziodemografischer Merkmale zu erfassen. Mithilfe qualitativer und quantitativer Methoden der Sozialforschung wurden sieben Internet-Milieus identifiziert und in einem Modell verortet, das die vielfältigen Einstellungen zum Internet und entsprechende Nutzungsweisen bevölkerungsrepräsentativ typologisiert. Die Darstellung der Internet-Milieus spannt sich anhand zweier Achsen auf, der sozialen Lage auf der vertikalen und der Einstellung zum Internet sowie der grundlegenden Werthaltung auf der horizontalen Achse. Je höher ein Internet-Milieu in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung und Einkommen. Je weiter rechts es angesiedelt ist, desto wichtiger und selbstverständlicher ist das Online-Sein. 9 Siehe DIVSI (2012). Eine Aktualisierung der identifizierten Internet-Milieus wurde in 2013 vorgenommen; siehe DIVSI (2013). DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 35 Das Modell der DIVSI Internet-Milieus verknüpft somit Erkenntnisse auf verschiedenen Ebenen. Neben der sozioökonomischen Positionierung auf der vertikalen Achse (Einkommen, Bildung) bündelt die horizontale Achse drei weitere Ebenen: ■ Nutzungsintensität ■ Einstellung zum Internet ■ Grundlegende Werthaltungen Durch die Verbindung dieser Ebenen wird die digitale Grundhaltung multiperspektivisch erfasst. Das Modell ist somit weit mehr als eine Nutzertypologie; es liefert eine anschauliche Kartografie der digitalen Gesellschaft. Zur Pflege dieses Modells gehört die regelmäßige Aktualisierung, um eventuelle Größenveränderungen und Neuformationen der einzelnen Gruppen rechtzeitig zu erfassen und stabile Zeitreihen zu generieren. Lebenswelten verändern sich kontinuierlich im Zuge des Wertewandels und veränderter Lebensbedingungen; über die Zeit ergeben sich nicht nur quantitative Verschiebungen, sondern auch Veränderungen in der Zusammensetzung und der Abgrenzung von anderen Gruppen. Insbesondere mediennutzungsbasierte Zielgruppentypologien wie die DIVSI Internet-Milieus erfordern aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklungen Aktualisierungen in kürzeren Intervallen. Nach der Entwicklung der Internet-Milieus 2012 und einer ersten Datenaktualisierung 2013 wurde das Modell 2016 einem umfassenden Update unterzogen.10 Die in diesem Zuge erfassten aktuellen digitalen Lebenswelten in Deutschland veranschaulicht die folgende Grafik: Oberschicht/ obere Mittelschicht DIVSI Internet-Milieus 2016 Vorsichtige Skeptiker 12% Effizienzorientierte Performer 15% NetzEnthusiasten 15% Unbekümmerte Hedonisten 11% Internetferne Verunsicherte 19% Haltung gegenüber dem Internet Überforderung Tradition 10 Skepsis Pragmatismus Begeisterung Modernisierung/Individualisierung Identifikation Neuorientierung © SINUS 2016 Soziale Lage Untere Mittelschicht/ Unterschicht Mittlere Mittelschicht Verantwortungsbedachte Etablierte 16% Souveräne Realisten 12% Vgl. DIVSI (2016) 36 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Auch innerhalb der älteren Bevölkerung existiert eine große Vielfalt digitaler Lebenswelten Im Zuge des 2016 durchgeführten Updates der DIVSI Internet-Milieus wurde erstmals auch die Verteilung der digitalen Lebenswelten innerhalb der Gruppe der über 60-Jährigen überprüft. Hierbei wurde die gleiche qualitative und quantitative Methodik angewandt wie bei der Stichprobe der Gesamtbevölkerung, d.h., es wurden die exakt gleichen Fragebatterien zur Bestimmung der Milieuzugehörigkeit verwendet. Die folgende Grafik zeigt die Verteilung der DIVSI Internet-Milieus innerhalb der Gruppe der über 60-Jährigen: Oberschicht/ obere Mittelschicht DIVSI Internet-Milieus: Ü60 Effizienzorientierte Performer 5% Vorsichtige Skeptiker 11% Internetferne Verunsicherte 47% Souveräne Realisten 9% NetzEnthusiasten 1% Unbekümmerte Hedonisten 9% Haltung gegenüber dem Internet Überforderung Skepsis Pragmatismus Begeisterung Identifikation © SINUS 2016 Soziale Lage Untere Mittelschicht/ Unterschicht Mittlere Mittelschicht Verantwortungsbedachte Etablierte 18% Zwar sind auch im Alterssegment der über 60-Jährigen alle Internet-Milieus vertreten, es gibt aber im Vergleich zur Gesamtbevölkerung große Unterschiede „an den Rändern“, d.h. bei den besonders internetfernen und besonders internetnahen Milieus: Bei den über 60-jährigen ist die Gesamtgröße der in Blautönen gehaltenen internetfernen Milieus weitaus größer. Dies ist insbesondere bei den Internetfernen Verunsicherten zu sehen, die deutlich mehr Raum einnehmen als in der Gesamtbevölkerung: Während dieses Internet-Milieu knapp die Hälfte der über 60-Jährigen ausmacht, umfasst es in der Gesamtbevölkerung nur einen Anteil von knapp einem Fünftel. Ein umgekehrtes Bild zeigt sich auf der anderen Seite: Während es unter den Älteren gerade einmal ein Prozent Netz-Enthusiasten gibt, sind dies in der Gesamtbevölkerung 15 Prozent. Im folgenden Kapitel werden die unterschiedlichen Internet-Milieus der über 60-Jährigen erläutert und beschrieben. DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 37 6. Vorstellung der DIVSI Internet-Milieus Ü60 6.1 Internetferne Verunsicherte (47 %) Verantwortungsbedachte Etablierte Effizienz- Souveräne Realisten 18 % orientierte 9% Performer Netz5% Enthusiasten 1% Vorsichtige UnbeSkeptiker kümmerte 11 % Hedonisten Internetferne 9% Verunsicherte 47 % „Es gibt nichts, wo ich sage, ich brauche dafür das Internet.“ (61 Jahre, männlich) © SINUS 2016 Für Internetferne Verunsicherte ist das Internet Neuland, auf das sie sich kaum mehr einlassen möchten. Für die eigene soziale Teilhabe sehen sie es nicht als wichtiges Medium. Internetferne Verunsicherte sind im Umgang mit dem Netz stark überfordert und verängstigt. Die Risikowahrnehmung überlagert deutlich die Chancenperspektive. Das führt letztlich bei den meisten Vertretern dieses Internet-Milieus zu einer rigorosen Meidung des Netzes (Offliner-Anteil: 83 Prozent) und bei einigen wenigen zu einer sehr zurückhaltenden Nutzung. Weil sie sich mit dem Internet kaum auskennen, delegieren sie die Verantwortung für die Sicherheit im Netz vor allem an den Staat und die Unternehmen und nehmen sich selbst vergleichsweise wenig in die Pflicht. Viele wissen aber auch schlicht nicht, was sie zum Thema „Sicherheit im Internet“ sagen könnten, weil sie kaum konkrete Anknüpfungspunkte hierzu haben. Das Internet ist für dieses Internet-Milieu absolutes Neuland (89 Prozent Zustimmung versus Durchschnitt Ü60: 56 Prozent). 38 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Soziodemografisches Profil in Prozent Überwiegend Offliner; so gut wie kein Wunsch nach Teilhabe oder Einstieg in die digitale Welt; halten das Internet für zu kompliziert und/oder zu unsicher weiblich männlich 52 48 Geschlecht Bildung Haushaltsnettoeinkommen in Euro Alter in Jahren Mittelwert: 67 Jahre, Rentneranteil: 90 % Median: 1.750 – 2.000 75 76 68 58 58 52 42 37 16 Einfach 21 Mittel 26 21 9 Hoch 24 1 6 < 2.000 2.000 – 4.000 4.000 < ■ Internetferne Verunsicherte Ü60 ■ Gesamt Ü60* 5 5 k.A. 60 – 69Jährige Über 70Jährige Basis: 529 Fälle (Internetferne Verunsicherte Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Fotos: SINUS Internetferne Verunsicherte weisen einen vergleichsweise hohen Altersdurchschnitt auf: Drei von vier Milieuangehörigen sind über 70 Jahre alt. In keiner anderen Gruppe ist dieser Anteil höher. Der weitaus größte Teil (75 Prozent) hat einen einfachen formalen Bildungsabschluss erreicht (Durchschnitt Ü60: 58 Prozent). Kein anderes Milieu hat einen nur annähernd so geringen Anteil an formal höher Gebildeten (9 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 21 Prozent). Bedingt durch das hohe Alter (90 Prozent sind Pensionäre) und die niedrige Bildung fällt das Haushaltsnettoeinkommen in dieser Gruppe am geringsten aus: Zwei Drittel haben ein Einkommen von unter 2.000 Euro (Durchschnitt Ü60: 52 Prozent). Ein Drittel hat weniger als 1.500 Euro monatlich (Durchschnitt Ü60: 24 Prozent). Internetferne Verunsicherte orientieren sich stark an traditionellen Werten wie Sicherheit, Familie, Pflicht- und Akzeptanzwerten. Sie sind insbesondere darauf bedacht, das bisher Erreichte zu sichern und einen harmonischen Lebensabend bei guter Gesundheit im Kreise der Familie zu verleben. Von den großen gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte (Individualisierung, Digitalisierung) fühlen sie sich überfordert. „Wozu brauche ich jetzt einen Computer? Für die Arbeit brauche ich das nicht. Wenn ich ein Fremdwort suchen will, ich habe mein Lexikon. Da kann ich nachschlagen. Was muss ich da den Kasten einschalten, hochfahren lassen, freischalten, dann ‚Lexikon‘ antippen oder was weiß ich, das Wort eintippen, da habe ich es zehnmal im Buch gefunden.“ (65 Jahre, weiblich) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 39 Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Internetfernen Verunsicherten Das Internet spielt in keiner anderen Lebenswelt eine so geringe Rolle wie bei den Internetfernen Verunsicherten: Nur 2 Prozent sagen explizit, dass sie am Geschehen im Internet teilhaben wollen (Durchschnitt Ü60: 38 Prozent). Auch betont kein anderes Internet-Milieu stärker, dass es am Knüpfen neuer Kontakte über das Internet kein Interesse hat. Nur ein Bruchteil von 7 Prozent nutzt das Internet mehrmals pro Woche oder täglich (Durchschnitt Ü60: 44 Prozent). Noch am ehesten besitzen Internetferne Verunsicherte einen stationären PC (16 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 41 Prozent); alle anderen digitalen Geräte sind noch viel seltener im Besitz und jeweils weit unterdurchschnittlich verbreitet. Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz ■ überdurchschnittlich in Prozent Nutzungshäufigkeit IV Ü60 Ü60* Täglich 2 22 Mehrmals pro Woche 5 Ein paarmal pro Monat 5 ■ unterdurchschnittlich Gerätebesitz IV Ü60 Ü60* Desktop-PC 16 41 21 Laptop/Notebook 7 29 6 Tablet 2 7 7 24 1 2 Seltener 4 3 Smartphone/internetfähiges Telefon (z.B. iPhone, BlackBerry) Nie 83 48 Spielekonsole (Xbox, PlayStation, GameCube) Basis: 529 Fälle (Internetferne Verunsicherte Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Internet-Aktivitäten Basis: 529 Fälle (Internetferne Verunsicherte Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Subjektive Internetkompetenz IV Ü60 Ü60* E-Mails versenden/empfangen 71 87 1–2 78 Online-Shopping über Versandhandel oder Auktionshäuser (z.B. Amazon und eBay) Auf Webseiten Kommentare, Bewertungen oder Rezensionen abgeben 16 41 3–4 17 1 16 5–6 1 Top-Wert: Suche nach Informationen und Inhalten (Online-Recherche) (75 %) Basis: 91 Fälle (Onliner Internetferne Verunsicherte Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) Mittelwert IV Ü60: 1,7 Mittelwert Gesamt Ü60: 3,1* 1 = Anfänger bis 6 = Experte; fehlende Werte auf 100 Prozent: weiß nicht/keine Angabe Basis: 91 Fälle (Onliner Internetferne Verunsicherte Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) Während bei fast allen Internet-Milieus die E-Mail-Kommunikation die häufigste Internet-Aktivität darstellt, ist es bei den Internetfernen Verunsicherten die Informationssuche. Fast alle abgefragten Internet-Aktivitäten nutzen sie viel seltener als der Durchschnitt – Ausnahme ist das Telefonieren über das Internet (z.B. via Skype). Vermutlich ist diese Technologie beliebt, weil man so mit den Familienmitgliedern (v.a. den Enkeln) gut Kontakt halten kann. Soziale Netzwerke sind aber kein Thema in dieser Gruppe. „Telefonieren oder eine E-Mail geht noch, wenn ich mit Anhängen und irgendwelchen Fotos, das ist noch okay, und dann kann man sie ausdrucken, also Papier daraus machen.“ (61 Jahre, männlich) Vor dem Hintergrund des hohen Anteils an Offlinern und den niedrigen Nutzungszahlen der Onliner in dieser Gruppe ist es nicht überraschend, dass die Internetfernen Verunsicherten die eigene Internetkompetenz im Milieuvergleich am schlechtesten einstufen: 78 Prozent zählen sich selbst zu den „Anfängern“ (Durchschnitt Ü60: 36 Prozent). Fast durch die Bank bewegt sich diese Gruppe daher auch sehr zurückhaltend im Internet, aus Sorge, Fehler zu machen (93 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 76 Prozent). 90 Prozent geben an, mit dem Internet überfordert zu sein (Durchschnitt Ü60: 59 Prozent). 40 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland „Das Internet könnte schon hilfreich sein. Aber dann muss ich ja erst mal wissen, wie es funktioniert, damit es auch wirklich schneller geht. Also, über diesen Punkt muss ich erst hinaus.“ (64 Jahre, männlich) „Wenn meine Tochter mich nicht umerzogen und mir nicht gesagt hätte, ich soll mir mal so etwas anschaffen, und wenn sie mir dann nicht geholfen hätte, dann hätte ich es wohl kaum alleine geschafft. Das war so, wie wenn ich früher zu ihr gesagt habe: ‚Lesen, schreiben, rechnen.’ Und so hat sie mich jetzt angeschaut und gesagt: ‚Nun probier mal selber!’ Und so habe ich eben damit angefangen.“ (71 Jahre, männlich) „Wenn mich etwas aus dem Internet interessiert, frage ich meinen Mann: ‚Und? Kann man das auch ausdrucken?’ Der sagt dann: ‚Ja, natürlich kann man das auch ausdrucken.’ Und so kann ich es mir ja dann auch durchlesen.“ (70 Jahre, weiblich) Einstellungen zum Internet in Prozent Ich möchte an dem teilhaben, was im Internet passiert 2 38 Eigentlich bin ich mit dem Medium Internet überfordert Ohne die Hilfe von Freunden und Bekannten wäre ich im Internet verloren Ich kann mir ein Leben 0 ohne Mitgliedschaft in einer Online-Community nicht vorstellen 70 55 8 Mir ist es wichtig, dass der Staat aktiv für Sicherheit im Internet sorgt 71 Wer nichts zu verbergen hat, hat im Internet auch nichts zu befürchten Wenn der Preis stimmt, wäre ich 1 bereit, persönliche Daten von mir im Internet weiterzugeben 90 59 25 72 30 ■ Internetferne Verunsicherte Ü60 ■ Gesamt Ü60* 14 Basis: 529 Fälle (Internetferne Verunsicherte Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung Dass sich die Internetfernen Verunsicherten dem Netz in so geringem Maße zuwenden, hängt neben der technologischen Überforderung und dem geringen Selbstzutrauen mit der Einschätzung zusammen, dass das Internet ein gefährlicher, weil unübersichtlicher Ort ist. Nur 8 Prozent sehen sich in der Lage, die Sicherheitsrisiken im Internet richtig einzuordnen (Durchschnitt Ü60: 31 Prozent). Die Verantwortung für Sicherheitsfragen im Internet wird von den Internetfernen Verunsicherten stärker als in allen anderen Gruppen delegiert. Das zeigt der Befund, dass sich dieses Internet-Milieu im Vergleich am stärksten für ein staatlich reguliertes Netz ausspricht (25 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 15 Prozent). Die empfundene Überforderung mit dem Internet spiegelt sich letztlich aber auch darin wider, dass kein anderes Internet-Milieu bei Fragen rund um Sicherheit DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 41 und Verantwortung häufiger angibt, schlicht nicht zu wissen, wer zuständig sein sollte und worin die Gefahren genau liegen. „Also, wenn man jetzt sieht, was im Bundestag passiert ist, der ganze Bundestag ist, glaube ich, im Moment noch lahmgelegt. […] Aber dass sie jetzt da diesen Virus noch nicht gefunden haben und dass das ganze System lahmgelegt wird und dass also hochgradige Spezialisten das eingerichtet haben für die Regierung … Da kann man also praktisch das ganze Vertrauen verlieren. Wenn das dort passiert, was ist dann erst bei mir hier?! Was läuft denn da ab? Also, puh, da kann man spekulieren. Aber man darf es nicht …“ (70 Jahre, männlich) Einstellungen zum Internet in Prozent Das Internet ist eine der besten Erfindungen, die es je gab 19 44 Internetnähe Ein Leben ohne Internet ist für mich persönlich nicht vorstellbar Sicherheitsgefühl Reglementierung/ Freiheit des Internets Ich fühle mich in der Lage, Sicherheitsrisiken im Internet richtig einzuordnen und entsprechend zu reagieren Ich mache mir um die Sicherheit im Internet keine Gedanken, was soll mir schon passieren Ich möchte nicht, dass der Staat das Internet reglementiert 3 ■ Internetferne Verunsicherte Ü60 ■ Gesamt Ü60* 29 8 31 12 18 25 40 Dass im Internet jeder machen kann, was er will, ist eine Bedrohung unseres demokratischen Systems Basis: 529 Fälle (Internetferne Verunsicherte Ü60) 53 65 *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Der Blick in die digitalisierte Zukunft Mit wesentlich mehr Nachdruck als alle anderen Internet-Milieus äußern Internetferne Verunsicherte die Sorge, dass das Internet den Alltag künftig zu sehr durchdringen wird (84 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 59 Prozent). Diese Angst ist nachvollziehbar, hat diese Gruppe doch die wenigsten Berührungspunkte mit dem Internet und entsprechend das geringste Selbstvertrauen im Umgang damit. Sie möchten sich aber auch nicht mehr darauf einlassen. Nur jeder Fünfte bei den Internetfernen Verunsicherten möchte gern mehr über das Internet lernen, bei den über 60-Jährigen insgesamt ist dies über die Hälfte (Durchschnitt Ü60: 52 Prozent). 42 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Einstellungen zum Internet in Prozent,Top-2-Werte einer 4er-Skala Ich freue mich, etwas über das Internet dazuzulernen 21 52 Die Vorstellung, dass vieles in Zukunft nur noch über das Internet erledigt werden kann, macht mir Angst Kinder sollten so früh wie möglich den Umgang mit dem Internet lernen 84 59 30 43 Basis: 529 Fälle (Internetferne Verunsicherte Ü60) ■ Internetferne Verunsicherte Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Internetferne Verunsicherte sind weniger der Ansicht, dass Kinder möglichst früh an das Internet herangeführt werden sollen (30 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 43 Prozent). In weiten Teilen dieser Gruppe wird die Meinung vertreten, dass es „auch ohne das Internet gehen muss“ oder dass das Internet sogar schädlich für junge Leute ist. Nicht überraschend ist daher, dass kaum internetfähige Geräte in den Wohnungen dieses Internet-Milieus zu finden sind. Zu Hause wird Technik, so weit es geht, aus dem Sichtfeld verbannt; wenn Fernseher oder Stereoanlage beispielsweise nicht genutzt werden, verschwinden sie hinter den Türen eines TV-/HiFi-Schranks. Fotos: SINUS Wohnwelten der Internetfernen Verunsicherten Ü60 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 43 6.2 Vorsichtige Skeptiker (11 %) „Man sollte die neuen Möglichkeiten nutzen, aber nicht moderner um jeden Preis werden. Sicherlich erleichtert das vieles, aber birgt auch Gefahren. Da muss man ein waches Auge haben.“ (65 Jahre, weiblich) Verantwortungsbedachte Etablierte Effizienz- Souveräne Realisten 18 % orientierte 9% Performer Netz5% Enthusiasten 1% Vorsichtige UnbeSkeptiker kümmerte 11 % Hedonisten Internetferne 9% Verunsicherte 47 % © SINUS 2016 Vorsichtige Skeptiker sind regelmäßige aber zurückhaltende Internetnutzer. Das Internet ist für relativ viele in dieser Gruppe im Alltag verzichtbar. Besonders Gefahren im Kontext Datensicherheit erscheinen ihnen groß und unüberschaubar, daher nutzen sie Online-Angebote nur mit entsprechender Zurückhaltung. Vorsichtige Skeptiker wären bereit, auf Freiheiten im Internet im Tausch für mehr Sicherheit zu verzichten. Besonders kritisch sehen sie den Umgang der Unternehmen mit persönlichen Daten. Im Milieuvergleich haben sie die stärksten Bedenken im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung. Soziodemografisches Profil in Prozent Leidenschaftslose Internetnutzung, meist Mittel zum Zweck, um anschlussfähig zu sein; häufig auf Hilfe anderer angewiesen; wenig Vertrauen in die Sicherheit des Internets weiblich männlich 48 52 Geschlecht Bildung Haushaltsnettoeinkommen in Euro 58 52 47 37 31 42 37 Hoch 6 < 2.000 2.000 – 4.000 4.000 < ■ Vorsichtige Skeptiker Ü60 ■ Gesamt Ü60* 44 47 21 7 Mittel 58 53 48 8 5 k.A. 60 – 69Jährige Über 70Jährige Basis: 117 Fälle (Vorsichtige Skeptiker Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Fotos: SINUS 22 21 Einfach Alter in Jahren Mittelwert: 67 Jahre, Rentneranteil: 70 % Median: 2.500 – 2.750 Die Vorsichtigen Skeptiker sind ein Internet-Milieu mit einer etwas höheren Formalbildung als der Durchschnitt. In Etwa die Hälfte hat einen mittleren oder hohen Abschluss erzielt (53 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 42 Prozent). Die Milieuangehörigen sind deutlich jünger als der Durchschnitt der über 60-Jährigen: 53 Prozent der Vorsichtigen Skeptiker sind zwischen 60 und 69 Jahre alt (Ü60 gesamt: 27 Prozent). Das Einkommen liegt in dieser Gruppe über dem Durchschnitt. Vorsichtigen Skeptikern sind ein umsichtiges Miteinander in der Gesellschaft und ein nachhaltiger Lebensstil wichtig. Sie orientieren sich im Leben an konservativ-bürgerlichen Werten einerseits und postmateriellen Werten andererseits. Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Vorsichtigen Skeptiker Trotz ihrer vergleichsweise internetkritischen Grundhaltung ist diese Gruppe überdurchschnittlich viel im Internet unterwegs. Während von den über 60-Jährigen gesamt durchschnittlich 44 Prozent zumindest mehrmals pro Woche online sind, sind es bei den Vorsichtigen Skeptikern 70 Prozent. Sie sind auch mit digitalen Geräten gut ausgestattet; insbesondere Laptops besitzen sie deutlich häufiger als der Durchschnitt (49 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 29 Prozent). Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz ■ überdurchschnittlich in Prozent Nutzungshäufigkeit ■ unterdurchschnittlich Gerätebesitz VS Ü60 Ü60* Täglich 32 22 Desktop-PC 50 41 Mehrmals pro Woche 38 21 Laptop/Notebook 49 29 Ein paarmal pro Monat 3 6 Tablet 10 7 Seltener 1 3 Smartphone/internetfähiges Telefon (z.B. iPhone, BlackBerry) 30 24 Nie 26 48 Spielekonsole (Xbox, PlayStation, GameCube) 3 2 Basis: 117 Fälle (Vorsichtige Skeptiker Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Internet-Aktivitäten Online-Routenplanung/Verwendung von Online-Kartenservices Online Shopping über Versandhandel oder Auktionshäuser (z.B. Amazon und eBay) Chatten bzw. Instant Messaging (z.B. via WhatsApp, ICQ, iMessage) Basis: 117 Fälle (Vorsichtige Skeptiker Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Subjektive Internetkompetenz VS Ü60 Ü60* 47 34 1–2 32 32 41 3–4 60 13 26 5–6 7 Top-Wert: E-Mails senden/empfangen (90 %) Basis: 87 Fälle (Onliner Vorsichtige Skeptiker Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) VS Ü60 Ü60* Mittelwert VS Ü60: 3,0 Mittelwert Gesamt Ü60: 3,1* 1 = Anfänger bis 6 = Experte; fehlende Werte auf 100 Prozent: weiß nicht/keine Angabe Basis: 87 Fälle (Onliner Vorsichtige Skeptiker Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 45 Einstellungen zum Internet in Prozent Ich möchte an dem teilhaben, was im Internet passiert 44 Eigentlich bin ich mit dem Medium Internet überfordert Ohne die Hilfe von Freunden und Bekannten wäre ich im Internet verloren Ich kann mir ein Leben ohne Mitgliedschaft in einer Online-Community nicht vorstellen 54 38 59 53 5 55 8 Mir ist es wichtig, dass der Staat aktiv für Sicherheit im Internet sorgt 71 Wer nichts zu verbergen hat, hat im Internet auch nichts zu befürchten Wenn der Preis stimmt, wäre ich bereit, persönliche Daten von mir im Internet weiterzugeben 27 14 73 30 ■ Vorsichtige Skeptiker Ü60 ■ Gesamt Ü60* 15 Basis: 117 Fälle (Vorsichtige Skeptiker Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Die Vorsichtigen Skeptiker nutzen das Internet zuvorderst zweckorientiert (zur E-Mail-Kommunikation, Routenplanung etc.). Anwendungen, bei denen persönliche Daten preisgegeben werden müssen (z.B. Messenger-Dienste, digitale Behördengänge, Soziale Netzwerke) oder von denen sie vermuten, dass persönliche Daten en passant gesammelt und kommerziell verwertet werden (z.B. OnlineShopping), werden vergleichsweise wenig genutzt. Nur das Internet-Milieu der Internetfernen Verunsicherten nutzt aus Risikogründen Internet-Anwendungen noch seltener. „Natürlich vereinfacht das Internet Dinge. Aber ich will doch mein Leben da nicht ausbreiten.“ (65 Jahre, weiblich). Die Vorsichtigen Skeptiker möchten mehrheitlich am Geschehen im Internet teilhaben und halten auch mehrheitlich das Internet für eine der besten Erfindungen in der Geschichte. Damit liegen sie zwar noch über dem Durchschnitt, allerdings fällt diese Meinung schwächer aus als in allen anderen Milieus, mit Ausnahme der Internetfernen Verunsicherten. Auch sagen nur leicht überdurchschnittliche 36 Prozent, dass sie sich ein internetfreies Leben nicht vorstellen können (Durchschnitt Ü60: 29 Prozent). Die Vorsichtigen Skeptiker und die Internetfernen Verunsicherten sind somit die einzigen Internet-Milieus, in denen über die Hälfte ein Leben ohne Internet für vorstellbar hält. 46 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Einstellungen zum Internet in Prozent Das Internet ist eine der besten Erfindungen, die es je gab 57 ■ Vorsichtige Skeptiker Ü60 ■ Gesamt Ü60* 44 Internetnähe Ein Leben ohne Internet ist für mich persönlich nicht vorstellbar Sicherheitsgefühl Reglementierung/ Freiheit des Internets 29 Ich fühle mich in der Lage, Sicherheitsrisiken im Internet richtig einzuordnen und entsprechend zu reagieren Ich mache mir um die Sicherheit im Internet keine Gedanken, was soll mir schon passieren 36 33 31 12 18 Ich möchte nicht, dass der Staat das Internet reglementiert Dass im Internet jeder machen kann, was er will, ist eine Bedrohung unseres demokratischen Systems Basis: 117 Fälle (Vorsichtige Skeptiker Ü60) 40 46 57 53 *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Die Vorsichtigen Skeptiker unterscheiden sich in der Einschätzung der eigenen Internetkompetenz kaum vom Durchschnitt der über 60-jährigen Bevölkerung. 60 Prozent sehen sich weder als Anfänger noch als Experte (Durchschnitt Ü60: 53 Prozent). Sie sehen dies nicht als Defizit, sondern akzeptieren, in diesem Bereich weniger kompetent zu sein als andere Menschen. „Ich habe gelernt, den Ehrgeiz ein Stück sein zu lassen und das genießen zu können. Ich kann zwar nichts so ganz rasend gut, aber vieles wenigstens ein bisschen.“ (65 Jahre, weiblich). Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung Nur zwölf Prozent der Vorsichtigen Skeptiker sagen, dass sie sich um die Sicherheit im Internet keine Gedanken machen. Ähnlich besorgt sind sonst nur die Internetfernen Verunsicherten. Gleichzeitig ist Freiheit für dieses stark postmateriell geprägte Internet-Milieu ein Ankerwert und ein zentrales Gut. Daher spricht sich auch ein leicht überdurchschnittlicher Anteil dieser Gruppe gegen staatliche Internet-Regulierung aus und hält es auch nicht für demokratiegefährdend, dass „im Internet jeder machen kann, was er will“. Allerdings sind die Sorgen um die Sicherheit im Internet bei vielen so groß, dass sie bereit wären, auf bestimmte Freiheiten im Internet zu verzichten, wenn dafür mehr Sicherheit gewährleistet wird (87 Prozent). Das ist im Vergleich der Internet-Milieus der höchste Wert (Durchschnitt Ü60: 72 Prozent) „Wenn man es sich völlig ohne Aufsicht entwickeln lässt, halte ich die Sache für zu gefährlich, dass es sich gegen die Entwicklungsidee des Internets dann wendet.“ (70 Jahre, weiblich) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 47 Einstellungen zum Internet in Prozent,Top-2-Werte einer 4er-Skala 73 Ich freue mich, etwas über das Internet dazuzulernen 52 Die Vorstellung, dass vieles in Zukunft nur noch über das Internet erledigt werden kann, macht mir Angst 54 59 Kinder sollten so früh wie möglich den Umgang mit dem Internet lernen 37 43 Basis: 117 Fälle (Vorsichtige Skeptiker Ü60) ■ Vorsichtige Skeptiker Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Der Blick in die digitalisierte Zukunft Die vergleichsweise hohe Bedeutung, die Vorsichtige Skeptiker den Sicherheitsproblemen im Internet beimessen, spiegelt sich auch darin wider, dass sie sich im Milieuvergleich mit am deutlichsten vor einer stärkeren Internet-Durchdringung des Alltags in der Zukunft fürchten (54 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 59 Prozent). Sie sind neben den Internetfernen Verunsicherten und den Unbekümmerten Hedonisten eines der drei Internet-Milieus, bei denen dieser Vorbehalt mehrheitlich geäußert wird. Neben Sicherheitsbedenken werden aber auch soziale Folge-Effekte befürchtet, wie z.B. negative Entwicklungen in der Kommunikationskultur. „Das wird leider alles sehr zunehmen. Ich denke da vor allem an die älteren Leute. Ich finde, die Zeit ist härter geworden, die Leute sind ungeduldiger geworden, ruppiger geworden. Auf der einen Seite ist so eine Kälte entstanden, also durch diese ganzen neuen Medien oder so. Man sieht, jeder hängt über seinem Smartphone, und es wird nicht mehr kommuniziert.“ (70 Jahre, weiblich) Wohnwelten der Vorsichtigen Skeptiker Ü60 48 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 6.3 Verantwortungsbedachte Etablierte (18 %) „Ich bin zwar kein digitaler Revolutionärer mehr, aber ich bin nicht so blöd, dort, wo es mir Zeit und Geld spart, wo es mir eine Befriedigung bringt und bestimmte Ergebnisse zeigt, es nicht zu nutzen.“ Souveräne Realisten 9% EffizienzNetzorientierte Enthusiasten Performer 1% 5% UnbeVorsichtige kümmerte Skeptiker Hedo11 % nisten 9% Verantwortungsbedachte Etablierte 18 % Internetferne Verunsicherte 47 % (65 Jahre, männlich) © SINUS 2016 Verantwortungsbedachte Etablierte sind im Milieuvergleich zwar keine Intensiv-Nutzer, aber durchaus viel im Internet unterwegs. Dabei beschränken sie sich vor allem auf „seriöse“ Aktivitäten. „Verantwortungsbedacht“ sind sie dahingehend, als dass sie beim Thema Sicherheit im Internet die Nutzer wie den Staat vergleichsweise stark in die Verantwortung nehmen, ohne sich dabei aber übermäßig für eine staatliche Internet-Regulierung starkzumachen. Nicht zuletzt, weil sie sich für die Gefahren im Internet gut gewappnet sehen, blicken sie optimistisch in die digitale Zukunft. Die digitale Teilhabe heute und in Zukunft steht für sie außer Frage – auch weil dies für sie die Zugehörigkeit zu einer sozialen und Bildungselite markiert. Soziodemografisches Profil in Prozent Internetkonsumenten mit Begeisterung für die vielen Informationsmöglichkeiten im Netz; Aversion gegenüber Social Media; hoher Anspruch an den Staat, wenn es um Sicherheit im Netz geht weiblich männlich 50 50 Geschlecht Bildung Haushaltsnettoeinkommen in Euro 58 37 52 32 38 31 21 58 51 Fotos: SINUS Mittel 58 42 37 42 21 7 Einfach Alter in Jahren Mittelwert: 67 Jahre, Rentneranteil: 71 % Median: 2.250 – 2.500 Hoch ■ Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60 ■ Gesamt Ü60* 6 < 2.000 2.000 – 4.000 4.000 < 4 5 k.A. 60 – 69Jährige Über 70Jährige Basis: 195 Fälle (Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 49 Die Verantwortungsbedachten Etablierten sind das zweitgrößte DIVSI Internet-Milieu Ü60 (18 Prozent), allerdings mit deutlichem Abstand zu den Internetfernen Verunsicherten (47 Prozent). Es gibt keinen Geschlechterschwerpunkt. Im Vergleich zum Durchschnitt der über 60-Jährigen sind die Angehörigen dieses Segments aber deutlich jünger (58 Prozent sind zwischen 60 und 69 Jahre alt versus Durchschnitt Ü60: 27 Prozent) und etwas höher gebildet. Durch das vergleichsweise junge Durchschnittsalter ist im Milieuvergleich auch ein größerer Anteil noch berufstätig und hat dadurch ein überdurchschnittliches Einkommen. Ihre Grundeinstellung zum Leben und zur Gesellschaft wird von bürgerlich-liberalen, leistungsund sicherheitsorientierten Wertvorstellungen dominiert. Sie plädieren für eine ausgewogene Balance zwischen Fortschritt und Entschleunigung. „Die Möglichkeiten, sich zu informieren und sich möglicherweise auch am gesellschaftlichen Kommunikationsprozess mit zu beteiligen, die schätze ich schon.“ (75 Jahre, männlich) „Prinzipiell habe ich aber das Gefühl, dass es sehr viele Angebote gibt und dass ich gar nicht genug Zeit habe, das alles zu nutzen. Es gibt eine totale Informationsflut.“ (63 Jahre, männlich) Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Verantwortungsbedachten Etablierten Unter den Verantwortungsbedachten Etablierten findet sich nur ein Bruchteil an Offlinern und Minimalnutzern des Internets. Die breite Mehrheit (83 Prozent) geht mindestens mehrmals pro Woche ins Internet, damit liegen sie deutlich über dem Durchschnitt (44 Prozent). Sie besitzen auch alle alltagsüblichen digitalen Geräte deutlich häufiger als der Durchschnitt der über 60-Jährigen. Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz ■ überdurchschnittlich in Prozent Nutzungshäufigkeit Gerätebesitz VE Ü60 Ü60* Täglich 34 22 Desktop-PC 69 41 Mehrmals pro Woche 49 21 Laptop/Notebook 50 29 Ein paarmal pro Monat 9 6 Tablet 10 7 3 Smartphone/internetfähiges Telefon (z.B. iPhone, BlackBerry) 44 24 48 Spielekonsole (Xbox, PlayStation, GameCube) 4 2 Seltener 1 Nie 7 Basis: 195 Fälle (Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Internet-Aktivitäten Subjektive Internetkompetenz VE Ü60 Ü60* 90 86 1–2 29 Online-Nachrichten lesen 79 65 3–4 63 Einstellen von eigenen Beiträgen wie Bildern, Videos, Texten in Foren, Blogs oder Sozialen Netzwerken 10 14 5–6 7 Basis: 181 Fälle (Onliner Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) VE Ü60 Ü60* Basis: 195 Fälle (Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Suche nach Informationen und Inhalten (Online-Recherche) Top-Wert: E-Mails senden/empfangen (91 %) 50 ■ unterdurchschnittlich Mittelwert VE Ü60: 3,0 Mittelwert Gesamt Ü60: 3,1* 1 = Anfänger bis 6 = Experte; fehlende Werte auf 100 Prozent: weiß nicht/keine Angabe Basis: 181 Fälle (Onliner Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Diese große Internet-Affinität drückt sich auch auf der Einstellungsebene aus: Ein jeweils weit überdurchschnittlicher Teil (74 Prozent) dieses Milieus hält das Internet für eine der besten Erfindungen in der Geschichte (Durchschnitt Ü60: 44 Prozent), 71 Prozent möchten an den Entwicklungen im Internet teilhaben (Durchschnitt Ü60: 38 Prozent), und 54 Prozent können sich ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen (Durchschnitt Ü60: 29 Prozent). Zu den Hauptbeschäftigungen im Netz zählen neben dem Senden und Empfangen von E-Mails die Informationssuche und das Lesen von Online-Nachrichten. Soziale Netzwerke sind deutlich weniger relevant, zumindest wenn es um privates Chatten und Posten geht. In den qualitativen Interviews war den Verantwortungsbedachten Etablierten eine Abgrenzung zu beruflichen Netzwerken aber wichtig. „XING nutze ich, weil ich dort auf Business-Kollegen treffe. Das ist aber ein ganz anderes Thema als Facebook. XING gehört zwar auch zu den Sozialen Netzwerken, aber eigentlich ist es ein Personaler-Netzwerk.“ (63 Jahre, männlich) Einstellungen zum Internet in Prozent Ich möchte an dem teilhaben, was im Internet passiert 26 Eigentlich bin ich mit dem Medium Internet überfordert 59 Ohne die Hilfe von Freunden und Bekannten wäre ich im Internet verloren Ich kann mir ein Leben 1 ohne Mitgliedschaft in einer Online-Community nicht vorstellen 72 38 43 55 8 Mir ist es wichtig, dass der Staat aktiv für Sicherheit im Internet sorgt 71 Wer nichts zu verbergen hat, hat im Internet auch nichts zu befürchten Wenn der Preis stimmt, wäre ich bereit, persönliche Daten von mir im Internet weiterzugeben 30 12 83 33 14 Basis: 195 Fälle (Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60) ■ Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Trotz ihrer Teilhabe an der digitalen Welt attestieren sich die Verantwortungsbedachten Etablierten keine merklich bessere Internetkompetenz als der Durchschnitt der über 60-Jährigen. Das ist umso überraschender, als der größte Teil dieser Gruppe zu den Jüngeren der über 60-Jährigen zählt und auch höher gebildet ist als der Schnitt. Diese zurückhaltende Selbsteinschätzung liegt vermutlich darin begründet, dass sie einen höheren Anspruch haben, weil sie im sozial gut situierten Bekanntenkreis von Personen umgeben sind, die noch souveräner und selbstbewusster mit dem Internet umgehen als sie selbst. DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 51 Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung Für die Verantwortungsbedachten Etablierten ist die Sicherheit im Internet ein wichtiges Thema. Sie betonen allerdings deutlich stärker als der Durchschnitt, sich auch in der Lage zu sehen, mit Sicherheitsrisiken umzugehen (58 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 31 Prozent). Den Verantwortungsbedachten Etablierten ist es typischerweise ein Anliegen, dass sich nicht nur der Staat, sondern auch die Internetnutzer selbst um die eigene Sicherheit im Netz kümmern. Sie möchten im Gegensatz zum Durchschnitt der über 60-Jährigen mehrheitlich nicht, dass der Staat das Internet reglementiert (60 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 40 Prozent). Tendenziell vertreten sie in diesem Zusammenhang auch die Ansicht, dass die Freiheit im Internet keine Gefährdung der demokratischen Ordnung darstellt. „Die Chancen sind, dass es ein Demokratisierungsinstrument ist auf politischer Ebene. Dass die Menschen sich ohne Zensur einander mitteilen können und dass sie sich auch versammeln und organisieren können.“ (63 Jahre, männlich) Einstellungen zum Internet in Prozent Das Internet ist eine der besten Erfindungen, die es je gab 74 44 Internetnähe Ein Leben ohne Internet ist für mich persönlich nicht vorstellbar Sicherheitsgefühl Reglementierung/ Freiheit des Internets Ich fühle mich in der Lage, Sicherheitsrisiken im Internet richtig einzuordnen und entsprechend zu reagieren Ich mache mir um die Sicherheit im Internet keine Gedanken, was soll mir schon passieren 54 29 58 31 18 18 Ich möchte nicht, dass der Staat das Internet reglementiert Dass im Internet jeder machen kann, was er will, ist eine Bedrohung unseres demokratischen Systems Basis: 117 Fälle (Vorsichtige Skeptiker Ü60) 40 42 60 ■ Verantwortungsbedachte 53 Etablierte Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Der Blick in die digitalisierte Zukunft Während die über 60-Jährigen insgesamt die fortschreitende Digitalisierung mehrheitlich mit Unbehagen verfolgen – 59 Prozent sagen, dass es sie beängstigt, wenn vieles in Zukunft nur noch online erledigt werden kann –, trifft dies bei den Verantwortungsbedachten Etablierten nur auf eine Minderheit zu (35 Prozent). Das Interesse an dem, was das Internet noch alles bringen mag, ist hier groß. Fast alle freuen sich daher auch, mehr über das Internet zu lernen (90 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 52 Prozent). 52 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Einstellungen zum Internet in Prozent,Top-2-Werte einer 4er-Skala 90 Ich freue mich, etwas über das Internet dazuzulernen Die Vorstellung, dass vieles in Zukunft nur noch über das Internet erledigt werden kann, macht mir Angst Kinder sollten so früh wie möglich den Umgang mit dem Internet lernen 52 35 59 43 Basis: 195 Fälle (Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60) 64 ■ Verantwortungsbedachte Etablierte Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Diese Gruppe ist auch dahingehend „verantwortungsbedacht“, als dass sie die Vermittlung von technologischer Kompetenz für eine Schlüsselressource für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft hält. Sie sprechen sich daher recht deutlich dafür aus, dass Kinder so früh wie möglich für den Umgang mit dem Internet fit gemacht werden sollten (64 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 43 Prozent). Fotos: SINUS Wohnwelten der Verantwortungsbedachten Etablierten Ü60 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 53 6.4 Unbekümmerte Hedonisten (9 %) Verantwortungsbedachte Etablierte Effizienz- Souveräne Realisten 18 % orientierte 9% Performer Netz5% Enthusiasten 1% Vorsichtige UnbeSkeptiker kümmerte 11 % Hedonisten Internetferne 9% Verunsicherte 47 % © SINUS 2016 „Ich habe keine Bedenken, wenn ich bei WhatsApp irgendwelche Bilder verschicke. Was soll mir schon passieren? Ich verschicke ja keine Pornobilder! Auch wenn mich einer abhören sollte, ist mir das egal. Ich habe nichts zu verbergen.“ (62 Jahre, weiblich) Unbekümmerte Hedonisten sind leidenschaftliche, aber eher arglose Internetnutzer. Es ist ihnen relativ egal, was mit ihren Daten im Internet passiert. Sie haben sich mehr oder weniger damit abgefunden, dass das Internet unsicher ist. Besonders die zahlreichen Unterhaltungs- und Kommunikationsmöglichkeiten stehen hoch in der Gunst, v.a. im Rahmen von Social-Media-Angeboten. Trotz ihrer überdurchschnittlichen Begeisterung für das Internet bewegen sie sich online nicht sehr selbstbewusst und souverän. In diesem Internet-Milieu befinden sich überwiegend Vertreter mit niedrigem formalem Bildungsniveau und niedrigem Haushaltsnettoeinkommen. Die Mehrheit ist 60 bis 69 Jahre alt. Unbekümmerte Hedonisten leben spontan und spaßorientiert und machen sich nicht zu viele Gedanken über Regeln und Konventionen der Gesellschaft. „In meinem Leben gibt es nicht so viele Zwänge. Ich kann relativ frei entscheiden, ob ich mich an den Computer setze oder ob ich was anderes mache. Ich möchte in meinem Leben nicht so viel Stress haben. Das ist mir das Wichtigste.“ (65 Jahre, männlich) 54 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Soziodemografisches Profil in Prozent Vorsichtig-unbedarftes Partizipieren an den Online-Möglichkeiten; einerseits mit dem Medium Internet überfordert, andererseits von dessen Möglichkeiten begeistert weiblich männlich 48 52 Geschlecht Bildung Haushaltsnettoeinkommen in Euro 54 58 21 29 42 38 37 43 21 6 Mittel 58 57 51 52 17 Einfach Alter in Jahren Mittelwert: 67 Jahre, Rentneranteil: 60 % Median: 2.000 – 2.250 Hoch 6 < 2.000 2.000 – 4.000 4.000 < ■ Unbekümmerte Hedonisten Ü60 ■ Gesamt Ü60* 5 5 k.A. 60 – 69Jährige Über 70Jährige Basis: 100 Fälle (Unbekümmerte Hedonisten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Unbekümmerten Hedonisten Die breite Mehrheit dieses Internet-Milieus möchte am Geschehen im Internet teilhaben (70 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 38 Prozent). Damit unterscheiden sie sich deutlich vom Durchschnitt der über 60-Jährigen. Mit Blick auf die Internetnutzung zeigt sich allerdings eine bedeutsame Kluft zwischen Intensiv-Nutzern und Offlinern: Der Anteil der täglichen Internetnutzer ist in dieser Gruppe fast doppelt so groß wie in der Gesamtheit der über 60-Jährigen (41 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 23 Prozent). Gleichzeitig nutzen 28 Prozent das Internet nie. Das sind zwar einerseits immer noch deutlich weniger als im Durchschnitt (48 Prozent), dies steht aber andererseits deutlich in Kontrast zum großen Anteil an Intensiv-Nutzern in diesem Internet-Milieu. Unabhängig von der tatsächlichen Nutzung verbindet alle Unbekümmerten Hedonisten der unbedarfte Zugang zum Internet und die Begeisterungsfähigkeit für dieses Medium. Fotos: SINUS „Ohne Internet geht gar nicht mehr. Wen ich mir jetzt überlege, ich hätte keinen Computer, ich weiß nicht, was ich teilweise für Laufereien hätte für bestimmte Dinge. Außerdem: Ich brauche auch nicht mehr so viele Briefmarken und muss nicht mehr so oft zum Briefkasten laufen.“ (62 Jahre, weiblich) „Früher hab’ ich eBay-Kleinanzeigen noch am PC gemacht. Jetzt habe ich hier die App auf meinem Handy, mache das Foto und stelle die Kleinanzeige ein, fertig, gegessen, halbe Zeit.“ (62 Jahre, weiblich) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 55 Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz ■ überdurchschnittlich in Prozent Nutzungshäufigkeit ■ unterdurchschnittlich Gerätebesitz UH Ü60 Ü60* UH Ü60 Ü60* Täglich 41 22 Desktop-PC 59 41 Mehrmals pro Woche 22 21 Laptop/Notebook 37 29 Ein paarmal pro Monat 6 6 Tablet 16 7 33 24 4 2 Seltener 3 3 Smartphone/internetfähiges Telefon (z.B. iPhone, BlackBerry) Nie 28 48 Spielekonsole (Xbox, PlayStation, GameCube) 100 Fälle (Unbekümmerte Hedonisten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Internet-Aktivitäten Chatten bzw. Instant Messaging (z.B. via WhatsApp, ICQ, iMessage) Einstellen von eigenen Beiträgen wie Bildern, Videos, Texten in Foren, Blogs oder Sozialen Netzwerken Online-Kontakt und Online-Kommunikation mit Ämtern und Behörden UH Ü60 Ü60* 41 26 28 14 21 28 Top-Wert: E-Mails senden/empfangen (86 %) Basis: 71 Fälle (Onliner Unbekümmerte Hedonisten Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) 100 Fälle (Unbekümmerte Hedonisten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Subjektive Internetkompetenz 1–2 32 3–4 54 5–6 14 Mittelwert UH Ü60: 3,2 Mittelwert Gesamt Ü60: 3,1* 1 = Anfänger bis 6 = Experte; fehlende Werte auf 100 Prozent: weiß nicht/keine Angabe Basis: 71 Fälle (Onliner Unbekümmerte Hedonisten Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) Das Internet ist in diesem Segment vorwiegend Unterhaltungs- und Kommunikationsmedium, um mit der Außenwelt in Kontakt zu sein. Vor allem Chat- oder Messenger-Dienste werden überdurchschnittlich genutzt. Knapp die Hälfte der Unbekümmerten Hedonisten kann sich ein Leben ohne Online-Community nicht mehr vorstellen (Durchschnitt Ü60: 8 Prozent). Nicht zuletzt deswegen nutzen überdurchschnittlich viele Milieuangehörige das Internet täglich (41 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 23 Prozent). Ein vergleichsweise großer Anteil dieser Gruppe greift dabei auf mobile Internet-Geräte zurück. „Das Internet gibt mir die Möglichkeit, Kontakt nach außen zu halten und zu gucken, was es so Neues gibt. Das ist mir sehr wichtig.“ (65 Jahre, männlich) 56 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Einstellungen zum Internet in Prozent Ich möchte an dem teilhaben, was im Internet passiert 70 38 55 Eigentlich bin ich mit dem Medium Internet überfordert Ohne die Hilfe von Freunden und Bekannten wäre ich im Internet verloren Ich kann mir ein Leben ohne Mitgliedschaft in einer Online-Community nicht vorstellen 55 58 42 8 57 Mir ist es wichtig, dass der Staat aktiv für Sicherheit im Internet sorgt Wer nichts zu verbergen hat, hat im Internet auch nichts zu befürchten Wenn der Preis stimmt, wäre ich bereit, persönliche Daten von mir im Internet weiterzugeben 59 71 57 30 42 14 Basis: 100 Fälle (Unbekümmerte Hedonisten Ü60) ■ Unbekümmerte Hedonisten ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung In Bezug auf Sicherheitsfragen im Internet sind die Unbekümmerten Hedonisten das mit Abstand argloseste Milieu. 52 Prozent machen sich keine großen Gedanken über Sicherheitsthemen und vertreten den Standpunkt: „Was soll mir schon passieren?“ (Durchschnitt Ü60: 18 Prozent). Auch gestehen 72 Prozent ein, dass es ihnen egal ist, was mit den eigenen Daten im Internet passiert (Durchschnitt Ü60: 12 Prozent). 72 Prozent sagen von sich, dass sie sich damit abgefunden haben, dass das Internet unsicher sei (Durchschnitt Ü60: 53 Prozent). Sie sind auch überdurchschnittlich häufig der Meinung, dass nichts zu befürchten habe, wer nichts zu verbergen hat (57 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 30 Prozent). „Alles, was jetzt hier so kommt mit Datenschutz und so, dass irgendwas überwacht und gemacht werden kann, sollen sie doch machen! Wenn ich nichts zu verbergen habe oder auch Telefongespräche, Festnetz, Handy, das macht mir nichts. Ich gebe keinem eine Anleitung zum Bombenbasteln, ich plane kein Attentat, und ich habe nichts zu verbergen. Dann ist das nicht mein Problem.“ (65 Jahre, männlich) Diese Einstellung zu Sicherheitsfragen gründet bei den Unbekümmerten Hedonisten nicht auf einer informierten Meinung – im Gegenteil: Mehr als die Hälfte von ihnen fühlt sich mit dem Internet überfordert und ist auf fremde Hilfe angewiesen. Auch bei den Onlinern dieser Gruppe ist auffällig, dass sie trotz ihrer Unsicherheit kaum Sicherheitsmaßnahmen ergreifen. Sie sehen auch die Weitergabe von persönlichen Daten vergleichsweise locker. Obwohl sich knapp die Hälfte nicht dazu in der Lage sieht, Sicherheitsrisiken richtig einzuschätzen und entsprechend darauf zu reagieren, wollen die meisten gleichzeitig nicht, dass der Staat das Internet reglementiert (58 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 40 Prozent). Unbekümmerte Hedonisten DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 57 haben eine ausgeprägte Abwehrhaltung gegenüber jeglicher Kontrolle und Reglementierung und nutzen das Internet im Vergleich zu den anderen Gruppen eher sorgenfrei. Die Freiheit des Internets wird daher – trotz subjektiv wahrgenommener Kenntnisdefizite – gegenüber einer staatlichen Reglementierung bevorzugt. Einstellungen zum Internet in Prozent Das Internet ist eine der besten Erfindungen, die es je gab 60 44 Internetnähe Ein Leben ohne Internet ist für mich persönlich nicht vorstellbar Sicherheitsgefühl Reglementierung/ Freiheit des Internets Ich fühle mich in der Lage, Sicherheitsrisiken im Internet richtig einzuordnen und entsprechend zu reagieren Ich mache mir um die Sicherheit im Internet keine Gedanken, was soll mir schon passieren Ich möchte nicht, dass der Staat das Internet reglementiert 51 29 49 31 52 18 40 Dass im Internet jeder machen kann, was er will, ist eine Bedrohung unseres demokratischen Systems Basis: 100 Fälle (Unbekümmerte Hedonisten Ü60) 58 55 53 ■ Unbekümmerte Hedonisten Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Der Blick in die digitalisierte Zukunft Unbekümmerte Hedonisten werfen einen neugierigen, aber auch ängstlichen Blick in die digitalisierte Zukunft. 70 Prozent freuen sich zwar, etwas über das Internet dazuzulernen (Durchschnitt Ü60: 52 Prozent), rund der Hälfte (53 Prozent) der Vertreter dieses Internet-Milieus macht aber auch Angst, wenn bald nichts mehr ohne Internet geht (Durchschnitt Ü60: 59 Prozent). „Ja, Angst habe ich schon. Weiß ich, was noch kommen kann? So genau weiß man das nie!“ (63 Jahre, weiblich) 58 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Einstellungen zum Internet in Prozent,Top-2-Werte einer 4er-Skala 70 Ich freue mich, etwas über das Internet dazuzulernen 52 Die Vorstellung, dass vieles in Zukunft nur noch über das Internet erledigt werden kann, macht mir Angst 53 59 Kinder sollten so früh wie möglich den Umgang mit dem Internet lernen 56 43 Basis: 100 Fälle (Unbekümmerte Hedonisten Ü60) ■ Unbekümmerte Hedonisten ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Unbekümmerte Hedonisten sehen sich eher als „Mitläufer“ des digitalen Wandels: Sie sind dabei, haben einen großen Teilhabewunsch und freuen sich über neue Möglichkeiten. Gleichzeitig haben sie aber nicht das Gefühl, diese Entwicklung aktiv „mitsteuern“ zu können und souverän damit umzugehen. „Es wird alles noch digitalisierter als heute. Es geht ja immer weiter, man macht ja fast alles nur noch über das Internet. Solche Sachen finde ich klasse. Für mich ist es eigentlich ein Gewinn.“ (62 Jahre, weiblich) „Es gibt ja noch ältere Leute, die sträuben sich zwar gegen alles, aber gehen dann ins nächste Internet-Café, weil sie irgendwelche Dinge erledigen müssen. Ich glaube, in zehn Jahren wird das ganz anders aussehen. Dann wird kein Leben mehr ohne Internet möglich sein.“ (65 Jahre, männlich) Fotos: SINUS Wohnwelten der Unbekümmerten Hedonisten Ü60 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 59 6.5 Effizienzorientierte Performer (5 %) „Auf meinen Laptop wollte ich nicht mehr verzichten wollen – nicht mehr. Damit kann ich alles machen: lesen, mit dem Rest der Welt kommunizieren, Musik hören.“ Verantwortungsbedachte Etablierte Effizienz- Souveräne Realisten 18 % orientierte 9% Performer Netz5% Enthusiasten 1% Vorsichtige UnbeSkeptiker kümmerte 11 % Hedonisten Internetferne 9% Verunsicherte 47 % (64 Jahre, weiblich) © SINUS 2016 Die Effizienzorientierten Performer begeistern sich für digitale Technik und Medien und sind risikobereite Intensiv-Nutzer des Internets, sowohl mobil als auch stationär. Dabei haben sie den Anspruch, dass das Internet ihren Alltag erleichtert. Sie haben zwar hohe Erwartungen an den Staat bezüglich Sicherheit im Internet, vertrauen aber vorwiegend der eigenen Internetkompetenz. Ihnen ist bewusst, dass es absolute Sicherheit im Internet nicht gibt; mit Blick auf die zahlreichen Annehmlichkeiten und Vorzüge des Internets nehmen sie entsprechende Risiken aber in Kauf. Die Teilhabe am Internet ist für diese Gruppe auch ein Distinktionsmerkmal: Online zu sein bedeutet, am „Puls der Zeit“ zu sein – und damit vielen Gleichaltrigen voraus. Soziodemografisches Profil in Prozent Begeisterung für digitale Technik und Medien; hohe Erwartungen an den Staat bezüglich der Sicherheit im Netz; nehmen Risiken in Kauf und vertrauen der eigenen Online-Kompetenz weiblich männlich 34 66 Geschlecht Haushaltsnettoeinkommen in Euro 64 62 58 21 42 37 37 25 21 Mittel Hoch 36 27 7 6 < 2.000 2.000 – 4.000 4.000 < ■ Effizienzorientierte Performer Ü60 ■ Gesamt Ü60* 60 58 52 38 Einfach Alter in Jahren Mittelwert: 67 Jahre, Rentneranteil: 64 % Median: 2.500 – 2.750 4 5 k.A. 60 – 69Jährige Über 70Jährige Basis: 52 Fälle (Effizienzorientierte Performer Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Fotos: SINUS Bildung Die Mehrheit der Vertreter dieses Internet-Milieus befindet sich im Lebensabschnitt zwischen 60 und 69 Jahren; mehr als ein Drittel ist noch erwerbstätig. Der Männeranteil ist deutlich größer als der Frauenanteil (66 Prozent versus 34 Prozent). Effizienzorientierte Performer pflegen einen aktiven, genussorientierten und gehobenen Lebensstil. Sie genießen die Früchte ihres leistungs- und erfolgsorientierten Lebens und verfolgen neben ihrer Leidenschaft für technische Entwicklungen auch vielfältige kulturelle Interessen. „Ich lebe lieber, bevor ich aus Sicherheitsgründen sitzen bleibe!“ (61 Jahre, weiblich) Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Effizienzorientierten Performer Das Internet ist für Effizienzorientierte Performer ein fester Bestandteil ihres Lebens. 89 Prozent nutzen das Internet mindestens mehrmals wöchentlich (Durchschnitt Ü60: 44 Prozent). Für zwei Drittel ist ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellbar (Durchschnitt Ü60: 29 Prozent), und 82 Prozent halten es sogar für die beste Erfindung, die es je gab – der Spitzenwert im Milieuvergleich (Durchschnitt Ü60: 44 Prozent). Sie sind dabei besonders affin für digitale Angebote, die ihnen Bequemlichkeit, Schnelligkeit und Effektivität bzw. Produktivität ermöglichen (zum Beispiel Online-Banking). Informations- und Unterhaltungsmedien wie Radio und Zeitung werden überdurchschnittlich häufig online genutzt. Die mobile Internetnutzung nimmt im Milieuvergleich eine besonders wichtige Rolle ein: Kein anderes Internet-Milieu besitzt häufiger Tablets (28 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 7 Prozent). Ebenso findet sich ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Smartphone-Besitzern in dieser Gruppe (58 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 24 Prozent). Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz ■ überdurchschnittlich in Prozent Nutzungshäufigkeit ■ unterdurchschnittlich Gerätebesitz EP Ü60 Ü60* Täglich 48 22 Desktop-PC 69 41 Mehrmals pro Woche 41 21 Laptop/Notebook 65 29 Ein paarmal pro Monat 6 6 Tablet 28 7 Seltener 2 3 Smartphone/internetfähiges Telefon (z.B. iPhone, BlackBerry) 58 24 48 Spielekonsole (Xbox, PlayStation, GameCube) 6 2 Nie 3 52 Fälle (Effizienzorientierte Performer Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Internet-Aktivitäten 52 Fälle (Effizienzorientierte Performer Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Subjektive Internetkompetenz EP Ü60 Ü60* Online-Banking 53 32 1–2 17 Telefonieren über Internet (z.B. via Skype) 32 21 3–4 64 Auf Webseiten Kommentare, Bewertungen oder Rezensionen abgeben 12 16 5–6 19 Top-Wert: Suche nach Informationen und Inhalten (Online-Recherche) (97 %) Basis: 50 Fälle (Onliner Effizienzorientierte Performer) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) EP Ü60 Ü60* Mittelwert EP Ü60: 3,6 Mittelwert Gesamt Ü60: 3,1* 1 = Anfänger bis 6 = Experte; fehlende Werte auf 100 Prozent: weiß nicht/keine Angabe Basis: 50 Fälle (Onliner Effizienzorientierte Performer) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 61 Teilhabe am Internet ist für nahezu alle Effizienzorientierten Performer unverzichtbar. Deutlicher als alle anderen Internet-Milieus betonen sie, dass das Internet wichtig sei, um „up to date“ bleiben zu können (92 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 71 Prozent). Aus den persönlichen Gesprächen im Rahmen der qualitativen Studie ging hervor, dass sie oft schon früh in die digitale Welt eingestiegen sind und sich dadurch viel selbstsicherer im Internet bewegen als der Durchschnitt. Kein anderes Milieu gibt auch häufiger an, in Sachen Internet immer auf dem neuesten Stand der Technik sein zu wollen (71 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 27 Prozent). Nur 15 Prozent fühlen sich von dem Medium überfordert (Durchschnitt Ü60: 59 Prozent), und nur knapp über ein Drittel ist auf fremde Hilfe angewiesen (Durchschnitt Ü60: 55 Prozent). „Ich habe schon 1996 meinen ersten Internet-Anschluss gehabt, weil ich das einfach von Anfang an toll fand.“ (64 Jahre, weiblich) Typisch für dieses Internet-Milieu ist ihre Offenheit gegenüber Sozialen Medien. Während sich beim Durchschnitt aller über 60-Jährigen nur etwa jeder Zwölfte ein Leben ohne Soziale Medien nicht mehr vorstellen kann, ist es bei den Effizienzorientierten Performern jeder Dritte. Das ist für sie auch Ausdruck ihrer Teilhabe am modernen Leben. Im Milieuvergleich legen Vertreter dieses Milieus auch den größten Wert auf digitale Lifestyle-Produkte. „Bei uns ist alles miteinander verbunden, wir haben so ein Sonos-System. Da läuft Spotify, Radio usw. in allen Räumen. Das kann man mit dem Handy, iPad und PC steuern.“ (61 Jahre, weiblich) „Ich mach mal die Tür zu, der Krach kommt von unserem selbst fahrenden Staubsauger.“ (73 Jahre, männlich) Einstellungen zum Internet in Prozent Ich möchte an dem teilhaben, was im Internet passiert 15 Eigentlich bin ich mit dem Medium Internet überfordert Ohne die Hilfe von Freunden und Bekannten wäre ich im Internet verloren Ich kann mir ein Leben ohne Mitgliedschaft in einer Online-Community nicht vorstellen 99 38 59 34 55 32 8 Mir ist es wichtig, dass der Staat aktiv für Sicherheit im Internet sorgt 71 Wer nichts zu verbergen hat, hat im Internet auch nichts zu befürchten Wenn der Preis stimmt, wäre ich bereit, persönliche Daten von mir im Internet weiterzugeben 30 43 ■ Effizienzorientierte Performer Ü60 ■ Gesamt Ü60* 14 14 Basis: 52 Fälle (Effizienzorientierte Performer Ü60) 62 93 *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung Für die Effizienzorientierten Performer ist Sicherheit im Internet ein wichtiges Thema. Nur 11 Prozent machen sich darum keine Sorgen – weniger als in allen übrigen Internet-Milieus. Dies überrascht insofern, als dass gerade für dieses Internet-Milieu die bei vielen als riskant geltenden InternetAktivitäten wie Online-Banking und die Nutzung Sozialer Netzwerke überdurchschnittlich relevant sind. Im Vergleich zu den anderen Internet-Milieus wird auch die Preisgabe der eigenen Daten nicht ganz so kritisch gesehen: 43 Prozent sind der Meinung, wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten (Durchschnitt Ü60: 30 Prozent). Die große Mehrheit der Effizienzorientierten Performer sieht sich aber gleichzeitig auch in der Lage, Sicherheitsrisiken im Internet richtig einordnen und entsprechend darauf reagieren zu können (78 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 31 Prozent). Einstellungen zum Internet in Prozent Das Internet ist eine der besten Erfindungen, die es je gab 84 44 Internetnähe Ein Leben ohne Internet ist für mich persönlich nicht vorstellbar Sicherheitsgefühl Reglementierung/ Freiheit des Internets Ich fühle mich in der Lage, Sicherheitsrisiken im Internet richtig einzuordnen und entsprechend zu reagieren Ich mache mir um die Sicherheit im Internet keine Gedanken, was soll mir schon passieren 68 29 78 31 11 18 Ich möchte nicht, dass der Staat das Internet reglementiert 60 40 Dass im Internet jeder machen kann, was er will, ist eine Bedrohung unseres demokratischen Systems Basis: 100 Fälle (Effizienzorientierte Performer Ü60) 53 60 ■ Effizienzorientierte Performer Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Trotz ihrer hohen subjektiven Internetkompetenz sehen Effizienzorientierte Performer überdurchschnittlich häufig den Staat in der Verantwortung, für Sicherheit im Internet zu sorgen, wenngleich die Mehrheit von ihnen das Internet durch den Staat nicht reglementiert sehen möchte. Staatliche Verantwortung wird in diesem Milieu nicht mit staatlicher Reglementierung gleichgesetzt. „Ich muss gestehen, ich halte nichts von Regulierung, weil sie aus meiner Sicht gar nicht machbar ist; sie ist nicht wirklich umsetzbar. Das Internet ist frei, und wenn man irgendwelche Barrieren aufbaut, dann werden andere Schlupflöcher gefunden.“ (64 Jahre, weiblich) „Ich wollte jetzt nicht, dass bestimmte Details meiner Familie oder meines Zusammenlebens in der Öffentlichkeit preisgegeben werden. Aber man muss es auch nicht übertreiben.“ (73 Jahre, männlich) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 63 Der Blick in die digitalisierte Zukunft Einer digitalisierten Zukunft blicken die technikbegeisterten Effizienzorientierten Performer mit Spannung und Freude entgegen. Daran sollten auch die Kinder informiert teilhaben können. Daher sind 69 Prozent auch der Auffassung, dass Kinder so früh wie möglich den Umgang mit dem Internet lernen sollten. Einstellungen zum Internet in Prozent, Top-2-Werte einer 4er-Skala 92 Ich freue mich, etwas über das Internet dazuzulernen Die Vorstellung, dass vieles in Zukunft nur noch über das Internet erledigt werden kann, macht mir Angst 52 28 59 Kinder sollten so früh wie möglich den Umgang mit dem Internet lernen 69 43 Basis: 52 Fälle (Effizienzorientierte Performer Ü60) ■ Effizienzorientierte Performer Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Effizienzorientierte Performer sind neugierig darauf, was technisch „alles noch möglich sein wird“, und wollen zu den Ersten gehören, die Innovationen nutzen oder zumindest davon mitbekommen. Trotz ihrer relativ deutlich ausgeprägten Sicherheitsskepsis freuen sich fast alle darauf, mehr über das Internet zu lernen (92 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 52 Prozent). Ein gewisses Maß an Internetkompetenz ist für sie zwar keine absolute Sicherheitsgarantie, aber zumindest Voraussetzung für ein souveränes Navigieren und Agieren im Netz. „Also, Unterhaltungsmedien wären ganz schön, wenn man mal endlich dazu käme, von dem Bildschirm wegzukommen. Dass man in den Raum irgendwelche Bilder projizieren kann, hologrammähnlich, in 3-D. Das wäre dann erst das echte 3-D. Alles andere mit Brille ist für mich nicht zukunftsweisend. Das wäre dann richtig mal ein großer Schritt, wie damals von der Schallplatte zur CD.“ (66 Jahre, männlich) Wohnwelten der Effizienzorientierten Performer Ü60 64 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 6.6 Souveräne Realisten (9 %) Verantwortungsbedachte Etablierte 18 % Effizienzorientierte Performer 5% Vorsichtige Skeptiker 11 % „Ich nutze nur die Seiten im Internet, die ich wirklich brauche für mein tägliches Leben und für meinen Wissensdurst.“ Souveräne Realisten 9% NetzEnthusiasten 1% Unbekümmerte Hedonisten 9% Internetferne Verunsicherte 47 % (81 Jahre, weiblich) © SINUS 2016 Souveräne Realisten gehören zu den Internet-Intensiv-Nutzern. Ihr Umgang mit dem Internet ist dabei unaufgeregt und bedacht. Sie betonen die Eigenverantwortung der Nutzer und sorgen daher lieber selbst für ihre Sicherheit im Internet, anstatt es anderen zu überlassen. Unter den Souveränen Realisten der Alterskohorte 60 plus finden sich deutlich mehr Männer als Frauen (69 Prozent versus 31 Prozent). Über die Hälfte ist zwischen 60 und 69 Jahre alt. Typisch für dieses Milieu ist Wissbegierde und eine aufgeschlossene, aber kritische Haltung gegenüber Neuem sowie die Bereitschaft, ein hohes Maß an gesellschaftlicher Verantwortung zu übernehmen. Soziodemografisches Profil in Prozent Hohe Internetkompetenz und selbstbewusst-autonomes Nutzungsverhalten; dabei kritischer Blick auf das Internet, ohne dessen Freiheit für mehr Kontrolle aufgeben zu wollen weiblich männlich 31 69 Geschlecht Bildung Haushaltsnettoeinkommen in Euro 58 39 22 21 32 35 37 42 Fotos: SINUS 43 32 21 6 Mittel 58 57 52 39 Einfach Alter in Jahren Mittelwert: 67 Jahre, Rentneranteil: 63 % Median: 2.750 – 3.000 Hoch ■ Souveräne Realisten Ü60 < 2.000 2.000 – 4.000 4.000 < ■ Gesamt Ü60* 1 5 k.A. 60 – 69Jährige Über 70Jährige Basis: 83 (Souveräne Realisten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 65 Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Souveränen Realisten Souveräne Realisten sind in Summe deutlich internetaffiner als der Durchschnitt der über 60-Jährigen: 56 Prozent sind täglich online (Durchschnitt Ü60: 23 Prozent). Sie äußern zudem deutlicher als der Durchschnitt, dass sie am Internet teilhaben möchten, dass sie das Internet für eine der besten Erfindungen der Geschichte halten und dass sie sich ein Leben ohne das Netz nicht mehr vorstellen können (siehe weiter unten). Umso überraschender mag daher erscheinen, dass ein Fünftel das Internet nie nutzt. Die Gründe hierfür sind in diesem Internet-Milieu weniger Überforderung und Sicherheitsbedenken, sondern der spezifische Zugang zur digitalen Welt. Für Souveräne Realisten sind Internet und Digitalisierung gesellschaftsrelevante Themen, über die sie sich informieren und zu denen sie sich positionieren möchten, unabhängig davon, ob sie einzelne Anwendungen tatsächlich nutzen. Daher haben sie teilweise ein umfassendes (theoretisches) Wissensrepertoire, sind aber selbst nur Gelegenheitsnutzer oder sogar Offliner. Auch wenn der digitale Wandel somit als relevant erachtet wird, ist das Internet im persönlichen Alltag nicht automatisch gleichsam relevant. Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz ■ überdurchschnittlich in Prozent Nutzungshäufigkeit ■ unterdurchschnittlich Gerätebesitz SR Ü60 Ü60* Täglich 56 22 Desktop-PC 73 41 Mehrmals pro Woche 19 21 Laptop/Notebook 40 29 Ein paarmal pro Monat 2 6 Tablet 5 7 Seltener 3 3 Smartphone/internetfähiges Telefon (z.B. iPhone, BlackBerry) 38 24 48 Spielekonsole (Xbox, PlayStation, GameCube) 2 2 Nie 20 Basis: 83 (Souveräne Realisten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Internet-Aktivitäten Chatten bzw. Instant Messaging (z.B. via WhatsApp, ICQ, iMessage) Online-Kontakt und Online-Kommunikation mit Ämtern und Behörden Speichern von Digitalfotos oder Videos an Online-Speicherorten (iCloud, Dropbox etc.) Basis: 83 (Souveräne Realisten Ü60) Ü60* 50 26 1–2 23 40 28 3–4 54 8 11 5–6 23 Basis: 66 (Onliner Souveräne Realisten Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Subjektive Internetkompetenz SR Ü60 Top-Wert: E-Mails senden/empfangen (85 %) SR Ü60 Ü60* Mittelwert SR Ü60: 3,4 Mittelwert Gesamt Ü60: 3,1* 1 = Anfänger bis 6 = Experte; fehlende Werte auf 100 Prozent: weiß nicht/keine Angabe Basis: 66 (Onliner Souveräne Realisten Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) Mobiles Internet ist in dieser Lebenswelt deutlich präsent: 36 Prozent besitzen ein Smartphone. Zudem werden Messenger-Dienste überdurchschnittlich stark genutzt (50 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 26 Prozent). Auch in den persönlichen Interviews der qualitativen Studie wurde betont, dass solche Dienste, v.a. WhatsApp, im Alltag wichtig sind, um bequem und vor allem nicht öffentlich mit Familienmitgliedern, Bekannten und Freunden in Kontakt bleiben zu können. 66 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland „Ich bin voyeuristisch unterwegs. Meine Nichten sind bei Facebook vertreten, dann sehe ich das immer, auch was mein Sohn da immer postet. Ich gebe höchstens mal einen Like ab, wie bei seiner Hochzeit, aber ich stelle keine Fotos oder irgendetwas anderes auf Facebook.“ (63 Jahre, weiblich) „Bei WhatsApp schreibe ich [...] keine Statements. So was würde ich nur persönlich machen.“ (63 Jahre, weiblich) Einstellungen zum Internet in Prozent Ich möchte an dem teilhaben, was im Internet passiert 11 Eigentlich bin ich mit dem Medium Internet überfordert Ohne die Hilfe von Freunden und Bekannten wäre ich im Internet verloren Ich kann mir ein Leben ohne Mitgliedschaft in einer Online-Community nicht vorstellen 59 15 8 55 10 39 Mir ist es wichtig, dass der Staat aktiv für Sicherheit im Internet sorgt Wer nichts zu verbergen hat, hat im Internet auch nichts zu befürchten Wenn der Preis stimmt, wäre ich bereit, persönliche Daten von mir im Internet weiterzugeben 73 38 29 8 71 30 ■ Souveräne Realisten Ü60 ■ Gesamt Ü60* 14 Basis: 83 (Souveräne Realisten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung Die Souveränen Realisten sind der Ansicht, dass sie sich im Internet alles in allem recht gut zurechtfinden. Nur ein sehr kleiner (und weit unterdurchschnittlicher) Teil fühlt sich vom Internet überfordert und ist der Meinung, ohne fremde Hilfe im Internet verloren zu sein. Nur die Netz-Enthusiasten halten sich für noch kompetenter im Umgang mit dem Internet. Ein vergleichsweise hoher Anteil der Souveränen Realisten sieht sich zum Beispiel in der Lage, angemessen mit Sicherheitsproblemen umzugehen (49 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 31 Prozent). Im Vergleich zum Durchschnitt aller über 60-Jährigen blicken sie daher auch gelassener auf das Thema Sicherheit im Internet. Besonders typisch für diese Gruppe ist die Ansicht, dass völlige Freiheit im Internet keine Gefahr für die Demokratie darstellt. Ihre vergleichsweise liberale Grundhaltung zum Internet zeigt sich auch darin, dass sich ein leicht überdurchschnittlicher Anteil gegen eine staatliche Reglementierung des Internets ausspricht (45 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 40 Prozent). „In diesem Spannungsfeld muss jeder für sich selbst die Entscheidung treffen und ist für sich selbst verantwortlich. Auf den Staat würde ich da nicht zählen.“ (63 Jahre, männlich) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 67 Einstellungen zum Internet in Prozent Das Internet ist eine der besten Erfindungen, die es je gab 57 44 Internetnähe Ein Leben ohne Internet ist für mich persönlich nicht vorstellbar Sicherheitsgefühl Reglementierung/ Freiheit des Internets 58 29 Ich fühle mich in der Lage, Sicherheitsrisiken im Internet richtig einzuordnen und entsprechend zu reagieren Ich mache mir um die Sicherheit im Internet keine Gedanken, was soll mir schon passieren 18 27 Ich möchte nicht, dass der Staat das Internet reglementiert Dass im Internet jeder machen kann, was er will, ist eine Bedrohung unseres demokratischen Systems 49 31 40 45 7 53 Basis: 83 (Souveräne Realisten Ü60) ■ Souveräne Realisten Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Der Blick in die digitalisierte Zukunft Souveräne Realisten blicken nicht so fasziniert und euphorisch in die digitale Zukunft wie die Gruppe der Netz-Enthusiasten oder der Effizienzorientierten Performer, sie sind aber durchaus sehr interessiert an dem, was die Technologie noch alles bringen wird. So freut sich auch ein überdurchschnittlich hoher Anteil darauf, mehr über das Internet dazuzulernen (67 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 52 Prozent). Einstellungen zum Internet in Prozent,Top-2-Werte einer 4er-Skala 67 Ich freue mich, etwas über das Internet dazuzulernen Die Vorstellung, dass vieles in Zukunft nur noch über das Internet erledigt werden kann, macht mir Angst Kinder sollten so früh wie möglich den Umgang mit dem Internet lernen 52 10 59 53 43 Basis: 83 (Souveräne Realisten Ü60) 68 ■ Souveräne Realisten Ü60 ■ Gesamt Ü60* *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Souveräne Realisten blicken angstfrei, aber nicht unkritisch auf die digitalen Entwicklungen. In den persönlichen Gesprächen werden einerseits Chancen und Vorteile des Internets wie beispielsweise besserer Zugang zu Informationen und effizienteren Kommunikationsmöglichkeiten genannt. Dem werden andererseits Risiken wie Vereinsamung, Internet-Sucht und ökonomisches Ungleichgewicht gegenübergestellt. Die Mehrheit findet, dass Kinder früh an das Internet herangeführt werden sollten, allerdings äußern sich Souveräne Realisten hier deutlich zurückhaltender als die anderen sehr internetaffinen Gruppen. Sie gehen einerseits davon aus, dass Medienkompetenz eine wichtige Zukunftsressource ist, möchten aber nicht, dass darüber „analoge“ Aspekte des Aufwachsens vernachlässigt werden. „Ob das jetzt eine Fernsehsendung ist, die man nicht angeguckt hat, die man über eine Mediathek noch mal dann anguckt, oder dass man sich, wenn man irgendwie was lesen will, viele Bücher wenigstens auszugsweise angucken kann, gefällt mir das, interessiert mich das, bevor man jetzt irgendwie was kauft. Das finde ich schon … Solche Sachen finde ich schon eigentlich toll.“ (63 Jahre, weiblich) „Ich denke, die Beziehungen untereinander werden abnehmen. Ich denke, die Menschen werden einsamer werden, weil man sich jetzt schon einen digitalen Freund zulegen kann, damit die anderen denken, man ist nicht alleine.“ (60 Jahre, männlich) Fotos: SINUS Wohnwelten der Souveränen Realisten Ü60 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 69 6.7 Netz-Enthusiasten (1 %)11 „Die Welt war ruhiger und friedlicher früher. Aber da hätte ich mir schon ein Smartphone gewünscht, um zu sehen, wo meine Kinder sind. Mein WhatsApp glüht den ganzen Tag, weil man immer sagt: ,Ich bin jetzt hier, bist du in der Nähe?‘ Ohne geht es gar nicht mehr!“ (63 Jahre, weiblich) Verantwortungsbedachte Etablierte Effizienz- Souveräne Realisten 18 % orientierte 9% Performer Netz5% Enthusiasten 1% Vorsichtige UnbeSkeptiker kümmerte 11 % Hedonisten Internetferne 9% Verunsicherte 47 % © SINUS 2016 Netz-Enthusiasten sind vom Internet begeistert und können sich ein Leben „ohne“ nicht mehr vorstellen. Die Teilhabe am Internet ist für diese Gruppe Ausdruck ihres jugendlich-aufgeschlossenen Lebensstils und markiert Teilhabe am modernen Leben. Hier werden daher auch Soziale Medien deutlich häufiger und bedenkenloser genutzt als in anderen Lebenswelten. Sie mögen am Internet besonders, dass man darüber neue Leute kennenlernen kann. Unter allen Internet-Milieus schreiben sie sich die höchste Internetkompetenz zu. Soziodemografisches Profil in Prozent Sicherer und selbstbewusster Umgang mit dem Internet und hoher Teilhabeanspruch; gleichermaßen stationäre und mobile Nutzung (vor allem mit Smartphone); ausgeprägte Social-Media-Nutzung weiblich männlich 46 54 Geschlecht Haushaltsnettoeinkommen in Euro Alter in Jahren Mittelwert: 67 Jahre, Rentneranteil: 63 % Median: 2.500 – 2.750 89 58 28 Einfach 30 21 Mittel 21 Hoch ■ Netz-Enthusiasten Ü60 11 52 42 11 79 0 6 < 2.000 2.000 – 4.000 4.000 < ■ Gesamt Ü60* 58 42 37 21 0 5 k.A. 60 – 69Jährige Über 70Jährige Basis: 15 Fälle (Netz-Enthusiasten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Das Internet-Milieu der Netz-Enthusiasten ist bei den über 60-Jährigen mit nur einem Prozent vertreten. Aufgrund der tatsächlichen Repräsentanz wurde diese digitale Lebenswelt dennoch ausgewiesen und dargestellt. Die Beschreibungen beziehen sich allerdings notwendigerweise auf eine sehr kleine Fallzahl (15 Fälle). 70 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Fotos: SINUS Bildung Mit einem Anteil von nur einem Prozent sind die Netz-Enthusiasten das mit Abstand kleinste DIVSI Internet-Milieu Ü60. Aber es gibt solch eine netzbegeisterte Gruppe eben auch im älteren Bevölkerungssegment, wenngleich die breite Mehrheit hier zwischen 60 und 69 Jahre alt ist (79 Prozent). Der Männeranteil ist mit 54 Prozent etwas größer als der Frauenanteil. Auch im fortgeschrittenen Alter ist der Lebensstil dieser Gruppe von dem Drang nach einem selbstbestimmten und aktiven Leben, Genuss, Neugierde sowie dem Wunsch nach neuen Erfahrungen geprägt. Netz-Enthusiasten möchten als jung geblieben wahrgenommen werden und sind bereit, auch aktiv etwas für die geistige und körperliche Fitness zu tun (Reisen, Fitnessstudio usw.). „Ich mache so ein Trainingsprogramm an den Geräten und nehme die Powerkurse wahr, da kann man sich auspowern, und hinterher fühlt man sich gut. Seitdem ich Rentner bin, bin ich ja aktiver als vorher zu Berufszeiten.“ (81 Jahre, weiblich) Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Netz-Enthusiasten Die Netz-Enthusiasten möchten unbedingt am Internet teilhaben. Für 80 Prozent ist ein Leben ohne Internet unvorstellbar – das ist der im Milieuvergleich mit Abstand höchste Wert (Durchschnitt Ü60: 29 Prozent). 79 Prozent sind daher auch täglich online (Durchschnitt Ü60: 22). Das Internet wird dabei in seiner ganzen Bandbreite genutzt, sowohl mobil als auch stationär. Es ist das einzige InternetMilieu, das nur wenige oder keine Vorbehalte gegenüber Sozialen Netzwerken hat und diese auch aktiv nutzt. 65 Prozent könnten sich gar ein Leben ohne eine Mitgliedschaft in einem Sozialen Netzwerk nicht mehr vorstellen (Durchschnitt Ü60: 7 Prozent), und ebenfalls zwei Drittel schätzen am Internet die Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen (Durchschnitt Ü60: 31 Prozent) – das ist der im Milieuvergleich mit Abstand höchste Wert. Drei von vier sind in diesem Internet-Milieu aktive Social-Media-User; sie stellen Wortbeiträge, Bilder, Fotos oder Videos in Soziale Netzwerke ein – kein anderes Milieu ist hier aktiver. Durch das Internet andere am eigenen Leben teilhaben zu lassen, ist für 92 Prozent ein wichtiger Aspekt des Internets; auch hier unterscheiden sie sich deutlich von allen anderen Gruppen (Durchschnitt Ü60: 29 Prozent). „Bei mir ist alles verbunden. Manchmal fange ich von unterwegs was zu schreiben an auf dem iPad, zu Hause schreib ich dann am PC weiter. Und wenn ich gemütlich bin, dann setze ich mich mit dem iPad aufs Sofa.“ (81 Jahre, weiblich) „Durch das Internet ist es für mich möglich geworden, mit Leichtigkeit mit Menschen Informationen auszutauschen.“ (60 Jahre, männlich) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 71 Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz ■ überdurchschnittlich in Prozent Nutzungshäufigkeit N-E Ü60 Ü60* ■ unterdurchschnittlich Gerätebesitz N-E Ü60 Ü60* Täglich 79 22 Desktop-PC 70 41 Mehrmals pro Woche 12 21 Laptop/Notebook 76 29 Ein paarmal pro Monat 0 6 Tablet 22 7 64 24 13 2 Seltener 0 3 Smartphone/internetfähiges Telefon (z.B. iPhone, BlackBerry) Nie 9 48 Spielekonsole (Xbox, PlayStation, GameCube) Basis: 15 Fälle (Netz-Enthusiasten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Internet-Aktivitäten N-E Ü60 Ü60* Einstellen von eigenen Beiträgen wie Bildern, Videos, Texten in Foren, Blogs oder Sozialen Netzwerken Mobile Online-Spiele spielen auf dem Smartphone/Tablet via Apps Dating-Portale 75 22 5 14 4 1 Top-Wert: E-Mails senden/empfangen (100 %) Basis: 14 Fälle (Onliner Netz-Enthusiasten Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) Basis: 15 Fälle (Netz-Enthusiasten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Subjektive Internetkompetenz 1–2 10 3–4 48 5–6 42 Mittelwert N-E Ü60: 4,0 Mittelwert Gesamt Ü60: 3,1* 1 = Anfänger bis 6 = Experte; fehlende Werte auf 100 Prozent: weiß nicht/keine Angabe Basis: 14 Fälle (Onliner Netz-Enthusiasten Ü60) *Basis: 560 Fälle (Onliner Ü60) Netz-Enthusiasten bewegen sich selbstbewusst im Internet und sind bei Sicherheitsthemen nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Im Milieuvergleich sehen sie sich am kompetentesten im Umgang mit dem Internet. Auch in den persönlichen Gesprächen im Rahmen der qualitativen Studie zeigte sich, dass sie mit vielen (Fach-)Begriffen aus der digitalen Welt bestens vertraut sind. „Ich habe meine Computer jetzt selbst umgerüstet auf SSD, also auf diese kleinen Festplatten, diese ganz schnellen, die keine mechanischen Teile mehr drin haben. Leider kann ich den Laptop meiner Tochter nicht umrüsten, weil der ganz andere Schnittstellen hat.“ (73 Jahre, männlich) 72 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland ) Einstellungen zum Internet in Prozent Ich möchte an dem teilhaben, was im Internet passiert 9 Eigentlich bin ich mit dem Medium Internet überfordert 59 Ohne die Hilfe von Freunden und 0 Bekannten wäre ich im Internet verloren Ich kann mir ein Leben ohne Mitgliedschaft in einer Online-Community nicht vorstellen 87 38 55 66 8 Mir ist es wichtig, dass der Staat aktiv für Sicherheit im Internet sorgt 71 Wer nichts zu verbergen hat, hat im Internet auch nichts zu befürchten Wenn der Preis stimmt, wäre ich bereit, persönliche Daten von mir im Internet weiterzugeben 20 13 79 30 14 ■ Netz-Enthusiasten Ü60 ■ Gesamt Ü60* Basis: 15 Fälle (Netz-Enthusiasten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung Netz-Enthusiasten nehmen die Risiken des Internets wahr und wissen sich vor den möglichen Gefahren zu schützen, z.B. durch entsprechende Software. 76 Prozent sehen sich in der Lage, Sicherheitsrisiken richtig einzuordnen und entsprechend darauf zu reagieren (Durchschnitt Ü60: 31 Prozent). Die breite Mehrheit sieht aber auch den Staat in der Verantwortung, für Sicherheit im Internet zu sorgen; gleichwohl möchten 70 Prozent nicht, dass das Internet vom Staat reglementiert wird (Durchschnitt Ü60: 40 Prozent). Ähnlich wie die Effizienzorientierten Performer erwarten sie offensichtlich vom Staat Sicherheitsmaßnahmen, durch die die Freiheit im Netz nicht eingeschränkt wird (z.B. Verfolgung von Straftaten). Dass jeder im Internet machen kann, was er will, stellt für Netz-Enthusiasten keine Bedrohung für das demokratische System dar, während mehr als die Hälfte aller über 60-Jährigen genau davon ausgeht. DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 73 Einstellungen zum Internet in Prozent Das Internet ist eine der besten Erfindungen, die es je gab 82 44 Internetnähe Ein Leben ohne Internet ist für mich persönlich nicht vorstellbar Sicherheitsgefühl Reglementierung/ Freiheit des Internets Ich fühle mich in der Lage, Sicherheitsrisiken im Internet richtig einzuordnen und entsprechend zu reagieren Ich mache mir um die Sicherheit im Internet keine Gedanken, was soll mir schon passieren Ich möchte nicht, dass der Staat das Internet reglementiert Dass im Internet jeder machen 0 kann, was er will, ist eine Bedrohung unseres demokratischen Systems 80 29 76 31 18 27 70 40 53 ■ NetzEnthusiasten Ü60 ■ Gesamt Ü60* Basis: 15 Fälle (Netz-Enthusiasten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) „Im Grunde denke ich schon, je mehr Freiheit da herrscht, desto besser, würde ich sagen. Bei kriminellen Sachen wie Kinderpornografie oder Mobbing muss die Staatsanwaltschaft einschreiten.“ (61 Jahre, männlich) Der Blick in die digitalisierte Zukunft Die Netz-Enthusiasten haben keinerlei Angst davor, dass das Alltagsleben in Zukunft immer stärker vom Internet durchdrungen sein könnte. Hier unterscheiden sie sich deutlich von ihren Altersgenossen, von denen immerhin die Hälfte mit Angst auf die künftigen Veränderungen durch das Internet blickt. Die Netz-Enthusiasten sind äußerst aufgeschlossen, teilweise sogar begeistert von den digitalen Möglichkeiten und trauern den „analogen Zeiten“ nicht nach. Sie freuen sich daher viel stärker als der Durchschnitt, mehr über das Internet zu lernen (91 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 52 Prozent). Internetkompetenz halten sie für eine zentrale Voraussetzung für die künftigen Teilhabechancen von Kindern, weshalb ein weit überdurchschnittlicher Anteil von 77 Prozent (Durchschnitt Ü60: 43 Prozent) der Meinung ist, dass Kinder bereits früh an das Internet herangeführt werden sollten. „Man muss dieses Werkzeug Internet unheimlich gut beherrschen, sonst ist es wie jemand, der total viel Durst hat und zum Hydranten geht und den aufdreht und dann weggespült wird.“ (61 Jahre, männlich) „Man könnte auch sagen: Das Handwerk und das Analoge ist nicht ausgestorben, sondern es hat sich weiterentwickelt.“ (60 Jahre, männlich) 74 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland „Es wird einfacher werden mit den Geräten, wie zum Beispiel mit der Apple Watch. Da braucht man nur noch eine Uhr, und alles ist drin und dran. Ich bin aufgeschlossen für jede Neuerung und würde gerne noch 50 Jahre weiterleben, weil ich neugierig bin auf das, was in 50 Jahren möglich sein wird.“ (61 Jahre, männlich) Einstellungen zum Internet in Prozent,Top-2-Werte einer 4er-Skala 91 Ich freue mich, etwas über das Internet dazuzulernen Die Vorstellung, dass vieles in Zukunft nur noch über das Internet erledigt werden kann, macht mir Angst 52 0 Kinder sollten so früh wie möglich den Umgang mit dem Internet lernen 59 ■ Netz-Enthusiasten Ü60 ■ Gesamt Ü60* 77 43 Basis: 15 Fälle (Netz-Enthusiasten Ü60) *Basis: 1.091 Fälle (Gesamt Ü60) In den Wohnwelten der Netz-Enthusiasten finden sich kaum die für diese Altersgruppe sonst typischen „Internet-Inseln“ mit stationären Computern. Es ist auch das einzige Internet-Milieu, das häufiger Notebooks besitzt als Desktop-PCs. Die meisten Vertreter dieser digitalen Lebenswelt nutzen das Internet auch mobil. Kein anderes Milieu besitzt häufiger ein Smartphone (64 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 24 Prozent). Über ein Fünftel nutzt ein Tablet, was bei den über 60-Jährigen insgesamt viel seltener der Fall ist (Durchschnitt Ü60: 7 Prozent). Fotos: SINUS Wohnwelten der Netz-Enthusiasten Ü60 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 75 7. Zusammenfassung und Fazit Wie die über 60-Jährigen am Internet teilhaben und künftig teilhaben können Ein großer Teil der über 60-Jährigen in Deutschland ist in der digitalen Welt angekommen. 52 Prozent gehören zu den Onlinern, 15 Prozent in dieser Altersgruppe – das sind immerhin ca. 3,1 Millionen Menschen in Deutschland – sind souveräne Intensiv-Nutzer, die jüngeren Vertretern der sog. „Digitalen Avantgarde“ in puncto Online-Kompetenz in nichts nachstehen. Zudem sehen auch viele Gelegenheitsnutzer und sogar Offliner die Digitalisierung als eine Schlüsselressource für die Zukunft unserer Gesellschaft – unabhängig davon, ob sie selbst im Internet aktiv sind oder Online-Services „mitnutzen“ (z.B. beim Skype-Interview leidenschaftliche Meinungsführer sind, ohne selbst die Verbindung hergestellt zu haben). Wo aber fängt eigentlich digitale Teilhabe an – und warum ist sie so wichtig? Der souveräne Umgang mit digitalen Medien und dem Internet bekommt eine immer wichtigere Rolle, wenn es um die Frage nach Chancengerechtigkeit in einer Gesellschaft geht. Wenn Alltagsorganisation und -gestaltung heute immer mehr digital gesteuert wird, bedeutet digitale Teilhabe gleichzeitig auch soziale Teilhabe. Denn „teilzuhaben“ meint die Möglichkeit, an den Infrastrukturen und Angeboten einer Gesellschaft umfassend partizipieren zu können und dadurch ein gleiches Maß an sowohl beruflichen wie auch privaten Chancen zu erlangen. Wer nicht von Online-Infrastrukturen profitieren kann oder möchte, ist von bestimmten Prozessen ausgeschlossen oder muss sich entsprechende Unterstützung organisieren, vor allem, wenn Vorgänge nicht mehr in anderer Form durchführbar sind bzw. sein werden. 48 Prozent der über 60-Jährigen sind Offliner. Das sind 10 Millionen Menschen, denen genau diese Teilhabe nicht möglich ist. Gleichzeitig ist vielen Offlinern die Bedeutung des digitalen Wandels bewusst und sie erkennen viele Vorteile, die diese Veränderungen mit sich bringen bzw. für ihre Kinder und Enkelkinder im Alltag bedeuten können. Zu beobachten ist dabei, dass Offliner häufig an die digitale Lebenswelt von Familienmitgliedern oder Bekannten „andocken“, d.h., sie nehmen als „Passiv-Onliner“ an der Online-Welt teil, indem sie andere Menschen bitten, ihnen „Dinge aus dem Netz“ zu beschaffen bzw. etwas online zu erledigen, von dem sie wissen, dass es ohne Internet „viel mühsamer“ ist. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass digitale Teilhabe mehr bedeutet als die Verfügbarkeit eines Online-Zugangs. Sie ist mit der tatsächlichen Nutzung digitaler Medien und Angebote und spezifischen Kompetenzen, aber auch einer generell aufgeschlossenen Haltung zu Fragen der Digitalisierung verbunden sowie mit einem Mindestmaß an selbst zugeschriebener Souveränität im Umgang mit Risiken und Unsicherheiten im Internet. Wie sich dieses Konglomerat an Teilhabevoraussetzungen in der Realität tatsächlich ausprägt, zeigen die DIVSI Internet-Milieus auf besonders anschauliche Weise: Sie machen deutlich, dass in den verschiedenen digitalen Lebenswelten jeweils unterschiedliche Treiber und Hürden den Weg in die digitale Welt erleichtern bzw. erschweren. Dabei lassen sich einerseits Internet-Milieus identifizieren, die umfassend in der digitalen Welt angekommen sind und keine „spezielle Fürsorge“ und erst recht keine „seniorengerechten“ Angebote benötigen bzw. diese rigoros ablehnen. Hierbei handelt es sich um das internetnahe Segment, dem in Deutschland 15 Prozent der über 60-Jährigen angehören: ■ Internetnahes Segment (15 Prozent): Souveräne Intensiv-Nutzer, für die das Internet nicht nur selbstverständliche Infrastruktur, sondern der digitale Lebensstil ein Distinktionsmerkmal gegenüber Gleichaltrigen ist (Internet-Milieus: Effizienzorientierte Performer, Souveräne Realisten, Netz-Enthusiasten). 76 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland Des Weiteren gibt es ein internetfernes Segment, das weder an den digitalen Entwicklungen teilhaben kann noch möchte. Vertreter dieses Segments sind nicht nur selbst überwiegend Offliner, sondern sehen auch kaum Potenziale in der generellen digitalen Entwicklung, was sich daran zeigt, dass sie auch für die eigenen Kinder/Enkelkinder nicht wünschen, dass diese früh den Zugang zur digitalen Welt erhalten. ■ Internetfernes Segment (47 Prozent): Zurückhaltende Internetnutzer oder Offliner, die dem Internet eher distanziert gegenüberstehen, Angst vor dem digitalen Wandel haben und sich selbst nicht souverän fühlen, den wahrgenommenen Risiken adäquat begegnen zu können (InternetMilieus: Internetferne Verunsicherte). Konkreter Handlungsbedarf ist in hohem Maße beim Segment der Potenzial-Zielgruppen angezeigt: An diesen Internet-Milieus wird sich in den nächsten Jahren entscheiden, ob es gelingt, auf die Bedürfnisse von Menschen mit Teilhabewunsch und -anspruch auch entsprechend eingehen zu können: ■ Segment mit hohem Teilhabepotenzial (38 Prozent): Internetnutzer, die gern mehr online unternehmen würden, als sie es bisher tun – teils aus Sicherheitsbedenken, teils aus selbstzugeschriebener geringer Internetkompetenz. Sie sehen den digitalen Wandel als Chance für die Zukunft, wissen aber nicht, ob sie umfassend teilhaben können oder angesichts bestehender Bedenken/Unsicherheiten wollen (Internet-Milieus: Verantwortungsbedachte Etablierte, Vorsichtige Skeptiker, Unbekümmerte Hedonisten). Die verschiedenen Zugänge veranschaulicht die folgende Grafik im Überblick: Kurzgefasst: Zugänge zur digitalen Welt Effizienzorientierte Performer Souveräne Realisten ■ Online-Kompetenz als Abgrenzungsmerkmal zu Gleichaltrigen ■ Optimistisch-souveräner Umgang mit wahrgenommenen Risiken – Unsicherheit als Preis für Innovation und Zukunftssicherung ■ Aufgeschlossene, aber differenziertreflektierte Haltung zum digitalen Wandel ■ Kompetent-gelassener Umgang mit Risiken, aber Kritik an digitaler Euphorie, die potenzielle negative Aspekte ignoriert Vorsichtige Skeptiker Verantwortungsbedachte Etablierte ■ Zurückhaltende und zweckorientierte ■ Teilhabe an der digitalen Welt wird Internetnutzung als Zugehörigkeit zur modernen ■ Ausgeprägte Risikowahrnehmung Bildungselite verstanden bei gleichzeitiger Wertschätzung ■ Souveräner Umgang mit Gefahren der Vorteile des Internets und dezidierte Vermeidung von unseriösen Aktivitäten („Chatten und Posten“) Netz-Enthusiasten ■ Begeistert-faszinierter Blick auf digitale Errungenschaften und intensive Nutzung derselben ■ Selbstzutrauen im Umgang mit Risiken, aber Wunsch nach staatlichen Sicherheitsmaßnahmen, die die Freiheit nicht einschränken Unbekümmerte Hedonisten ■ Leidenschaftliche und arglose Internetnutzung ■ Nüchterne Akzeptanz von Unsicherheit im Internet, aber Hilflosigkeit bei der Vermeidung von potenziellen Schäden Internetferne Verunsicherte ■ Bewusste Distanz aufgrund wahrgenommener Komplexität des Internets ■ Geringes Selbstzutrauen im Umgang mit Risiken und Angst vor Fehlern DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 77 Teilhaben wollen, aber nicht können: Wie lassen sich die Potenzialgruppen erreichen? Um die Menschen zu erreichen, die am digitalen Wandel teilhaben wollen, aber nicht können, ergeben sich folgende konkrete Empfehlungen: a) Haltungen verstehen: Es erfordert ein genaues Verständnis der Treiber und Barrieren der Internetnutzung, um Alltagshandeln im Online-Kontext nachvollziehen zu können und nicht pauschal als „Unwillen“ oder Desinteresse zu deuten. Gerade die bei den über 60-Jährigen stärker ausgeprägte Gefahrenwahrnehmung sollte ernst genommen und nicht als „Überängstlichkeit“ missverstanden werden. b) Zugangswege bieten: Viele über 60-Jährige können sich vorstellen, ihre Online-Aktivitäten zu erweitern. Sie betonen deutlich, dass sie mehr über das Internet lernen möchten. Teilweise fehlen ihnen aber die entsprechenden Zugänge. Auch wenn Online-Angebote gemeinhin gern als „intuitiv und selbsterklärend“ angepriesen werden, muss Akzeptanz dafür geschaffen werden, dass sich nicht jeder neue Kenntnisse über den Weg des Ausprobierens erschließen möchte, sondern Erklärungen wünscht und ein genaues Verstehen der jeweiligen Angebote die Voraussetzung für deren Nutzung ist. c) Vertrauen schaffen: Über 60-Jährige sehen sich selbst als weniger kompetent im Umgang mit dem Internet als jüngere Menschen – obwohl dies mit Blick auf die tatsächlichen Aktivitäten häufig gar nicht der Fall ist, wie die Ergebnisse der Untersuchung zeigen. Sie brauchen vor allem Vertrauen in die eigenen Kompetenzen und mehr Informationen, wie sie sich im Internet vor Gefahren schützen können, ohne auf digitale Teilhabe verzichten zu müssen. 78 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 8. Anhang: Methode und Stichprobe Das zentrale Forschungsziel der vorliegenden Studie war die differenzierte Darstellung der Einstellungen und Zugangsweisen der über 60-Jährigen zum Thema Internet. Der Fokus lag dabei auf wahrgenommener Sicherheit in der digitalen Welt und entsprechendem Vertrauen in Online-Angebote. Um die Einstellungen und Verhaltensmuster der Befragten in der Tiefe verstehen zu können, bedurfte es sowohl eines vertieften qualitativen Verständnisses der Bevölkerungsgruppe als auch einer quantitativen Datenerhebung, damit Hypothesen überprüft bzw. quantitativ be- oder widerlegt werden konnten. Die Ergebnisse ermöglichen Vergleiche mit der Gesamtbevölkerung anhand der DIVSI Milieu-Studie 201612 sowie – teilweise – einen Vergleich mit Daten aus dem Jahr 201213. Phase 1: Qualitativ-psychologische Erhebung Der Fokus der qualitativ-psychologischen Erhebung lag nicht ausschließlich auf der Internetnutzung, sondern vor allem auf den dahinterliegenden (handlungsleitenden) Einstellungen, die entscheidend für die jeweiligen milieuspezifischen Zugangsweisen sind. Um diese Einstellungen unverfälscht einzufangen, empfahlen sich non-direktiv geführte Einzel-Explorationen. Diese arbeiten nach dem didaktischen Prinzip, den Befragten Raum zu geben, um ihre Wahrnehmungen, Meinungen und Emotionen in ihrer natürlichen Alltagssprache zu schildern. Unbeeinflusst von strukturierten Vorgaben konnten die Gesprächspartner so all das zum Ausdruck bringen, was aus ihrer subjektiven Sicht von Bedeutung ist. Die Gespräche wurden als ethnografische In-Home-Interviews bei den Gesprächspartnern zu Hause geführt. So konnten Einblicke in die Lebenswelten gewonnen und fotografisch festgehalten werden. Darüber hinaus bietet dieses Vorgehen den Vorteil, dass sich die Interviewten in ihrer eigenen Umgebung sicher fühlen und in der Regel ungefiltert antworten, da soziale Normen in den eigenen „vier Wänden“ eine geringere Rolle spielen als in für Forschungszwecke eingerichteten Teststudios. Von August bis Oktober 2015 wurden auf diese Weise 34 Interviews von für qualitative Erhebungsmethoden speziell geschulten Mitarbeitern des SINUS-Instituts durchgeführt. Es wurden Vertreter aller sieben DIVSI Internet-Milieus (basierend auf der DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet von 2012) befragt. Bei den ca. zweistündigen Interviews wurde ein Gesprächsleitfaden eingesetzt. Dieser gewährleistete, dass alle relevanten Forschungsfragen im Verlauf des Interviews thematisiert wurden. Die Inhalte des Gesprächsleitfadens basierten auf den Ergebnissen der Vorgängerstudien und der Sichtung der gängigen Forschungsliteratur. Die Interviews wurden digital aufgezeichnet und anschließend durch das SINUS-Institut inhaltsanalytisch entsprechend der Methode der hermeneutischen Textinterpretation ausgewertet. Die Zugehörigkeit zu einem Internet-Milieu basiert auf der Werteorientierung der Menschen in Bezug auf Fragen zum Internet und digitalen Medien. Werteorientierungen lassen sich zum einen verbal beschreiben, indem grundsätzliche Haltungen zum Leben erklärt und anhand von Beispielen sowie in Form von Zitaten dargelegt werden. Was Menschen aber persönlich wichtig ist und was sie miteinander verbindet, zeigt sich zum anderen ebenso in ihrer jeweiligen Lebensstilistik, u.a. den bevorzugten Freizeitaktivitäten, Produktpräferenzen und der Gestaltung der eigenen vier Wände. Daher wurde im Rahmen der qualitativen Tiefeninterviews auch eine fotografische Dokumentation der 12 Siehe DIVSI (2016) 13 Siehe DIVSI (2012) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 79 Lebenswelten durchgeführt. Die ausgewählten Bilder veranschaulichen typische Wohnstile der einzelnen DIVSI Internet-Milieus und bringen damit die zielgruppenspezifische Alltagsästhetik visuell auf den Punkt. Phase 2: Die quantitative Repräsentativerhebung Die Ergebnisse der qualitativen Phase wurden in den Fragebogen für die anschließende quantitative Befragung integriert. Es entstand ein ca. 40-minütiger Fragebogen, der sowohl Nutzungsverhalten wie Einstellungsmuster erfasste. An der computergestützten persönlichen Befragung (CAPI) nahmen insgesamt 1.091 über 60-Jährige teil. Die Repräsentativerhebung wurde in den Monaten Oktober und November 2015 vom Feldinstitut Ipsos durchgeführt. Die Befragten wurden über einen Indikator in die DIVSI Internet-Milieus verortet. Dieser Indikator besteht aus einer umfassenden Statement-Batterie und entstand 2015 im Rahmen eines großangelegten Updates der DIVSI Internet-Milieus für die Gesamtbevölkerung von 2012. Stichprobenbeschreibung Die Stichprobe der quantitativen Befragung ist repräsentativ für die deutschsprachige Gesamtbevölkerung ab 60 Jahren (2015) in Deutschland und berücksichtigt dabei die Merkmale Geschlecht, Alter und Region. In der Studie wird zwischen drei formalen Bildungsgraden unterschieden, die wie folgt definiert sind: formal hochgebildet (Fachhochschulreife, Abitur, Fachhochschulabschluss, Universitäts-/Hochschulabschluss, Promotion), formal mittelgebildet (mittlere Reife/Realschulabschluss oder polytechnische Oberschule mit Abschluss nach der zehnten Klasse), formal niedriggebildet (Schule ohne Abschluss beendet, Volks-/Hauptschulabschluss oder polytechnische Oberschule mit Abschluss nach der achten oder neunten Klasse). Stichprobenbeschreibung weiblich männlich 49 Hohe Bildung Niedrige Bildung 51 58 Geschlecht 21 Bildung Mittlere Bildung 21 60 – 69-Jährige 42 Über 70-Jährige Alter in Jahren 58 52 Haushaltsnettoeinkommen in Euro Median: 1.750 – unter 2.000 Euro 5 6 37 ■ < 2.000 ■ 2.000 – 4.000 ■ > 4.000 ■ k.A. Basis: 1.091 Fälle (alle Befragten Ü60) 80 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 9. Anhang: Literaturverzeichnis BITKOM (2014): Senioren in der digitalen Welt: https://www.bitkom.org/Presse/Anhaenge-an- PIs/2014/Dezember/141212-BITKOM-Praesentation-Senioren-in-der-Digitalen-Welt-12-12-2014.pdf (Zugriff: 03.08.2016) Bundeszentrale für politische Bildung: Bevölkerungsentwicklung und Altersstruktur: http://www.bpb. de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61541/altersstruktur (Zugriff: 03.08.2016) Calmbach et al. (2016): Wie ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Wiesbaden. http://www.springer.com/de/book/9783658125325 (Zugriff: 03.08.2016) Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (2012): DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet. Hamburg. https://www.divsi.de/wp-content/uploads/2013/07/DIVSIMilieu-Studie_Gesamtfassung.pdf (Zugriff: 03.08.2016) Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (2013): DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet. Aktualisierung 2013. Hamburg. https://www.divsi.de/wp-content/ uploads/2013/12/DIVSI_Milieu-Studie_Aktualisierung_2013.pdf. (Zugriff: 03.08.2016) Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (2014): DIVSI U25-Studie: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der digitalen Welt. Hamburg. https://www.divsi.de/wpcontent/uploads/2014/02/DIVSI-U25-Studie.pdf (Zugriff: 03.08.2016) Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (2016): DIVSI Internet-Milieus 2016: Die digitalisierte Gesellschaft in Bewegung. Hamburg. https://www.divsi.de/wp-content/ uploads/2016/06/DIVSI-Internet-Milieus-2016.pdf (Zugriff: 03.08.2016) Statistisches Bundesamt (2015): Die Generation 65+ in Deutschland: https://www.destatis.de/DE/ PresseService/Presse/Pressekonferenzen/2015/generation65/Pressebroschuere_generation65. pdf?__blob=publicationFile (Zugriff: 03.08.2016) DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 81 DIVSI Studien im Überblick DIVSI Studie „Digitale urbane Mobilität“ Die Digitalisierung hat die Mobilitätsdebatte vollends erfasst. Aber wie weit entwickelt sind datengelenkte Verkehrssysteme sowie eine sichere und ressourcenschonende Mobilitätskultur wirklich? Wie sind Schutz der Privatsphäre und Nutzung eines digitalen Assistenzsystems im Auto zu vereinbaren? Insbesondere vor dem Hintergrund der Machbarkeit analysiert und hinterfragt diese Studie eine Vielzahl von Diskussionen und Aktivitäten aus Europa und den USA. DIVSI Internet-Milieus 2016 – Die digitalisierte Gesellschaft in Bewegung (2016) Wie beeinflusst der digitale Wandel das Leben der Menschen in Deutschland? Wie hat sich ihr OnlineVerhalten in den letzten Jahren verändert? Welchen Stellenwert haben Internet und Smartphone im Lebensalltag? Wie denken die Menschen in der Nach-Snowden-Ära über Datensicherheit? Die repräsentative Studie bietet einen vertieften Blick in die aktuellen Lebenswelten unserer digitalen Gesellschaft. Big Data (2016) Zugespitzt auf die Themen „Smart Health“ und „Smart Mobility“ fasst der Bericht Erkenntnisse aus vielen Expertenrunden des DIVSI Forschungsprojekts „Braucht Deutschland einen Digitalen Kodex?“ zusammen. Er liefert Argumente für eine gesellschaftliche Debatte und wägt dabei Chancen und Risiken ab. Das Recht auf Vergessenwerden (2015) Die Entscheidung des EuGH zum „Recht auf Vergessenwerden“ lässt gleichwohl Fragen unbeantwortet, die im Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrechten, Datenschutz und dem Recht auf Meinungsund Pressefreiheit liegen. Dieser komplexen Problematik widmet sich diese Publikation und formuliert schließlich konkrete Empfehlungen für einen „Lösch-Kodex“. DIVSI Studie Beteiligung im Internet – Wer beteiligt sich wie? (2015) Was ist Beteiligung im Internet eigentlich genau? Wie und weshalb bringen Internetnutzer sich ein? Die zweite Studie im Rahmen des DIVSI Forschungsprogramms „Beteiligung im Netz“ untersucht Formen, Vorteile und Hürden der Beteiligung im Internet aus Sicht der DIVSI Internet-Milieus. In der qualitativen Untersuchung kommen dabei die Internetnutzer selbst zu Wort. DIVSI U9-Studie – Kinder in der digitalen Welt (2015) Wann und wie kommen Kinder mit digitalen Medien und dem Internet in Berührung? Wer begleitet sie auf ihrem Weg in diese Welt? Welche Bedeutung messen Eltern, Erzieher und Lehrer dem Internet für die Zukunft der Kinder bei? Welche Chancen und Risiken werden dabei wahrgenommen, wer trägt die Verantwortung? Die DIVSI U9-Studie hat Kinder zwischen 3 und 8 Jahren in den Blick genommen und lässt sie auch selbst zu Wort kommen. 82 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland DIVSI Studie – Daten: Ware und Währung (2014) In einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung untersucht DIVSI das Online-Nutzungs- und Konsumverhalten in Deutschland. Im Fokus stehen Einstellungen der Internetnutzer zu Themen der Datensicherheit sowie Weiterverwendung von persönlichen Daten. DIVSI Studie – Wissenswertes über den Umgang mit Smartphones (2014) Über Smartphones sind Menschen heute nahezu ununterbrochen über das Internet miteinander verbunden. Mit steigendem Nutzungsumfang fällt dabei eine Vielzahl von Daten an. Unter der Leitfrage „Was geschieht mit meinen Daten?“ war es Ziel der Studie, das Bewusstsein des einzelnen Nutzers dafür zu stärken, welche Daten auf dem Smartphone sein können, wie sie es verlassen und welche Möglichkeiten der Einsichtnahme und Einflussnahme Nutzer bei unterschiedlichen mobilen Betriebssystemen haben. Braucht Deutschland einen Digitalen Kodex? (2014) Mit dem Projekt „Braucht Deutschland einen Digitalen Kodex?“ lotet DIVSI aus, ob ein Digitaler Kodex ein geeignetes Mittel ist, verbindliche Regeln im Internet auszuhandeln und durchzusetzen. Der Projektbericht steuert nicht nur zu diesem Gedanken Anregungen bei. Er bietet darüber hinaus generelle Anstöße, über die nachzudenken sicherlich lohnt. DIVSI Studie zu Bereichen und Formen der Beteiligung im Internet (2014) Das DIVSI-Forschungsprogramm „Beteiligung im Netz“ leistet auf einer breiten theoretischen und empirischen Basis einen Beitrag zum öffentlichen Verständnis der Beteiligungschancen des Internets – und ihrer Voraussetzungen. Die Studie präsentiert einen ersten Schritt in diesem Vorhaben und verschafft einen Überblick über den heutigen Stand der Forschung. DIVSI U25-Studie (2014) Die DIVSI U25-Studie liefert erstmals fundierte Antworten auf Fragen, die das Verhalten der nachwachsenden Generation im Hinblick auf das Netz betreffen. Über die Nutzungsformen hinaus werden auch die Denk- und Handlungslogiken sowie der lebensweltliche Hintergrund untersucht. DIVSI Studie zu Freiheit versus Regulierung im Internet (2013) Wie sicher fühlen sich die Deutschen im Internet? Wie viel Freiheit und Selbstbestimmung wollen sie? Nach wie viel Regulierung wird verlangt? Die Studie zeigt ein detailliertes Bild des Nutzungsverhaltens der Deutschen im Internet und ihrer Wahrnehmung von Chancen und Risiken. weitere Studien DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland 83 DIVSI Studien im Überblick Entscheider-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet (2013) Wie denken Entscheider über das Internet? Welchen Akteuren schreiben sie welche Verantwortung und welche Einflussmöglichkeiten zu? Was sagen sie zu Sicherheits- und Freiheitsbedürfnissen? Die Studie verdeutlicht erstmals, wie diejenigen über das Internet denken, die wesentlich die Spielregeln gestalten und Meinungsbilder prägen. Meinungsführer-Studie „Wer gestaltet das Internet?“ (2012) Wie gut kennen sich Meinungsführer im Netz aus? Wie schätzen sie ihre Einflussmöglichkeiten ein? Welche Chancen, Konfliktfelder und Risiken erwachsen daraus? In persönlichen Gesprächen wurden führende Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Verbänden interviewt. Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet (2012) + Aktualisierung (2013) Die Milieu-Studie differenziert erstmals unterschiedliche Zugangsweisen zum Thema Sicherheit und Datenschutz im Internet in Deutschland, basierend auf einer bevölkerungsrepräsentativen Typologie. 84 DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in Deutschland www.divsi.de
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