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Full text: Movum (Rights reserved) Ausgabe 11.2016 (Rights reserved)

Briefe zur Transformation movum 1/2016 ßem Mit gro er: ost Grafikp Wie Flucht – lt r e d f u A e nd Umw Klima u hen Mensc en. vertreib Umwelt und Migration THEORIE „WIR DÜRFEN DIE FOLGEN UNSERES WIRTSCHAFTENS NICHT OUTSOURCEN“ Interview mit Heidemarie Wieczorek-Zeul PRAXIS FATALE BAUWUT Von Joachim Wille FLUCHTURSACHEN BEKÄMPFEN MIT DEM PARIS-ABKOMMEN Von Hartmut Ihne DIE KATASTROPHE VOR DER KATASTROPHE Von Benjamin von Brackel Coverfoto: www.flickr.com/photos/dvids EDITORIAL movum.info 1 Die Reichen in die Pflicht nehmen Von Dieter Janecek MdB und Martin Held, Die Transformateure Bleiben ist für viele schlicht und einfach keine Alternative. Die Gebiete des Inselstaates Kiribati liegen teilweise nur wenige Zentimeter über dem Meeresspiegel. Was Klimawandel bedeutet, lässt sich dort mit einem einfachen Messstock beobachten. Der kleine Staat im Pazifik hat deshalb Land auf den Fidschi-Inseln gekauft, um seine Bevölkerung nach und nach dorthin umzusiedeln. Eine Strategie, die für Kiribati mit 100.000 Einwohnern machbar erscheint, für das ebenfalls durch den Meeresspiegelanstieg und durch Wetterextreme bedrohte Bangladesch mit einer Bevölkerung von 160 Millionen aber wohl undenkbar ist. Und nicht immer sind die lokalen Auswirkungen des Klimawandels vorhersehbar, nicht immer ist es möglich, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen. Schätzungsweise 17,5 Millionen Menschen waren im Jahr 2014 weltweit aufgrund von Extremwetterereignissen zur Flucht gezwungen, viele von ihnen von einem Tag auf den anderen. Wenn Naturkatastrophen oder anhaltende Umweltveränderungen Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen, spricht man von umweltbedingter Migration. Stürme, Starkregen, ansteigender Meeresspiegel, Dürren und Überschwemmungen gehen einher mit Trinkwasserverschmutzung, Ernteausfällen und Bodenverlust. Durch exzessive Formen der Rohstoffförderung, der Agrarwirtschaft oder umweltschädlicher Industrie kommt es zu Ressourcenknappheit, vor allem Wassermangel, zum Verlust von Ökosystemen und zum Rückgang von Biodiversität. Nach aktuellen Schätzungen des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) könnten innerhalb weniger Jahrzehnte zwei bis drei Milliarden Menschen weltweit in die Städte drängen. Migration aufgrund von Umweltveränderungen verstärkt diese zunehmende Landflucht. Nicht immer steht hinter diesen Veränderungen der Klimawandel. Aber so gut wie immer steht dahinter der Mensch. Obwohl sie nur für einen geringen Anteil an den weltweiten Foto: Government of Kiribati | Flickr.com Kiribati ist wie viele Atolle und Inseln vom steigenden Meeresspiegel und damit vom Untergang bedroht. Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, sind Entwicklungsländer den Risiken des Klimawandels in besonderer Weise ausgesetzt. Ihre Wirtschaftsstrukturen reagieren meist sensibel auf klimatische Veränderungen und sie sind nur schwer in der Lage, kostenintensive Anpassungsmaßnahmen zu schultern. In vielen Ländern ist umweltbedingte Migration die Folge, die Ursache oder zumindest ein Katalysator vorhandener Ressourcenkämpfe und Verteilungskonflikte. Nach wie vor ist beispielsweise umstritten, welcher Zusammenhang zwischen Dürre, Migrationsbewegungen und dem Ausbrechen der Konflikte in Syrien bestand. Migration ist niemals monokausal, das Zusammenspiel der Fluchtursachen komplex. Aber es fliehen vor allem diejenigen, die in Verteilungskämpfen den Kürzeren ziehen, ihre Rechte nicht einklagen können und die negativen Effekte der Nutzung vorhandener Ressourcen zu spüren bekommen. Erst seit den internationalen Klimaverhandlungen 2010 im mexikanischen Cancún wird dem Phänomen der umweltbedingten Migration größere Beachtung zuteil. Im Folgejahr räumte der UN-Sicherheitsrat erstmals ein, dass der Klimawandel eine Bedrohung des Weltfriedens darstellt. Um den Klimawandel abzubremsen, um die Wirtschaft nachhaltig zu gestalten, um einen fairen Interessenausgleich zu schaffen zwischen Wirtschaftsprojekten und Anwohnern einer Region, müssen wir die bisher Privilegierten in die Pflicht nehmen. Mit dem Weltklimaabkommen von Paris ist dafür ein Anfang gemacht. Kiribati, Bangladesch, Syrien – die Bekämpfung des Klimawandels, der Schutz der Betroffenen, die Verringerung und solidarische Steuerung von umweltbedingter Migration ist auch eine zentrale Gerechtigkeitsfrage, sowohl lokal als auch global. In der beginnenden Transformation vom fossil geprägten Raubbau in Richtung einer postfossilen nachhaltigen Entwicklung verschränken sich im Umgang mit Migration die soziale und die ökologische Frage. THEORIE AKTEURE 24 1/2016 DREI FRAGEN ZU UMWELT UND MIGRATION Klimawandel und ökologische Krisen zählen in vielen armen Ländern schon zu den Fluchtursachen – und die Probleme verschärfen sich. Was sind die wichtigsten Hebel dagegen? Sehen Sie neue Ideen, um die Umweltund Entwicklungspolitik im Süden zu stärken? Kann die Gründung einer starken „Weltumweltorganisation“ der Vereinten Nationen helfen? Als Flüchtlinge sind laut Genfer Flüchtlingskonvention nur Menschen anerkannt, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder ihrer politischen Meinung verfolgt werden. Umwelt- und Klimaschäden werden nicht als Fluchtgrund anerkannt. Sollte das geändert werden? Wer könnte das tun?  Die Verursacher des Klimawandels müssen ihre finanziellen Zusagen einhalten, die im letzten Jahr auf dem Klimagipfel in Paris vereinbart worden sind. Dazu gehört auch, dass wir den betroffenen Ländern bei der Entwicklung moderner umweltschonender Technologien helfen. Besonders beim Ressourcenschutz sind längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Das merken wir auch in unseren Projekten, wenn es etwa um neue landwirtschaftliche Anbaumethoden geht. Gleichzeitig müssen die Regierungen im Süden das Allgemeinwohl ihres Landes und die Versorgung der Bevölkerung über die Interessen einzelner Gruppen stellen. Anpassung an den Klimawandel kann nur gelingen, wenn die nationalen Regierungen in allen Ressorts die nötigen Prioritäten setzen. Globale Ansätze wie die Gründung einer „UNEO“ können Entwicklungen unterstützen, aber nicht die Probleme vor Ort lösen, das müssen die dortigen Regierungen schon auch selbst tun. Entscheidend ist eine glaubhafte und auf Armutsreduzierung ausgelegte Politik der reichen Länder und der betroffenen Länder selbst. Die neuen UN-Nachhaltigkeitsziele, die „SDGs“, bilden bereits einen Rahmen, in dem Umwelt- und Entwicklungsfragen behandelt werden und alle Länder gemeinsam in der Verantwortung stehen. Mehr globale Organisationen und Normen führen aber nicht automatisch zu einer gerechteren und effizienteren Politik. Auch die Regierungen im Norden müssen verstehen, dass wir zu viel produzieren und konsumieren. Das geht zu Lasten der Ressourcen im Süden. Es gibt nur sehr selten eine einzige Fluchtursache. Soziale Benachteiligung führt oft zu prekären wirtschaftlichen Situationen und kann ein Anstoß zur Flucht sein. Die Ernährungsund Einkommenslage wird sich in vielen Gebieten durch den Klimawandel zusätzlich verschlechtern. Eine neue Kategorie wird daran nichts ändern. Für die Betroffenen ist der Auslöser der Flucht am Ende nicht wichtig. Sie brauchen eine Perspektive, wie sie ihr Leben in ihrer Heimatregion wieder selbst in die Hand nehmen und gestalten können. Barbara Dieckmann ist Präsidentin der Welthungerhilfe. Die ehemalige Oberbürgermeisterin von Bonn war von 2001 bis 2009 Mitglied des Bundesvorstandes der SPD. Wichtig ist, dass wir begrifflich zwischen Flucht und Migration unterscheiden, auch wenn das im Einzelfall schwierig zu entscheiden ist. Entscheidend ist, den Klimawandel deutlich unter zwei Grad zu halten und Klimaanpassung großzügig zu finanzieren. Wir müssen starke Anreize gegen Migration und starke Anreize zum Bleiben setzen. Hierzu könnte es sinnvoll sein, im globalen Süden in erneuerbare Energien, Dekarbonisierung, nachhaltige Wertschöpfungsketten, Aufforstungsprojekte, naturverträglichen Tourismus und so weiter zu investieren. Wir müssen das Verhältnis von Investitionen und Transfers überdenken, weil Transfers häufig nur zu „Rentenökonomien“ mit wenigen Profiteuren führen, wie es Paul Collier in „Exodus“ beschrieben hat. Ich bin seit Jahren dafür, das Umweltprogramm UNEP zur UNEO aufzuwerten. Wichtig sind auch der „Grüne Klimafonds“ und der Anpassungsfonds gemäß UN-Klimakonvention und ParisVertrag. Es kommt nicht nur darauf an, genügend Geld für den Klimafonds zu sammeln – 100 Milliarden Dollar pro Jahr wären fair –, sondern vor allem, das Geld richtig auszugeben. Das moralisch aufgeladene Kriterium der „Vulnerabilität“, also der Verletzlichkeit von Staaten, ist dabei höchst ambivalent, da es einen „race to the bottom“ auslösen könnte: Geld kriegt, wer sich als besonders vulnerabel präsentiert. Das würde genau das Falsche bewirken. Gefördert werden müssen Anpassungsprojekte, die eine ökologisch nachhaltige Landnutzung, Kohlenstoff-Senken, Renaturierung, Küstenzonenmanagement et cetera befördern. Hier kommt es erst einmal darauf an, den Begriff eines Klimaoder Umweltflüchtlings zu definieren. Je nach Definition schwankt die Zahl der Personen erheblich. Dann wäre zu überlegen, wie die sehr zahlreichen Begründungen überprüft werden sollen, mit denen Menschen die Anerkennung als Klimaflüchtlinge erreichen wollen. Über Krieg und politische Verfolgung lassen sich noch Urteile fällen, aber Umweltveränderungen sind so komplex, dass am Ende alle als Klima- oder Umweltflüchtlinge anerkannt werden müssten, die die entsprechenden, meist nicht überprüfbaren Begründungen anführen. Ich habe keine Ahnung, wie wir dann zu einer Anerkennungspraxis gelangen könnten. Ich sehe die Ausweitung der Fluchtgründe mittlerweile eher kritisch. Ich bin gerade dabei, die Begriffsbildung zu reflektieren, und es türmen sich Probleme über Probleme auf. Bevor wir uns dieser Probleme nicht wenigstens vergewissert haben, würde ich von wohlmeinenden, aber naiven Kampagnen abraten. Konrad Ott forscht und lehrt als Professor für Philosophie und Ethik der Umwelt an der Universität Kiel. Von 2000 bis 2008 gehörte er dem Sachverständigenrat für Umweltfragen der deutschen Bundesregierung an. Anneliese Bunk, Nadine Schubert: Besser leben ohne Plastik. Oekom Verlag, München 2016, ISBN 978-3-86581-784-6, 12,95 € Eine Designerin und eine Journalistin geben Tipps und Rezepte, die zeigen, wie es plastikfrei anders geht. Ihr Motto: Bewusster konsumieren, besser leben. Anhand vieler einfacher Beispiele zeigen sie, wie sich Schritt für Schritt von der alltäglichen Plastikflut wegkommen lässt. Wie sinnvoll das ist, zeigt die schreckliche Zahl von über acht Millionen Tonnen Plastikabfällen, die jedes Jahr in die Ozeane gelangen und dort Leben und Vielfalt der Meeresbewohner bedrohen. Plastik zerfällt frühestens nach 100 Jahren, macht Tiere und Menschen krank. Genug Gründe, dieses Buch zu lesen. Jörg Sommer, Michael Müller (Hrsg.): Unter 2 Grad? Was der Weltklimavertrag wirklich bringt. Hirzel, Stuttgart 2016, 19,80 € Im Dezember 2015 wurde in Paris Geschichte geschrieben. Die Weltklimakonferenz einigte sich auf das erste Klimaabkommen, das alle Länder in die Pflicht nimmt. Mit dem Vertrag bekennt sich die Weltgemeinschaft zu dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Doch was ist das Paris-Abkommen wert? Wo liegen seine Stärken, welche Herausforderungen kommen auf die Weltgemeinschaft zu, welche Risiken birgt es? Was muss jetzt politisch folgen? Über 30 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik, Medien und Nichtregierungsorganisationen analysieren Hintergründe, Inhalte und Konsequenzen des neuen Weltklimavertrages. Anja Banzhaf: Saatgut. Wer die Saat hat, hat das Sagen. Oekom Verlag, München 2016, ISBN 978-3-86581-781-5, 19,95 € Mit Saatgut haben wir es täglich zu tun, dennoch wissen wir nur wenig darüber. In drei Teilen gibt das Buch einen Einblick in die Saatgutsituation, die der Untertitel bündig zusammenfasst: Wer die Saat hat, hat das Sagen. Teil eins handelt vom Beginn der Züchtung, von bäuerlichen Saatgutsystemen und von der industriellen Agrarproduktion. Der zweite Teil zeigt, wie Saatgut vom Allgemeingut zur Ware wurde, die von wenigen Konzernen kontrolliert wird. In Teil drei werden Initiativen und Beispiele vorgestellt, die Alternativen bieten. Ein liebevoll gestaltetes Buch, informativ und anregend. AKTEURE DER GROßEN TRANSFORMATION Das fossile Zeitalter ist nicht nachhaltig. Notwendig ist eine Große Transformation in Richtung einer postfossilen, nachhaltigen Entwicklung. Nun geht es darum, diesen tiefgreifenden Übergang mit seinen Strukturbrüchen verträglich und gerecht zu gestalten. Dafür braucht es in allen Bereichen Transformateure. Es geht um die Änderung der Lebensstile ebenso wie um eine Änderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Gesprächskreis Die Transformateure verbreitet diese Idee. Transformationstagungen und Transformations-Labs tragen gleichermaßen zur Vernetzung bei. www.transformateure.wordpress.com Die Herausgeber (Deutscher Gewerkschaftsbund, Deutscher Naturschutzring, BUND, Deutsche Umweltstiftung, EuroNatur, FÖS, NaturFreunde und Die Transformateure) und andere Akteure der Transformation stellen sich an dieser Stelle im Wechsel vor. movum.info THEORIE 3 KLIMABEDINGTE MIGRATION „Ein Drittel Bangladeschs wird am Ende dieses Jahrhunderts unter Wasser stehen. Die Malediven und etliche Inselstaaten werden verschwinden: unser Atlantis des 21. Jahrhunderts.“ (Joseph Stiglitz, Wirtschaftsnobelpreisträger) KLIMAWANDEL ALS URSACHE FÜR MIGRATION UND FLUCHT Die Klimafolgen, die Menschen in die Migration treiben, unterscheiden sich nach dem Auslöser. Humanitäre Katastrophen wie Stürme, Starkregen, Dürren und Überschwemmungen zerstören die Lebensgrundlagen der Betroffenen. Trinkwasserverschmutzung, Ernteausfälle und Bodenverlust sowie die Zerstörung der Infrastruktur sind die Folgen. Sie zwingen die Menschen zur unmittelbaren Flucht. Eine Rückkehr in eine betroffene Region ist oft nicht möglich. Ein anderer Grund sind ausbleibende Niederschläge, abnehmende Schmelzflüsse und das Austrocknen von regenarmen Gebieten. All dies hat eine zunehmende Wasserknappheit zur Folge. In 168 Ländern gibt es heute großflächige Wüstengebiete. Zwei Drittel Afrikas sind von Trockenheit und Dürren betroffen. 2011 flohen fast 300.000 Menschen vor Hunger und Dürre aus Somalia. Die Trockenheit schränkte die Wasser- und Nahrungsverfügbarkeit dramatisch ein und trieb die Lebensmittelpreise in die Höhe. Insgesamt waren 13 Millionen am Horn von Afrika direkt von der Dürre betroffen, bis heute leben Hunderttausende in notdürftigen Flüchtlingsunterkünften. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass momentan über zehn ANPASSUNG VOR ORT ALS LÖSUNG Migration wird also stets durch mehrere Faktoren beeinflusst. Perspektivlosigkeit, Armut, politische Konflikte oder soziale Ausgrenzung werden dabei durch den Klimawandel verschärft. Auch wenn Prognosen zum Ausmaß klimabedingter Migration schwierig sind, bestätigt eine kontinuierlich wachsende Zahl von Länderstudien, dass die Folgen des Klimawandels im Hinblick auf Migrations- und Fluchtbewegungen bereits heute dramatisch sind. So werden immer mehr Menschen zu Flucht, Migration und Umsiedlung gezwungen, weil die Lebensgrundlagen vor Ort nicht mehr gesichert sind und somit ein Überleben unmöglich wird. Der Blick auf die Flüchtenden verhindert allerdings oft, den Fokus auf die Gruppe der Verletzlichsten und Schutzbedürftigsten zu richten. Der Klimawandel wird die ohnehin prekäre Lage der Armen verschlimmern, aber er macht sie nicht notwendigerweise zu Flüchtenden. Denn Migration ist teuer, aber die Folgen der Umweltveränderungen nehmen den Betroffenen ja gerade die notwendigen Ressourcen. Deshalb werden Millionen Menschen gar nicht in der Lage sein, von Orten abzuwandern, an denen sie den Umweltveränderungen so gut wie schutzlos ausgesetzt sind. Mehr Konsequenz beim Klimaschutz und mehr Unterstützung bei der lokalen Anpassung an den Klimawandel sind nötig, damit weniger Menschen zu Migration und Flucht gedrängt werden. Im Vordergrund muss dabei stehen, die Klimawandelfolgen so gut es geht zu vermeiden und abzumildern. Wo sie dennoch auftreten, muss man sie möglichst begrenzen, die Betroffenen bei der Anpassung unterstützen und entsprechende Mittel und Ressourcen zur Verfügung stellen. Ta s Millionen Menschen in Äthiopien unter Ernährungsunsicherheit leiden. Dort hat die Trockenheit durch die Folgen des Wetterphänomens El Niño im vergangenen Jahr massiv zugenommen. Der vom IPCC prognostizierte Meeresspiegelanstieg zwischen einem halben und zwei Metern bis zum Jahr 2100 ist für hunderte Millionen Menschen in Küstengebieten und auf Inseln eine existenzielle Bedrohung. Betroffen sind zum Beispiel die Hälfte von Bangladesch sowie die Pazifikinseln Kiribati und Tuvalu. Ein Meeresspiegelanstieg von einem Meter würde einen endgültigen Landverlust bedeuten. Der Verlust von Ökosystemen und Biodiversität gefährdet die Ernährungssicherheit und damit die Lebensgrundlage vieler Menschen. Das trifft vor allem dort zu, wo Einkommensquellen unmittelbar von intakten Ökosystemen abhängen. Ein Beispiel sind die Inuit in der Arktis. Dort schreitet der Klimawandel mit hohem Tempo voran und die Temperaturen erhöhen sich doppelt so stark wie im weltweiten Durchschnitt. So schmelzen die polaren Eisschilde und Gletscher immer schneller. Die traditionelle Lebensweise der Inuit und ihr soziales Gefüge sind durch die Veränderungen akut besonders bedroht. Letztendlich wirken sich all diese Faktoren auf die Gesundheit der Betroffenen aus. Weniger Wasser und steigende Temperaturen begünstigen die Ausbreitung von Keimen und Krankheitserregern beziehungsweise deren Überträgern. Klimabedingte Mangelernährung erhöht die Anfälligkeit für Krankheiten. ri en Z u den Folgen des Klimawandels und der dadurch bedingten Migration wird schon seit den 1970er Jahren geforscht. In den 1980ern kam dabei erstmalig der Begriff des „Umweltflüchtlings“ auf. Der Weltklimarat IPCC schätzte 1990 die zu erwartende Zahl von Klimaflüchtlingen auf 150 Millionen bis zum Jahr 2050. Nach diesem ersten Versuch, Migration und Klimawandel miteinander verbunden zu betrachten, wurden die Vernetzungen zwischen beiden Ereignissen lange missachtet und sind erst kürzlich wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) definiert Klimaflüchtlinge als „Personen oder Personengruppen, die aufgrund plötzlicher oder fortschreitender deutlicher Veränderungen der ihr Leben beeinflussenden Umwelt- und Lebensbedingungen gezwungen sind oder sich veranlasst sehen, ihre Heimat zu verlassen, sei es zeitweise oder permanent, und die sich innerhalb ihres Heimatlandes oder über dessen Grenzen hinaus bewegen“. Nach den Schätzungen des International Displacement Monitoring Centre (IDMC) sind heute etwa 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Dabei sind viele Herkunftsregionen sowohl von Gewaltkonflikten als auch von Umwelt- und Klimakatastrophen betroffen. 17,5 Millionen Menschen mussten 2014 aufgrund von Extremwetterereignissen wie Fluten oder Stürmen ihre Heimat verlassen. Auch wenn es aufgrund der Komplexität von Migrationsprozessen und ungenauer Datenlage statistisch schwer fassbar ist, gehört der Klimawandel zu den wesentlichen Ursachen, die Menschen zu Flüchtlingen machen. Bei den meisten Klimaflüchtlingen handelt es sich um Binnenvertriebene, die innerhalb ihres Landes fliehen und keine internationalen Grenzen überschreiten. Im Sinne des Völkerrechts sind die durch Klimawandel Vertriebenen deshalb keine Flüchtlinge und haben somit kein Recht auf internationalen Schutz. Hinzu kommt, dass die Genfer Flüchtlingskonvention (Klima-)Flüchtlinge nur dann anerkennt, wenn eine Klimawandelfolge zu einem gewaltsamen Konflikt führt. Die Klimawandelfolgen können sich ganz verschieden auswirken. Sie gefährden Lebensgrundlagen, verschärfen (Ressourcen-) Konflikte und machen die Heimat von Millionen von Menschen zeitweise oder dauerhaft unbewohnbar. Besonders betroffen sind die Menschen, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind: die Ärmsten aus den ärmsten Staaten. Sie können sich viel schlechter an den Klimawandel anpassen, da ihnen die Ressourcen dazu fehlen. Sie sind schlichtweg zu arm. Dagegen spüren die industrialisierten Länder mit ihren hohen CO2-Emissionen bislang verhältnismäßig wenig von den Folgen der globalen Erwärmung. Sie sind finanziell gut ausgestattet und können sich leichter anpassen. ic Te x t : M A LT E H E N T S C H K E Foto: U . .fl ick S. De pa r t me nt of St at e | w w w r.com to /pho s/st at e ph s ot o •D es i : gn Ad UMDENKEN IN DER POLITIK Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration wird mittlerweile auch in der Politik erkannt. Im Jahr 2012 riefen Norwegen und die Schweiz die Nansen-Initiative ins Leben, in der sich mehrere Staaten über „klimabedingte und grenzüberschreitende Migration“ austauschen. Ergebnis dieses Prozesses ist eine sogenannte Schutzagenda, die Rahmenprinzipien und gute Beispiele für den Umgang der Staaten mit klimawandelbedingter Migration enthält. Auch bei den UN-Klimaverhandlungen wird das Thema in den Blick genommen. Seit der Klimakonferenz 2010 in Cancún ist offiziell anerkannt, dass Klimawandel zu Migration führen kann. Drei Jahre später wurde bei den Verhandlungen in der polnischen Hauptstadt der „Warschau-Mechanismus“ beschlossen, um den Umgang mit klimabedingten Verlusten und Schäden der betroffenen Staaten zu regeln. Darüber wurde bei der letzten Konferenz in Paris noch einmal intensiv diskutiert, was im neuen Klimaabkommen seinen Niederschlag gefunden hat. Die bisher geplanten oder zugesagten Klimaschutzanstrengungen der Staaten – einschließlich Deutschlands – reichen jedoch keinesfalls aus, um den Klimawandel und seine Folgen zu verhindern. Deshalb müssen die Industriestaaten dringend Maßnahmen ergreifen, die die Rechte von Klimaflüchtlingen stärken und ihnen eine Lebensperspektive eröffnen. Malte Hentschke Referent für Kommunikation bei der Klima-Allianz Deutschland arbeitet unter anderem zum Thema klimabedingte Migration. Mitarbeit: Léa Georges. THEORIE 4 1/2016 FLUCHTURSACHEN BEKÄMPFEN MIT DEM PARIS-ABKOMMEN Te x t : H A R T M U T I H N E A ngesichts der gegenwärtigen Migrationsbewegungen nach Europa wird viel von der Bekämpfung der Fluchtursachen gesprochen. Es ist aber nicht erkennbar, dass die deutsche und europäische Politik zur Zeit richtige, die Ursachen und das Ausmaß von Flucht tatsächlich betreffende Antworten gibt. Das hängt mit einem verengten Verständnis von Fluchtursachen zusammen. Fluchtursachenbekämpfung wird in der aktuellen politischen Diskussion im Wesentlichen auf den Krieg in Syrien bezogen. Wäre der Krieg in Syrien beendet, so die Redeweise des politischen Mainstreams, wäre auch das Flüchtlingsproblem gelöst. Das ist eine Täuschung. Es mag für die Flüchtlinge aus Syrien gelten, nicht aber für die Gesamtsituation von weltweiter Migration. Migration ist im Wesentlichen ein Problem der Entwicklungsländer. MIGRATION NIMMT ZU Die Vereinten Nationen verzeichnen für die Jahre 2010 bis 2014 einen Anstieg der weltweiten Flüchtlingszahlen von 40 Millionen auf 60 Millionen, also eine Zunahme um 50 Prozent in vier Jahren. Die Zahl der sogenannten Binnenflüchtlinge, das sind Menschen, die innerhalb ihrer Länder bleiben, wird auf 400 Millionen geschätzt, also das Zehnfache – auch hier Tendenz steigend. Vermutlich hat das Zeitalter der Migration gerade erst angefangen und die Migrationsbewegungen nach Europa sind ein Weckruf an die Industriestaaten – und sie sind wohl erst der Anfang von Flucht in ganz anderen Dimensionen. Die neue internetbasierte globale Kommunikation und das weltweite Reisen sowie der damit entstehende neue globale Blick auf die Menschheit und ihre Lebens- und Gesellschaftsformen sind nur die formalen und strukturellen Voraussetzungen für Migration und Flucht. Die Ursachen sind anderer Natur. FLUCHT HAT VIELE URSACHEN Die Migrationsfrage ist, wenn wir den Blick auf das Pariser Weltklimaabkommen von 2015 wenden, nicht nur eine Umweltfrage. Aber sie ist auch eine Umweltfrage. Sie ist eine vernetzte, komplexe Frage: Denn klimabedingte Veränderungen betreffen vor allem Ressourcen wie Wasser, Böden und Biodiversität. Damit beeinflussen Umweltveränderungen die Gesellschaften an ihren existenziellen Wurzeln: Das sind vor allem die Ernährungsgrundlage und die Stabilität von Wirtschaftssystemen mit Produktivität, Arbeitsplätzen und sozialer Sicherung. Wegbrechende oder gar nicht erst entstehende ökonomische Stabilität gefährdet oder verhindert am Ende Demokratie. Wenn wir heute von Fluchtursachen sprechen, meinen wir ein Bündel von Ursachen, die Menschen zwingen, ihre Heimatgebiete zu verlassen. 1990 strahlte die BBC den Film „Der Marsch“ aus, der das Negativ-Szenario, das sich heute teils in Europa, besonders aber an seinen Außengrenzen abspielt, schon voraussah. Es war ein Szenario mit Millionen Armutsflüchtlingen aus einem Afrika, das von kleptokratischen Eliten, einer fatalen EU-Agrarpolitik, ungerechten ökonomischen Weltmarkbedingungen und Umweltschäden in den Niedergang gezwungen wurde. Die Flüchtlinge trafen auf ein Europa, das sich sicherheitstechnisch und militärisch einmauerte. Das Szenario ist auf dem Weg, Wirklichkeit zu werden. PARIS-VERTRAG KANN FLUCHTURSACHEN VORBEUGEN t Fo E o: Es lassen sich grob vier Arten von Migration unterscheiden: Armutsmigration, Umweltmigration, Kriegs- und Konfliktmigration und Lebensformmigration. Für diese Migrationsarten kennen wir nationale und internationale rechtlich-politische Regelungen: Asylrecht, Flüchtlingsrecht, Einwanderungsrecht. In der Realität bedingen sich die Ursachen meist wechselseitig. Deshalb sind die politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Antworten auch kompliziert, müssen immer von der Wechselwirkung der Ursachen ausgehen und brauchen Zeit. Gehen wir davon aus, dass erstens die Ergebnisse und Voraussagen der Klima- und Umweltforschung richtig sind, dass zweitens die globale Erwärmung zum Anstieg des Meeresspiegels führt und die Menschen in verletzlichen Küstenregionen gefährdet und dass drittens besonders im globalen Süden Trinkwasser knapp wird, Böden degradieren, Pflanzen- und Tierarten wegwandern und damit die Ernährungsgrundlagen von zig Millionen Menschen zerstört werden, dann ist klar, das umweltbedingte Migration zunehmen wird. Die Zahlen dazu sind noch spekulativ, liegen geschätzt im dreistelligen Millionenbereich. Wir werden dazu eine vorausschauende Migrationspolitik benötigen. ur op ea Hier sollten auch die Möglichkeiten genutzt nC om werden, die der Weltklimavertrag zur Verfümi s si on gung stellt. DG EC Auch wenn immer wieder von bestimmten Kreisen HO | ww a sic w.fl i die kausalen Zusammenhänge von Umwelt und Entwicklung en T ck r.c Ad r i : om /pho n g si t os/69583224@N05 • De und der pessimistische Ausblick in Frage gestellt werden, drückt sich im Weltklimaabkommen, bei all seinen Schwächen, seinen stellenweisen Unklarheiten und fehlenden Sanktionsstrategien, das richtige politische Vernunftprinzip aus: Politik muss sich am Worst Case und seiner Vermeidung orientieren. Trotz aller rechtlich-politischen Unbestimmtheiten – etwa die Freiwilligkeit beim Einhalten der Zwei-Grad-Grenze und die ungeklärte Beteiligung der Schwellenländer an der Klimafinanzierung – ist der ParisVertrag ein Dokument einer gemeinsamen Moral des Überlebens, dessen Möglichkeiten es jetzt zu nutzen gilt. Zwei Elemente stehen hier im Vordergrund: Erstens verpflichten sich alle Staaten, überprüfbare Klimaschutzstrategien vorzulegen und in Abständen von zwei Jahren einer Überprüfung zu unterziehen. Zweitens richten die Industrieländer ein Finanzierungspaket für Entwicklungsländer und verletzliche Staaten ein, zunächst für die Jahre 2020 bis 2025 in Höhe von mindestens 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. KLIMA- UND ENTWICKLUNGSPOLITIK SYNCHRONISIEREN Besonders wichtig wird jetzt sein, wie die Potenziale des Vertrags entwicklungspolitisch gedeutet und in wirkungsvolle Maßnahmen übersetzt werden. Nur eine frühe Synchronisierung der Klimaschutzstrategien mit der bilateralen und multilateralen Entwicklungspolitik vermeidet Parallelstrukturen und ermöglicht ein abgestimmtes, effektives Handeln und die Nutzung von Synergien. Dazu müssen Industrie- und Entwicklungsländer in ihre jeweiligen Klimastrategien konkretisierbare, in die Gesamtpolitik eingebundene Entwicklungskapitel aufnehmen. Aber auch die Synchronisierung mit globalen Regelwerken ist entscheidend, vor allem mit den sogenannten SDGs, den neuen UN-Nachhaltigkeitszielen für 2030. Hier ist von Bedeutung, wie die im Weltklimavertrag vereinbarten Reglements, Mechanismen und Ressourcen mit dem SDG-Umsetzungsschema abgestimmt werden können, auch was die Umweltmigration angeht. Es muss gerade im multilateralen System gelingen, eine gute Abstimmung der Ziele und Maßnahmen sowie eine funktionierende und effektive Kooperation zu erreichen. Globale Vertragswerke und nationale Politik dürfen bei der Bewältigung von Flucht nicht nebeneinanderher laufen – voneinander abgekoppelt und Ressourcen verschleißend –, sondern sie müssen synchronisiert werden. ENTWICKLUNGSPOLITIK VOM KATZENTISCH WEGHOLEN Mit beiden Ebenen, den nationalen Klimaschutzstrategien und der multilateralen Zusammenarbeit, sollte eine vorbeugende, aktive Strategie menschenwürdiger Migration verknüpft werden. Der dafür nötige Fonds zur humanen Ausgestaltung von umweltbedingter Flucht könnte zum Teil aus dem Klimafinanzierungspaket gefüllt werden. Das würde über die Maßnahmen des UNFlüchtlingshilfswerks hinaus einen sehr wichtigen Beitrag zur Abmilderung von Flucht ermöglichen. Viel entscheidender aber ist, die Bekämpfung der Fluchtursachen selbst ernst zu nehmen. Das Weltklimaabkommen bietet durch das solidarische Finanzpaket neue Möglichkeiten gegen klimabedingte Fluchtursachen. Wichtig ist aber auch, dass die Leistungen aus der Klimafinanzierung nicht nach altem Vorbild mit der öffentlichen Entwicklungshilfe verrechnet werden, sondern wirklich neu hinzukommen. Entwicklung und Umwelt brauchen mehr Geld, bessere Rahmenbedingungen und wirkungsvolle Strukturen. Ein schnell umsetzbarer Beitrag von deutscher Seite wäre übrigens, nach über vierzig Jahren endlich den versprochenen Anteil von 0,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu erreichen. Das würde auch das Vertrauen in den Lösungswillen der Politik stärken. Der Politikwissenschaftler und Philosoph Hartmut Ihne ist seit 2008 Präsident der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. THEORIE movum.info 5 „WIR DÜRFEN DIE FOLGEN UNSERES WIRTSCHAFTENS NICHT OUTSOURCEN“ Die frühere Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul über einen neuen solidarischen Internationalismus und ein notwendiges Umdenken der Industriestaaten I n t e r vi e w: M IC H A E L M Ü L L E R Frau Wieczorek-Zeul, Willy Brandt hat von Weltinnenpolitik gesprochen. Was bedeutet das für die globalen Umweltgefahren? Wieczorek-Zeul: Im UN-Bericht für eine Nord-Süd-Partnerschaft hat Willy Brandt die Notwendigkeit einer globalen Zusammenarbeit entwickelt. Andernfalls wird die schnell zusammenwachsende Welt zu einer zerbrechlichen Einheit, in der als Reaktion auf wirtschaftliche Krisen, soziale Ungleichheit und ökologische Gefahren in alter und neuer Form Gewalt und Kriege zunehmen werden. Besonders bedrohlich ist die sich abzeichnende Synthese aus Klimawandel, Wasserknappheit und Nahrungsmangel. Den Folgen daraus kann sich kein Land entziehen. Deshalb muss es zu einem solidarischen Internationalismus kommen, also zu einer Weltinnenpolitik. Und das ist möglich, denn jeder spürt, dass wir unsere Art zu wirtschaften und zu konsumieren drastisch ändern müssen. Wir dürfen die Folgen unseres Wirtschaftens und Produzierens nicht mehr outsourcen, weder zu Lasten des globalen Südens noch zu Lasten der Natur – auch weil uns die Folgen sonst sehr schnell einholen. Ländern bei der Anpassung zu helfen, zum anderen nehmen autoritäre Antworten zu. Das ist ein Teufelskreis. Neben Gewalt und Bürgerkriegen ist die ökologische Verrottung – Wasserknappheit, Ernährungskrisen und Klimawandel – eine wichtige Ursache für Flucht. Ist die Politik auf die „ökologische Migrationsbewegung“ vorbereitet? Auf diese Folgen wird seit den 1990er Jahren hingewiesen. In der Zukunft werden die Umweltflüchtlinge wahrscheinlich den größten Teil der globalen Migrationsbewegung ausmachen. Und dabei stehen wir erst am Anfang. Aus den Studien von Johan Rockström und seinem Wissenschaftlerteam wissen wir, dass die Menschheit nicht nur beim Klimawandel planetarische Grenzen überschreitet, die für das Leben auf der Erde essenziell sind. Die reichen Länder werden davon nicht verschont bleiben. Dennoch – das hat vor allem das letzte Jahr gezeigt – will sich die Mehrheit der europäischen Staaten vor dieser Wirklichkeit abschotten. Von daher sind wir in einer doppelten Falle: Zum einen wird zu wenig getan, um die ökologischen Gefahren zu vermeiden oder armen Das US-amerikanische Peterson Institute geht davon aus, dass 29 Staaten in 25 Jahren einen Ernterückgang von 25 Prozent zu erwarten haben. Wie sehen Sie das? Diese Prognose ist erschreckend. Sie zeigt, wie eng ökologische und soziale Fragen miteinander verbunden sind. Der Klimawandel trifft in besonderer Weise die ärmsten Weltregionen, die am wenigsten zu den Verursachern gehören. Aber den Folgen werden sich auch die reichen Gesellschaften nicht entziehen können. Wenn wir nicht wollen, dass überall in der Welt für die privilegierten Schichten Hochsicherheitszonen entstehen, aber dennoch Gewalt zum Lebensalltag wird, dann dürfen wir nicht nur über eine Weltinnenpolitik reden, sondern müssen soziale und ökologische Gerechtigkeit miteinander verbinden. Seit mehr als 20 Jahren wissen wir, welche Regionen besonders hart vom Klimawandel betroffen sind. Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Es ist richtig, der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltfragen hat in einer sehr eindrucksvollen Studie klargemacht, welche Regionen besonders hart betroffen sind, gleichsam ihre Lebensgrundlagen verlieren. Wir haben in der Region Darfur erlebt, wie die Gewalt explodieren kann, wenn klimatische Verschlechterungen, Lebensmittelknappheit und ethnische Konflikte zusammenkommen. Afrika ist besonders gefährdet. Wenn die globale Temperatur um mehr als zwei Grad Celsius steigt, wird das auf diesem Kontinent wahrscheinlich zu einer Ausweitung der Wüstengebiete um rund 40 Prozent führen. Schon heute geht ein großer Teil der afrikanischen Migration auf klimatische Ursachen zurück. Neben einigen asiatischen Staaten sind vor allem die Nahostregion und Afrika von Wassermangel bedroht. Was kann die Entwicklungszusammenarbeit tun, um die absehbaren Folgen zu minimieren? Ich habe in meiner Amtszeit einen Schwerpunkt auf die Ausweitung der Hilfen für eine bessere Infrastruktur und auf die Grundbedingungen eines menschenwürdigen Lebens gelegt. Auf vielen Konferenzen und durch zahlreiche Initiativen habe ich dazu beigetragen, in der Energiepolitik umzusteuern und insbesondere erneuerbare Energien voranzubringen. Und das mit der Armutsbekämpfung zu verbinden. Das war vor allem in der Weltbank notwendig. Da muss aber sehr viel mehr geschehen. Dazu gehört auch, dass das Ziel, die Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit auf 0,7, besser auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, endlich und schnell umgesetzt werden muss. Wir erleben, dass die EU in der Flüchtlingsfrage total zerstritten ist. Was erwarten Sie, wenn erst die ökologisch begründete Fluchtbewegung beginnt? Wie wird Europa damit umgehen? Für das, was in der EU in der Flüchtlingsfrage passiert, fehlen mir die Worte. Es geht nicht, dass die Kernfrage menschlicher Verantwortung durch nationalistische, häufig auch rassistische Stimmungen niedergedrückt wird. Wir brauchen Vernunft und Weitsicht, wir brauchen einen Humanismus, der unserer zusammenwachsenden Welt gerecht wird. Und es muss eine europäische Antwort sein, die in den Vereinten Nationen von allen EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam vertreten wird. Dazu gibt es keine Alternative, denn sonst muss die EU eine Mauer an den Außengrenzen ziehen. Es bleibt kein anderer Weg als eine Weltinnenpolitik, deren Grundlagen die Menschenrechte und die Menschenwürde sind. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) war von 1998 bis 2009 Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. SCHLECHTES KLIMA IN DER KUNSTSZENE: FLÜCHTLINGE MÜSSEN SICH HINTEN ANSTELLEN Te x t: H E R M A N N J O S E F H AC K Ha ef os nJ an er m Die Erste Flüchtlingsakademie der Freien Künste (EFFK) wurde am 22. September 2015 von den Künstlern Hermann Josef Hack und Andreas Pohlmann als Kunstprojekt gegründet. Migration und Flüchtlingslager als soziale Folgen globaler Veränderungen sind seit 2007 Themen der Bilder und Aktionen von Hermann Josef Hack. Mit der Besetzung von öffentlichen Plätzen in deutschen und europäischen Großstädten mit hunderten Miniaturzelten hat der Künstler auf das Thema Klimaflüchtlinge aufmerksam gemacht. Unter dem Titel World Climate Refugee Camp erklärte Hack ganze Städte, aber auch die Weltkunstschau documenta 12 in Kassel 2007 zum Klimaflüchtlingslager – und das zu einer Zeit, als der Begriff „Klimaflüchtling“ nur Insidern geläufig war, während die Politik noch versuchte, das Thema zu verdrängen. In den Jahren 2010 bis 2015 unternahmen Hack und Pohlmann Reisen, um direkt vor Ort mit Menschen zu arbeiten, die schon jetzt von Folgen der Klimaveränderung betroffen sind. So entstand ein Malbuch für Flüchtlingskinder auf Sri Lanka. Während der Weltklimakonferenz in Peru (COP20) gründeten sie als Kunstprojekt eine Policia Agua (Wasserpolizei) in Lima und blockierten den Verkehr der peruanischen Wüstenstadt. Zuletzt besuchten Hack und Pohlmann den Libanon für ein Kunstprojekt mit geflüchteten Syrern. Die Flüchtlinge gaben ihnen das Mandat, in Deutschland über ihre Situation zu berichten und ihre Bilder dort auszustellen. Hack und Pohlmann sind überzeugt, dass der Umgang mit dem Klimawandel in erster Linie eine kulturelle Frage ist. ck ERSTE FLÜCHTLINGS-AKADEMIE DER FREIEN KÜNSTE t Fo :H os Schon heute sitzen laut dem Umfrageinstitut Gallup World Poll 19 Millionen Menschen auf gepackten Koffern, weil sie unter anderem den Folgen des Klimawandels entgehen wollen. Niemand aus der Politik oder der Kunstszene hat das bislang ernsthaft thematisiert. Deshalb haben wir die Erste Flüchtlingsakademie der Freien Künste (EFFK) als Akademie im ursprünglichen Sinn – als Ort des freien Austausches von Ideen und Meinungen auf Augenhöhe – gegründet. Wir verzichten bewusst auf eine behäbige Infrastruktur. Stattdessen gehen wir direkt zu den Menschen in die Notunterkünfte, wo wir mit ihnen unmittelbar arbeiten. Malbücher und Malaktionen stehen bei unserer Arbeit im Mittelpunkt. Es geht aber um mehr als das reine Malen. Es geht auch darum, herauszufinden, wie es sich anfühlt, wenn man als Geflüchteter erlebt, ein Mensch zu sein, der nicht eingeladen und nicht unbedingt willkommen ist. Die EFFK gibt Stimmungsbilder wieder. Durch unsere langfristige Begleitung der Geflüchteten bekommen wir das Abbild einer authentischen Atmosphäre abseits der proklamierten Willkommenskultur, die immer mehr in Frage gestellt wird. Wir erleben jeden Tag, wie Geflüchtete sich auch im Kunstbetrieb ganz hinten anstellen müssen. Die Veranstalter der Kölner Kunstmesse Art Cologne verwiesen uns des Geländes, obwohl wir mit unserer Aktion „Sichtkontakt“ mit dem Museumsdienst Köln Flüchtlinge durch die Messe führen wollten.  Selbst in Projekten, zu denen wir ausdrücklich eingeladen wurden, wie beim NRW-Kunstforum, schenkte man uns wenig Aufmerksamkeit, kümmerte sich nicht um PR und lud uns auch nicht zur Pressekonferenz zum Ausstellungsprojekt „Planet B“ ein, an dem wir beteiligt waren. Wir kommunizieren diese Ignoranz offen, weil wir an die Freiheit der Kunst glauben. Es ist noch ein weiter Weg – aber es gibt keine Alternative: Die von uns gemessene soziale Kälte ist nicht das geeignete Mittel gegen die Erderwärmung. Wir bauen Leuchttürme für eine Begegnungskultur. Bauen Sie mit. PRAXIS 6 1/2016 DIE KATASTROPHE VOR DER KATASTROPHE Vor Beginn des Bürgerkriegs litt Syrien jahrelang unter einer schweren Dürre. Die einsetzende Massenflucht, die zur Destabilisierung beitrug, hätte aber verhindert werden können, sagt eine Hamburger Friedensforscherin. V or zehn Jahren, als sich die Weltöffentlichkeit noch kaum für Syrien interessierte, bahnte sich in dem Land bereits die Katastrophe an. Ab 2006 litt vor allem der Norden unter einer Jahrhundertdürre – fünf Jahre lang. Die Felder vertrockneten, das Vieh starb, die Landwirtschaft brach in vielen Regionen zusammen. Kleinbauern und Viehzüchter, 1,5 Millionen sollen es insgesamt gewesen sein, verließen ihre Dörfer, die oft leer zurückblieben. Die Bauern brachen in den Süden auf, ins Umland von Homs oder nach Dar'a. Auch nach Damaskus gingen viele, wo sich bereits eine Million Flüchtlinge aus dem Irak angesiedelt hatten. Es verschlug sie also gerade in die Gegenden, wo im Jahr 2011 die Aufstände ausbrachen, die dann in einen blutigen Bürgerkrieg mündeten, in dem bis heute knapp eine halbe Million Menschen umgekommen sind. Studien aus den USA sehen einen direkten Zusammenhang zwischen Dürre, Migration und Konfliktbeginn in Syrien. Der Klimawandel, so die Botschaft, ist zunehmend auch ein Sicherheitsproblem. „Das Land hat sich zu einem Vorzeigebeispiel entwickelt“, sagt die Friedensforscherin Christiane Fröhlich von der Universität Hamburg. Sie ist in den Jahren 2014 und 2015 mehrfach nach Syrien und in die Flüchtlingslager nach Jordanien gereist, um in Gesprächen mit Bauern herauszufinden, was wirklich passiert ist. TATENLOSIGKEIT DER SYRISCHEN REGIERUNG Das Ergebnis von über 100 Stunden Interviews: Die Hunderttausenden Bauern, die aufgrund der Dürre flohen, strömten nicht etwa in die Städte, sondern vor allem in deren Umland. Auch zeigte sich, dass die Flüchtlinge meist nicht selbst an den Protesten beteiligt waren, sondern sich eher unpolitisch verhielten. „Die vielfach propagierte einfache Kausalität zwischen Dürre, Migration und Konfliktausbruch in Syrien lässt sich so nicht halten“, sagt Fröhlich. „Zwar nahm die Binnenmigration tatsächlich während der Dürre zu, doch weder war die Dürre ihr einziger Auslöser, noch waren es die ‚Klimamigranten‘, die die Proteste initiierten.“ Zumindest nicht unmittelbar: Klimaexperten wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung betonen, dass an den neuen Wohnorten der Flüchtlinge mangels politischer Reaktionen Arbeitslosigkeit, Überfüllung, Infrastrukturmängel und Kriminalität herrschten – die in der Folge zur Unzufriedenheit der Bewohner und damit zur syrischen Revolte beitrugen. Fröhlich bestreitet das gar nicht. Ihr ist allerdings die Feststellung wichtig: Es waren nicht die Migranten, die Unruhe stifteten. „Die syrische Regierung hat praktisch nichts unternommen, um die Folgen der Dürre abzumildern“, sagt Fröhlich. Im Gegenteil: Das Assad-Regime hatte Subventionen gestrichen und die Energiepreise angehoben, nachdem die Einkünfte aus dem Ölgeschäft zurückgegangen waren. Als die Dürre kam und vielerorts der Grundwasserspiegel um mehrere Meter sank, rächte sich das. Die Bauern konnten nun das Benzin nicht mehr bezahlen, mit dem sie die Pumpen betrieben, die das Wasser aus den Brunnen holten. Die Übernutzung der Grundwasservorräte und die Wüstenbildung durch die massive Überweidung im Osten des Landes sowie die fehlende Unterstützung der Regierung spitzte die Situation weiter zu. Erst die falsche Politik der Regierung habe Bedingungen geschaffen, unter denen die Dürre in Syrien voll zuschlagen und zu dem heutigen Chaos beitragen konnte, sagt Fröhlich. Ihre Botschaft: Die Klimamigration hätte verhindert werden können. Das zeige das Beispiel Jordaniens, eines der wasserärmsten Staaten, der ebenfalls von der Dürre heimgesucht wurde, aber stabil blieb. GIBT ES BALD EINEN KLIMAKRIEG? Weltweit nehmen Dürren zu, sagt der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes Paul Becker. Wie aus einer globalen Beobachtung aller Dürren zwischen 1952 und 2013 hervorgeht, treten die Dürren besonders oft dort auf, wo es ausgesprochene Das Foto wurde 2008 während der Dürre in Syrien aufgenommen, die von 2006 bis 2010 dauerte und vielen Menschen die Lebensgrundlagen entzog. Regen- und Trockenzeiten gibt. Vor allem in Afrika, im Mittelmeerraum, an der amerikanischen Pazifikküste, in Brasilien und in Indonesien würden sie zunehmen. Der Nahe Osten nimmt dabei eine besondere Rolle ein. Er wird in spätestens 25 Jahren von einer dramatischen Wasserkrise betroffen sein, sagte eine Studie des Washingtoner World Resources Institute im vergangenen Jahr voraus. 14 der weltweit 33 am stärksten von Wasserknappheit bedrohten Länder liegen demnach zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean. Schuld an der Wasserknappheit sei auch der Klimawandel, vermuten die Studienautoren: In vielen Regionen nähmen die Wetterextreme zu; die Folge seien Dürren und Starkregen mit Überschwemmungen. Hinzu kommen eine wachsende Bevölkerung in vielen Regionen und der damit einhergehende steigende Wasserverbrauch vor allem in der Landwirtschaft. Eine Gemengelage, die für Konfliktstoff sorgt – von Klimakrieg wollen aber die meisten Experten nicht reden. INSULANER AUF GEPACKTEN KOFFERN Kleine Inselstaaten drohen durch den Klimawandel unterzugehen. Kiribati hat vorgesorgt und Land auf den höhergelegenen Fidschis gekauft. Von den Industrieländern fühlen sich die Insulaner alleingelassen. Te x t : S U S A N N E S C H WA R Z D Ausweichmöglichkeiten, wenn unser Land wegen des Klimawandels im Meer versinkt“, sagte Tong nach dem ungewöhnlichen Grundstückskauf, der in beiden Inselstaaten auf Skepsis stößt. „KEINE FLÜCHTLINGSKRISE WIE IN EUROPA“ Auch die Malediven hatten vor Jahren ähnliche Pläne, als ihr Präsident noch Mohamed Nasheed hieß, frei gewählt war und dem Klimawandel den Kampf angesagt hatte. Nasheed wurde allerdings 2012 aus dem Amt gezwungen und bald darauf inhaftiert – derzeit lebt er im Londoner Exil. In seinem Heimatland herrscht ein autoritäres Regime, die Umsiedlung liegt brach. Auch der Inselstaat Fidschi, Kiribatis „Klimawandelversicherung“, wird stark vom Meeresspiegelanstieg betroffen sein. „Wir haben aber das Glück, dass wir ein vulkanischer Inselstaat Foto: Government of Kiribati | Wikimedia Commons as wütende Meer wird uns alle töten.“ In Kiribati hört man den Satz häufig im Radio, mit ihm beginnt der Refrain des Liedes, das die Regierung vor gut einem Jahr zum Gewinner eines Gesangswettbewerbs um den besten Klima-Song gekürt hat. Sich vor dem Meer zu schützen, versucht der Inselstaat verzweifelt. Die 32 Atolle im Pazifik liegen teilweise nur wenige Zentimeter über dem Meeresspiegel. In 50 Jahren, schätzt die Regierung, wird das Paradies infolge des Meeresspiegelanstiegs untergegangen sein – und mit ihm die Heimat und der Alltag von mehr als 100.000 Menschen. Anote Tong, bis zum März Kiribatis Präsident, sah nur eine Lösung: Er kaufte vor zwei Jahren Land auf den Fidschi-Inseln, um die Bevölkerung im Notfall umzusiedeln. „Wir brauchen Nur wenige Zentimeter über dem Meeresspiegel: Die 32 Atolle von Kiribati müssen noch im 21. Jahrhundert wahrscheinlich evakuiert werden. mit Gebirge im Inland sind“, sagt Krishneil Narayan, Fidschis Jugendvertreter für Klimaschutz. „Die vom Wasser bedrohten Dörfer können ins Inland umsiedeln.“ Dort wollen sich auch die Kiribatier im Notfall niederlassen, 4.000 Hektar hat Präsident Tong in der Mitte einer der zwei Hauptinseln von Fidschi gekauft. Derzeit nutzen seine Landsleute die Flächen schon, um Nahrung anzubauen, denn viele Felder in Kiribati werden regelmäßig mit Salzwasser überschwemmt. In ein paar Jahren könnten die ersten dauerhaft in Fidschi leben. „Sie sollen nicht als Flüchtlinge kommen, sondern als Migranten mit Würde, die sich assimilieren“, sagt Narayan. „Wir wollen keine Flüchtlingskrise wie in Europa.“ „WIR INSELSTAATEN SIND SOLIDARISCH“ Nicht alle Fidschianer sind so offen, wie Narayan sich gibt. Naviavia ist ein kleines, abgelegenes Dorf, das zum Teil auf dem Gelände liegt, das Tong für die Bewohner Kiribatis gekauft hat. Die jetzigen Bewohner kamen im 19. Jahrhundert von den Salomonen hierher. Vor 70 Jahren gaben ihnen Missionare der anglikanischen Kirche Grund und Boden – für einen neuen Glauben: Wer konvertierte, bekam Land. Jetzt fühlen sich die Bewohner um ihr Eigentum betrogen. Selbst bei einer reibungslosen Umsiedlung stellen sich aber noch viele Fragen. Was wird aus der Kultur und der Sprache von Kiribati, wenn die Menschen ein Teil von Fidschi werden? Auch juristisch ist das Unterfangen nicht leicht: Werden sich die Neuankömmlinge Fidschianer nennen oder sind sie immer noch das Volk von Kiribati? Um solche rechtlichen Probleme zu lösen, will Fidschi dieses Jahr eine Kommission einrichten. Von den reichen Industrieländern fühlen die Insulaner sich alleingelassen. „Fidschi ist das einzige Land der Welt, das Kiribati Hilfe und Flächen zur Neuansiedlung angeboten hat“, sagt Narayan. „Wir Inselstaaten sind untereinander solidarisch; wir sitzen alle im selben Boot. Wir wollen niemanden von unseren pazifischen Brüdern und Schwestern zurücklassen.“ Foto: 300td.org | www.flickr.com/photos/300tdorg Te x t: B E N JA M I N VO N B R AC K E L PRAXIS movum.info 7 INTEGRATION IN DIE „DEUTSCHE SCHOLLE“ Rund 800.000 Euro hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) bisher für Umweltbildungsprojekte mit Flüchtlingen ausgegeben. Ulrich Witte von der DBU erklärt, warum das mehr für die Integration bringt als vieles andere. I n t e r vi e w: JÖRG STAU DE Herr Witte, die Lebensweise der Flüchtlinge, die zu uns kommen, war meist viel ökologischer als unsere – müssten nicht eher wir etwas von ihnen lernen? Ulrich Witte: In der Tat: Der bisherige Lebensstil der Flüchtlinge ist für den Planeten ökologisch viel weniger belastend als der in den Industriestaaten. Andererseits genießen Natur- und Umweltschutz in Deutschland – auch durch Artikel 20a des Grundgesetzes – einen hohen Stellenwert. Viele Dinge wie Energiesparen, Naturschutz oder der schonende Umgang mit Ressourcen, die uns geläufig sind, sind es Flüchtlingen nicht immer. Umweltbildung kann ihnen helfen zu verstehen, warum in Deutschland bestimmte Dinge so wichtig ist und wie das eigene Verhalten sein sollte. Flüchtlinge integrieren durch Umweltbildung: Was kann dieser Ansatz leisten, was zum Beispiel die Integration durch einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz nicht kann? Mitarbeit im Umweltbereich gibt Flüchtlingen zunächst ein handfestes Betätigungsfeld. Sie können im praktischen Naturschutz mitwirken oder andere Flüchtlinge beraten, zum Beispiel beim Energiesparen. Oder sie werden eingebunden in den Schutz von wertvollen Kulturgütern, die Umweltschäden aufweisen. Die Integration funktioniert gut, weil bei diesen Arbeiten immer Gruppen aus Einheimischen und Flüchtlingen zusammenwirken. Die häufige Isolation der Flüchtlinge wird bewusst aufgebrochen. Anders als eine Ausbildung oder eine konkrete Berufstätigkeit bieten unsere Projekte mehr Raum für interkulturelles Lernen und gegenseitigen Austausch. Eines Ihrer Projekte hieß: „Erstellung von Informationsmaterial zum Umweltverhalten“. Läuft das nicht auf das berühmte Die-Deutschen-trennen-ihren-Müll hinaus? Das Thema hat schon einen ernsthaften Hintergrund. Von Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz wissen wir, dass viele Flüchtlinge anfangs zu wenig über die Umwelt-Standards in Deutschland wissen, etwa beim Umgang mit Wasser oder mit Müll. Hinter dem Informationsmaterial steckt aber nicht der berühmte pädagogische Zeigefinger, sondern einfach das Bemühen, Informationen zu vermitteln. Das erleichtert nicht zuletzt das Zusammenleben auf engem Raum und vermeidet Konflikte. Bei einem anderen Projekt können Flüchtlinge in einem Kleingartenverein in Osnabrück mittun, der den schönen Titel „Deutsche Scholle“ trägt. Was lernen Flüchtlinge vom urdeutschen Kleingartenwesen? Der Schrebergartenverein „Deutsche Scholle“ stellt eine spannende Herausforderung für Flüchtlinge dar. Gelingt unser Vorhaben, wäre nahezu modellhaft gezeigt, wie Integration selbst mit einem typisch deutschen Traditionsverein gelingen kann. Die „Scholle“ ist allerdings keine Gartenzwergidylle mit verschrobenen Rentnern und Nationalflagge auf akkuraten Parzellen. Der Verein hatte schon in der Vergangenheit Mitglieder aus 19 Nationen, die neue Gärtner mit offenen Armen aufnehmen. Das gelebte Tun und das Miteinander gehen weit übers Bestellen der Gärten hinaus. Wie sehen Ihre Bildungs-Pläne für die kommende Zeit aus? Umweltbildung für Flüchtlinge wirkt sich sehr positiv aus, mit zum Teil unerwarteten Erfahrungen. Selbst aus kleinen Projekten können sich reelle Perspektiven für Ausbildung und dauerhafte Beschäftigung ergeben. Allerdings sind die Fördermittel für die bisherigen 15 Projekte aufgebraucht. Die DBU bringt hier weitere 100.000 Euro auf für noch nicht bewilligte Anträge. Wir wollen die Aktivitäten in der Umweltbildung insgesamt kräftig aufstocken mit Projekten, bei denen Hilfsorganisationen und Umweltbildungsanbieter eng kooperieren. Für diese Anträge steht noch einmal eine Million Euro zur Verfügung. Dass die DBU darüber hinaus noch weitere Mittel in der Umweltbildung aufbringt, ist nicht ausgeschlossen. Ulrich Witte leitet die Abteilung Umweltkommunikation und Kulturgüterschutz bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). GANZ BERLIN EIN GARTEN Manche halten die multikulturelle Gesellschaft für gescheitert. Dass das nicht ganz stimmen kann, zeigen so genannte interkulturelle Gemeinschaftsgärten. Dort begegnen sich Menschen aller Art und werden zusammen aktiv. Te x t: O L I V E R G RO B M itten in der Stadt: Ein Platz für den Imker mit seinen Bienenvölkern, den Künstler, der mit Kindern aus dem Kiez kocht, und die libanesische Nachbarin, die ägyptischen Spinat anbaut. Ein Ort der Begegnung von Sprachen, Kulturen, Altersgruppen und sozialen Milieus. Das klingt wie eine Utopie, ist jedoch in etwa 230 interkulturellen Gemeinschaftsgärten in Deutschland Realität. „In unserem Garten gibt es alles, was es auch in Berlin gibt“, sagt Gerda Münnich, Gründerin des größten Berliner Gemeinschaftsgartens, dem „Allmende-Kontor“ auf dem Tempelhofer Feld. Die Resonanz auf die Idee des urbanen Gärtnerns sei beachtlich. Als Münnich vor fünf Jahren die ersten Hochbeete auf dem ehemaligen Flughafengelände aufstellte, erkundigten sich die Leute sofort, ob sie mitmachen dürften: „Nach einem Monate hatten wir hundert Beete, nach zwei Monaten war die Fläche von 5.000 Quadratmetern mit 250 Beeten und individuellen Parzellen voll bepflanzt“, erzählt die 76-jährige Gärtnerin. Heute bauen dort über 700 Menschen aus 160 Ländern in Hochbeeten Gemüse und Kräuter an. Der Garten gilt damit als Prototyp einer neuen urbanen Landwirtschaft. In ganz Berlin gibt es mittlerweile etwa 40 solcher interkulturellen Gärten, mehr als in jeder anderen deutschen Stadt. Die Idee dazu entwickelte sich Anfang der 1990er Jahre gleichzeitig in mehreren Städten der Welt, darunter Buenos Aires, New York und Toronto. Engagierte Anwohner besetzten damals innerstädtische Brachflächen und bepflanzten sie. 1996 gelangte das Konzept nach Deutschland, als zugewanderte und einheimische Familien in Göttingen einen „Garten für interkulturelle Begegnung und Austausch“ gründeten. ORTE DER BEGEGNUNG Nach Jahrzehnten der Urbanisierung und Entfremdung von der Natur ist es vielen Menschen mittlerweile schlichtweg ein Bedürfnis, Lebensmittel nicht mehr nur im Supermarkt zu kaufen, sondern auch selbst anzubauen. Tut man das mit dem Blick auf kulturelle Interaktion, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Es entsteht ein sozialer Kontakt und Wissensaustausch zwischen Zugewanderten, Geflüchteten und Einheimischen – Menschen aus aller Welt mit unterschiedlichem Glauben, Kultur- und Bildungshintergrund. Das gemeinsame Gärtnern gilt als Praxismodell der interkulturellen Verständigung im Alltag – und es funktioniert, wie Christian Hoffmann berichtet. Der studierte Bodenkundler ist Vorsitzender des 2007 gegründeten Pyramidengartens in Das „Allmende-Kontor“ auf dem Tempelhofer Feld bringt 160 Nationalitäten zusammen. Berlin-Neukölln: „Unser Garten ist Produktionsort, Vernetzungsmöglichkeit, Bildungsangebot und sozialer Schmelzpunkt.“ Viele Migranten und Flüchtlinge stammen aus kleinbäuerlichen Verhältnissen und bringen bereits reiche gärtnerische Erfahrungen mit – die Eigenversorgung mit Lebensmitteln gehört für sie ganz selbstverständlich zum Alltag. Die Gärten bekommen dadurch eine Bedeutung als sozialer Treffpunkt im Stadtteil, wo man vielfach nicht nur Pflanzen anbaut, sondern Erfahrungen, Saatgut und Wissen austauscht, gemeinsam kocht, Feste feiert und Gesprächsrunden oder Foto: Gerda Münnich Workshops veranstaltet.Die Suche nach geeigneten Flächen ist jedoch nicht ganz leicht. Oft lehnen die Behörden eine Bepflanzung von öffentlichen Freiflächen ab oder vergeben Genehmigungen nur für Zwischennutzungen auf Zeit. Die Reaktion der Stadtgärtner ist einfach: Die Pflanzen wachsen meist nicht im Boden, sondern über der Erdoberfläche, in Hochbeeten aus Holz, Reissäcken, Bäckerkisten oder alten Milchtüten. Mit solchen transportablen Beetsystemen lassen sich innerstädtische Orte schnell in einen Garten verwandeln, selbst wenn es sich um versiegelte, belastete Flächen oder Hausdächer handelt. PRAXIS 8 1/2016 FATALE BAUWUT Für über eine Million Flüchtlinge müssen schnell neue Wohnungen gebaut werden – höchste Zeit, die Bau- und Umweltstandards zu lockern. Großer Unsinn, sagt Architekturkritiker Daniel Fuhrhop. Schließlich haben wir einen gigantischen Leerstand im Land. Die Bauwut grassiert in Deutschland. Vor allem seit klar ist, dass für viele Flüchtlinge dauerhafte Wohnmöglichkeiten gebraucht werden. Die Warnungen sind schrill: Allein bis 2020 müssten mehr als zwei Millionen neue Wohnungen entstehen, forderte jüngst das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) bei der Präsentation einer Studie, die die Folgen der Zuwanderung für den Wohnungsmarkt beschreibt. Pro Jahr sollen also 400.000 Wohnungen gebaut werden – 150.000 mehr, als es in den letzten Jahren der Standard war. Allein die Nachfrage von Asylberechtigten oder geduldeten Asylbewerbern steigere den Bedarf bis 2020 im Schnitt um 100.000 Wohnungen jährlich, so die IW-Experten. Die Wohnungsnot ist groß – Politiker, Bauwirtschaft und Mieterverbände sind sich da einig. Auch Deutschlands oberste Baupolitikerin, Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD), kalkuliert ähnlich wie das arbeitgebernahe IW und die Baulobby. „Wir brauchen mindestens 350.000 neue Wohnungen jährlich, um den Bedarf zu decken“, sagt sie. Dabei betont die Ministerin immer wieder: Es gehe nicht darum, Häuser nur für Flüchtlinge zu bauen. Sondern darum, „mehr bezahlbaren Wohnraum für alle“ zu schaffen. Aber Hendricks ist auch Umweltministerin, und in dieser Eigenschaft ergänzt sie: Die neu zu bauenden Häuser müssten „zukunftsfähig“ sein. „Wir dürfen Baukultur, Ausstattung und Klimaschutz nicht vernachlässigen.“ KURZSICHTIGE „LÖSUNGEN“ WIE VOR 50 JAHREN Nur: Es ist mehr als wahrscheinlich, dass genau das passiert. Bis vor Kurzem lautete das Credo von Stadtplanern, Kommunalund Landespolitikern, dass ein Siedlungsbau wie in den 1960er und 1970er Jahren unbedingt vermieden werden müsse. Damals betonierten westdeutsche Wohnungsbaugesellschaften und die DDR-Planwirtschaftler mit Wohnsilos und Plattenbauten gegen den Wohnungsmangel an, womit sie den Boden für Problemviertel ohne soziale Durchmischung bereiteten. Unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise werden nun vielerorts die alten Rezepte wiederbelebt. Hamburg zum Beispiel plant in allen sieben Stadtbezirken Großunterkünfte für Flüchtlinge. In Neugraben-Fischbeck soll ein solcher Komplex für 3.000 Menschen entstehen, direkt neben zwei weiteren Flüchtlingsunterkünften. In Rissen will man 800 Wohnungen auf einem freien Gelände bauen, geplant waren dort ursprünglich einmal 250. Kritiker warnen, dass damit die bisherigen Konzepte für die Stadtentwicklung aufgegeben werden. Berlin plant Eingriffe in den Naturschutz, um schneller Häuser hochziehen zu können, die Stadt will das Bauen sogar auf Waldflächen und Friedhöfen erlauben. Aber auch in einem Flächenland wie Nordrhein-Westfalen werden im Zeichen der Flüchtlingskrise Bauprogramme aufgelegt, die der „Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ widersprechen, die seit 2007 als Leitlinie der Stadtentwicklung gilt. Darin wird das Ziel ausgegeben, „die soziale Balance innerhalb und zwischen den Städten aufrechtzuerhalten, ihre kulturelle Vielfalt zu ermöglichen und eine hohe gestalterische, bauliche und Umweltqualität zu schaffen“. 650.000 ETAGENWOHNUNGEN STEHEN LEER Doch es gibt auch ganz grundsätzliche Einwände gegen die grassierende „Neubau-Wut“, wie sie der Architektur-Kritiker Daniel Fuhrhop formuliert. Der Betriebswirt, Architekturexperte, Ex-Verleger und Buchautor („Verbietet das Bauen – eine Streitschrift“) vertritt die These, Neubau sei weder wirtschaftlich noch ökologisch zu vertreten, solange es noch so gigantische Leerstände gibt wie derzeit in Deutschland. Auch die Flüchtlingskrise ändere nichts daran. Motto: besser Wieder- und Umnutzung statt Neubau. Noch viel Platz gibt es laut Fuhrhop in aufgegebenen Kasernen, geschlossenen Schulen und Krankenhäusern, aufgelassenen Gewerbeimmobilien. Die größte Reserve aber bilden laut dem Experten die vielen hierzulande leerstehenden Geschosswohnungen. Die Schätzungen gehen zwar weit auseinander. Bis zu 1,8 Millionen Etagenwohnungen werden genannt, die niedrigste Zahl – vorlegt vom Forschungsinstitut Empirica – liegt bei 650.000. Fuhrhop rechnet vor: Selbst dann reicht das bei einem Schlüssel von zwölf Quadratmetern pro Person für mindestens vier Millionen Flüchtlinge. Hinzu kommen allein in den 19 größten deutschen Bürostandorten wie München, Düsseldorf Foto: Fotochronist | Wikimedia Commons Te x t: J OAC H I M W I L L E Billig bauen auf Feld und Wiesen: Zuerst alte Gebäude renovieren, bevor neue Flächen versiegelt werden, empfehlen Experten. oder Frankfurt am Main acht Millionen Quadratmeter nicht vermietete Fläche, die zumindest theoretisch für Wohnnutzung umgebaut werden könnte – gut für weitere 100.000 Wohnungen à 80 Quadratmetern. Nun verteilen sich die leer stehenden Wohnungen und Büros nicht gleichmäßig über die Bundesrepublik. Die meisten gibt es in ländlichen Regionen sowie in schrumpfenden Städten, die es vor allem im Ruhrgebiet – Beispiel Duisburg – sowie in den neuen Bundesländern – Beispiele Frankfurt an der Oder – gibt. Fuhrhop und andere Experten wie Reiner Braun und Harald Simons von Empirica schlagen vor, jetzt mehr Menschen dorthin zu schicken, wo bereits leere Wohnungen warten, statt mit hohem finanziellen Aufwand neue Häuser in den bereits jetzt überlasteten Regionen zu bauen. „Begleitet werden sollte das durch eine ExpressIntegration, besonders für Familien mit Kindern, die gerade in Kleinstädten positiv auf die Demografie wirken“, meint Fuhrhop. Sorgen um die Jobs in der Baubranche muss man sich nicht machen, wenn Fuhrhop recht hat. Für die Sanierung und Modernisierung bestehender Gebäude brauche man nämlich „tendenziell zwar weniger Baustoffe, aber mehr Personal als beim Neubau“. NACHRICHTEN Dhaka am Rand des Kollaps In Bangladesch fliehen immer mehr Menschen vor Überschwemmungen, Versalzung und Wirbelstürmen in die Hauptstadt Dhaka. In der 14-Millionen-Einwohner-Stadt stehen Kanalisation, Müllabfuhr und Verkehrssystem am Rand des Zusammenbruchs, während Immobilienpreise und Mieten stark gestiegen sind. Einen Plan zum Umgang mit der Migration hat die Regierung bisher nicht. Der Weltklimarat IPPC schätzt, dass der Klimawandel in den nächsten fünf Jahren etwa 20 Millionen Menschen in Bangladesch aus ihren Wohnorten vertreiben wird. „In zwei bis drei Jahrzehnten werden Millionen Menschen nicht mehr von Landwirtschaft leben können“, sagte Saleemul Huq vom International Institute for Environment and Development der Agentur IPS. IMPRESSUM Herausgeber: Reiner Hoffmann, Deutscher Gewerkschaftsbund Prof. Kai Niebert, Deutscher Naturschutzring Damian Ludewig, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. Michael Müller, Vorsitzender, NaturFreunde Deutschlands e.V. Christel Schroeder, Lutz Ribbe, EuroNatur Stiftung Jörg Sommer, Vorstandsvorsitzender, Deutsche Umweltstiftung Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender, BUND e.V. Dr. Martin Held, Gesprächskreis Die Transformateure – Akteure der Großen Transformation Foto: Verena Kern Töpfer: Energiewende bringt Frieden Nur eine konsequente Klimapolitik kann die Flüchtlingsbewegungen nach Europa langfristig stoppen. Davon ist der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) überzeugt. Ohne weltweite Energiewende und einen Nord-Süd-Ausgleich werde es „extrem schwer werden, die Wohlstandsinsel Europa langfristig zu sichern“, sagte Töpfer, der viele Jahre das UN-Umweltprogramm Unep leitete, der österreichischen Nachrichtenagentur PTE. „Nur wenn wir den Menschen in den von Armut und Krieg betroffenen Regionen das Signal geben können, dass sie eine Zukunft und Perspektiven in ihrem eigenen Land haben, werden wir die Krise meistern.“ Auch Deutschland tue noch zu wenig. „Wir brauchen einen sozial abgesicherten, regional balancierten Ausstieg aus der Braunkohle.“ Foto: Sophia Paris | UN Photo Bedrohung – Opfer – Bittsteller Der Diskurs über Klimaflüchtlinge hat sich in den letzten 30 Jahren zweimal gewandelt. Das haben die Politikwissenschaftler Angela Oels und Chris Methmann herausgefunden. Nach dem Aufkommen des Begriffs 1985 wurden Klimaflüchtlinge demnach ausschließlich als Bedrohung der nationalen Sicherheit und Auslöser für Kriege angesehen. In den 1990er Jahren konzentrierte sich die Debatte dann auf die Rettung des „Klimaflüchtlings“. Allerdings seien die Betroffenen dabei in die Opferrolle gedrängt worden, so die Forscher. Seit 2011 wird klimabedingte Migration als rationale Anpassung an den als unvermeidbar dargestellten Klimawandel betrachtet. Der Tenor: Die gefährdeten Bevölkerungsgruppen sollen sich selbst helfen, es gibt kein Recht auf Entschädigung oder Mobilität. EU-Debatte über Fluchtursachen Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, hat die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union kritisiert. Die EU wolle die Migration aus Afrika eindämmen, ohne die eigentlichen Fluchtursachen anzutasten, sagte Brok der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Als Ursachen nannte er „eine unfaire Handelspolitik zulasten der Afrikaner, ausbeuterische Fischerei-Abkommen und Dumpingpreise für Rohstoffe“. Brok führte als Beispiel den Kongo an und forderte, „dass das beendet wird, dass wir zu günstigen Preisen Rohstoffe von Banditen kaufen“. Die EU bietet stattdessen afrikanischen Staaten Geld, wenn sie ihre Grenzen wirksamer überwachen und abgewiesene Landsleute aus Europa wieder zurücknehmen. n zu Debatte ser e m n die den The r unte : Ausgabe rriefe-zu www.B n.de rmatio Transfo Redaktion: Chefredaktion: Dr. Susanne Götze, Joachim Wille (V.i.S.d.P.) Redakteure: Matthias Bauer, Sandra Kirchner Debatte n zu den The men die ser Ausgabe unter: www.B riefe-zu rTransfo rmatio n.de Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den AutorInnen. Projekt Forum Transformation DIESES PROJEKT WURDE GEFÖRDERT VON: Layout Adrien Tasic, Gestaltung Infografik: Prof. Kai Niebert, Fakultät Nachhaltgkeit, Leuphana Universität Lüneburg Rosa Brown Verlag: movum erscheint im Naturfreunde-Verlag Freizeit und Wandern GmbH Warschauer Str. 58a+59b, 10243 Berlin, Tel.: +49 (0)30 29773260 www.naturfreunde.de Hans Gerd Marian, Geschäftsführer Registergericht: Amtsgericht Charlottenburg, NR-Nr.: HRB 118470 B. Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste sowie Vervielfältigung auf Datenträgern nur nach Genehmigung des Verlages. movum liegt exklusiv, regelmäßig und kostenlos der Fachzeitschrift politische ökologie des Oekom-Verlages bei. Auflage: Mantel: 10.000 Exemplare, Plakatbeilage: 11.000 Die movum-Ausgaben können Sie kostenlos bestellen: bestellung@naturfreunde-verlag.de oder per Post: Naturfreunde-Verlag Freizeit und Wandern GmbH Warschauer Str. 58 a + 59 a, 10243 Berlin VERANSTALTUNGEN 11. bis 12. Juli 2016 Konferenz "Mit uns die Zukunft: Nachhaltige Transformationen brauchen andere Geschlechterverhältnisse" Universität Lüneburg www.genanet.de/infopool 19. bis 23. August 2016 Degrowth-Sommerschule "Skills for System Change" Klimacamp Rheinland 30. August bis 3. September 2016 5. Internationale Degrowth-Konferenz Corvinus-Universität Budapest www.degrowth.de www.budapest.degrowth.org 12. September 2016 Tag der Ökologisch-Sozialen Marktwirtschaft Umweltbundesamt Berlin www.globalmarshallplan.org/news/tagder-oekosozialen-marktwirtschaft
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