Positionspapier
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
K
K
K
Herausforderungen
Handlungsfelder
Empfehlungen
Inhalt
Vorwort ______________________________________________________________ 3
Was bedeutet „Ländlicher Raum“ ?___________________________________________ 4
Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung und wichtige
Herausforderungen an die Gestaltung der Mobilität_____________________________ 5
Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum ____________________________ 7
Studie „Mobilitätsoptionen Älterer im ländlichen Raum“____________________________ 7
Ergebnisse der Studie _________________________________________________ 8
Empfehlungen für die Mobilitätssicherung Älterer im ländlichen Raum ______________ 10
Studie „Mobilität sichert Entwicklung.
Herausforderungen für den ländlichen Raum“ __________________________________ 11
Zentrale Handlungsfelder einer zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie für ländliche Räume _____ 11
Empfehlungen aus Sicht des ADAC _________________________________________ 14
Impressum
Herausgeber:
Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V., Ressort Verkehr
Hansastraße 19, 80686 München
Internet: www.adac.de/ratgeber-verkehr
Redaktion:
Christian Laberer, Ronald Winkler (ADAC e.V.)
Vertrieb:
Dieses Positionspapier kann mit Angabe der Artikelnummer 2831340 direkt beim ADAC e.V.,
Ressort Verkehr, Hansastraße 19, 80686 München, Fax (089) 7676 4567,
E-Mail: verkehr.team@adac.de, bestellt werden.
Die Schutzgebühr beträgt 5,– Euro.
Download kostenfrei: www.adac.de/mobilitaet-laendlicher-raum
Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise,
nur mit Genehmigung des ADAC e.V.
© 2016 ADAC e.V. München
Bildnachweis:
Titelseite und S. 4, 6, 7, 8, 9, 11: Fotolia
S. 3, S. 12: ADAC e.V.
S. 13: Stephan Sagurna © LWL-Medienzentrum für Westfalen
S. 14: VVO/OVPS
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Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Vorwort
Vorwort
Der Mobilität kommt eine herausragende Bedeutung für die Daseinsvorsorge
ebenso wie für Wachstum und Wohlstand in unserer Gesellschaft zu. Sie
spielt eine zentrale Rolle für die Teilnahme der Menschen am sozialen Leben.
Arbeitsplätze, Dienstleistungen aller Art und insbesondere Güter des täglichen
Bedarfs sowie medizinische Versorgungseinrichtungen müssen erreichbar
sein, um eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen.
Ulrich Klaus Becker
ADAC Vizepräsident
für Verkehr
Das Automobil hat speziell in ländlichen Regionen eine besonders hohe
Relevanz: Wo der öffentliche Verkehr an seine Grenzen stößt, ist das Auto
oftmals das einzige Fortbewegungsmittel, um mittlere und längere Distanzen
flexibel, zuverlässig und komfortabel zurückzulegen. Dennoch ist es vor allem für
Jugendliche und ältere Menschen notwendig, Mobilitätsalternativen zu schaffen.
Gerade im ländlichen Raum besteht hier bereits heute Nachholbedarf.
Darüber hinaus ist es alleine schon aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich,
die Mobilität und Anbindung ländlicher Räume an Mittel- und Oberzentren
aufrechtzuerhalten. Davon profitieren sowohl die regionale Wirtschaft wie
auch der Tourismus, der mancherorts sogar ein bedeutender Entwicklungsmotor sein kann.
Der ADAC setzt sich für den Erhalt der Mobilität in ländlichen Gebieten ein.
Schließlich ist gerade dort der demografische Wandel in vollem Gange, der
sich in Bevölkerungsrückgang, Überalterung, Abnahme ortsnaher Versorgungseinrichtungen und in besonders betroffenen Regionen folglich sogar in einer
Entleerung der Orte manifestiert.
Zukunftsfähige und nachhaltige Lösungen für den ländlichen Raum werden
nur dann gelingen, wenn sie innovative Mobilitätsformen einschließen, dabei
vielleicht manches Tabu brechen und unabhängig von einzelnen Verkehrsträgern
gedacht werden.
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
3
Was bedeutet „Ländlicher Raum“?
Was bedeutet „Ländlicher Raum“ ?
„Der ländliche Raum ist nicht leicht zu fassen. Er ist
vielfarbig und tiefgründig zugleich, von sehr unterschiedlichen Wandlungsprozessen betroffen; seine
ausgeprägten regionalen und lokalen Individualitäten,
seine vielschichtigen Potentiale und Probleme
entziehen sich einer schnellfüßigen Darstellung und
Generalisierung.“
Dieses Zitat aus dem Standardwerk
über ländliche Räume von Prof. i. R.
Dr. Gerhard Henkel (Gerhard Henkel:
„Der Ländliche Raum“, 4. Aufl., 2004)
fasst die wesentlichen Merkmale
zusammen: Ländliche Räume sind
keine homogenen Räume. Im Gegenteil – sie sind vielschichtig mit unterschiedlichen Qualitäten und Problemlagen, differenziert in Struktur und
räumlichen Funktionen und besitzen
eine hohe natur- und kulturräumliche
Vielfalt.
Ebenso ist der ländliche Raum
nicht nur eine Restkategorie für alle
Gebiete abseits der Großstädte und
Verdichtungsräume. Vielmehr kann
ein ländlicher Raum die unterschiedlichsten Ausprägungen aufzeigen.
4
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Daher müsste man korrekt von
ländlichen Räumen sprechen, Vereinfachend wird aber auch im Folgenden oftmals nur vom „ländlichen
Raum“ die Rede sein.
Die Abgrenzung des ländlichen Raumes erfolgte anhand des Kriteriums
Einwohner je Quadratkilometer (Ew/
km²) auf Gemeindebasis. Ländliche
Gebiete definieren sich demnach
durch eine Bevölkerungsdichte von
maximal 150 Ew/km² und nehmen
etwa zwei Drittel der Fläche Deutschlands ein, auf der knapp ein Fünftel
der Bevölkerung lebt.
In der Vergangenheit richtete sich
der Fokus von Politik und öffentlicher Wahrnehmung fast ausnahms-
los auf große Städte und Ballungsräume – ohne Rücksicht auf all
die Leistungen, die der ländliche
Raum für die gesamte Gesellschaft
erbringt. Dabei stellen etwa die
Versorgung mit landwirtschaftlichen
Produkten oder energiewirtschaftliche Leistungen zentrale Aufgaben
dar, die in dicht besiedelten Regionen nicht hinreichend erbracht
werden können.
Neben wirtschaftlich starken ländlichen Räumen, wie sie vor allem
in Westdeutschland zu finden sind,
gibt es viele ländliche Gebiete, die
gravierende strukturelle Defizite und
daher ganz besonderen Handlungsbedarf aufweisen. Die wesentlichen
Entwicklungstrends werden sich
Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung und wichtige Herausforderungen an die Gestaltung der Mobilität
aller Voraussicht nach fortsetzen
oder sogar noch verstärken: Regionen, die sich in der Vergangenheit
trotz ihrer dezentralen Lage im ländlichen Raum gut entwickelt haben,
werden meist auch in Zukunft eine
bessere demografische Entwicklung
erfahren als solche, die bereits heute mit entsprechenden Problemen
zu kämpfen haben.
Auch wenn eine umfassende Definition des ländlichen Raums schwierig ist, da kaum alle Facetten erfasst werden können, so wird doch
eine wesentliche Tatsache mehr
als deutlich: Der ländliche Raum ist
keinesfalls nur eine „Restgröße“.
Quelle: IGES, 2014
Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung und wichtige
Herausforderungen an die Gestaltung der Mobilität
Der demografische Wandel ist
bereits heute spürbar und wird
die Bevölkerungsentwicklung der
kommenden Jahre stark dominieren. Er wirkt sich auf die Mobilität
im ländlichen Raum aus. Sie wird
in den kommenden Jahren von zwei
Strömungen maßgeblich bestimmt:
K Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in die Ballungsräume:
Zahlreiche junge Erwachsene
finden nur in Städten passende
Ausbildungsmöglichkeiten und
Arbeitsplätze. Die Stadt wird für
sie zum neuen Lebensmittelpunkt,
ein Zurück auf das Land kommt
oftmals nicht mehr in Frage, speziell wenn am neuen Wohnort eine
Familie gegründet wird. Als Folge
daraus ergibt sich eine abnehmende Zahl von Kindern und Jugendlichen und eine weiter rückläufige
Bevölkerungsdichte auf dem Land.
K
nstieg des Durchschnittsalters: Es
A
bleiben vor allem ältere Menschen
im ländlichen Raum „zurück“, die
nicht mehr selbst Auto fahren und
daher in zunehmendem Maße auf
öffentliche Mobilitätsangebote
angewiesen sein werden. Deren
Möglichkeiten, sich beispielsweise ortsnah mit den Gütern des
täglichen Bedarfs zu versorgen
oder einen Arzt aufzusuchen, vermindern sich mit der rückläufigen
Bevölkerungsentwicklung weiter,
da sich Lebensmittelmärkte oder
Arztpraxen in kleinen Orten oft
nicht mehr halten können. Diese
Abwärtsspirale erreicht auch die
Immobilienpreise, so dass die
Menschen für ihr Wohneigentum
keine ausreichenden Verkaufserlöse erzielen, wenn sie in vergleichsweise teure Orte mit besserer Infrastruktur ziehen möchten.
Die demografischen Herausforderungen betreffen – wenn auch in
unterschiedlichem Ausmaß – alle
ländlichen Räume. Sie werden
sich jedoch besonders negativ in
den strukturschwachen ländlichen
Räumen der ostdeutschen Bundesländer niederschlagen. Die
Bevölkerungsentwicklung und die
damit verbundenen Änderungen
öffentlicher und privatwirtschaftlicher Versorgungsstrukturen (Trend
zur Konzentration und Reduzierung etwa von Einrichtungen der
Nahversorgung oder der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung) werden gerade in
ländlichen Räumen mehr Mobilität
als bisher erforderlich machen.
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
5
Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung und wichtige Herausforderungen an die Gestaltung der Mobilität
Für den klassischen Linienbetrieb ergeben sich zunehmend Tragfähigkeitsprobleme.
Dem motorisierten Individualverkehr
(MIV) wird weiterhin eine führende
Rolle bei der Mobilitätssicherung in
ländlichen Räumen zukommen.
Zunehmend werden – verstärkt durch
Innovationen – multimodale (d.h.
vernetzte) Mobilitätsangebote an
Bedeutung gewinnen, die sich bislang vorrangig in Regionen mit hoher
Bevölkerungsdichte etabliert haben.
Für den öffentlichen Verkehr (ÖV)
stellt sich in dieser Situation
vermehrt die Frage, in welchem
Umfang er aufrechterhalten werden
kann. Insbesondere für den klassischen Linienbetrieb ergeben sich
zunehmend Tragfähigkeitsprobleme.
Dies ist umso kritischer, wenn man
berücksichtigt, dass auch Schülerverkehre, die zumeist das Rückgrat
des ÖV im ländlichen Raum darstellen, aufgrund der abnehmenden
Schülerzahlen kaum noch mit den
vorhandenen Mitteln auf erforderlichem Niveau gehalten werden
können. Dieses Problem verschärft
sich durch notwendig gewordene
Zusammenlegungen von Schulen
noch weiter, da sich dadurch Ent-
6
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
fernungen und Fahrzeiten deutlich
erhöhen. Dementgegen sind jedoch
angesichts wachsender Altersarmut,
häufiger Erkrankungen und oft großer
Entfernungen zu sozialen und kulturellen Einrichtungen speziell für Senioren
gute ÖV-Angebote notwendig.
Bei der Entwicklung mobilitätserhaltender Maßnahmen im ländlichen
Raum kann und muss deswegen
der ÖV als Basis neuer Formen
der Mobilität eine wichtige Rolle
spielen. Von künftig stärker erforderlichen innovativen ÖV-Angeboten
würden dabei nicht nur ältere Menschen, sondern alle Nutzergruppen
im ländlichen Raum wie Jugendliche,
Arbeitnehmer, Besucher und Touristen profitieren.
Wesentliche limitierende Randbedingungen für die Versorgung mit
öffentlichen Verkehrsangeboten
sind im Bereich der Finanzierung
und der rechtlich-organisatorischen
Randbedingungen zu sehen. ÖVAngebote können im ländlichen
Raum meist nicht ausschließlich
durch Fahrgeldeinnahmen gedeckt
werden und erfordern daher zusätzliche finanzielle Mittel, unabhängig
davon, ob es sich um klassische
oder innovative Angebotsformen
handelt. Diese finanziellen Mittel
stammen in der Regel aus den
öffentlichen Haushalten des Bundes,
der Länder und teilweise der Kommunen und stehen nur begrenzt
zur Verfügung. In vielen Bundesländern entsteht daraus ein Geflecht
unterschiedlicher Finanzierungsquellen, so dass ein strategischer
und effizienter Mitteleinsatz durch
die Aufgabenverantwortlichen (z. B.
die Länder für den Schienenpersonennahverkehr oder die Kreise
und kreisfreien Städte für den
Straßen-ÖV) von einer möglichst
sachgerechten Bündelung dieser
Finanzquellen beeinflusst wird.
Beispiele wie etwa die Reformen in
der Landes-ÖPNV-Finanzierung aus
Brandenburg oder Sachsen-Anhalt
zeigen, wie die Bündelung der Finanzströme und gezielte Anreize für mehr
und besseren ÖV an die Aufgabenverantwortlichen gestaltet werden
können.
Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Wegen der strukturellen Veränderungen in ländlichen Räumen und
den daraus entstehenden Anforderungen an mehr Mobilität bedarf
es trotz der limitierten finanziellen
Ausstattung eines klaren Bekenntnisses zur Mobilität. Dies erfordert,
dass auf allen gesellschaftlichen
und politischen Entscheidungsebenen der Wert der Mobilität als Daseinsgrundlage für ländliche Räume
anerkannt und auch entsprechend
(finanziell) unterstützt wird. Folglich
wäre auch ein stärkeres Willensbekenntnis für ein angemessenes
ÖV-Angebot dringend notwendig.
Auch der Rechtsrahmen bewirkt
noch immer, dass etwa im Bereich
flexibler Bedienungen unterschiedliche Interpretationsspielräume
angewendet werden, die je nach
Betriebsform zu Unsicherheiten
führen können. Je mehr man sich
darüber hinaus dem Bereich von
Mobilitätsformen wie etwa organisierte Mitnahmeverkehre nähert,
desto schwieriger erscheint die
rechtskonforme Entwicklung solcher
Angebote, die auf möglichst niedrige
rechtliche und sonstige Hürden
angewiesen sind, um auf stärkere
Akzeptanz bei Anbietern und Nachfragern zu treffen.
Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Aufbauend auf der beschriebenen
Situation mit ihren vielschichtigen
Herausforderungen und oft negativen
Entwicklungen, stellt sich die Sicherung der Mobilität in ländlichen
Räumen als eines der zentralen
Themen für den ADAC und seine
Mitglieder dar.
In zwei Studien hat der ADAC Grundlagen zur Mobilitätssituation ausgewählter Nutzergruppen sowie zu
grundsätzlichen Handlungsoptionen
der Mobilitätssicherung in dieser
Raumkategorie erarbeiten lassen,
um daraus schließlich Empfehlungen für eine zukunftsfähige Sicherung der Mobilität abzuleiten.
Im Mittelpunkt dieser Untersuchung
stehen Personen, die gemäß dem
gegenwärtigen Renteneintrittsalter
und der anzunehmenden Abnahme
individueller Mobilität mit ansteigendem Lebensalter in folgende drei
Altersklassen eingeteilt wurden:
K Gruppe der 55- bis 64-Jährigen:
noch im Berufsleben (Kontrollgruppe)
K Gruppe der 65- bis 74-Jährigen:
aktive Phase nach dem Ausstieg
aus dem Berufsleben
K Gruppe der über 75-Jährigen:
Phase abnehmender Aktivität und
Mobilität
Für die Studie wurden insgesamt
rund 1.000 Personen dieser drei
Altersgruppen telefonisch zu folgenden Aspekten befragt:
K Welche Mobilitätsanforderungen
bestehen im Alter?
K Wie wird die Mobilität im Hinblick
auf Kosten und Gesundheit bewertet?
K Welchen Stellenwert hat der Pkw
für die Mobilität?
K Wie werden die Mobilitätsbedürfnisse bewältigt?
K Welche Alternativen zum Pkw
bestehen?
Studie „Mobilitätsoptionen
Älterer im ländlichen Raum“
In der ersten Stufe wurde vor dem
Hintergrund des demografischen
Wandels und der Entleerung
ländlicher Räume die Mobilitätsrealität einer der wesentlich von den
Veränderungen im ländlichen Raum
betroffenen Nutzergruppen untersucht – den Senioren bzw. Älteren
(IGES: „Mobilitätsoptionen Älterer im
ländlichen Raum“, 2014).
Aufgrund des demografischen Wandels wird die Entleerung des ländlichen Raums zunehmend ein Problem.
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
7
Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Ergebnisse der Studie
Das Problem der zukünftigen Mobilitätssicherung für Ältere im ländlichen Raum wird von den Befragten
selbst noch nicht stark wahrgenommen. Deutlich über die Hälfte ist der
Auffassung, dass sich ihre Mobilität
in Zukunft kaum ändern wird.
Wesentliche Erkenntnisse aus der
Untersuchung zur derzeitigen Mobilitätsrealität der Älteren im ländlichen Raum:
K Mehr als die Hälfte aller Wege
der Älteren werden im Pkw zurückgelegt.
K Mit zunehmendem Alter gewinnt
die Mitfahrt im Pkw an Bedeutung.
K Der Pkw- und Führerscheinbesitz
sowie die Pkw-Verfügbarkeit
nehmen mit steigendem Alter
erwartungsgemäß ab.
K Die Anteile der Wege zu Fuß und
mit dem Rad variieren je nach
Wegezweck stark und hängen z. B.
von der Verfügbarkeit und Entfernung von Versorgungseinrichtungen
ab. Beide Mobilitätsformen nehmen mit zunehmendem Alter ab.
Bus und Bahn spielen insgesamt
für die Mobilität Älterer im ländlichen Raum eine eher untergeordnete Rolle.
K Unerwartet hoch ist insbesondere
für die Wegezwecke Arztbesuche
und Ausflüge der Anteil der Taxinutzung.
K
Ein Großteil der Befragten ist sich
seiner gegebenenfalls vorhandenen
gesundheitlichen Einschränkungen
bewusst. Damit verbunden, wird ein
hoher Grad an Eigenverantwortung
festgestellt. Konkret können sich viele
befragte Ältere vorstellen, z. B. bei
entsprechender ärztlicher Empfehlung
auf das Fahren eines Pkw zu verzichten, um Gefährdungen von sich
selbst oder anderen fernzuhalten.
Die Einschätzungen der Älteren
lassen insgesamt erkennen, dass
in ländlichen Räumen bedarfsgerechte und finanzierbare Alternativen zum Pkw und zur derzeitigen
Qualität und Quantität öffentlicher
Verkehrsoptionen erforderlich sind.
Die Nutzerperspektive lässt sich
wie folgt skizzieren:
Mehr als die Hälfte aller Wege der Älteren werden im Pkw zurückgelegt.
8
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
K
K
Jenseits der öffentlichen Wahrnehmung bilden private Mitnahmeverkehre, d. h. Mitfahren
bei Familienangehörigen oder
Bekannten, derzeit die mit
Abstand wichtigste Mobilitätsoption von älteren Menschen,
die nicht selbst mit dem Pkw
fahren. Professionell organisierte
Mitnahmeverkehre, die z.B. für
Pendler oder im Fernverkehr über
internetbasierte Mobilitätsplattformen verfügbar sind, spielen
dagegen noch eine untergeordnete
Rolle, zumal sie bislang weitgehend auf Fahrtvermittlungen
zwischen oder in Großstädten
beschränkt sind.
Klassischer Linienverkehr wird
im ländlichen Raum aufgrund der
geringen Angebotsdichte selten
als Mobilitätsoption angegeben.
Selbst der flexible bzw. bedarfsorientierte ÖV kommt für eine
deutliche Mehrheit der Befragten
wegen bestehender Vorbehalte
oder mangels Angebot bisher
noch nicht als Mobilitätsalternative
in Betracht.
Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Besonders Elektrofahrräder lassen ein relevantes Wachstumspotenzial in der Mobilität Älterer erkennen.
K
ultimodalität – also die KombiM
nation verschiedener Verkehrsmittel – lässt derzeit in ländlichen
Räumen zwar noch eine geringe
Relevanz erkennen. Dennoch sollte
das Potenzial der Mobilitätsverbesserung durch die integrierte
Planung und Verknüpfung von Verkehrsarten deutlicher unterstützt
werden. Hierbei sollten auch lokale
oder regionale Lösungen, wie z. B.
Mobilitätsstationen an zentralen
Bushaltestellen und Bahnhöfen
oder sogenannte Mobilpunkte auch
in kleineren Orten und Siedlungen,
mitgedacht und umgesetzt werden,
um Lösungen für die erste und
letzte Meile einer Wegekette zu
erzielen.
Das Elektrofahrrad besitzt, aufbauend auf die derzeitigen
Nutzungsanteile im Radverkehr,
ein deutliches – wenn auch
saison- oder wetterabhängiges –
Potenzial, um die Reichweite von
Älteren z.B. zum Erreichen von
Nahversorgungseinrichtungen zu
verbessern. Bereits mehr als ein
Fünftel der Befragten der Altersgruppe 55 bis 65 Jahre gibt an,
den Kauf eines Elektrofahrrads
zu planen.
K Carsharing wird im ländlichen
Raum bislang nur selten angeboten. Die Nutzung wird dadurch
erschwert, dass für die Buchung
oder Anmeldung häufig Internetzugang und Computer oder
K
Smartphone erforderlich sind
und diese Medien gerade mit
zunehmendem Alter kaum genutzt werden. Für Personen,
die nicht selbst fahren wollen
oder die keinen Führerschein
besitzen, bietet sich Carsharing
ohnehin nur sehr eingeschränkt
als Lösung an.
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
9
Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Empfehlungen für die Mobilitätssicherung Älterer im ländlichen Raum
1. Fahrkompetenz Älterer möglichst
lange erhalten
Der Pkw ist das mit Abstand wichtigste Verkehrsmittel im ländlichen
Raum. Das Gefühl von Sicherheit
im Straßenverkehr nimmt bei Älteren jedoch mit zunehmendem Alter
ab. Daher sollten Maßnahmen
zur Verbesserung der subjektiven
Sicherheit entwickelt und kommuniziert werden. Die Fahrkompetenz
Älterer kann beispielsweise durch
Fahrtrainings im Realverkehr und
Fahrerassistenzsysteme erhöht
werden.
2. Professionell organisierte Mitnahmeverkehre ermöglichen
Die private Pkw-Mitfahrt im familiären, nachbarschaftlichen bzw.
bekanntschaftlichen Umfeld nimmt
bereits heute eine wichtige Rolle
ein. Auswirkungen der demografischen Veränderungen auf das
soziale Umfeld der Älteren bergen
jedoch die Gefahr, dass die private
Organisation künftig schwieriger
wird, wenn etwa Familienmitglieder
wegziehen oder aber Nachbarn
nicht mehr vorhanden sind. Daher
sollten konsequent auch Formen
professionell organisierter Mitfahrangebote etabliert werden.
Bisher zeigen sich in einigen
durchgeführten Modellprojekten
Akzeptanzprobleme bei Nachfragern und Anbietern. Dennoch wird
diese Mobilitätsalternative stark
an Bedeutung gewinnen und sollte
daher in akzeptanzfördernder
Weise, nutzergerecht und langfristig angelegt unterstützt werden.
10
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
3. Aufklärungsarbeit über Elektrofahrräder verstärken
Besonders Elektrofahrräder lassen
ein relevantes Wachstumspotenzial
in der Mobilität Älterer erkennen.
Ein Großteil der befragten Älteren
im ländlichen Raum, der sich die
Nutzung eines Elektrofahrrads
vorstellen könnte, fährt bisher
jedoch nicht regelmäßig Fahrrad.
Um über Gefährdungen aufzuklären
und Unfälle zu vermeiden, sollten
Trainings und Aufklärungsmaßnahmen (z. B. zur Fahrdynamik oder zur
Helmnutzung) durchgeführt werden.
Dies kann den sicheren Ausbau der
Radwege nicht ersetzen, sondern
sollte ihn sinnvoll ergänzen.
4. Öffentliche Verkehrsmittel flexibler
und bedarfsgerechter organisieren
Das heutige und zukünftige ÖVAngebot muss stärker an den Ansprüchen der Älteren ausgerichtet
werden, damit es zu einer echten
Mobilitätsalternative im ländlichen
Raum wird. Die Befragten bewerten
Bus und Bahn als eher unflexibel,
langsam und beispielsweise für
die Mitnahme von Einkäufen nur
bedingt geeignet. So gilt es, die
Zugangsbarrieren zum ÖV abzubauen. Hierbei geht es vor allem um
den barrierefreien Zugang zu Bus
und Bahn sowie um die Bereitstellung von Fahrgastinformationen und
Buchungsmöglichkeiten (im Idealfall
im internetbasierten sowie traditionell personalbedienten Vertrieb).
ÖV-Verfügbarkeit als erforderliche
Bestandteile zukünftiger Strategien
zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum angesehen werden
sollten. Es erscheint in diesem Zusammenhang notwendig, über eine
Weiterentwicklung der derzeitigen
Finanzierungsinstrumente für öffentliche Nahverkehre zu diskutieren.
Dies sollte unter anderem Chancen
einer regional auszurichtenden
Weiterentwicklung bzw. Bündelung
derzeitiger Finanzierungsquellen
(vgl. z. B. Land Brandenburg oder
Sachsen-Anhalt) umfassen.
Gleichfalls sollte die Diskussion
aber auch Möglichkeiten neuer
Finanzierungsoptionen abwägen, die
etwa aus Elementen der Nutznießerfinanzierung entstehen könnten.
Darunter kann verstanden werden,
dass einzelne Akteure oder Akteursgruppen sich an der Finanzierung
von Mobilitätsangeboten beteiligen,
von denen sie beispielsweise durch
Verbesserung der Erreichbarkeit
profitieren.
Durch Elemente der Nutznießerfinanzierung könnten zum Beispiel
auch Situationen zum beiderseitigen Vorteil entstehen, wie etwa
zwischen ÖV-Aufgabenverantwortlichen und den Akteuren der Gesundheitsversorgung. Es sollte geprüft
werden, wie z.B. öffentlich organisierte Mobilität durch (finanzielle)
Beteiligung der Gesundheitsbranche
5. Finanzierung des ÖV sichern und neue zielgerichtet die Erreichbarkeit zentraler medizinischer VersorgungsFinanzierungsoptionen entwickeln
standorte verbessern kann, wenn
Die Einschätzungen der Befragten
zum ÖV zeigen, dass trotz kritischer es nicht anders erfolgreich gelingt,
eine dezentrale ambulante GesundZeugnisse eine gezielte Weiterentheitsversorgung im gesetzlich gebowicklung der angebotenen ÖV-Fortenen Rahmen sicherzustellen.
men, aber auch eine Erhöhung der
Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Züge sind ein geeignetes Verkehrsmittel für die Hauptachsen des ÖV.
Studie „Mobilität sichert Entwicklung. Herausforderungen für den ländlichen Raum“
Aufbauend auf der Studie „Mobilitätsoptionen Älterer im ländlichen
Raum“ wurden im Auftrag des ADAC
durch das IGES Institut im Jahre
2016 Handlungsoptionen zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
über die Zielgruppe der Älteren hinaus konkretisiert.
Dabei ging es primär um die Analyse der derzeitigen Situation der
Mobilitätssicherung im ländlichen
Raum und um das Aufzeigen der
daraus resultierenden öffentlichen
und privaten Handlungsoptionen.
Durch die Folgeuntersuchung wurde
eine fundierte Status-quo- und
Forschungsstand-Analyse zum Problemfeld der Nahversorgungs- und
Mobilitätssicherung im ländlichen
Raum ermöglicht. Zur methodischen Absicherung und besseren
Bewertung der vielfältigen verfüg-
baren Quellen unterschiedlicher
Qualität wurden ergänzend Expertengespräche durchgeführt.
Aufbauend auf der Identifizierung
der wesentlichen Handlungsoptionen für die Mobilitätssicherung
im ländlichen Raum wurden in der
Studie abschließend Eckpunkte für
eine zukunftsfähige Mobilitätsstrategie vorgeschlagen.
Zentrale Handlungsfelder einer
zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie
für ländliche Räume
Im Ergebnis werden vier zentrale
Handlungsfelder zur Sicherung
der Mobilität im ländlichen Raum
benannt und umrissen.
1. Lokal angepasste Lösungen
Jede Region weist unterschiedliche
Rahmenbedingungen für die Mobi-
lität ihrer Bewohner auf, die es zu
berücksichtigen gilt. Innerhalb der
Regionen gilt es, ein gemeinsames
Problembewusstsein zu schaffen,
indem die lokalen Akteure vernetzt
und kooperative Lösungen über
klassische Rollen und Zuständigkeiten hinweg geschaffen werden.
Daraus ergeben sich folgende
Empfehlungen:
K Nahverkehrspläne zu verkehrsträgerübergreifenden Mobilitätsplänen
weiterentwickeln.
K Auf Kreis- und ggf. auch Landesebene Mobilitätsmanager etablieren, um Prozesse anzustoßen und
deren Erfolg zu evaluieren.
K Zur kommunalen Feinerschließung
lokale Mobilitätsmanager etablieren, um Mobilitätsbedarfe in
geeigneter Skalierung und Verantwortlichkeiten erkennen und
organisieren zu können.
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
11
Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
2. MIV und optimierter ÖV als Rückgrat der Mobilität
Im Bereich des motorisierten
Individualverkehrs (MIV) sollte als
wesentliches Element der Mobilitätssicherung die Erhaltung und
Erhöhung der Fahrkompetenz vor
allem Älterer z.B. durch Fahrtrainings
im Mittelpunkt stehen. Flankierend
sollte aber auch der Mobilitätserhalt
durch Mobilitätsberatungen, Gesundheitschecks oder technologische
Hilfen wie Fahrerassistenzsysteme
und Teilautomatisierung der Fahraufgabe unterstützt werden.
Im Bereich des ÖV wird eine differenzierte Bedienungssystematik empfohlen. Im Wesentlichen sollen dabei
die drei Ebenen des konventionellen
Linienverkehrs von Bus und Bahn
in hoher Qualität mit zubringenden
Bedienungselementen sowie einer
flächenhaften Erschließung unter
Nutzung flexibler Bedienungsformen
konsequent vernetzt werden. Die
höchste Angebotsqualität konzentriert sich dabei auf die nachfragestarken Strecken (oft als Haupt-
achsen bezeichnet), während für
weniger stark nachgefragte Routen
auch geringere Angebotsstandards
genutzt werden. Flexible Bedienformen ergänzen den konventionellen
ÖV in der Feinerschließung sowie vor
allem in Zeiten und Räumen schwacher Verkehrsnachfrage.
in das nächste Mittel- oder Oberzentrum. Dadurch entstünden vom
Nutzer her gedachte tatsächliche
Alternativen zum Selbstfahren, die
auch den nach wie vor wichtigsten
Verkehrsträger im ländlichen Raum
– den privaten Pkw – einbeziehen
wollen.
Über die Umstrukturierung der herkömmlichen ÖV-Angebote zu differenzierten und integrierten Systemen
hinaus wird angeregt, die Rolle derzeitiger ÖV-Unternehmen weiterzuentwickeln, so dass umfassende Mobilitätsmanager etabliert werden, die
auch Mobilitätsangebote organisieren
und vernetzen können, die nicht von
ihnen selbst erbracht werden.
3. „Neue“ Mobilitätsoptionen
Obwohl der Pkw das dominante Verkehrsmittel im ländlichen Raum ist,
stellt dieser keine Lösung für die
Mobilitätsprobleme aller Bevölkerungsgruppen dar. Die gezielte
Ergänzung durch verschiedene
„neue“ Mobilitätsoptionen wird
daher von großer Bedeutung für die
Mobilitätssicherung im ländlichen
Raum sein – insbesondere auch
dort, wo die Ausweitung öffentlicher
Verkehrsangebote nicht durchsetzungsfähig ist:
K Organisierte private und auch
gewerbliche Mitnahmeverkehre
können das lokal und regional
vorhandene ÖV-Angebot effizient
ergänzen.
Dies ist zwar ein ambitioniertes
Ziel, dennoch könnten so mögliche
Wegeketten aus einer Hand Realität
werden, die verschiedene Angebote kombinieren – wie etwa eine
organisierte Mitfahrt in einem Pkw
von der Haustür zu einem lokalen
Mobilpunkt und von dort mit einem
Linienbus zum Einkaufsbummel
Die Erhaltung der Mobilität Älterer lässt sich durch Fahrtrainings verbessern.
12
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
Bürgerbusse stellen neben privatem oder gewerblichem Mitnahmeverkehr eine neue Mobilitätsoption dar.
K
K
ürgerbusse und verwandte KonB
zepte ehrenamtlich organisierter
Verkehrsangebote wie etwa Seniorenfahrservices können eine geeignete Mobilitätsoption in ländlichen
Räumen sein. Es ist dabei jedoch
eine Integration in die Fahrplanund Tarifsystematik des allgemeinen ÖV und eine enge planerische
und betriebliche Kooperation mit
Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen des ÖV selbst anzustreben.
Lokales Carsharing kann auch
in ländlichen Räumen tragfähige
Mobilitätsalternativen bieten.
Hierzu eignen sich je nach Situation gewerbliche, bürgerschaftlich
oder in Mischformen organisierte Betreiberoptionen. Die
Entwicklungen etwa im Bereich
sogenannter Corporate-Carsharing-Lösungen legen nahe,
dass künftig auch bereits früher
diskutierte Möglichkeiten der
Nutzung öffentlicher oder aber
privatgewerblicher Fahrzeugflotten
neu bewertet werden sollten, die
bisher aus vielen Gründen nur begrenzt erfolgreich etabliert werden
konnten.
as Taxi kann gerade in SchwachD
lastzeiten im Vergleich zu den
flexiblen Bedienformen eine volkswirtschaftlich günstigere Mobilitätsoption zur Flächenerschließung
im ÖV darstellen. Hierzu wären die
Entwicklung einer sachgerechten
Abgrenzung zu den Systemmerkmalen und -kosten des flexiblen
ÖPNV und eines geeigneten Abrechnungsverfahrens erforderlich,
um die anfallenden Kosten der
Taxitarife in angemessener Weise
dem Nutzer und dem Aufgabenträger des ÖV zuzurechnen.
KH
ol- und Bringdienste sowie andere mobile Versorgungskonzepte
ermöglichen als Substitut fehlender stationärer Versorgungseinrichtungen und -strukturen selbstständiges Einkaufen, Nutzung von
Dienstleistungen und Teilhabe
am kulturellen Leben. In einigen
Versorgungsbereichen sind mobile
Konzepte allerdings derzeit nur
stark eingeschränkt realistisch. Beispielsweise stehen im Bereich von
medizinischen Dienstleistungen wie
der Telemedizin oder der mehrfach
angedachten Konzeption sogenannter rollender Arztpraxen berufsstänK
dische Rahmenbedingungen der
Etablierung entgegen. Aus Nutzersicht wäre es wünschenswert, die
jeweiligen limitierenden Rahmenbedingungen zur Verbesserung
der Versorgungsqualität auf den
Prüfstand zu stellen.
4. Stärkung der finanziellen Basis
Die Anpassung und teilweise Neugestaltung der Mobilität im ländlichen
Raum erfordert den Einsatz finanzieller Mittel. Aufgrund der begrenzten Leistungsfähigkeit öffentlicher
Haushalte erscheint eine Reform
der gegenwärtigen Finanzierungssysteme des ÖV notwendig, in deren
Mittelpunkt höhere Transparenz der
Finanzierungsströme und bessere
Effizienz der Mittelverwendung stehen
sollte. Daneben sollten alternative
Formen für die Finanzierung – etwa
die stärkere Nutzung von Elementen
der Nutznießerfinanzierung – etabliert
werden. Hierbei beteiligt sich der
Nutznießer freiwillig an der Optimierung des ÖV-Angebotes, um dadurch
einen indirekten Nutzen zu erzielen.
Erste erfolgreiche Beispiele wurden
bisher insbesondere in Tourismusorten und -regionen realisiert.
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
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Empfehlungen aus Sicht des ADAC
Die Möglichkeit der Fahrradmitnahme kann die Attraktivität des ÖV steigern.
Empfehlungen aus Sicht des ADAC
1. Bedeutende Rolle des Pkw
berücksichtigen
Der Pkw ist und bleibt die tragende
Säule der Mobilität im ländlichen
Raum. Die Bevölkerung ist dort in
großen Teilen auf die Nutzung des
Autos angewiesen. Es gilt daher,
den MIV – möglichst mit zunehmend
umweltfreundlicheren Antriebsformen – in der Mobilitätsplanung entsprechend zu berücksichtigen. Daneben sind die Fahrtauglichkeit und das
Sicherheitsempfinden Älterer durch
Trainingsmaßnahmen und technische
Unterstützung mit Fahrerassistenzsystemen und Teilautomatisierung
möglichst lange zu erhalten.
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Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
2. Multimodalität und Verknüpfung der
Mobilitätsoptionen fördern
Auch im ländlichen Raum sollte
eine sinnvolle Verknüpfung der
Mobilitätsoptionen stärker umgesetzt werden, um intermodale
Wegeketten zuzulassen (beispielsweise durch Verknüpfung an lokalen Mobilpunkten) und begrenzte finanzielle Mittel effizienter
einzusetzen. Um ältere Menschen
ohne Internetaffinität nicht zu
benachteiligen, muss der Zugang
zu Mobilitätsangeboten mittelfristig
auf klassischem Weg (z.B. per
Fahrplanaushang oder Ticketautomat) möglich sein.
3. Ehrenamtliche und privatwirtschaftliche Pkw-Mitnahmeverkehre gleichermaßen unterstützen
Ehrenamtliche Mobilitätsformen
wie Bürgerbusse sind bereits
heute in einigen Regionen ein
wichtiger Bestandteil der Mobilität
im ländlichen Raum. Sie sollten
zukünftig durch Marketingmaßnahmen und Vernetzung mit dem ÖV
gestärkt werden. Zusätzlich dazu
sollten private oder auch gewerbliche Mitnahmeverkehre organisiert
werden, um den ÖV zu ergänzen
oder – wenn sinnvoll – zu ersetzen.
Dazu müssten die gesetzlichen
Rahmenbedingungen angepasst
Empfehlungen aus Sicht des ADAC
und weiterentwickelt werden.
4. Flexible Bedienformen stärken
Flexible Bedienformen wie zum
Beispiel Anruf-Sammeltaxis oder
Rufbusse können gerade dort die
Basismobilität ohne Pkw sichern, wo
der klassische ÖV an seine Grenzen
gerät. Hierzu ist es erforderlich, den
bestehenden Rechtsrahmen anzupassen und Umsetzungshürden
zu minimieren.
5. Barrierefreie Infrastruktur zur
Unterstützung der Multimodalität
und des Fußverkehrs schaffen
Barrierefreie Fußwege und vor allem
barrierefreie Schnittstellen zwischen
den Verkehrsträgern sollten auch im
ländlichen Raum als Teil der Mobilitätsverbesserung etabliert werden,
wobei aufgrund begrenzter Mittel Priorisierungen bei der Umsetzung vorzunehmen sind. Barrierefreiheit muss
dabei integriert verstanden werden
und daher die Bereiche Infrastruktur,
Fahrzeug und Informationsverfügbarkeit miteinander verzahnen.
6. Potenziale des Radverkehrs
ausschöpfen
Das Fahrrad trägt heute nur begrenzt
und teilweise nur saisonal zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
bei, insbesondere bei der älteren
Bevölkerung. Negative Faktoren wie
große Entfernungen oder schwierige
Topografie sind angesichts der
zunehmenden Nutzung von Pedelecs
allerdings lösbar. Die Potenziale des
Fahrrads sind stärker auszuschöpfen,
indem eine bessere Verknüpfung mit
anderen Verkehrsträgern gewähr-
leistet und zielgerichtetes Marketing
betrieben wird.
7. Finanzierung des ÖV zielgerichtet
weiterentwickeln
Die öffentliche Hand steht weiterhin in der Verantwortung, als
Aufgabe der Daseinsvorsorge eine
Grundversorgung an Mobilität für
die Bürger zu sichern. Ein effizienterer Mitteleinsatz erscheint
dabei ratsam. Entsprechende gute
Beispiele in ausgewählten Bundesländern können Vorlage für andere
Regionen sein. Darüber hinaus
sollten neue Finanzierungsquellen
ernsthaft diskutiert werden: So
kann beispielsweise die Einbeziehung der Profiteure von öffentlicher
Mobilität im Sinne einer Nutznießerfinanzierung (z.B. in der Gesundheitsbranche) maßgebliche Vorteile
sowohl für die Aufgabenträger
öffentlicher Verkehre, die profitierenden Wirtschaftsbereiche und
vor allem die Fahrgäste eröffnen.
8. Interkommunales Mobilitätsmanagement einsetzen
Gerade weil es keine pauschale
Patentlösung für die Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
geben kann, ist ein höheres Maß
an Flexibilität und Pragmatismus
bei den Umsetzern gefragt. Für
den Erfolg innovativer Mobilitätsangebote ist der Einsatz von
Mobilitätsmanagern sinnvoll, die
über Gemeinde-, Kreis- und ggf.
auch Landesgrenzen hinweg agieren. Sie sollen sich vornehmlich
um den lokal angemessenen Einsatz finanzieller Mittel kümmern,
Mobilitätsangebote initiieren und
verknüpfen sowie Marketingmaßnahmen durchführen.
9. Tourismus als Chance der Mobilitätssicherung verstehen und nutzen
Häufig stellen ländliche Räume
touristisch attraktive Destinationen
dar. Diese Qualität sollte stärker für
die Sicherung der Alltagsmobilität
genutzt werden. Kommunen und
Tourismusbranche sollten zusammenarbeiten und neue Angebote
schaffen, um Synergieeffekte
zwischen touristischer Erschließung
und Wertschöpfung sowie Mobilitätssicherung als Daseinsvorsorgeaufgabe zu erzielen.
10. Nahversorgung und notwendige
stationäre und mobile Dienstleistungen
unterstützen
Durch Einrichtungen wie Bürgeroder Mehrfunktionshäuser mit
Bündelung verschiedener Funktionen wie Postfiliale, Bankschalter
oder Lebensmittelladen lässt sich
eine Grundversorgung der Bevölkerung vor Ort stärken. Mobile Arztpraxen können fehlende Gesundheitseinrichtungen auf dem Land
teilweise ersetzen. Nahversorgung
auf Rädern kann insbesondere
mobilitätseingeschränkten älteren
Menschen den Verbleib im eigenen
Haushalt ermöglichen. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen,
ist eine Prüfung der rechtlichen
Rahmenbedingungen notwendig,
die beispielsweise die Entstehung
von Formen der mobilen Gesundheitsversorgung behindern.
Mobilitätssicherung im ländlichen Raum
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Hansastraße 19
80686 München
2831340/02.16/5’
ADAC e.V.