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Full text: Mobilitätssicherung im ländlichen Raum (Rights reserved)

Positionspapier Mobilitätssicherung im ländlichen Raum K K K Herausforderungen Handlungsfelder Empfehlungen Inhalt Vorwort ______________________________________________________________ 3 Was bedeutet „Ländlicher Raum“ ?___________________________________________ 4 Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung und wichtige Herausforderungen an die Gestaltung der Mobilität_____________________________ 5 Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum ____________________________ 7 Studie „Mobilitätsoptionen Älterer im ländlichen Raum“____________________________ 7 Ergebnisse der Studie _________________________________________________ 8 Empfehlungen für die Mobilitätssicherung Älterer im ländlichen Raum ______________ 10 Studie „Mobilität sichert Entwicklung. Herausforderungen für den ländlichen Raum“ __________________________________ 11 Zentrale Handlungsfelder einer zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie für ländliche Räume _____ 11 Empfehlungen aus Sicht des ADAC _________________________________________ 14 Impressum Herausgeber: Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V., Ressort Verkehr Hansastraße 19, 80686 München Internet: www.adac.de/ratgeber-verkehr Redaktion: Christian Laberer, Ronald Winkler (ADAC e.V.) Vertrieb: Dieses Positionspapier kann mit Angabe der Artikelnummer 2831340 direkt beim ADAC e.V., Ressort Verkehr, Hansastraße 19, 80686 München, Fax (089) 7676 4567, E-Mail: verkehr.team@adac.de, bestellt werden. Die Schutzgebühr beträgt 5,– Euro. Download kostenfrei: www.adac.de/mobilitaet-laendlicher-raum Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des ADAC e.V. © 2016 ADAC e.V. München Bildnachweis: Titelseite und S. 4, 6, 7, 8, 9, 11: Fotolia S. 3, S. 12: ADAC e.V. S. 13: Stephan Sagurna © LWL-Medienzentrum für Westfalen S. 14: VVO/OVPS 2 Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Vorwort Vorwort Der Mobilität kommt eine herausragende Bedeutung für die Daseinsvorsorge ebenso wie für Wachstum und Wohlstand in unserer Gesellschaft zu. Sie spielt eine zentrale Rolle für die Teilnahme der Menschen am sozialen Leben. Arbeitsplätze, Dienstleistungen aller Art und insbesondere Güter des täglichen Bedarfs sowie medizinische Versorgungseinrichtungen müssen erreichbar sein, um eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen. Ulrich Klaus Becker ADAC Vize­präsident für Verkehr Das Automobil hat speziell in ländlichen Regionen eine besonders hohe Relevanz: Wo der öffentliche Verkehr an seine Grenzen stößt, ist das Auto oftmals das einzige Fortbewegungsmittel, um mittlere und längere Distanzen flexibel, zuverlässig und komfortabel zurückzulegen. Dennoch ist es vor allem für Jugendliche und ältere Menschen notwendig, Mobilitätsalternativen zu schaffen. Gerade im ländlichen Raum besteht hier bereits heute Nachholbedarf. Darüber hinaus ist es alleine schon aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich, die Mobilität und Anbindung ländlicher Räume an Mittel- und Oberzentren aufrechtzuerhalten. Davon profitieren sowohl die regionale Wirtschaft wie auch der Tourismus, der mancherorts sogar ein bedeutender Entwicklungsmotor sein kann. Der ADAC setzt sich für den Erhalt der Mobilität in ländlichen Gebieten ein. Schließlich ist gerade dort der demografische Wandel in vollem Gange, der sich in Bevölkerungsrückgang, Überalterung, Abnahme ortsnaher Versorgungseinrichtungen und in besonders betroffenen Regionen folglich sogar in einer Entleerung der Orte manifestiert. Zukunftsfähige und nachhaltige Lösungen für den ländlichen Raum werden nur dann gelingen, wenn sie innovative Mobilitätsformen einschließen, dabei vielleicht manches Tabu brechen und unabhängig von einzelnen Verkehrsträgern gedacht werden. Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 3 Was bedeutet „Ländlicher Raum“? Was bedeutet „Ländlicher Raum“ ? „Der ländliche Raum ist nicht leicht zu fassen. Er ist vielfarbig und tiefgründig zugleich, von sehr unterschiedlichen Wandlungsprozessen betroffen; seine ausgeprägten regionalen und lokalen Individualitäten, seine vielschichtigen Potentiale und Probleme entziehen sich einer schnellfüßigen Darstellung und Generalisierung.“ Dieses Zitat aus dem Standardwerk über ländliche Räume von Prof. i. R. Dr. Gerhard Henkel (Gerhard Henkel: „Der Ländliche Raum“, 4. Aufl., 2004) fasst die wesentlichen Merkmale zusammen: Ländliche Räume sind keine homogenen Räume. Im Gegenteil – sie sind vielschichtig mit unterschiedlichen Qualitäten und Problemlagen, differenziert in Struktur und räumlichen Funktionen und besitzen eine hohe natur- und kulturräumliche Vielfalt. Ebenso ist der ländliche Raum nicht nur eine Restkategorie für alle Gebiete abseits der Großstädte und Verdichtungsräume. Vielmehr kann ein ländlicher Raum die unterschiedlichsten Ausprägungen aufzeigen. 4 Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Daher müsste man korrekt von ländlichen Räumen sprechen, Vereinfachend wird aber auch im Folgenden oftmals nur vom „ländlichen Raum“ die Rede sein. Die Abgrenzung des ländlichen Raumes erfolgte anhand des Kriteriums Einwohner je Quadratkilometer (Ew/ km²) auf Gemeindebasis. Ländliche Gebiete definieren sich demnach durch eine Bevölkerungsdichte von maximal 150 Ew/km² und nehmen etwa zwei Drittel der Fläche Deutschlands ein, auf der knapp ein Fünftel der Bevölkerung lebt. In der Vergangenheit richtete sich der Fokus von Politik und öffentlicher Wahrnehmung fast ausnahms- los auf große Städte und Ballungsräume – ohne Rücksicht auf all die Leistungen, die der ländliche Raum für die gesamte Gesellschaft erbringt. Dabei stellen etwa die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten oder energiewirtschaftliche Leistungen zentrale Aufgaben dar, die in dicht besiedelten Regionen nicht hinreichend erbracht werden können. Neben wirtschaftlich starken ländlichen Räumen, wie sie vor allem in Westdeutschland zu finden sind, gibt es viele ländliche Gebiete, die gravierende strukturelle Defizite und daher ganz besonderen Handlungsbedarf aufweisen. Die wesentlichen Entwicklungstrends werden sich Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung und wichtige Herausforderungen an die Gestaltung der Mobilität aller Voraussicht nach fortsetzen oder sogar noch verstärken: Regionen, die sich in der Vergangenheit trotz ihrer dezentralen Lage im ländlichen Raum gut entwickelt haben, werden meist auch in Zukunft eine bessere demografische Entwicklung erfahren als solche, die bereits heute mit entsprechenden Problemen zu kämpfen haben. Auch wenn eine umfassende Definition des ländlichen Raums schwierig ist, da kaum alle Facetten erfasst werden können, so wird doch eine wesentliche Tatsache mehr als deutlich: Der ländliche Raum ist keinesfalls nur eine „Restgröße“. Quelle: IGES, 2014 Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung und wichtige Herausforderungen an die Gestaltung der Mobilität Der demografische Wandel ist bereits heute spürbar und wird die Bevölkerungsentwicklung der kommenden Jahre stark dominieren. Er wirkt sich auf die Mobilität im ländlichen Raum aus. Sie wird in den kommenden Jahren von zwei Strömungen maßgeblich bestimmt: K Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in die Ballungsräume: Zahlreiche junge Erwachsene finden nur in Städten passende Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsplätze. Die Stadt wird für sie zum neuen Lebensmittelpunkt, ein Zurück auf das Land kommt oftmals nicht mehr in Frage, speziell wenn am neuen Wohnort eine Familie gegründet wird. Als Folge daraus ergibt sich eine abnehmende Zahl von Kindern und Jugendlichen und eine weiter rückläufige Bevölkerungsdichte auf dem Land. K  nstieg des Durchschnittsalters: Es A bleiben vor allem ältere Menschen im ländlichen Raum „zurück“, die nicht mehr selbst Auto fahren und daher in zunehmendem Maße auf öffentliche Mobilitätsangebote angewiesen sein werden. Deren Möglichkeiten, sich beispielsweise ortsnah mit den Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen oder einen Arzt aufzusuchen, vermindern sich mit der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung weiter, da sich Lebensmittelmärkte oder Arztpraxen in kleinen Orten oft nicht mehr halten können. Diese Abwärtsspirale erreicht auch die Immobilienpreise, so dass die Menschen für ihr Wohneigentum keine ausreichenden Verkaufserlöse erzielen, wenn sie in vergleichsweise teure Orte mit besserer Infrastruktur ziehen möchten. Die demografischen Herausforderungen betreffen – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – alle ländlichen Räume. Sie werden sich jedoch besonders negativ in den strukturschwachen ländlichen Räumen der ostdeutschen Bundesländer niederschlagen. Die Bevölkerungsentwicklung und die damit verbundenen Änderungen öffentlicher und privatwirtschaftlicher Versorgungsstrukturen (Trend zur Konzentration und Reduzierung etwa von Einrichtungen der Nahversorgung oder der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung) werden gerade in ländlichen Räumen mehr Mobilität als bisher erforderlich machen. Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 5 Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung und wichtige Herausforderungen an die Gestaltung der Mobilität Für den klassischen Linienbetrieb ergeben sich zunehmend Tragfähigkeitsprobleme. Dem motorisierten Individualverkehr (MIV) wird weiterhin eine führende Rolle bei der Mobilitätssicherung in ländlichen Räumen zukommen. Zunehmend werden – verstärkt durch Innovationen – multimodale (d.h. vernetzte) Mobilitätsangebote an Bedeutung gewinnen, die sich bislang vorrangig in Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte etabliert haben. Für den öffentlichen Verkehr (ÖV) stellt sich in dieser Situation vermehrt die Frage, in welchem Umfang er aufrechterhalten werden kann. Insbesondere für den klassischen Linienbetrieb ergeben sich zunehmend Tragfähigkeitsprobleme. Dies ist umso kritischer, wenn man berücksichtigt, dass auch Schülerverkehre, die zumeist das Rückgrat des ÖV im ländlichen Raum darstellen, aufgrund der abnehmenden Schülerzahlen kaum noch mit den vorhandenen Mitteln auf erforderlichem Niveau gehalten werden können. Dieses Problem verschärft sich durch notwendig gewordene Zusammenlegungen von Schulen noch weiter, da sich dadurch Ent- 6 Mobilitätssicherung im ländlichen Raum fernungen und Fahrzeiten deutlich erhöhen. Dementgegen sind jedoch angesichts wachsender Altersarmut, häufiger Erkrankungen und oft großer Entfernungen zu sozialen und kulturellen Einrichtungen speziell für Senioren gute ÖV-Angebote notwendig. Bei der Entwicklung mobilitätserhaltender Maßnahmen im ländlichen Raum kann und muss deswegen der ÖV als Basis neuer Formen der Mobilität eine wichtige Rolle spielen. Von künftig stärker erforderlichen innovativen ÖV-Angeboten würden dabei nicht nur ältere Menschen, sondern alle Nutzergruppen im ländlichen Raum wie Jugendliche, Arbeitnehmer, Besucher und Touristen profitieren. Wesentliche limitierende Randbedingungen für die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsangeboten sind im Bereich der Finanzierung und der rechtlich-organisatorischen Randbedingungen zu sehen. ÖVAngebote können im ländlichen Raum meist nicht ausschließlich durch Fahrgeldeinnahmen gedeckt werden und erfordern daher zusätzliche finanzielle Mittel, unabhängig davon, ob es sich um klassische oder innovative Angebotsformen handelt. Diese finanziellen Mittel stammen in der Regel aus den öffentlichen Haushalten des Bundes, der Länder und teilweise der Kommunen und stehen nur begrenzt zur Verfügung. In vielen Bundesländern entsteht daraus ein Geflecht unterschiedlicher Finanzierungsquellen, so dass ein strategischer und effizienter Mitteleinsatz durch die Aufgabenverantwortlichen (z. B. die Länder für den Schienenpersonennahverkehr oder die Kreise und kreisfreien Städte für den Straßen-ÖV) von einer möglichst sachgerechten Bündelung dieser Finanzquellen beeinflusst wird. Beispiele wie etwa die Reformen in der Landes-ÖPNV-Finanzierung aus Brandenburg oder Sachsen-Anhalt zeigen, wie die Bündelung der Finanzströme und gezielte Anreize für mehr und besseren ÖV an die Aufgabenverantwortlichen gestaltet werden können. Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Wegen der strukturellen Veränderungen in ländlichen Räumen und den daraus entstehenden Anforderungen an mehr Mobilität bedarf es trotz der limitierten finanziellen Ausstattung eines klaren Bekenntnisses zur Mobilität. Dies erfordert, dass auf allen gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsebenen der Wert der Mobilität als Daseinsgrundlage für ländliche Räume anerkannt und auch entsprechend (finanziell) unterstützt wird. Folglich wäre auch ein stärkeres Willensbekenntnis für ein angemessenes ÖV-Angebot dringend notwendig. Auch der Rechtsrahmen bewirkt noch immer, dass etwa im Bereich flexibler Bedienungen unterschiedliche Interpretationsspielräume angewendet werden, die je nach Betriebsform zu Unsicherheiten führen können. Je mehr man sich darüber hinaus dem Bereich von Mobilitätsformen wie etwa organisierte Mitnahmeverkehre nähert, desto schwieriger erscheint die rechtskonforme Entwicklung solcher Angebote, die auf möglichst niedrige rechtliche und sonstige Hürden angewiesen sind, um auf stärkere Akzeptanz bei Anbietern und Nachfragern zu treffen. Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Aufbauend auf der beschriebenen Situation mit ihren vielschichtigen Herausforderungen und oft negativen Entwicklungen, stellt sich die Sicherung der Mobilität in ländlichen Räumen als eines der zentralen Themen für den ADAC und seine Mitglieder dar. In zwei Studien hat der ADAC Grundlagen zur Mobilitätssituation ausgewählter Nutzergruppen sowie zu grundsätzlichen Handlungsoptionen der Mobilitätssicherung in dieser Raumkategorie erarbeiten lassen, um daraus schließlich Empfehlungen für eine zukunftsfähige Sicherung der Mobilität abzuleiten. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen Personen, die gemäß dem gegenwärtigen Renteneintrittsalter und der anzunehmenden Abnahme individueller Mobilität mit ansteigendem Lebensalter in folgende drei Altersklassen eingeteilt wurden: K Gruppe der 55- bis 64-Jährigen: noch im Berufsleben (Kontrollgruppe) K Gruppe der 65- bis 74-Jährigen: aktive Phase nach dem Ausstieg aus dem Berufsleben K Gruppe der über 75-Jährigen: Phase abnehmender Aktivität und Mobilität Für die Studie wurden insgesamt rund 1.000 Personen dieser drei Altersgruppen telefonisch zu folgenden Aspekten befragt: K Welche Mobilitätsanforderungen bestehen im Alter? K Wie wird die Mobilität im Hinblick auf Kosten und Gesundheit bewertet? K Welchen Stellenwert hat der Pkw für die Mobilität? K Wie werden die Mobilitätsbedürfnisse bewältigt? K Welche Alternativen zum Pkw bestehen? Studie „Mobilitätsoptionen Älterer im ländlichen Raum“ In der ersten Stufe wurde vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Entleerung ländlicher Räume die Mobilitätsrealität einer der wesentlich von den Veränderungen im ländlichen Raum betroffenen Nutzergruppen untersucht – den Senioren bzw. Älteren (IGES: „Mobilitätsoptionen Älterer im ländlichen Raum“, 2014). Aufgrund des demografischen Wandels wird die Entleerung des ländlichen Raums zunehmend ein Problem. Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 7 Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Ergebnisse der Studie Das Problem der zukünftigen Mobilitätssicherung für Ältere im ländlichen Raum wird von den Befragten selbst noch nicht stark wahrgenommen. Deutlich über die Hälfte ist der Auffassung, dass sich ihre Mobilität in Zukunft kaum ändern wird. Wesentliche Erkenntnisse aus der Untersuchung zur derzeitigen Mobilitätsrealität der Älteren im ländlichen Raum: K Mehr als die Hälfte aller Wege der Älteren werden im Pkw zurückgelegt. K Mit zunehmendem Alter gewinnt die Mitfahrt im Pkw an Bedeutung. K Der Pkw- und Führerscheinbesitz sowie die Pkw-Verfügbarkeit nehmen mit steigendem Alter erwartungsgemäß ab. K Die Anteile der Wege zu Fuß und mit dem Rad variieren je nach Wegezweck stark und hängen z. B. von der Verfügbarkeit und Entfernung von Versorgungseinrichtungen ab. Beide Mobilitätsformen nehmen mit zunehmendem Alter ab. Bus und Bahn spielen insgesamt für die Mobilität Älterer im ländlichen Raum eine eher untergeordnete Rolle. K Unerwartet hoch ist insbesondere für die Wegezwecke Arztbesuche und Ausflüge der Anteil der Taxinutzung. K Ein Großteil der Befragten ist sich seiner gegebenenfalls vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen bewusst. Damit verbunden, wird ein hoher Grad an Eigenverantwortung festgestellt. Konkret können sich viele befragte Ältere vorstellen, z. B. bei entsprechender ärztlicher Empfehlung auf das Fahren eines Pkw zu verzichten, um Gefährdungen von sich selbst oder anderen fernzuhalten. Die Einschätzungen der Älteren lassen insgesamt erkennen, dass in ländlichen Räumen bedarfsgerechte und finanzierbare Alternativen zum Pkw und zur derzeitigen Qualität und Quantität öffentlicher Verkehrsoptionen erforderlich sind. Die Nutzerperspektive lässt sich wie folgt skizzieren: Mehr als die Hälfte aller Wege der Älteren werden im Pkw zurückgelegt. 8 Mobilitätssicherung im ländlichen Raum K K Jenseits der öffentlichen Wahrnehmung bilden private Mitnahmeverkehre, d. h. Mitfahren bei Familienangehörigen oder Bekannten, derzeit die mit Abstand wichtigste Mobilitätsoption von älteren Menschen, die nicht selbst mit dem Pkw fahren. Professionell organisierte Mitnahmeverkehre, die z.B. für Pendler oder im Fernverkehr über internetbasierte Mobilitätsplattformen verfügbar sind, spielen dagegen noch eine untergeordnete Rolle, zumal sie bislang weitgehend auf Fahrtvermittlungen zwischen oder in Großstädten beschränkt sind. Klassischer Linienverkehr wird im ländlichen Raum aufgrund der geringen Angebotsdichte selten als Mobilitätsoption angegeben. Selbst der flexible bzw. bedarfsorientierte ÖV kommt für eine deutliche Mehrheit der Befragten wegen bestehender Vorbehalte oder mangels Angebot bisher noch nicht als Mobilitätsalternative in Betracht. Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Besonders Elektrofahrräder lassen ein relevantes Wachstumspotenzial in der Mobilität Älterer erkennen. K  ultimodalität – also die KombiM nation verschiedener Verkehrsmittel – lässt derzeit in ländlichen Räumen zwar noch eine geringe Relevanz erkennen. Dennoch sollte das Potenzial der Mobilitätsverbesserung durch die integrierte Planung und Verknüpfung von Verkehrsarten deutlicher unterstützt werden. Hierbei sollten auch lokale oder regionale Lösungen, wie z. B. Mobilitätsstationen an zentralen Bushaltestellen und Bahnhöfen oder sogenannte Mobilpunkte auch in kleineren Orten und Siedlungen, mitgedacht und umgesetzt werden, um Lösungen für die erste und letzte Meile einer Wegekette zu erzielen. Das Elektrofahrrad besitzt, aufbauend auf die derzeitigen Nutzungsanteile im Radverkehr, ein deutliches – wenn auch saison- oder wetterabhängiges – Potenzial, um die Reichweite von Älteren z.B. zum Erreichen von Nahversorgungseinrichtungen zu verbessern. Bereits mehr als ein Fünftel der Befragten der Altersgruppe 55 bis 65 Jahre gibt an, den Kauf eines Elektrofahrrads zu planen. K Carsharing wird im ländlichen Raum bislang nur selten angeboten. Die Nutzung wird dadurch erschwert, dass für die Buchung oder Anmeldung häufig Internetzugang und Computer oder K Smartphone erforderlich sind und diese Medien gerade mit zunehmendem Alter kaum genutzt werden. Für Personen, die nicht selbst fahren wollen oder die keinen Führerschein besitzen, bietet sich Carsharing ohnehin nur sehr eingeschränkt als Lösung an. Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 9 Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Empfehlungen für die Mobilitätssicherung Älterer im ländlichen Raum 1. Fahrkompetenz Älterer möglichst lange erhalten Der Pkw ist das mit Abstand wichtigste Verkehrsmittel im ländlichen Raum. Das Gefühl von Sicherheit im Straßenverkehr nimmt bei Älteren jedoch mit zunehmendem Alter ab. Daher sollten Maßnahmen zur Verbesserung der subjektiven Sicherheit entwickelt und kommuniziert werden. Die Fahrkompetenz Älterer kann beispielsweise durch Fahrtrainings im Realverkehr und Fahrerassistenzsysteme erhöht werden. 2. Professionell organisierte Mitnahmeverkehre ermöglichen Die private Pkw-Mitfahrt im familiären, nachbarschaftlichen bzw. bekanntschaftlichen Umfeld nimmt bereits heute eine wichtige Rolle ein. Auswirkungen der demografischen Veränderungen auf das soziale Umfeld der Älteren bergen jedoch die Gefahr, dass die private Organisation künftig schwieriger wird, wenn etwa Familienmitglieder wegziehen oder aber Nachbarn nicht mehr vorhanden sind. Daher sollten konsequent auch Formen professionell organisierter Mitfahrangebote etabliert werden. Bisher zeigen sich in einigen durchgeführten Modellprojekten Akzeptanzprobleme bei Nachfragern und Anbietern. Dennoch wird diese Mobilitätsalternative stark an Bedeutung gewinnen und sollte daher in akzeptanzfördernder Weise, nutzergerecht und langfristig angelegt unterstützt werden. 10 Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 3. Aufklärungsarbeit über Elektrofahrräder verstärken Besonders Elektrofahrräder lassen ein relevantes Wachstumspotenzial in der Mobilität Älterer erkennen. Ein Großteil der befragten Älteren im ländlichen Raum, der sich die Nutzung eines Elektrofahrrads vorstellen könnte, fährt bisher jedoch nicht regelmäßig Fahrrad. Um über Gefährdungen aufzuklären und Unfälle zu vermeiden, sollten Trainings und Aufklärungsmaßnahmen (z. B. zur Fahrdynamik oder zur Helmnutzung) durchgeführt werden. Dies kann den sicheren Ausbau der Radwege nicht ersetzen, sondern sollte ihn sinnvoll ergänzen. 4. Öffentliche Verkehrsmittel flexibler und bedarfsgerechter organisieren Das heutige und zukünftige ÖVAngebot muss stärker an den Ansprüchen der Älteren ausgerichtet werden, damit es zu einer echten Mobilitätsalternative im ländlichen Raum wird. Die Befragten bewerten Bus und Bahn als eher unflexibel, langsam und beispielsweise für die Mitnahme von Einkäufen nur bedingt geeignet. So gilt es, die Zugangsbarrieren zum ÖV abzubauen. Hierbei geht es vor allem um den barrierefreien Zugang zu Bus und Bahn sowie um die Bereitstellung von Fahrgastinformationen und Buchungsmöglichkeiten (im Idealfall im internetbasierten sowie traditionell personalbedienten Vertrieb). ÖV-Verfügbarkeit als erforderliche Bestandteile zukünftiger Strategien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum angesehen werden sollten. Es erscheint in diesem Zusammenhang notwendig, über eine Weiterentwicklung der derzeitigen Finanzierungsinstrumente für öffentliche Nahverkehre zu diskutieren. Dies sollte unter anderem Chancen einer regional auszurichtenden Weiterentwicklung bzw. Bündelung derzeitiger Finanzierungsquellen (vgl. z. B. Land Brandenburg oder Sachsen-Anhalt) umfassen. Gleichfalls sollte die Diskussion aber auch Möglichkeiten neuer Finanzierungsoptionen abwägen, die etwa aus Elementen der Nutznießerfinanzierung entstehen könnten. Darunter kann verstanden werden, dass einzelne Akteure oder Akteursgruppen sich an der Finanzierung von Mobilitätsangeboten beteiligen, von denen sie beispielsweise durch Verbesserung der Erreichbarkeit profitieren. Durch Elemente der Nutznießerfinanzierung könnten zum Beispiel auch Situationen zum beiderseitigen Vorteil entstehen, wie etwa zwischen ÖV-Aufgabenverantwortlichen und den Akteuren der Gesundheitsversorgung. Es sollte geprüft werden, wie z.B. öffentlich organisierte Mobilität durch (finanzielle) Beteiligung der Gesundheitsbranche 5. Finanzierung des ÖV sichern und neue zielgerichtet die Erreichbarkeit zentraler medizinischer VersorgungsFinanzierungsoptionen entwickeln standorte verbessern kann, wenn Die Einschätzungen der Befragten zum ÖV zeigen, dass trotz kritischer es nicht anders erfolgreich gelingt, eine dezentrale ambulante GesundZeugnisse eine gezielte Weiterentheitsversorgung im gesetzlich gebowicklung der angebotenen ÖV-Fortenen Rahmen sicherzustellen. men, aber auch eine Erhöhung der Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Züge sind ein geeignetes Verkehrsmittel für die Hauptachsen des ÖV. Studie „Mobilität sichert Entwicklung. Herausforderungen für den ländlichen Raum“ Aufbauend auf der Studie „Mobilitätsoptionen Älterer im ländlichen Raum“ wurden im Auftrag des ADAC durch das IGES Institut im Jahre 2016 Handlungsoptionen zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum über die Zielgruppe der Älteren hinaus konkretisiert. Dabei ging es primär um die Analyse der derzeitigen Situation der Mobilitätssicherung im ländlichen Raum und um das Aufzeigen der daraus resultierenden öffentlichen und privaten Handlungsoptionen. Durch die Folgeuntersuchung wurde eine fundierte Status-quo- und Forschungsstand-Analyse zum Problemfeld der Nahversorgungs- und Mobilitätssicherung im ländlichen Raum ermöglicht. Zur methodischen Absicherung und besseren Bewertung der vielfältigen verfüg- baren Quellen unterschiedlicher Qualität wurden ergänzend Expertengespräche durchgeführt. Aufbauend auf der Identifizierung der wesentlichen Handlungsoptionen für die Mobilitätssicherung im ländlichen Raum wurden in der Studie abschließend Eckpunkte für eine zukunftsfähige Mobilitätsstrategie vorgeschlagen. Zentrale Handlungsfelder einer zukunftsfähigen Mobilitätsstrategie für ländliche Räume Im Ergebnis werden vier zentrale Handlungsfelder zur Sicherung der Mobilität im ländlichen Raum benannt und umrissen. 1. Lokal angepasste Lösungen Jede Region weist unterschiedliche Rahmenbedingungen für die Mobi- lität ihrer Bewohner auf, die es zu berücksichtigen gilt. Innerhalb der Regionen gilt es, ein gemeinsames Problembewusstsein zu schaffen, indem die lokalen Akteure vernetzt und kooperative Lösungen über klassische Rollen und Zuständigkeiten hinweg geschaffen werden. Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen: K Nahverkehrspläne zu verkehrsträgerübergreifenden Mobilitätsplänen weiterentwickeln. K Auf Kreis- und ggf. auch Landesebene Mobilitätsmanager etablieren, um Prozesse anzustoßen und deren Erfolg zu evaluieren. K Zur kommunalen Feinerschließung lokale Mobilitätsmanager etablieren, um Mobilitätsbedarfe in geeigneter Skalierung und Verantwortlichkeiten erkennen und organisieren zu können. Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 11 Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 2. MIV und optimierter ÖV als Rückgrat der Mobilität Im Bereich des motorisierten Individualverkehrs (MIV) sollte als wesentliches Element der Mobilitätssicherung die Erhaltung und Erhöhung der Fahrkompetenz vor allem Älterer z.B. durch Fahrtrainings im Mittelpunkt stehen. Flankierend sollte aber auch der Mobilitätserhalt durch Mobilitätsberatungen, Gesundheitschecks oder technologische Hilfen wie Fahrerassistenzsysteme und Teilautomatisierung der Fahraufgabe unterstützt werden. Im Bereich des ÖV wird eine differenzierte Bedienungssystematik empfohlen. Im Wesentlichen sollen dabei die drei Ebenen des konventionellen Linienverkehrs von Bus und Bahn in hoher Qualität mit zubringenden Bedienungselementen sowie einer flächenhaften Erschließung unter Nutzung flexibler Bedienungsformen konsequent vernetzt werden. Die höchste Angebotsqualität konzentriert sich dabei auf die nachfragestarken Strecken (oft als Haupt- achsen bezeichnet), während für weniger stark nachgefragte Routen auch geringere Angebotsstandards genutzt werden. Flexible Bedienformen ergänzen den konventionellen ÖV in der Feinerschließung sowie vor allem in Zeiten und Räumen schwacher Verkehrsnachfrage. in das nächste Mittel- oder Oberzentrum. Dadurch entstünden vom Nutzer her gedachte tatsächliche Alternativen zum Selbstfahren, die auch den nach wie vor wichtigsten Verkehrsträger im ländlichen Raum – den privaten Pkw – einbeziehen wollen. Über die Umstrukturierung der herkömmlichen ÖV-Angebote zu differenzierten und integrierten Systemen hinaus wird angeregt, die Rolle derzeitiger ÖV-Unternehmen weiterzuentwickeln, so dass umfassende Mobilitätsmanager etabliert werden, die auch Mobilitätsangebote organisieren und vernetzen können, die nicht von ihnen selbst erbracht werden. 3. „Neue“ Mobilitätsoptionen Obwohl der Pkw das dominante Verkehrsmittel im ländlichen Raum ist, stellt dieser keine Lösung für die Mobilitätsprobleme aller Bevölkerungsgruppen dar. Die gezielte Ergänzung durch verschiedene „neue“ Mobilitätsoptionen wird daher von großer Bedeutung für die Mobilitätssicherung im ländlichen Raum sein – insbesondere auch dort, wo die Ausweitung öffentlicher Verkehrsangebote nicht durchsetzungsfähig ist: K Organisierte private und auch gewerbliche Mitnahmeverkehre können das lokal und regional vorhandene ÖV-Angebot effizient ergänzen. Dies ist zwar ein ambitioniertes Ziel, dennoch könnten so mögliche Wegeketten aus einer Hand Realität werden, die verschiedene Angebote kombinieren – wie etwa eine organisierte Mitfahrt in einem Pkw von der Haustür zu einem lokalen Mobilpunkt und von dort mit einem Linienbus zum Einkaufsbummel Die Erhaltung der Mobilität Älterer lässt sich durch Fahrtrainings verbessern. 12 Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Studien zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum Bürgerbusse stellen neben privatem oder gewerblichem Mitnahmeverkehr eine neue Mobilitätsoption dar. K K  ürgerbusse und verwandte KonB zepte ehrenamtlich organisierter Verkehrsangebote wie etwa Seniorenfahrservices können eine geeignete Mobilitätsoption in ländlichen Räumen sein. Es ist dabei jedoch eine Integration in die Fahrplanund Tarifsystematik des allgemeinen ÖV und eine enge planerische und betriebliche Kooperation mit Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen des ÖV selbst anzustreben. Lokales Carsharing kann auch in ländlichen Räumen tragfähige Mobilitätsalternativen bieten. Hierzu eignen sich je nach Situation gewerbliche, bürgerschaftlich oder in Mischformen organisierte Betreiberoptionen. Die Entwicklungen etwa im Bereich sogenannter Corporate-Carsharing-Lösungen legen nahe, dass künftig auch bereits früher diskutierte Möglichkeiten der Nutzung öffentlicher oder aber privatgewerblicher Fahrzeugflotten neu bewertet werden sollten, die bisher aus vielen Gründen nur begrenzt erfolgreich etabliert werden konnten.  as Taxi kann gerade in SchwachD lastzeiten im Vergleich zu den flexiblen Bedienformen eine volkswirtschaftlich günstigere Mobilitätsoption zur Flächenerschließung im ÖV darstellen. Hierzu wären die Entwicklung einer sachgerechten Abgrenzung zu den Systemmerkmalen und -kosten des flexiblen ÖPNV und eines geeigneten Abrechnungsverfahrens erforderlich, um die anfallenden Kosten der Taxitarife in angemessener Weise dem Nutzer und dem Aufgabenträger des ÖV zuzurechnen. KH  ol- und Bringdienste sowie andere mobile Versorgungskonzepte ermöglichen als Substitut fehlender stationärer Versorgungseinrichtungen und -strukturen selbstständiges Einkaufen, Nutzung von Dienstleistungen und Teilhabe am kulturellen Leben. In einigen Versorgungsbereichen sind mobile Konzepte allerdings derzeit nur stark eingeschränkt realistisch. Beispielsweise stehen im Bereich von medizinischen Dienstleistungen wie der Telemedizin oder der mehrfach angedachten Konzeption sogenannter rollender Arztpraxen berufsstänK dische Rahmenbedingungen der Etablierung entgegen. Aus Nutzersicht wäre es wünschenswert, die jeweiligen limitierenden Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Versorgungsqualität auf den Prüfstand zu stellen. 4. Stärkung der finanziellen Basis Die Anpassung und teilweise Neugestaltung der Mobilität im ländlichen Raum erfordert den Einsatz finanzieller Mittel. Aufgrund der begrenzten Leistungsfähigkeit öffentlicher Haushalte erscheint eine Reform der gegenwärtigen Finanzierungssysteme des ÖV notwendig, in deren Mittelpunkt höhere Transparenz der Finanzierungsströme und bessere Effizienz der Mittelverwendung stehen sollte. Daneben sollten alternative Formen für die Finanzierung – etwa die stärkere Nutzung von Elementen der Nutznießerfinanzierung – etabliert werden. Hierbei beteiligt sich der Nutznießer freiwillig an der Optimierung des ÖV-Angebotes, um dadurch einen indirekten Nutzen zu erzielen. Erste erfolgreiche Beispiele wurden bisher insbesondere in Tourismusorten und -regionen realisiert. Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 13 Empfehlungen aus Sicht des ADAC Die Möglichkeit der Fahrradmitnahme kann die Attraktivität des ÖV steigern. Empfehlungen aus Sicht des ADAC 1. Bedeutende Rolle des Pkw berücksichtigen Der Pkw ist und bleibt die tragende Säule der Mobilität im ländlichen Raum. Die Bevölkerung ist dort in großen Teilen auf die Nutzung des Autos angewiesen. Es gilt daher, den MIV – möglichst mit zunehmend umweltfreundlicheren Antriebsformen – in der Mobilitätsplanung entsprechend zu berücksichtigen. Daneben sind die Fahrtauglichkeit und das Sicherheitsempfinden Älterer durch Trainingsmaßnahmen und technische Unterstützung mit Fahrerassistenzsystemen und Teilautomatisierung möglichst lange zu erhalten. 14 Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 2. Multimodalität und Verknüpfung der Mobilitätsoptionen fördern Auch im ländlichen Raum sollte eine sinnvolle Verknüpfung der Mobilitätsoptionen stärker umgesetzt werden, um intermodale Wegeketten zuzulassen (beispielsweise durch Verknüpfung an lokalen Mobilpunkten) und begrenzte finanzielle Mittel effizienter einzusetzen. Um ältere Menschen ohne Internetaffinität nicht zu benachteiligen, muss der Zugang zu Mobilitätsangeboten mittelfristig auf klassischem Weg (z.B. per Fahrplanaushang oder Ticketautomat) möglich sein. 3. Ehrenamtliche und privatwirtschaftliche Pkw-Mitnahmeverkehre gleichermaßen unterstützen Ehrenamtliche Mobilitätsformen wie Bürgerbusse sind bereits heute in einigen Regionen ein wichtiger Bestandteil der Mobilität im ländlichen Raum. Sie sollten zukünftig durch Marketingmaßnahmen und Vernetzung mit dem ÖV gestärkt werden. Zusätzlich dazu sollten private oder auch gewerbliche Mitnahmeverkehre organisiert werden, um den ÖV zu ergänzen oder – wenn sinnvoll – zu ersetzen. Dazu müssten die gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst Empfehlungen aus Sicht des ADAC und weiterentwickelt werden. 4. Flexible Bedienformen stärken Flexible Bedienformen wie zum Beispiel Anruf-Sammeltaxis oder Rufbusse können gerade dort die Basismobilität ohne Pkw sichern, wo der klassische ÖV an seine Grenzen gerät. Hierzu ist es erforderlich, den bestehenden Rechtsrahmen anzupassen und Umsetzungshürden zu minimieren. 5. Barrierefreie Infrastruktur zur Unterstützung der Multimodalität und des Fußverkehrs schaffen Barrierefreie Fußwege und vor allem barrierefreie Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern sollten auch im ländlichen Raum als Teil der Mobilitätsverbesserung etabliert werden, wobei aufgrund begrenzter Mittel Priorisierungen bei der Umsetzung vorzunehmen sind. Barrierefreiheit muss dabei integriert verstanden werden und daher die Bereiche Infrastruktur, Fahrzeug und Informationsverfügbarkeit miteinander verzahnen. 6. Potenziale des Radverkehrs ausschöpfen Das Fahrrad trägt heute nur begrenzt und teilweise nur saisonal zur Mobilitätssicherung im ländlichen Raum bei, insbesondere bei der älteren Bevölkerung. Negative Faktoren wie große Entfernungen oder schwierige Topografie sind angesichts der zunehmenden Nutzung von Pedelecs allerdings lösbar. Die Potenziale des Fahrrads sind stärker auszuschöpfen, indem eine bessere Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern gewähr- leistet und zielgerichtetes Marketing betrieben wird. 7. Finanzierung des ÖV zielgerichtet weiterentwickeln Die öffentliche Hand steht weiterhin in der Verantwortung, als Aufgabe der Daseinsvorsorge eine Grundversorgung an Mobilität für die Bürger zu sichern. Ein effizienterer Mitteleinsatz erscheint dabei ratsam. Entsprechende gute Beispiele in ausgewählten Bundesländern können Vorlage für andere Regionen sein. Darüber hinaus sollten neue Finanzierungsquellen ernsthaft diskutiert werden: So kann beispielsweise die Einbeziehung der Profiteure von öffentlicher Mobilität im Sinne einer Nutznießerfinanzierung (z.B. in der Gesundheitsbranche) maßgebliche Vorteile sowohl für die Aufgabenträger öffentlicher Verkehre, die profitierenden Wirtschaftsbereiche und vor allem die Fahrgäste eröffnen. 8. Interkommunales Mobilitätsmanagement einsetzen Gerade weil es keine pauschale Patentlösung für die Mobilitätssicherung im ländlichen Raum geben kann, ist ein höheres Maß an Flexibilität und Pragmatismus bei den Umsetzern gefragt. Für den Erfolg innovativer Mobilitätsangebote ist der Einsatz von Mobilitätsmanagern sinnvoll, die über Gemeinde-, Kreis- und ggf. auch Landesgrenzen hinweg agieren. Sie sollen sich vornehmlich um den lokal angemessenen Einsatz finanzieller Mittel kümmern, Mobilitätsangebote initiieren und verknüpfen sowie Marketingmaßnahmen durchführen. 9. Tourismus als Chance der Mobilitätssicherung verstehen und nutzen Häufig stellen ländliche Räume touristisch attraktive Destinationen dar. Diese Qualität sollte stärker für die Sicherung der Alltagsmobilität genutzt werden. Kommunen und Tourismusbranche sollten zusammenarbeiten und neue Angebote schaffen, um Synergieeffekte zwischen touristischer Erschließung und Wertschöpfung sowie Mobilitätssicherung als Daseinsvorsorgeaufgabe zu erzielen. 10. Nahversorgung und notwendige stationäre und mobile Dienstleistungen unterstützen Durch Einrichtungen wie Bürgeroder Mehrfunktionshäuser mit Bündelung verschiedener Funktionen wie Postfiliale, Bankschalter oder Lebensmittelladen lässt sich eine Grundversorgung der Bevölkerung vor Ort stärken. Mobile Arztpraxen können fehlende Gesundheitseinrichtungen auf dem Land teilweise ersetzen. Nahversorgung auf Rädern kann insbesondere mobilitätseingeschränkten älteren Menschen den Verbleib im eigenen Haushalt ermöglichen. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ist eine Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen notwendig, die beispielsweise die Entstehung von Formen der mobilen Gesundheitsversorgung behindern. Mobilitätssicherung im ländlichen Raum 15 Hansastraße 19 80686 München 2831340/02.16/5’ ADAC e.V.
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