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Full text: Movum (Rights reserved) Ausgabe 8.2015 (Rights reserved)

ALLTAGSMY THEN, für Griechenland 2010–2014 215 316 200 Im Ausland verstecktes reicher Griechen Vermögen (ALDI) (LIDL, Kaufland) der Familie Albrecht Dieter Schwarz Vermögen Vermögen (Conti) 2014 281 34,8 5 Verteidigungshaushalt Deutschland 2010–2014 150 (D) Vermögen 54,7 (EU) 10,6 Staatsschulden Griechenland USA 2012 Externe Kosten der Kohleverbrennung in Europa pro Jahr 103 (D) Deutschland Jährliche Spenden in den USA Wahlkampfkosten Vermögen der unteren 50 % Quandt (BMW) Rettungspakete Umsatz Amazon NFO der Familie Schaeffler OV UM . I der Familien IK", WW W. M Vermögen ZPOLIT 14,5 movum.info E 8 "FIN AN 17,6 NACHRICHTEN 18 MIT GRAFIKPLAKAT ZUM THEMA AU S G A B Alle Zahlenangaben auf dieser Alle Zahlen Seite sind beziehen in Milliarden sich, wenn nicht anders Quellenangabe: Euro. angegeben, Die Quellen auf auf die Bundesrepublik PDF-Version für diese Infografik Deutschland. (www.movum.info) sind auf den jeweiligen verlinkt. Feldern in der 31 WO DIE SEID ENTZAUBERT: WIRKLICMILLIARDEN H LANDEN MOV UM Konzep tion: K AI NIEB Umsetz ERT ung: K ALISCH DESIGN .DE „Ist es nicht zu teuer, „In die Förderung die vielen erneuerbarer Flüchtlinge bei uns geflossen.“ aufzunehmen? Energien „Klimaschutz ist schon einmal nachgerechnet “ können wir viel zu viel uns nicht Geld solchen Alltagsmythen und die leisten.“ Zahlen Wir aufzuräumen. ins Verhältnis gesetzt,haben um mit Staatliche Förderung Erneuerbare 1970–2012 67 (D) Staatliche Förderung Braunkohle 1970–2012 10 (D) 87 (D) Branntweinsteuer Gewinn der aus der Fußball-WM FIFA 2014 in Deutschland pro Jahr Tabaksteuer 3,5 (D) 3,3 Allen Kindern weltweit Schulbildung ermöglichen Zuteilung CO 2 -Emissionsberechtig der ungen pro Jahr 7 (D) Energiesteuerbefrei ung des Kerosins pro Jahr Staatliche Förderung Steinkohle 1970–2012 311 (D) 8,75 Ausgaben 87 (D) 48 (WELT) 14 58,6 (D) der reichsten 4.813 Mrd. 10 % Kosten für Klimaschutz bis 2030 (D) Vermögen der reichsten 1.627 (D) 31 (D) Durch Verkehr verursachte Gesundheitskosten Umsatzsteuer 52 (D) Umweltschädliche Subventionen pro Jahr 3,8 (D) Haushalt Umweltministerium 0,1 % 85,7 (D) 800 Mrd. 84 (D) Steuereinnahmen Deutschland pro Jahr 278 (D) Kaffeesteuer Weltweite Beseitigung von Hunger 301 (D) Gesundheitsausgaben in Deutschland pro Jahr (D) 36 (D) Aufnahme von 800.000 Flüchtlingen in Deutschland Bankenrettung in Deutschland Urlaubsausgaben der Deutschen pro Jahr 27 (WELT) Gesundheitskosten der Kohleverstromung 6,3 (D) Brasiliens zur Fußball-WM 2014 2 Vermögen Energiesteuer Lohnsteuer 50 (D) Staatliche Förderung Atomenergie 1970–2012 213 (D) 6 (D) Kostenfreie Mehrwertsteuerbefr für internationale eiung Flüge pro Jahr 1 Staatsverschuldung Deutschland 2.000 (D) (D) Kosten des Klimawandels bis 2050 Briefe zur Transformation movum Subventionen erneuerbare Energien weltweit pro Jahr (WELT) 88 Atomkraft UNO startet privaten Emissionshandel Die Verringerung der Treibhausgas-Emissionen wird zur Privatsache: Die Vereinten Nationen führen einen „Emissionshandel für alle“ ein und bauen dafür den „United Nations Climate Credit Store“ auf. Über diese Internetplattform können Privatpersonen und Firmen Emissionszertifikate aus dem Clean Development Mechanism (CDM) kaufen, um so freiwillig ihre Emissionen zu kompensieren. Wer eine Reise oder seinen Fleischkonsum klimaneutral stellen möchte, kann im „Store“ die Treibhausgas-Belastung berechnen lassen und für dieselbe Menge Verschmutzungsrechte kaufen. Umweltorganisationen zweifeln aber am Nutzen vieler CDM-Projekte. „Der Konsument wird da getäuscht“, sagte die WWF-Klimaexpertin Juliette de Grandpré der Süddeutschen Zeitung. (sz.de/1.2641976) 272 (WELT) 4.717 Mrd. Subventionen fossile Energien weltweit (Welt) 9.300 Mrd. pro Jahr 4.353 Mrd. Gesundheitsausgabe n weltweit Privates Vermögen in Deutschland (D) (Welt) pro Jahr Ausgabe 8 Oktober 2015 Finanzpolitik Foto: Fossil Free Tufts „Divest for Paris“ Die weltweite Divestment-Bewegung fordert Institutionen, Einzelpersonen und Regierungen dazu auf, ihr Geld noch vor der Pariser Klimakonferenz im Dezember aus dem Geschäft mit fossilen Brennstoffen abzuziehen. Im September traf sich die Bewegung in der französischen Hauptstadt zu einem Kongress. „Wer in Paris Taten sehen will, darf nicht die fossile Energiewirtschaft bezahlen“, sagte May Boeve von der Klimaschutzorganisation 350.org, die den Kongress zusammen mit den Europäischen Grünen veranstaltete. Divestment sei schon rein wirtschaftlich geboten. Man spricht von der „Kohlenstoffblase“: Sobald die Staaten ernsthaften Klimaschutz betreiben, werden Investitionen in die Branche schnell wertlos. Das werde früher oder später auch passieren, sagte Boeve. (europeangreens.eu/divestconference) Subventionen weltweit pro Jahr Zivilgesellschaft auf Transformationskurs Die zivilgesellschaftlichen Bewegungen für ökonomische, ökologische und soziale Alternativen wollen sich gemeinsam für eine umfassende Transformationsperspektive einsetzen. Ein entsprechender Konvergenzprozess ist bereits im Gang. Das zeigte sich beim „Solikon 2015“, dem Praxiskongresses für solidarische Ökonomie im September an der TU Berlin. Eine Woche lang ging es dort um die vielfältigen Formen solidarischer Ökonomie und um konkrete Kooperationsweisen. Die Verfechter der solidarischen Ökonomie plädieren für ein Wirtschaftssystem, das auf Kooperation statt Konkurrenz beruht. Vorgeschaltet war dem Kongress eine „Wandelwoche“, um bei Projekten Ort zu erkunden, welche Varianten einer solidarischen Ökonomie schon heute funktionieren. (solikon2015.de) Foto: Fred Meyer | flickr.com Green Economy? Faire Einkommen! „Grünes Wachstum“ mit erneuerbaren Energien, mehr Effizienz und einer Dienstleistungsökonomie ist nicht das entscheidende Instrument gegen den Klimawandel. Zu dem Ergebnis kommt der Chefökonom des Schweizer Research Institute on Organic Agriculture, Ulrich Hoffmann, in einer Analyse für die UN-Organisation für Handel und Entwicklung UNCTAD. Der oft reduktionistische Green-Growth-Ansatz habe technologische, bevölkerungsdynamische und systemische Zwänge nicht im Blick und könne Scheinlösungen stärken. Die nötige Transformation beinhalte eine bessere Verteilung von Vermögen und Einkommen, eine Begrenzung der Marktmacht von Wirtschaftsakteuren und eine Kultur der Genügsamkeit. (UNCTAD/OSG/DP/2015/4) IMPRESSUM Herausgeber: Damian Ludewig, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V.; Michael Müller, Vorsitzender, NaturFreunde Deutschlands e.V. Christel Schroeder, Lutz Ribbe, EuroNatur Stiftung; Jörg Sommer, Vorstandsvorsitzender, Deutsche Umweltstiftung; Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender, BUND e.V.; Dr. Martin Held, Gesprächskreis Die Transformateure – Akteure der Großen Transformation Förderhinweis: DIESES PROJEKT WURDE GEFÖRDERT VON: Förderhinweis: Redaktion: Chefredaktion: Susanne Götze, Joachim Wille (V.i.S.d.P.) Redakteure: Matthias Bauer, Sandra Kirchner DIESES PROJEKT WURDE GEFÖRDERT VON: Debatte n zu den The men die ser Ausgabe unter: www.B riefe-zu rTransfo rmatio n.de THEORIE: „ICH HALTE NICHTS DAVON, DIE FLINTE INS KORN ZU WERFEN“ Interview mit Barbara Hendricks Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den AutorInnen. Layout Alexander Seeberg-Elverfeldt, Entwicklung; Adrien Tasic, Gestaltung; Jennifer Kalisch, Infografik Dr. Kai Niebert, Fakultät Nachhaltigkeit, Leuphana Universität Lüneburg, Konzeption Infografik Verlag: movum erscheint im GutWetter Verlag UG (haftungsbeschränkt) Marienstraße 19/20, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 24632232, www.gutwetterverlag.de, Geschäftsführer: Marco Eisenack Registergericht: Amtsgericht Charlottenburg, NR-Nr.: HRB 118470 B. Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste sowie Vervielfältigung auf Datenträgern nur nach Genehmigung des Verlages. movum erscheint als kostenlose Beilage in Kombination mit dem Wirtschaftsmagazin enorm, www.enorm-magazin.de movum liegt exklusiv, regelmäßig und kostenlos dem Wirtschaftsmagazin enorm bei, www.enorm-magazin.de. Mitglieder der herausgebenden Verbände beziehen das enorm-Abo inkl. movum zum Vorzugspreis von 36,75 Euro statt 49 Euro (6 Ausgaben p.a.). Weitere Informationen unter www.movum.info/kombi-abo Auflage: 30.000 Exemplare Die movum-Ausgaben können Sie kostenlos bestellen: bestellung@naturfreunde-verlag.de oder per Post: Naturfreunde-Verlag Freizeit und Wandern GmbH Warschauer Str. 58 a + 59 a, 10243 Berlin Coverfoto: Axel Hartmann | flickr.com • Design: Adrien Tasic Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den AutorInnen. DIE PIONIERE WERDEN DIE GEWINNER SEIN Von Ernst Ulrich von Weizsäcker PRAXIS: DIE 100-MILLIARDEN-DOLLAR-FRAGE Von Nick Reimer DAS UNSCHÄTZBARE SCHÄTZEN LERNEN Von Jörg Staude GRAFIK: WO DIE MILLIARDEN WIRKLICH LANDEN AKTEURE 2 FÖS: Zuordnung der Steuern und Abgaben auf die Faktoren Arbeit, Kapital, Umwelt. Berlin 2015 Woher bekommt der Staat sein Geld? In Deutschland vor allem, indem Arbeit besteuert wird. Umweltbelastung durch Steuern in Rechnung zu stellen, spielt dagegen kaum eine Rolle. So sind Preise heute weit davon entfernt, die Wahrheit zu sagen. Der Anteil der Umweltsteuern am deutschen Staatsauf kommen ist sogar seit 2003 rückläufig. Der Anteil ist mittlerweile so niedrig wie vor der Ökosteuer-Einführung. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) analysiert jedes Jahr die Entwicklungen im deutschen Steuersystem und die Aktivitäten der Regierung. Download: www.foes.de/steuerstruktur Umweltbundesamt: Umweltschädliche Subventionen in Deutschland 2014. Dessau 2014 Alle zwei Jahre untersucht das Umweltbundesamt (UBA), wie in Deutschland Subventionen gefördert werden, die Umweltziele konterkarieren, öffentliche Kassen belasten und letztlich einer sozialökologischen Transformation im Wege stehen. Im Jahr 2010 betrugen die umweltschädlichen Subventionen insgesamt mehr als 52 Milliarden Euro – und im Vergleich zu früher ist kein systematischer Abbau erkennbar. Das UBA empfiehlt, ihn jetzt in Angriff zu nehmen. Der UBA-Bericht bietet die am weitesten ausgearbeitete Auflistung von Subventionen auf Bundesebene. Download: www.kurzlink.de/uba-subventionen Ausgabe 8 Greenpeace Energy/FÖS: Was Strom wirklich kostet. Hamburg 2015 Nicht alle Kosten der Stromproduktion stehen auf der Stromrechnung: Während die EEG-Umlage die Förderung erneuerbarer Energien transparent ausweist, bleiben staatliche Subventionen und finanziell förderliche Rahmenbedingungen für konventionelle Energieträger im Dunkeln. Dabei ist Öko-Strom schon heute günstiger als konventioneller, wenn auch die Kosten für staatliche Förderungen und für Umwelt- und Klimaschäden sowie nukleare Risiken einbezogen werden. Die Studie analysiert, was konventionelle Energieträger wie Kohle und Atomkraft die Gesellschaft tatsächlich kosten. Download: www.foes.de/wasstrom-wirklich-kostet Michael Carolan: Cheaponomics: Warum billig zu teuer ist. Oekom, München 2015 Neben „unwahren“ Stromkosten werden auch viele weitere Güter und Produkte durch versteckte Kosten billig gemacht. Der US-Soziologe Michael Carolan richtet einen unbequemen Blick auf diverse Sektoren wie den Autoverkehr oder die Lebensmittelwirtschaft, die auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt produzieren. Sein Urteil lautet: „Billig“ ist lediglich eine Illusion und kommt uns alle teuer zu stehen. Denn die externen Effekte, soziale wie ökologische, müssen zumeist mit Mitteln der öffentlichen Hand finanziert werden. Ein gewichtiges Plädoyer für mehr Preiswahrheit und eine nachhaltige Finanz- und Wirtschaftspolitik. FORUM ÖKOLOGISCH-SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT (FÖS) Das FÖS ist ein überparteilicher und unabhängiger politischer Think-Tank. Wir verstehen uns als Expertennetzwerk und sind gegenüber Entscheidungsträgern und Multiplikatoren sowohl Anstoßgeber als auch Konsensstifter in der Debatte um eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft – den thematischen Schwerpunkt bilden marktwirtschaftliche Instrumente in der Umweltpolitik. Durch Studien, Konzeptentwicklung, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit trägt das FÖS dazu bei, die soziale Marktwirtschaft zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft weiterzuentwickeln. www.foes.de Die Herausgeber (BUND, Deutsche Umweltstiftung, EuroNatur, FÖS, NaturFreunde und Die Transformateure) und andere Akteure der Transformation stellen sich an dieser Stelle im Wechsel vor. n zu Debatte ser e m n die den The r unte : Ausgabe rriefe-zu www.B n.de rmatio Transfo VERANSTALTUNGEN 9. bis 11. Oktober 2015 Tagung „Wege in die Postwachstumsökonomie. Perspektiven einer Wirtschaft ohne Wachstum“ Universität Oldenburg www.voeoe.de/tagungen 23. und 24. Oktober 2015 Konferenz „Grüne städtische Gemeingüter? Zwischen Aufwertung, Privatisierung, sozial-ökologischer Transformation und Recht auf Stadt“ Universität Wien www.greenurbancommons.wordpress.com 24. Oktober 2015 Tagung „,Nachhaltige‘ Stadtentwicklung – hohle Phrase oder konkretes Handlungsprogramm?“ Evangelisches Forum Annahof, Augsburg www.petrakellystiftung.de/programm 13. und 14. November 2015 Tutzinger Transformations-Tagung „Wege zur Transformation“ Evangelische Akademie Tutzing www.ev-akademie-tutzing.de movum.info EDITORIAL 3 Wer die Umwelt zerstört, wird belohnt Von Damian Ludewig, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) Finanzdebatten haben gerade wieder Konjunktur: Von der Griechenland-Krise über die Diskussion um die Atomrückstellungen bis zum niedrigen Ölpreis – finanzielle Fragen sind von enormer Wichtigkeit für unser Leben. Auch die Klimaverhandlungen in Paris werden wieder zeigen: Ans Eingemachte geht es, wenn es ums Geld geht. Die Frage nach den Finanzen ist nicht weniger wichtig als die Frage danach, was wir zu welchen Konditionen wie produzieren und wer davon wie viel bekommt. Grund genug, den Finanzfragen eine eigene movum-Ausgabe zu widmen. Denn es wird weder eine ökologische noch eine soziale und schon gar keine sozial-ökologische Transformation geben, wenn sie nicht durch grundlegende finanzpolitische Reformen begleitet und vorangetrieben wird. Heute wird immer noch derjenige finanziell belohnt, der sich unökologisch verhält: Ökologische Lebensmittel sind teurer als Lebensmittel aus Massentierhaltung und industrieller Landwirtschaft. Eine Urlaubsreise mit der Bahn ist meist um ein Vielfaches teurer als eine Flugreise. Die Preise sagen nicht die ökologische Wahrheit. Dadurch bleibt die ökologische Transformation bisher überwiegend auf Nischen besonderer Zahlungsbereitschaft oder besonderen Engagements begrenzt. Auch für die soziale Seite der Transformation brauchen wir eine andere Finanzpolitik. Die massive Ungleichverteilung der Vermögen und Einkommen in Deutschland ruft nach finanzpolitischen Antworten. Die derzeit diskutierte Reform der Erbschaftssteuer liefert sie definitiv nicht. Der Kampf um eine angemessene Entlohnung der menschlichen Arbeitskraft dauert seit mindestens 200 Jahren an – der Mindestlohn war in diesem Zusammenhang eine späte Errungenschaft in Deutschland. Der Kampf um angemessene Preise für Naturgüter steht noch ganz am Anfang. Solange weniger als fünf Prozent der Staatseinnahmen durch Steuern und Abgaben auf Naturverbrauch erzielt werden, kann es mit einer angemessenen Bepreisung von Ressourcenausbeutung und Umweltverschmutzung nicht weit her sein. Gleiches gilt für umweltschädliche Subventionen, die in Deutschland mit jährlich über 50 Milliarden Euro nach wie vor höher sind als die Ausgaben für Umweltschutz. Wie soll da eine ökologische Transformation gelingen? Beim Vorzeigeprojekt Energiewende ging es in dem Moment in großen Schritten voran, als finanzielle Anreize gesetzt wurden: mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde eine Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Quellen eingeführt. Die zweite Säule der Energiewende steht noch aus: die Reduktion von Treibhausgasen durch die Drosselung der Kohleverstromung und die massive Steigerung der Energieeffizienz. Dazu wären wiederum Preissignale – etwa durch eine CO2-Steuer – ein wichtiger Beitrag. Stattdessen sind die Weltmarktpreise für Rohöl auf einem Tiefststand, die Zertifikate-Preise im EU-Emissionshandel im Keller und der Umweltsteuer-Anteil in Deutschland so hoch wie vor der ökologischen Steuerreform. Wenn aber Kohle, Heizöl und Benzin so günstig sind wie jetzt, lohnt es sich kaum in Energieeffizienz zu investieren. Zum Glück gibt es anderswo Fortschritte: Der Aufwind für die Divestment-Bewegung lässt hoffen, dass immer mehr Geldanlagen öffentlicher Institutionen aus dem fossilen Sektor abgezogen werden. Alternative Banken gewinnen Marktanteile und ermöglichen jedem Einzelnen eine persönliche ökologisch-soziale Transformation seiner Geldangelegenheiten. Regionalwährungen öffnen Spielräume jenseits der zinsbasierten ZentralbankWährung und könnten Vorboten einer Geldwende werden. All diese Beispiele machen deutlich: Die Bevölkerung ist schon weiter als die Politik. Hoffen wir also, dass sich auch die Politik bald bewegt, um die vielen Herausforderungen anzugehen – Gelegenheitsfenster gibt es dafür gerade reichlich! THEORIE 4 Ausgabe 8 THEORIE movum.info 5 DIE PIONIERE WERDEN DIE GEWINNER SEIN „ICH HALTE NICHTS DAVON, DIE FLINTE INS KORN ZU WERFEN“ Te x t : E R N S T U L R I C H VO N W E I Z S ÄC K E R I n t e r v i e w: M I C H A E L M Ü L L E R / DA M I A N LU D E W I G WIE ES GELINGEN KANN, DASS DIE PREISE DIE ÖKOLOGISCHE WAHRHEIT SAGEN Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: Mit dem neuen Weltklimavertrag und der Reform des EU-Emissionshandels ist Deutschland auf einem guten Weg für wirksamen Klimaschutz. Bei den Umweltsteuern und der Subventionspolitik bleibt bis zu einer wirklichen sozial-ökologischen Transformation hingegen noch einiges zu tun. D as Thema Finanzen ist heiß. Der Kopf schwirrt einem, wen man davon hört, dass sekündlich Milliarden Euro um den Globus sausen und dass davon nur etwa ein Prozent der Bezahlung von Gütern oder Dienstleistungen dient. Der größte Teil ist spekulativ: Finanzwirtschaft pur. Oder auch Kapitalismus pur. Die Steuerung der Finanzströme gehorcht dem Prinzip höchster Kapitalrendite. Sind in einem Land oder einem Sektor die Margen niedriger als bei der Konkurrenz, dann wandert das Kapital zur Konkurrenz. So werden ganze Länder und Industrien erpresst, die Kosten zu drücken. Praktisch immer zu Lasten sozialer Gerechtigkeit und langfristiger Umweltschonung. Gerechtfertigt wird dieser Kapitalismus damit, dass das System die Innovation hochpeitscht. müssen Geldmittel in die Hand genommen werden, die sich bei den heutigen Kohle-, Öl- und Gaspreisen erst im Laufe von etwa drei Jahrzehnten amortisieren, – und das ist für heutige Investoren einfach viel zu lange. Nun nehmen wir einmal an, unser Staat oder die EU würden sicherstellen, dass die Preise für fossile Brennstoffe jedes Jahr um sagen wir zweieinhalb Prozent ansteigen würden. Dann würde sich die Amortisationszeit gleich auf etwa die Hälfte vermindern und Investoren hätten die angenehme Gewissheit, dass die Kapitalrendite von Jahr zu Jahr steigt. Analoges würde für die Rentierlichkeit von Tröpfchenbewässerung in der Landwirtschaft gelten, wenn man weiß, dass das Wasser langsam immer teurer wird. Um einigermaßen sicherzustellen, dass ein solcher die Innovation in Richtung Nachhaltigkeit schiebender politischer Schritt keine unerwünschten sozialen und wirtschaftlichen Nebenwirkungen hat, wird in dem genannten Buch Faktor Fünf ein Modell entwickelt, das im Kern aus drei Komponenten besteht: KAPITALISMUS OHNE ÖKOLOGIE Nach dem Finanzcrash von 2008 gab es für kurze Zeit eine Diskussion darüber, ob dieses Hochpeitschen nicht manchmal zum Absturz führen könne, und der lange Zeit verstummte Ruf nach Regulierung wurde wieder hörbar. Unter dem Schlachtruf Occupy Wallstreet entstand sogar so etwas wie ein Bürgeraufstand gegen den Kapitalismus. Die Staaten der Welt machten erstmal die meisten Geldinstitute, die so viele Werte zerstört hatten, mit Steuergeldern wieder flott und vereinbarten ein paar neue Regulierungen. Und dann konnte das globale Schwirren der Milliarden wieder seinen Lauf nehmen. Was im Kapitalismus und in der Kapitalismuskritik meistens zu kurz kommt, ist die ökologische Dimension. Im puren Kapitalismus taucht sie erst auf, wenn Plünderung oder Zerstörung zu Knappheit von Ressourcen führen. Der Raubbau an Wäldern, Böden, Fischgründen und Erzadern, die globale Erwärmung und die Ausrottung von rund hundert Tier- und Pflanzenarten täglich, das sind Zerstörungen, die uns die künftigen Generationen nicht verzeihen werden. Natürlich wird der Raubbau gerne als Folge steigender Konsumbedürfnisse und steigender Bevölkerungszahlen dargestellt. Dann liegt der Schwarze Peter erstmal wieder bei den vielen Menschen und nicht mehr bei den wenigen Superreichen. Aber wollen wir uns mit dieser Redeweise abspeisen lassen? FINANZSEITE POSITIV EINBEZIEHEN Nein, das Verschieben des Schwarzen Peters führt nicht weiter. Wir müssen mit Lösungen vorankommen, die auch für neun Milliarden Menschen eine zumutbare Lebensführung ermöglichen und die Finanzseite positiv statt destruktiv einbeziehen. Gewiss muss auch das Thema Bevölkerungsentwicklung wieder auf die politische Tagesordnung gehoben werden. Es ist ja nicht zu übersehen, dass die gegenwärtigen Flüchtlingsströme praktisch ausschließlich aus Ländern kommen, in denen eine Bevölkerungszunahme stattfindet, wie sie in den OECD-Ländern längst überwunden ist. Die Bevölkerungsdynamik ist einer der Auslöser für die territorialen, ethnischen und religiösen Kriege und Bürgerkriege unserer Tage. Im Zentrum meiner Überlegungen steht hier aber das, was man heute tun kann, um die Dynamik des Raubbaus zu bremsen und schließlich zu stoppen. Das ist eine große, eine säkulare Aufgabe für uns demokratische Gesellschaften und für die Völkerfamilie. Ich halte die Aufgaben für lösbar. Und wieder werden die Finanzen ins Spiel kommen, diesmal aber positiv. Die demokratischen Gesellschaften der wohlhabenden Länder haben es seit den 1970er Jahren geschafft, das vormals Foto: N ic k Rei me r • D e sig n: Ad a sic r ie n T bedrückende Problem der lokalen Verschmutzung von Gewässern, Luft und Böden zu bremsen, teilweise sogar zu lösen. Das Volk ließ sich die krank machenden Verschmutzungen nicht mehr gefallen, und in demokratischen Wahlen wurden Regierungen gebildet, die auf die Umweltkrise mit drastischen Gesetzen antworteten. Bei Schadstoffen war in der Regel das Ordnungsrecht die richtige Antwort: Gesundheitsschädigende Emissionen musste man einfach mit Grenzwerten verbieten. Und mit Luftfiltern und Klärwerken konnte man die Emissionen „am Ende der Röhre“ relativ rasch kontrollieren. Heute jedoch geht es beim Klima, den Wäldern, den Meeren und den Mineralien um das Umlenken der ganzen Wirtschaft. Es geht um die starke Steigerung der Effizienz der Nutzung von Energie, Wasser und Mineralien und zusätzlich um die Dekarbonisierung und den Naturschutz. Mit Ordnungsrecht kann man viel verbieten und wenig steuern. Aber was hat man dann für Eingriffsinstrumente in der Hand? In einer Wirtschaft, die auf die Steuerungskräfte des Geldes setzt, muss man in erster Linie dafür sorgen, dass „die Preise die ökologische Wahrheit sagen“. Zwar wird man nie präzise wissen, was diese Wahrheit ist, aber eine aktive Verteuerung des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen, von Wasser und von knappen Mineralien bringt uns auf jeden Fall der ökologischen Wahrheit näher. Die eigentliche politische Frage ist, wie man das bewerkstelligen kann, ohne dabei soziale oder ökonomische Schäden anzurichten. Die ökologische Steuerreform, von der rot-grünen Bundesregierung 1999 eingeführt, hat eindeutig mehr Nutzen gestiftet als Schaden angerichtet. Sie hat rund eine Viertelmillion Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen, hauptsächlich durch die Absenkung der Lohnnebenkosten. Und die sozialen Auswirkungen durch teureres Benzin, Gas und Strom blieben sehr überschaubar. MODELL FÜR DIE EFFIZIENZREVOLUTION Für die politische Akzeptanz eines Preisinstruments ist es entscheidend, dass sich das Bewusstsein verbreitet, dass eine riesige Erhöhung der Ressourcenproduktivität technisch möglich ist. Dies haben wir in dem gemeinsam mit einem australischen Team verfassten Buch Faktor Fünf nachgewiesen. Die Verfünffachung der Ressourcenproduktivität scheitert nicht an der technischen Machbarkeit, sondern an der mageren Rentabilität. Um etwa einen Altbau auf Passivhausstandard mit Solardach umzurüsten, 1. Die Anhebung der Preise soll im Gleichklang mit den gemessenen durchschnittlichen Effizienzsteigerungen des Vorjahres geschehen. Wenn die deutsche Autoflotte 2015 um 1,4 Prozent spriteffizienter wird, steigt der Spritpreis 2016 um 1,4 Prozent an. 2. Um soziale Verwerfungen zu vermeiden, soll ein Sozialrabatt oder eine entsprechende Anhebung der Transferzahlungen erwogen werden. 3. Um eine Abwanderung von Industrien zu vermeiden, ist erstens die Preissteigerung mit dem Effizienzfortschritt nützlich (und dies kann für besonders gefährdete Branchen gesondert behandelt werden), und zweitens könnte der Fiskus die aus gefährdeten Branchen erhobenen Steuern an die Branche zurücküberweisen, zum Beispiel proportional zu den Vollarbeitsplätzen der jeweiligen Firmen. VORREITER WERDEN BELOHNT Natürlich wird trotzdem gemosert werden. Das ist allzu menschlich. Aber eine starke Hand des Staates und ein dialogisches Einbeziehen der Betroffenen können den Konsens sehr verbreitern. Vor allem die Perspektive, dass sich das Hochtechnologieland Deutschland durch ein solches System an die Spitze der Wettbewerbsfähigkeit katapultiert, kann den Konsens zementieren. Dass sich der Fortschritt aller Länder im Laufe der kommenden Jahrzehnte in der Hauptsache an der Ressourcenproduktivität bemisst, ist politisch alles andere als selbstverständlich. Aber von Ostasien und Europa ausgehend nimmt die Einsicht zu, dass es auf Dauer gar keine Alternative gibt. Und der Vorteil ist, dass es für einen Welterfolg gar nicht nötig ist, dass alle Länder von vornherein mitmachen. Wenn deutsche, französische, japanische und chinesische Produkte und Dienstleistungen systematisch weniger Energie, Wasser und Mineralien verbrauchen als die konkurrierenden Angebote aus den USA oder Australien, dann haben wir die first mover advantages, die Pioniervorteile, auf unserer Seite. Ernst Ulrich von Weizsäcker ist Naturwissenschaftler und war u.a. Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Mitglied des Deutschen Bundestages und ist seit 2012 Ko-Präsident des Club of Rome. Frau Hendricks, wir stehen kurz vor einem historischen Moment in der weltweiten Umweltpolitik: Auf der UN-Klimakonferenz in Paris könnte das erste wirklich globale Klimaabkommen abgeschlossen werden. Damit einher geht das Versprechen über Hilfen von 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Was tut Deutschland, damit vom Klimawandel betroffenen Ländern geholfen wird? Barbara Hendricks: Wir wollen in Paris einen neuen, ambitionierten Klimavertrag beschließen, dem alle Länder zustimmen und der 2020 in Kraft tritt. Der Vertrag muss drei Eigenschaften haben: dynamisch, modern und fair. Dynamisch, weil er einen eingebauten Mechanismus haben soll, um die Ambitionen der einzelnen Länder weiterzuentwickeln. Modern, weil er die Spaltung in Industrie- und Entwicklungsländer überwindet. Und fair, weil er die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Kapazitäten der Länder angemessen berücksichtigt und weil er Ländern, die Bedarf haben, Unterstützung bei der Anpassung an den Klimawandel und der Minderung der Treibhausgase zusichert. Die angesprochenen 100 Milliarden US-Dollar sind bereits seit dem Klimagipfel in Kopenhagen auf dem Tisch. Von deutscher Seite haben wir einen Beschluss zur Verdopplung der Klimafinanzierung bis 2020. Dies hat auch andere Staaten ermutigt. Wir gehen davon aus, dass noch weitere Staaten vor Paris ihre Finanzzusagen aufstocken werden. Im Gespräch sind bei den Klimaverhandlungen auch Finanzierungsinstrumente zur Bepreisung wertvoller Naturgüter wie Wald – ist eine Monetarisierung von Natur die Lösung? Wälder leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz; sie speichern Kohlenstoff und stabilisieren das Klimasystem. Doch um Wälder in Entwicklungsländern besser zu schützen, muss dies in Einklang mit den Bedürfnissen der dort lebenden Menschen gebracht werden. Unter der Klimarahmenkonvention sind Regelungen zur Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und Walddegradierung erarbeitet worden. Diese Regeln ermöglichen auch ergebnisorientierte Zahlungen für vermiedene Entwaldung. Entwicklungsländer können damit ihre Wälder effektiver und nachhaltiger bewirtschaften. Die ökonomischen Aspekte beim Schutz von Natur und Biodiversität sind wichtig. Es geht darum, die verborgenen Werte und Leistungen der Natur aufzuzeigen und zu bewerten. In dem dafür geschaffenen Green Climate Fund sind bisher nur zehn Milliarden Euro – wie will man die Hilfen bis 2020 aufstocken? Das Wörtchen „nur“ finde ich bei dieser Summe eher unpassend. Immerhin ist der Green Climate Fund mit dieser Erstkapitalisierung von über zehn Milliarden Dollar für die ersten vier Jahre schon handlungsfähig. Damit ist der GCF der größte multilaterale Klimafonds! Das ist ein klares Signal des Vertrauens in die neuen Strukturen – sowohl der traditionellen Geberstaaten als auch der Entwicklungsländer, denn auch diese haben einen finanziellen Beitrag zum Green Climate Fund geleistet. Für November steht die erste Projektauswahl an. Sie haben bei der CO2-Bepreisung bisher vor allem auf den Emissionshandel gesetzt. Allerdings sind die Preise nach wie vor im Keller, weil zu viele Zertifikate auf dem Markt sind. Ist es da nicht doch an der Zeit, über alternative Instrumente nachzudenken? Alternativen zum Emissionshandel haben den Nachteil, dass sie zu volkswirtschaftlich höheren Kosten führen. Der Emissionshandel ist das zentrale Klimaschutzinstrument der EU, und das nicht ohne Grund. Natürlich ist jedes Instrument immer nur so gut, wie man es ausgestaltet. Ich halte nichts davon, die Flinte ins Korn zu werfen, wenn sich Probleme und Widerstände zeigen. Beim Emissionshandel haben wir schon viel gelernt und verbessert. Auf EU-Ebene haben wir die Marktstabilitätsreserve eingeführt, die die bestehenden Überschüsse im Markt Schritt für Schritt abbauen wird. Für die anspruchsvolle Ausgestaltung dieser Reform war die ambitionierte Position Deutschlands in den Verhandlungen ein wichtiger Faktor. Jetzt verhandeln wir schon die europäischen Regeln für die Zeit nach 2020. Dafür haben wir uns wieder viel vorgenommen. Erfolgsgeschichte. Sie zeigt die Lenkungswirkung marktbasierter Instrumente. Umweltkosten stärker einzupreisen, um damit den Faktor Arbeit zu entlasten, ist und bleibt richtig. Wahr ist aber auch, dass der Anteil der Umweltsteuern am Gesamtsteueraufkommen seit Jahren sinkt. Steuern sind und bleiben in Umweltfragen ein wichtiges Instrument, für dessen Nutzung es aber politische Mehrheiten geben muss. Wie hoch sind die umweltschädlichen Subventionen in Deutschland? Bei dem, was die Bundesregierung im Subventionsbericht vorlegt, und dem, was das Umweltbundesamt errechnet hat, klaffen die Zahlen weit auseinander. Warum schafft es die Regierung nicht, kohärente Zahlen vorzulegen? Weder in der finanzwissenschaftlichen Literatur noch in der Praxis ist der Begriff „Subvention“ einheitlich definiert. Im Mittelpunkt des Subventionsberichts der Bundesregierung, den wir im August im Kabinett beschlossen haben, stehen gemäß gesetzlicher Grundlage Finanzhilfen und Steuervergünstigungen. Das Umweltbundesamt fasst den Begriff der Steuervergünstigung in seiner Studie zu umweltschädlichen Subventionen breiter und rückt – aufgrund seines spezifischen Auftrags – die Umweltschädlichkeit von Subventionen in den Mittelpunkt. Die Berichte haben also unterschiedliche Ziele. Immerhin prüft die Bundesregierung mit dem neuen Subventionsbericht erstmals die Nachhaltigkeit. So werden auch die Umweltbelange mehr und mehr in die Subventionspolitik des Bundes integriert. Das lässt sich auch an den neu gewährten Subventionen ablesen: Vier der sieben neuen Maßnahmen zielen vor allem auf ökologische Wirkungen ab, nämlich Klimaschutz, Ressourcenschonung und erneuerbare Energien. Viele Staaten, auch große Unternehmen fordern mittlerweile einen weltweiten Preis für den KohlendioxidAusstoß durch eine CO2-Steuer. Wäre mit Blick auf die Klimakonferenz in Paris der Vorschlag für eine europäische CO2-Steuer nicht ein gutes Signal? Selbstverständlich unterstützen wir die Ansätze für eine CO2-Bepreisung in vielen Ländern der Erde. Aber mit der Forderung nach einem weltweiten CO2-Preis durch eine CO2-Steuer machen Sie in meinen Augen den zweiten Schritt vor dem ersten. Denn zunächst einmal benötigen wir eine internationale Vereinbarung über das zukünftige Klimaregime. Wenn Sie hierzu von allen Staaten die Einführung einer globalen CO2-Steuer fordern, werden Sie voraussichtlich wenig Erfolg haben. Foto: M a r u fish | fl ick r.com • D e sig n: Ad ri e n Ta sic Sie waren 1999 im Bundesfinanzministerium verantwortlich für das Gesetz zur ökologischen Steuerreform. Wie bewerten Sie heute das Gesetz und die gemachten Erfahrungen? Ist die damalige Formel „Ökosteuer ist ein Gewinnerthema“ noch richtig? Entlasten Ökosteuern wirklich die Umwelt und schaffen Arbeit? Das Gesetz zur ökologischen Steuerreform ist eine Barbara Hendricks ist SPD-Politikerin und Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. THEORIE 6 Ausgabe 8 movum.info THEORIE 7 VON DER ENERGIEWENDE ZUR GELDWENDE DIE ZUKUNFT ZUM NULLTARIF Te x t : R E I N H A R D L O S K E Te x t : M E C H T H I L D S C H RO O T E N PLÄDOYER FÜR EINE GANZHEITLICHE ALTERNATIVE GELDBEWEGUNG KEINE GELDVERMEHRUNG AUS DEM NICHTS Wi k i m e d ia Com mon s • D e sig n: Ad r ie n Ta s ic Fünftens: Geldhäuser sollen eher dezentrale und kundennahe und nicht anonyme, intransparente und durch ihre schiere Größe mächtige Institutionen sein. Obergrenzen für die Größe von Banken werden für notwendig gehalten. Vor allem die Trennung von Privatkundengeschäft und Investmentbanking wird von vielen als zwingend notwendig betrachtet. Sechstens: Die Schöpfung des Geldes, die heute ganz überwiegend über die (Kreditvergabe der) Geschäftsbanken stattfindet, soll neu gestaltet werden, um sie (wieder) besser steuern zu können. Die in diesem Zusammenhang diskutierten Ansätze, etwa die Vollgeldreform oder das 100-Prozent-MindestreserveKonzept („100 % money“), sind derzeit ganz oben auf der Agenda der kritischen Gelddebatte, freilich ohne dass es schon zu einem Konsens über die angemessene Form der Rückkopplung der „Geldproduktion“ an öffentliche Interessen gekommen wäre. Die Geldschöpfungsfrage r nu c | So entstanden nach und nach Konzepte für die Energiewende (1980), die Agrarwende (1987), die Chemiewende (1992), die Verkehrswende (1994), die Waldwende (1994), die Wasserwende (1995) und schließlich die Ressourcenwende (1997). Ganz allmählich entstand so auch ein Bild von einem „zukunftsfähigen Deutschland“ (1995), einem „Sustainable Europe“ (1996), gar einer „solaren Weltwirtschaft“ (1999). Man lernte wegen des globalen Charakters von Umweltproblemen wie dem Klimawandel oder dem Biodiversitätsschwund zunehmend international zu denken und zu argumentieren. Und vor allem lernte man, die Ökologiefrage mit anderen gesellschaftlichen Fragen systematisch zu verknüpfen, etwa mit denjenigen nach globaler Gerechtigkeit oder nachhaltigem Wirtschaften. Als jedoch Ende 2007 die Finanz- und Staatsschuldenkrise aufflammte und den Banken alsbald eine Kernschmelze drohte, war die Ökologiebewegung trotz ihrer vielfach bewiesenen „Verknüpfungskompetenz“ eigentümlich sprachlos. Man war angesichts der plötzlichen und totalen Dominanz von Finanzfragen auf der politischen Agenda nachgerade entsetzt: Hatte nicht erst 2006 der Report des ehemaligen Chefökonomen der Weltbank, Sir Nicholas Stern, unter großer politischer Zustimmung gezeigt, dass Klimaschutz eine profitable Sache sein kann? Hatten nicht erst 2007 Al Gore und das UN-Klimawissenschaftlergremium IPCC den Friedensnobelpreis erhalten? Und hatte sich in Deutschland nicht eben erst die Bildzeitung zur obersten Klimaschutzinstanz aufgeschwungen und uns täglich in großen Lettern zum Handeln aufgefordert? Alles schien plötzlich wie verflogen und so blieb nur noch die Sprache der Defensive: „Wenn das Klima eine Bank wäre, wäre es längst gerettet!“ Hu l le KONZEPTE FÜR ALLES – AUSSER FÜRS FINANZSYSTEM Erst ganz allmählich beginnen nun Teile der Ökologiebewegung, ihre „Verknüpfungskompetenz“ auch auf Finanz- und Geldfragen auszurichten und können dabei auf durchaus reichhaltige Vorarbeiten zurückgreifen, die bis in die Zeit der Ökobank-Gründung (1984) zurückreichen. Will man in der sprachlichen Wende-Analogie bleiben, so stellt sich natürlich die Frage, was eine nachhaltigkeitsorientierte „Geldwende“ heute auszeichnen könnte. Welche Ideen, Orientierungen und Konzepte könnten die Protagonisten einer solchen Wende zusammenhalten? Ich sehe bei denjenigen, die sich für einen sozial-ökologisch verantwortlichen Umgang mit Geld oder (weitergehend) für eine neue Geldordnung einsetzen, bei Unterschieden im Detail folgende Gemeinsamkeiten: Erstens: Geld wird als soziales und ökologisches Gestaltungsmittel gesehen, mit dem man in der realen Welt das „Richtige“ ermöglichen, also transformative Kraft entwickeln kann. Geld soll Mittel zum Zweck sein, nicht Selbstzweck. Sein „Selbstlauf“ ist deshalb zu begrenzen oder besser noch zu beenden. So soll etwa die „Volatilität“ von Geldgeschäften, die einzig der spekulativen Renditeerzielung dienen, durch Instrumente wie die Finanztransaktionssteuer begrenzt werden. Zweitens: Geld soll Gestaltungsmittel in den Händen vieler, nicht Machtmittel in den Händen weniger sein, es soll Zugänge zur Teilhabe schaffen, nicht Ausschlüsse produzieren. Die demokratiefeindliche Konzentration des Geldes beziehungsweise der Geldvermögen soll durch Steuergerechtigkeit abgebaut werden. Drittens: Im Umgang mit Geld soll größtmögliche Transparenz herrschen. Ziel ist es, dass die Bank auf die Kundenfrage „Was machst du eigentlich mit meinem Geld?“ zukünftig Rechenschaft ablegen kann und muss. Umgekehrt ausgedrückt: Die Kunden sollen ihrer Bank sagen können (oder dies im Gespräch mit der Bank entwickeln können), wofür sie ihr eingelegtes Geld verwendet sehen möchten, mindestens von der Grundausrichtung her. Die Anleger sollen erkennen können, welche gesellschaftliche Wirksamkeit ihr Geld entfaltet. Viertens: Geld soll vom Meister zum Diener der Gesellschaft und der Realwirtschaft werden, einer nachhaltig operierenden Gesellschaft und einer nachhaltig operierenden Wirtschaft. Entsprechend sollen bei der Kreditvergabe neben den traditionellen Bonitätskriterien auch Kriterien angelegt werden wie „gesellschaftlicher Nutzen“ oder „Nutzen für den Naturhaushalt“. Dies könnte beispielsweise Energie- und Bodengenossenschaften zum Vorteil gereichen, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben. Fot o: D ie moderne Ökologiebewegung ist in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts aus Kämpfen gegen Fehlentwicklungen hervorgegangen: gegen Atomkraft und Luftverschmutzung, Landschaftszerstörung, -zerschneidung und -zersiedlung, Gifte in Böden, Nahrung und Gewässern, Artenschwund, Müllberge und Agroindustrie, gegen Konsumismus, Gigantismus und Wachstumsfetischismus. Schritt für Schritt und manchmal von ihr selbst unbemerkt hat sich die Ökologiebewegung in den achtziger und neunziger Jahren dann vom bloßen „Nein danke!“ entfernt und sich der Arbeit an Alternativen zum „Weiter so“ zugewandt. ist aus sozial-ökologischer Perspektive deshalb so bedeutend, weil die Schrankenlosigkeit der privaten „Geldvermehrung aus dem Nichts“ nicht nur Inflationsgefahren und „Fehlinvestitionen“ heraufbeschwört, sondern – über den Zins- und Zinseszinsmechanismus – auch einen ungemeinen Wachstumsdruck auf die Realwirtschaft ausübt und somit erhebliche Negativfolgen für die natürlichen Lebensgrundlagen nach sich ziehen kann. Siebtens: Komplementärwahrungen wie das Regionalgeld werden von ihren Protagonisten für bedeutsame Instrumente zur Stärkung regionaler Binnenökonomien gehalten, was auch positive sozial-ökologische Effekte zur Folge habe: Schließung regionaler Produktions- und Verantwortungskreisläufe, verringerte Transportbedarfe, De-Globalisierung, verbesserte Resilienz. Andere sehen solche Regionalexperimente als zwar interessanten, aber in der Summe wenig wirksamen Ansatz für eine neue Geldordnung, halten ihn mindestens einstweilen gewissermaßen für eine „Nische in der Nische“. ALTERNATIVE „GELDBEWEGUNG“ SINNVOLL? Achtens: Spekulativer Umgang mit Land und Nahrungsmitteln wird für unmoralisch gehalten und soll durch angemessene Regulierung begrenzt werden. Das bloße Wetten auf zukünftige Nahrungsmittelpreise etwa soll untersagt oder stark eingeschränkt werden; Immobilienpreiszuwächse sollen gedeckelt und als „leistungsloses Einkommen“ steuerlich ganz oder teilweise abgeschöpft werden. Im Raum steht auch der Vorschlag , das Eigentum an Boden in der Verfassung eines Landes zukünftig nicht nur einer „Sozialpflichtigkeit“, sondern auch einer „Umweltpflichtigkeit“ zu unterwerfen, was dem spekulativen Umgang mit Land eine deutliche Grenze setzen würde. Neuntens: Zur Wiederherstellung staatlicher Handlungsfähigkeit und zur Forderung von gesellschaftlichem Zusammenhalt werden auch Schuldenstreichungen als prinzipiell vernünftig betrachtet. Das Konzept, Schuldenstreichungen an die Einhaltung ökologischer Ziele zu binden („debt-for-nature swaps“), wie es von US-amerikanischen und europäischen Umweltorganisationen während der lateinamerikanischen Schuldenkrise der 1980er Jahre entwickelt wurde, ist bis heute freilich in den Kinderschuhen steckengeblieben. Fazit: In der kritischen und nachhaltigkeitsorientierten Geldund Finanzcommunity existiert zweifellos ein großer Fundus an gemeinsamen Wertvorstellungen bezüglich einer Ordnung, in der Geld eine dienende, nicht herrschende Rolle einnehmen soll. Ob dieser Vorrat freilich groß genug ist, um aus Protagonisten von Geldschöpfungsreform und Komplementärwährungen, Ethikinvestment und Bürgergeld, Energie- und Bodengenossenschaften, wirksamer Bankenregulierung und Schuldenstreichung für Schwache ein „Ganzes“ entstehen zu lassen, das sich als „alternative Geldbewegung“ bezeichnen ließe – oder ob es nicht doch eher so ist, dass die entsprechenden Initiativen und Menschen Teil einer größeren Bewegung in Richtung Nachhaltigkeit, Teilhabe und Gerechtigkeit sind, die „Geldfrage“ also immer nur als eingebetteter Teilaspekt umfassenderer Überlegungen und Ziele wichtig wird –, da scheint ein abschließendes Urteil noch nicht möglich zu sein. Reinhard Loske ist seit 2013 Professor für Nachhaltigkeit und Transformationsdynamik an der Universität Witten/Herdecke. Zuvor war er Grünen-Bundestagsabgeordneter und Umweltsenator in Bremen. WIE NIEDRIGZINS UND UMWELTZERSTÖRUNG ZUSAMMENHÄNGEN W as wurde nicht schon alles über den Zusammenhang zwischen Zins, Wirtschaftswachstum und Umwelt gesagt. Einige sehen im Zins die Wurzel des Bösen – steht der Zins doch für ungezügeltes und oft sinnloses Wirtschaftswachstum. Zugleich wird Wirtschaftswachstum oft als Hauptursache für Umweltzerstörung ausgemacht. In einer solchen Argumentationskette wird die Gier nach hohen Renditen als Grundübel festgestellt. Die Kosten, die der meist kurzfristigen Gier nach Rendite gegenüberstehen, fallen erst langfristig an und destabilisieren Umwelt und Gesellschaft. Gefordert wird daher oft ein Zins von Null. Die Gedanken Renditestreben und Umweltzerstörung wurden durch die Nullzinspolitik nicht gestoppt. des „Freiwirtschaftlers“ Silvio Gesell und anderen Verfechtern der Nullzins-Idee finden derzeit viele Anhänger. Vielfach wird in dem Zins von Null eine Maßnahme gesehen, mit der die Renditegier mit all ihren negativen Auswüchsen gestoppt werden kann. Tatsächlich liegt heute in zahlreichen Industrienationen der Nominalzins auf historisch niedrigstem Niveau – vielfach bei nahezu Null. Renditestreben und Umweltzerstörung wurden durch diese Nullzinspolitik aber nicht gestoppt. Auch kommt es bislang nicht zu einer nennenswerten Umverteilung von „oben“ nach „unten“, die erwarteten durchschlagenden Verteilungseffekte bleiben aus. Das liegt auch daran, dass sich die Renditegier nicht einfach abschaffen lässt, sie hat die Neigung sich auf andere Felder zu verlagern. Inzwischen brummt zum Beispiel in Deutschland der Immobilienmarkt, hier befeuern die Anleger durch eine wachsende Nachfrage die Preise und steigern damit den Wert ihrer Vermögen. Sie können so leicht einen höheren Ertrag als den sicheren Anlagezins von etwa null Prozent erzielen. LEBENSZEIT UND UMWELT BLEIBEN RANDNOTIZ Instabilität und rasche Veränderungen sind in den letzten zehn Jahren zur ökonomischen und gesellschaftlichen Normalität geworden. Wir sind im Finanzmarktkapitalismus angelangt, und da hat sich einiges verschoben. Interessanterweise tritt dieser „verdauerten“ Krise niemand mit einem Konzept entgegen, das auf die Krisenursachen blickt. Eine der Krisenursachen ist der Umgang mit der Zeit, besonders der Lebenszeit, eine andere ist der verschwenderische Umgang mit der Umwelt. Beides sind Fragen, die bis heute in den Krisenbewältigungsstrategien kaum eine Rolle spielen. Stattdessen erleben einfache Standard-Ansätze der Ökonomie eine Renaissance. In lehrbuchmäßige modellökonomische Darstellungen fließt die Umweltnutzung und -zerstörung bestenfalls teilweise ein. Das gleiche gilt für die Lebenszeit. Gemeinsam ist den Mainstream-Gedankengebäuden, dass im Zins ein Mittel gesehen wird, das der Zukunft – oder besser gesagt dem zeitlichen Verschieben von Aktivitäten – einen Preis gibt. Dabei ist Zins ist nicht gleich Zins. Der Leitzins ist nicht gleich dem Zins, der auf dem Markt für einen Kredit zu zahlen ist. Auch unterscheiden sich Nominalzins und Realzins, aber letztendlich geht es bei den Zinsen immer um zukünftige Zahlungen. Entsprechend der Modellannahmen kurbelt ein niedriger Zins die Konjunktur an. Mit Zinssenkungen und einem dauerhaft niedrigen Zinsniveau sollen Anreize geschaffen werden, den für morgen und übermorgen geplanten Konsum, aber auch die geplante Investition ins Heute zu verlegen. Umweltaspekte werden bei dieser zeitlichen Verschiebung weitgehend ausgeblendet. Die Zukunft ist gewissermaßen zum Preis von Null zu haben. Zugegeben, die Gedankengebäude rund um die Nullzinspolitik sind hier stark vereinfacht dargestellt. Um den Zusammenhang zwischen Zins und Umweltzerstörung zu fassen, ist es offenbar notwendig, einen systematischeren Blick in unsere Wirtschaftsform zu wagen. Der Soziologe Niklas Luhmann hat das Geld zum Kommunikationsmittel in unserer komplexen Gesellschaft erklärt. Damit geht er weit über die Lehrbuchweisheiten der Wirtschaftswissenschaften hinaus, die in ihren Mittelpunkt das renditeorientierte Unternehmen, die nutzenmaximierenden privaten Haushalte und den bei Marktversagen einschreitenden Staat gestellt haben. In einem solchen Setting hat der Unternehmenssektor einen gewaltigen Vorteil – er kann sein Ziel in Geldeinheiten quantifizieren. Dabei gilt in der Regel der gesellschaftliche Konsens: Je größer die Zahl, desto besser. Das gilt auch bei den Renditen, denn je höher die Rendite, desto „besser“ und wettbewerbsfähiger ist das Unternehmen und desto mehr bekommen die sogenannten Shareholder, die Aktionäre. Im finanzmarktorientierten Kapitalismus ist das eine Grundregel – ein Common Sense. DIE UMWELT ALS WARE: WAS KOSTET GUTE LUFT? Die Nutzenmaximierung der privaten Haushalte und die Verhinderung von Marktversagen durch den Staat sind dagegen wesentlich anspruchsvollere Aufgaben als die Renditemaximierung der Unternehmen. Wie lassen sich maximaler Nutzen und Marktversagen erkennen? Hierfür Indikatoren zu entwickeln ist noch nicht gelungen. Denn weder der private Nutzen noch das Marktversagen lassen sich so einfach auf Geldeinheiten abbilden. Auch Umwelt und Umweltzerstörung lassen sich nicht so leicht in adäquate Zahlen fassen. Sie fallen mehr oder minder unter den Begriff Marktversagen. Für wichtige Umweltgüter gibt es bislang keine Preise – was kostet gute Luft? In der Vergangenheit wurden solche Güter oft als öffentliche Güter betrachtet – Privateigentum war nicht vorgesehen. Daher können Märkte, Marktmechanismen und Preise für solche Güter höchstens künstlich geschaffen werden. Ein typischer Fall von Marktversagen – der nach dem Lehrbuch den Staat auf den Plan rufen müsste. Doch auch der sieht sich oft nicht imstande, hier korrigierend einzugreifen. Im renditeorientierten Finanzmarktkapitalismus ordnen sich viele Staaten der Zielfunktion der Unternehmen unter. Wenn also Geld als Kommunikationsmittel fungiert, dann werden in der renditeorientierte Wirtschaft ganze Bereiche aus der Kommunikation ausgeklammert – nämlich all die Bereiche, die sich nicht so ohne Weiteres auf Geld und Zins abbilden lassen. Das bringt uns zurück zu Luhmanns Kommunikations-Sichtweise. Sie ermöglicht es, den Zusammenhang zwischen Geldwirtschaft und Umweltzerstörung besser zu begreifen. Der finanzmarktorientierte Kapitalismus setzt auf Zahlen – Geld, Renditen und andere quantifizierbare Größen. Sie lassen sich leicht kommunizieren. Daten für Umweltindikatoren sind bislang knapp und es gibt nur wenig Hoffnung, dass sich dies in der nahen Zukunft Foto: N ick c Rei me r • D e sig n: Adr ie n Ta si ändern wird. Umweltdaten sind oft sperrig und lassen sich in der Regel deutlich weniger elegant als die bekannten Standardindikatoren darstellen. Hier kommen wir an die Grenzen der geldwirtschaftlichen Kommunikation. Die katastrophale Datenlage erschwert auch den Vergleich von Umweltzuständen über die Zeit; noch schwieriger ist der Vergleich über staatliche Grenzen hinweg. Solange aber hier nur wenig quantifiziert wird, ist es schwierig, Entwicklungen tatsächlich in Zahlen zu fassen. Damit wird auch der Zins weitgehend irrelevant für solche Untersuchungen. Bislang lässt sich weder feststellen, dass die Umweltzerstörung in Zeiten hoher Zinsen abnimmt, noch, dass dies etwa in Niedrigzinsphasen gilt. Das lässt die Datenlage einfach nicht zu. Fehlende Daten müssen im Informationszeital- Die Problemlösung wird in die Zukunft verlagert – und so dürften die Kosten deutlich steigen. ter nicht sein. Doch es gibt offenbar kein nennenswertes Interesse an solchen Indikatoren. Das mangelnde Interesse an der systematischen Erfassung von Umweltzuständen und Umweltzerstörung hilft natürlich nicht die zukünftigen Kosten zu vermeiden. Die Problemlösung wird so in die Zukunft verlagert – die Kosten dürften deutlich steigen. Mechthild Schrooten arbeitete im DIW Berlin, Abteilung "Weltwirtschaft". Sie ist Professorin für Volkswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Geld und Internationale Wirtschaft an der Hochschule Bremen. THEORIE 8 Te x t : K A I S C H L E G E L M I L C H Te x t : A N S E L M G Ö R R E S , B J Ö R N K L U S M A N N SUBVENTIONSSUCHT LENKT VERHALTEN IN DIE FALSCHE RICHTUNG Subventionen sind Teil traditioneller Wirtschaftspolitik, um beispielsweise Energierohstoffe oder öffentliche Einrichtungen wie Theater bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu fördern. Dabei spielen ökonomische, soziale oder kulturelle Gründe eine Rolle. Vor allem im wirtschaftlichen Kontext werden bei der Förderung negative Effekte auf Klima und Umwelt meist ignoriert. Dabei sind solche Subventionen in vielerlei Hinsicht schädlich: Sie verstoßen gegen das Verursacherprinzip, denn Produzenten oder Konsumenten tragen nicht die vollständigen Kosten ihres Handelns, sondern bürden den Fehlbetrag der Gesellschaft auf. Im Fall umweltschädlicher Subventionen zahlt die Gesellschaft nicht nur die Subvention an sich, sie muss auch die damit einhergehenden Umwelt- und Gesundheitsschäden tragen und Beeinträchtigungen in Kauf nehmen, weil womöglich keine umweltfreundlichere Technologie entwickelt wurde. Umweltschädliche Subventionen verschlingen nicht nur Unsummen, sie machen auch süchtig: Durch stets neue Ausnahmen setzt ein Gewöhnungseffekt ein und Subventionen werden gar zum rechtmäßigen Besitzstand erklärt. ha ri na at 9 NEUER ANLAUF FÜR ÖKOLOGISCH WAHRE PREISE D o: K THEORIE movum.info UMWELTSCHÄDLICHE SUBVENTIONEN VEREITELN WIRKSAMEN UMWELTSCHUTZ er konsequente Abbau umweltschädlicher Subventionen stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg einer ökologischen Transformation der Wirtschaftswelt dar. Davon sind wir noch weit entfernt: Laut Umweltbundesamt leistet sich Deutschland Jahr für Jahr umweltschädliche Subventionen von rund 52 Milliarden Euro – diese Unsumme entspricht etwa einem Sechstel des gesamten Bundeshaushalts. Damit wird mal mehr und mal weniger explizit in Kauf genommen, dass Wirtschaftsweise und Verbraucherverhalten in die falsche, Klima und Umwelt schädigende, Richtung gelenkt werden. Statt Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung finanziell zu unterstützen, sollte besser nachhaltiges Wirtschaften gefördert werden. Die Bundesregierung steht in der Pflicht, Subventionen nicht nur auf Nachhaltigkeit zu prüfen, sondern auch mit einem langfristig angelegten Subventionsabbau zu beginnen. Fo t Ausgabe 8 W i n el a dM üll er xe | pi l i o. d D e• e s ig n: A d rie n Ta sic Steuern und Abgaben müssen an anderer Stelle unnötig hoch sein, um diese Subventionen zu finanzieren. Bei der Energiewende beispielsweise müssen Haushalte und nicht-privilegierte Unternehmen die Industrieausnahmen schultern – über eine höhere EEGUmlage. Umweltschädliche Subventionen führen somit dazu, dass politisch eigentlich gewolltes Verhalten von Konsumenten und Unternehmen oft künstlich teurer oder unrentabel wird. Umweltschutz wird spätestens dann konterkariert, wenn die umweltschädlichen Subventionen die Ausgaben für die Umwelt übersteigen. Gaben Staat und Unternehmen im Jahr 2010 gemeinsam rund 35 Milliarden Euro für den Umweltschutz aus, sind die umweltschädlichen Subventionen von rund 42 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 52 Milliarden Euro im Jahr 2010 angewachsen. Damit nicht genug, liegen die Kosten der finanziellen Förderung in den einzelnen Bereichen noch höher: In der Land- und Forstwirtschaft ist die Quantifizierung von Subventionen in vielen Fällen nicht möglich, Subventionen der Bundesländer werden vom Umweltbundesamt bislang nicht erfasst und Exportgarantien für den Bau von Atom- und Kohlekraftwerken im Ausland werden zwar als umweltschädigend aufgeführt, aber nicht beziffert. WIDERSINNIGE SUBVENTIONEN BEHINDERN ÖKOLOGISCHSOZIALE TRANSFORMATION Rund 90 Prozent der umweltschädlichen Subventionen entfallen auf die Bereiche Energiebereitstellung und -nutzung sowie Verkehr. Mit jährlich fast 25 Milliarden Euro macht der Verkehrssektor dabei den Großteil der Subventionen aus: Zahlreiche steuerliche Vorteile des Flugverkehrs summieren sich auf über zehn Milliarden Euro und sorgen weiterhin dafür, dass ein Kurzstreckenflug oft günstiger ist als die klimafreundlichere Reise mit der Bahn. Vom Dienst- und Firmenwagenprivileg profitieren diejenigen am stärksten, die sich besonders häufig neue Autos zulegen, die sich besonders spritfressende Autos kaufen, die besonders viele Kilometer fahren und die das höchste Einkommen haben. Eines der Steuerschlupflöcher: Wer einen Dienstwagen hat, muss monatlich nur pauschal ein Prozent des Neuwerts versteuern, egal wie viel er fährt. Das ist viel zu wenig. Die Folge: Ein Porsche Cayenne, der als Dienstwagen gekauft, aber privat genutzt wird, ist billiger als ein privat gekaufter VW Polo. Die Entfernungspauschale schluckt fünf Milliarden Euro und setzt Anreize zu weiten Arbeitswegen. Somit steigt nicht nur das allgemeine Verkehrsaufkommen, auch Klimawandel und Umweltverschmutzung werden befördert, die Landschaft wird auf Kosten der Biodiversität stärker zersiedelt. Außerdem profitieren nur diejenigen, die auch Steuern zahlen, was die Regelung nicht nur unökologisch, sondern auch sozial ungerecht macht. Die Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff – rund sieben Milliarden Euro – wurde einst eingeführt, um Nutzfahrzeuge im Transportsektor zu unterstützen. Obwohl dieses Ziel längst erreicht ist und heutzutage genauso viele Pkw mit Dieselkraftstoff unterwegs sind, wird die Subventionierung fortgeführt. Der immense Steuervorteil beträgt 18 Cent pro Liter und ist ökologisch nicht zu rechtfertigen, da Diesel klimaschädlicher als Benzin ist. In ähnlich großem Maßstab gefördert wird im Energiebereich: über 21 Milliarden Euro. Dort gibt es zahlreiche milliardenschwere Subventionen bei der Energie- und Stromsteuer oder der EEG-Umlage. Das zeigt sich beispielsweise bei der Ausweitung von Industrieausnahmen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz. Mittlerweile können 90 Prozent aller Industriebranchen Ausnahmen bei der EEG-Umlage beantragen, ganz gleich ob sie im starken internationalen Wettbewerb stehen oder nicht. Damit werden besonders ineffiziente Unternehmen finanziell belohnt, effiziente Unternehmen hingegen bestraft. Ebenso profitieren solche Unternehmen, die am Emissionshandel teilnehmen und Verschmutzungsrechten erwerben müssen. Der Staat verzichtete auf rund sechs Milliarden Euro, da ebenjene Zertifikate zu Beginn kostenlos zugeteilt wurden. POLITISCHER MUT FÜR LANGFRISTIGEN AUSSTIEGSPLAN GEFRAGT Auf der politischen Weltbühne wurden bislang viele Absichtsbekundungen ausgetauscht, wie umweltschädliche Subventionen abgebaut werden sollen: im Kyoto-Protokoll, bei den G20Beschlüssen 2009 in Pittsburgh, der EU-2020 Strategie für die „Leitinitiative ressourcenschonendes Europa“ und im Abschlussdokument der Rio+20-Konferenz. Ebenso wenig mangelt es auf der internationalen Ebene an Fürsprechern für den Subventionsabbau: IWF, Weltbank, OECD oder EU-Kommission, allesamt fordern sie den Abbau umweltschädlicher Subventionen oder legen ihn zumindest nahe. Im neuen Subventionsbericht der Bundesregierung wird zwar erstmalig eine Nachhaltigkeitsprüfung vorgenommen. Dennoch hat die Bundesregierung nicht vor, wenigstens bei den größten umweltschädlichen Subventionen grundlegendende Änderungen vorzunehmen. Eine Nachhaltigkeitsprüfung ist ein wichtiger Fortschritt gegenüber früheren Berichten, doch ohne wirkliche Änderungsabsichten bleibt die Prüfung nur Symbolpolitik. Das Ziel der Bundesregierung sollte nicht sein, lediglich das Subventionsvolumen abzuschätzen und zu überprüfen, sondern konkrete Maßnahmen einzuleiten: Die genannten Beispiele illustrieren, wie wenig zielgerichtet die bestehenden Maßnahmen sind, und zeigen, dass sie nicht einmal dann in Frage gestellt werden, wenn der Zweck längst erfüllt ist. Das EEG kann als Beispiel dienen, wie sich die Förderpolitik besser ausrichten lässt: So wurde die Laufzeit der Förderung auf 20 Jahre begrenzt und die Fördersätze wurden degressiv gestaltet. An einem Abbau umweltschädlicher Subventionen führt kein Weg vorbei: Ein langfristiger Ausstiegsplan würde helfen, allen Beteiligten die nötige Zeit zu geben, damit sie sich auf die unbequemen Schritte einstellen können. Unterm Strich wird viel politischer Mut nötig sein, um diese Maßnahmen einzuleiten und umweltschädliche Subventionen nach und nach zurückzuführen. Umso wichtiger ist es, sich bietende Gelegenheitsfenster zu nutzen: Die aktuelle Haushaltslage des Bundes ist derzeit sehr komfortabel, gleichzeitig ist fossile Energie billig wie lange nicht. Umweltschädliche Subventionen im Kraftstoffbereich sollten nun systematisch abgebaut werden. Das eröffnet dem Staat neue Handlungsspielräume bei künftigen Haushaltsengpässen, zur Rückzahlung des Schuldenberges von über 2.000 Milliarden Euro, der Förderung von Energieeffizienz oder der Infrastruktur-Finanzierung. Staaten wie Ägypten, Indien, Indonesien und Malaysia haben diese Chance bereits ergriffen und Einsparungen zwischen rund vier und 20 Milliarden US-Dollar erzielt. Kai Schlegelmilch, Mitgründer und stellvertretender Vorsitzender des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). V or mehr als 15 Jahren wurde in Deutschland eine ökologische Steuerreform durchgeführt – aus heutiger Sicht ein erster Erfolg auf dem Weg zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Energieverbrauch wurde teurer, die Kosten für Arbeit geringer. Doch die Fortschritte werden seit der letzten Reformstufe vor fast 13 Jahren aufgezehrt. Der Anteil der Umweltsteuern am gesamten deutschen Steueraufkommen ist auf das Niveau der Zeit vor Einführung der Ökosteuer zurückgefallen. Grund ist vor allem die schleichende Abwertung der Umweltsteuern durch die Inflation. Hinzu treten die Probleme um die gerade niedrigen Rohölpreise und den darniederliegenden CO2-Emissionshandel. Im Ergebnis haben der Verbrauch endlicher Ressourcen und der Ausstoß von Kohlendioxid nach wie vor keinen wahren Preis, weil zentrale Instrumente für das Erreichen der umwelt- und klimapolitischen Ziele wirkungslos geworden sind. Höchste Zeit, sich der Erfahrungen mit der ökologischen Steuerreform zu besinnen und einen neuen Anlauf für ökologisch wahre Preise zu wagen. DER EINSTIEG IN DIE ÖKOLOGISIERUNG DES STEUERSYSTEMS In den 1990er Jahren setzte sich die Erkenntnis durch, dass in einer Marktwirtschaft falsche Anreize gegeben werden, wenn Energie und Rohstoffe zu billig sind. Der geistige Vater der Ökosteuer, der Schweizer Ökonom Hans Christoph Binswanger, und weitere Akteure wie das heutige Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) verhalfen dem Konzept der ökologischen Steuerreform zum Durchbruch. „Kilowattstunden arbeitslos machen, nicht Menschen“ – damit brachte das FÖS-Gründungsmitglied Ernst Ulrich von Weizsäcker die Idee der Öko-Steuerreform auf den Punkt. Vor der Bundestagswahl 1998 bestand über Parteigrenzen hinweg Einigkeit darüber – in fast allen Wahlprogrammen war die Diagnose zu lesen. Unterschiede bestanden in der Frage, wie die Reform ausgestaltet werden solle. Das FÖS hatte vorgeschlagen, die Sozialversicherungsbeiträge zu senken, um Jobs zu schaffen, und dies durch höhere Energiesteuern zu finanzieren. Der Anteil von Umweltsteuern an den Staatseinnahmen lag 2003 bei sechs Prozent – heute befinden wir uns wieder unter dem Vor-Ökosteuer-Niveau auf 4,9 Prozent. Die rot-grüne Bundesregierung hat dies von 1999 bis 2003 mit Abstrichen umgesetzt. Am 1. April 1999 trat die ökologische Steuerreform in Kraft. Der Steuersatz auf Mineralöl stieg zunächst um sechs und der auf Heizöl um vier Pfennige. Für eine Kilowattstunde Erdgas waren 0,32 Pfennige und für eine Kilowattstunde Strom zwei Pfennige mehr zu bezahlen. In den Folgejahren wurden die Steuern auf Energie in weiteren vier Stufen leicht angehoben – die Rentenversicherungsbeiträge und somit die Lohnnebenkosten konnten dadurch um 1,7 Prozent niedriger gehalten werden, die Sozialversicherungsbeiträge wurden gegen den Trend stabilisiert und gesenkt. Mehrere Studien wiesen nach, dass die Ökosteuer als Innovationsantrieb wirkt und zu 250.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen führte. Zudem sind die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2010 durch die Ökosteuer-Reform um bis zu drei Prozent zurückgegangen. Der Absatz von Benzin und Diesel sank erstmals in der Nachkriegszeit über mehrere Jahre in Folge. Im öffentlichen Verkehr stiegen – ebenfalls erstmals seit Jahrzehnten – seit 1999 die Fahrgastzahlen wieder an und die Idee des Carsharing begann sich zu etablieren. „DURCHBRUCH MIT SCHÖNHEITSFEHLERN“ Den vereinbarten Einstieg in die ökologische Steuerreform nannte das FÖS damals einen „Durchbruch mit Schönheitsfehlern“. Letzteres aus mehreren Gründen: Die Befreiung der energieintensiven Branchen von der Energiesteuer auf Heizöl, Gas und Strom war zwar eine für Unternehmen im internationalen Wettbewerb notwendige Maßnahme. Diese Ausnahmeregelung war allerdings zeitlich nicht befristet und wurde in der Folge kaum irgendwo zurückgefahren. Im Gegenteil, die Vielzahl der verschiedenen Ausnahmeregelungen bei Stromsteuer, EEG-Umlage und Netznutzungsentgelten erhöhte den Spielraum für Unternehmen, ihre Produktion mit Blick auf die Ausnahmeregeln zu optimieren. Immerhin wurden die Ausnahmen zuletzt teilweise an die Einführung von Energiemanagement-Systemen gebunden. Derzeit kostet ein Liter Heizöl nur noch 60 bis 70 Cent statt 90 bis 100 Cent. Die Steuer auf Heizöl von sechs Cent macht sich kaum bemerkbar. Sie liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt von knapp 18 Cent. Bei der Kraftstoffbesteuerung fehlte der Einstieg in den Abbau der Dieselbevorzugung. Der Steuervorteil beträgt etwa 18 Cent pro Liter und ist ökologisch nicht zu rechtfertigen. Die Stromsteuer blieb blind für die Art der Stromerzeugung und macht keinen Unterschied zwischen Braunkohle und Windenergie. Eine frühzeitige Festlegung auf weitere Reformstufen blieb aus, mit negativen Folgen für Investitionssicherheit in Industrie und Haushalten. Die Umweltsteuern nicht an einen Inflationsausgleich gekoppelt zu haben war ein Fehler. Denn als Mengensteuer reduziert sich die Lenkungswirkung Jahr für Jahr. Insgesamt entgingen dem Staatshaushalt durch die „kalte Regression“ bei den Umweltsteuern seit 2003 real rund 44 Milliarden Euro an Einnahmen. Der Anteil von Umweltsteuern an den Staatseinnahmen lag 2003 bei sechs Prozent – heute befinden wir uns wieder unter dem Vor-ÖkosteuerNiveau bei 4,9 Prozent. Deutschland sollte dem Beispiel anderer Länder folgen und seine Umweltsteuern indexieren, also an einen Preisindex binden, um diesen Trend zu brechen. Trotz dieser Kritik stellt die Ökosteuer den Einstieg in die Ökologisierung des Steuersystems dar – damit wurde erstmals in der deutschen Geschichte die Lenkungskraft des Abgabensystems systematisch in den Dienst beschäftigungs- und umweltpolitischer Verbesserungen gestellt. Die Idee hat auch einstige Kritiker überzeugt. Keine der nachfolgenden Regierungen hat die Reform revidiert. Sie wurde sogar weiterentwickelt: So hat die schwarzgelbe Bundesregierung 2010 FÖS-Vorschläge für eine ökologische Haushaltskonsolidierung aufgegriffen und die Ökosteuer-Ausnahmen für die Industrie reduziert sowie den Luftverkehr und Kernbrennstoffe in die Umweltbesteuerung einbezogen. ES WIRD ZEIT FÜR DEN NÄCHSTEN SCHRITT Der Staat steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die nun, wie in den 1990er Jahren, einen neuen Anlauf zur Einführung ökologisch wahrer Preise erfordern. Die Fot o: C a rlo s sic Krise der öffentlichen n Ta Me n e Ad r ie ndez Sa n Ju a n | flick r.com • D esign: Haushalte ist heute in Deutschland ein wenig aus dem Blick geraten, doch strukturell besteht das Problem in ganz Europa fort. Und ein großer Schuldenberg will auch abgetragen werden. Auch das Ausmaß der drohenden Klimakrise ist längst noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen. Auch der demografische Wandel fordert hierzulande erneut eine grundsätzliche Umgestaltung der Einnahmen des Staates. Wenn immer weniger arbeitende Menschen mit den Steuern und Abgaben auf ihre Arbeitskraft den Investitionsstau bei der Infrastruktur auflösen und das wachsende Gesundheits- und Pflegesystem finanzieren sollen, wird deutlich, dass sich etwas ändern muss. Der Verbrauch von Ressourcen, die Verschmutzung der Umweltgüter und die Belastung des Klimas müssen endlich ehrliche Preise bekommen. Der historisch niedrige Weltmarktpreis für Rohöl und seine Schwankung von Jahr zu Jahr zerstört Investitionssicherheit für alle effizienzorientierten Unternehmen und Haushalte. Ein gutes Beispiel für die heutigen Probleme liefert die Besteuerung von Heizöl. Derzeit kostet ein Liter Heizöl nur noch 60 bis 70 Cent statt wie noch vor wenigen Jahren 90 bis 100 Cent. Die Steuer auf Heizöl von sechs Cent macht sich kaum bemerkbar. Sie liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt von knapp 18 Cent. Würde man die Steuer verdoppeln und die Hälfte der Differenz zum EU-Durchschnitt aufheben, würde das für die Verbraucher immer noch deutlich niedrigere Heizölpreise als in den Vorjahren bedeuten. Es würde aber Mehreinnahmen von fast drei Milliarden Euro bringen, mit denen die notwendige Förderung der Gebäudesanierung und ein angemessener sozialer Ausgleich finanziert werden könnten. Es ist an der Zeit, das Instrument wiederzubeleben, mit dem Deutschland gute Erfahrungen gesammelt hat. Sinnvoll ausgestaltete ökonomische Instrumente der Umweltpolitik sind wirksam, innovationsfördernd und effizient. Mit keinem anderen Instrument lassen sich ökologische Zukunftsfähigkeit, ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit leichter vereinbaren. Anselm Görres, Mitgründer und Vorsitzender des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und von Green Budget Europe (GBE). Björn Klusmann, Geschäftsführer des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. ALLTAGSMYTHEN, SEID ENTZAUBERT: Rettungspakete für Griechenland 2010–2014 Im Ausland verstecktes Vermögen reicher Griechen Vermögen Dieter Schwarz (LIDL, Kaufland) 103 (D) 14,5 150 (D) 17,6 54,7 (EU) Vermögen der Familie Albrecht (ALDI) Verteidigungshaushalt Deutschland 2010–2014 34,8 5 Vermögen der Familien Quandt (BMW) Wahlkampfkosten USA 2012 281 Staatliche Förderung Erneuerbare 1970–2012 31 Vermögen der Familie Schaeffler (Conti) Jährliche Spenden in den USA Externe Kosten der Kohleverbrennung in Europa pro Jahr „Ist es nicht zu teuer, die vielen Flüchtlinge bei uns aufzunehmen?“ „In die Förderung erneuerbarer Energien ist schon viel zu viel Geld geflossen.“ „Klimaschutz können wir uns nicht leisten.“ Wir haben einmal nachgerechnet und die Zahlen ins Verhältnis gesetzt, um mit solchen Alltagsmythen aufzuräumen. 200 10,6 Umsatz Amazon Deutschland 2014 M O V U M AU S G A B E 8 " F I N A N Z P O L I T I K " , W W W. M O V U M . I N F O Vermögen der unteren 50 % 316 Staatsschulden Griechenland WO DIE MILLIARDEN WIRKLICH LANDEN Konzeption: K A I N I E B E R T Umsetzung: KALISCHDESIGN.DE 215 213 (D) 67 (D) 10 (D) Staatliche Förderung Braunkohle 1970–2012 87 (D) 50 (D) Staatliche Förderung Steinkohle 1970–2012 27 (WELT) 87 (D) Urlaubsausgaben der Deutschen pro Jahr 48 (WELT) Weltweite Beseitigung von Hunger Gesundheitskosten der Kohleverstromung 311 (D) 6,3 (D) Quellenangabe: Die Quellen für diese Infografik sind auf den jeweiligen Feldern in der PDF-Version (www.movum.info) verlinkt. Branntweinsteuer in Deutschland pro Jahr 3,5 (D) 7 (D) Energiesteuerbefreiung 3,3 8,75 Ausgaben Brasiliens Lohnsteuer Umsatzsteuer Vermögen der reichsten 0,1 % 4.813 Mrd. (D) 1.627 (D) 85,7 (D) Staatsverschuldung Deutschland 84 (D) 2.000 (D) 1 9.300 Mrd. (D) Privates Vermögen in Deutschland 88 (WELT) Subventionen Atomkraft weltweit pro Jahr 800 Mrd. (D) (D) 278 (D) Subventionen erneuerbare Energien weltweit pro Jahr 272 (WELT) 4.717 Mrd. (Welt) Subventionen fossile Energien weltweit pro Jahr Haushalt Umweltministerium zur Fußball-WM 2014 Steuereinnahmen Deutschland pro Jahr Kaffeesteuer 3,8 (D) Kosten für Klimaschutz bis 2030 36 (D) Energiesteuer Umweltschädliche Subventionen pro Jahr 31 (D) des Kerosins pro Jahr Vermögen der reichsten 10 % 2 14 Tabaksteuer Gesundheitsausgaben in Deutschland pro Jahr Durch Verkehr verursachte Gesundheitskosten 58,6 (D) CO 2 -Emissionsberechtigungen pro Jahr Gewinn der FIFA aus der Fußball-WM 2014 301 (D) 52 (D) 6 (D) Kostenfreie Zuteilung der Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge pro Jahr Bankenrettung in Deutschland Staatliche Förderung Atomenergie 1970–2012 Allen Kindern weltweit Schulbildung ermöglichen Alle Zahlenangaben auf dieser Seite sind in Milliarden Euro. Alle Zahlen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf auf die Bundesrepublik Deutschland. Aufnahme von 800.000 Flüchtlingen in Deutschland 4.353 Mrd. (Welt) Gesundheitsausgaben weltweit pro Jahr Kosten des Klimawandels bis 2050 12 PRAXIS Ausgabe 8 PRAXIS movum.info 13 MÜNSTER WIRD DEUTSCHLANDS ERSTE DIVESTMENT-STADT Die US-amerikanische Bewegung zum Abzug von Geldern aus fossilen Energiegeschäften kommt in deutschen Kommunen an. Te x t: F R I E D E R I K E M E I E R U N D SA N D R A K I RC H N E R Foto: wandersmann | pixelio.de Stein des Anstoßes in Münster sind zwei Investmentfonds. Rund zehn Millionen Euro Rücklagen für die Pensionen der Beamten der Stadt sind unter anderem bei RWE und bei dem österreichischen Ölkonzern OMV angelegt. Solange es RWE gutging, profitierten auch Städte, Landkreise und Sparkassen von der hohen Dividende, die der Konzern jährlich ausschüttete. Doch mittlerweile ist der Aktienpreis von RWE stark gefallen, im vergangenen Jahr hat der Energiekonzern nur noch eine symbolische Dividende von einem Euro je Aktie gezahlt – und auch nur auf Druck der Kommunen. Bundesweit betreibt RWE mehr als ein Dutzend Kohlekraftwerke, neben Eon gilt der Kohleriese als größter Kohlendioxid-Emittent in der EU. 164 Millionen Tonnen des Treibhausgases hat RWE 2013 freigesetzt. Laut aktuellem Antrag sollen in Münster künftig keine Beteiligungen an Unternehmen mehr möglich sein, die „Atomenergie erzeugen oder auf nicht nachhaltige und klimaschädliche Energien setzen“. Auch Fracking, Militärwaffen und Kinderarbeit wären in Zukunft als Optionen für Investments ausgeschlossen. Insgesamt geht Münster könnte noch die erste deutsche Divestment-Stadt werden es um 22,6 Millionen Euro aus den Pensionsfonds der Stadtbeamten. VOR EINEM BESCHLUSS WIRD NOCH TAKTIERT Anfangs habe sich die Verwaltung quergestellt, erzählt Thomas Marczinkowski von den Münsteraner Grünen, als sich Sozialdemokraten und Grüne im September vor einem Jahr darauf geeinigt hatten, die städtischen Gelder aus klimaschädlichen Investitionen zurückzuziehen. RotGrün regiert im Münsteraner Stadtrat nur mit einer Minderheit. „Um die absolute Mehrheit zu erreichen, müssen wir im Rat vier weitere Stimmen organisieren“, erläutert Marczinkowski. – und das mit einem CDU-Bürgermeister. Eigentlich sollte im September endgültig entschieden werden. Eine entsprechende Vorlage der Verwaltung lag dem Finanzausschuss des Stadtrats zum Beschluss vor – doch die CDUFraktion sah noch „Beratungsbedarf“. So wurde der Beschluss auf Anfang November vertagt. Die grüne Ratsfraktion vermutet strategische Gründe: Am Sonntag nach der Sitzung war in Münster Oberbürgermeisterwahl. Vielleicht, so spekulieren die Grünen, wollte die CDU dem Vorhaben von SPD und Grünen so kurz vor der Wahl keinen Erfolg bescheren. Damit könnten sie richtig liegen: CDU-Bürgermeister Markus Lewe wurde im ersten Wahlgang mit 50,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Schon 17 verschiedene Emissionshandelssysteme gibt es auf der Welt, 2016 will China landesweit mit CO2-Zertifikaten handeln. Eine CO2-Steuer halten Experten für sinnvoller, aber illusorisch. Das TEEB-Projekt will aus der Monetarisierung von Naturkapital Argumente für den Schutz der Lebensgrundlagen ziehen, ohne der Natur Preisschilder zu verpassen. Einen "wahren Preis" für die Natur gibt es ohnehin nicht. T e x t : E VA M A H N K E U N D S U S A N N E G Ö T Z E „nicht auf die ‚Gläubigen‘, sondern auf die ‚Ungläubigen‘, die auf Natur keinen Wert legen, weil sie ihre Leistungen nicht schätzen oder in ihre Entscheidungen nicht einbeziehen wollen“. Den Vorwurf, per TEEB sollten überall Preise an die Bäume geklebt werden, lässt Hansjürgens aber nicht gelten. Bei dem Ansatz gehe es „nicht allein um Preise, sondern im Kern darum, Verursachern und Entscheidungsträgern Signale zu übermitteln, wie sie zu handeln haben“, sagt er. Das könne ein höherer CO2-Preis sein, in der Landwirtschaft aber auch eine Verschärfung der sogenannten „guten fachlichen Praxis“, also eine rechtliche Maßnahme. Auch Nabu-Experte Hopf sieht den Sinn von TEEB nicht darin, „Preisschilder an Ökosysteme zu heften“. Klassische Schutzbegründungen wie der „Eigenwert der Natur“, die „Bewahrung der Schöpfung“ und die Verantwortung für nachfolgende Generationen „dürfen und sollen nicht ersetzt werden“. Entscheidend sei vielmehr, aus der Monetarisierung des Naturkapitals zusätzliche Argumente zu ziehen. INTENSIVLANDWIRTSCHAFT AM PRANGER Wie kann das praktisch aussehen? Der Artenschutzreport des Bundesamts für Naturschutz zum Beispiel sieht die intensive Landwirtschaft an vorderster Stelle bei den Ursachen für das Verschwinden der Arten. In der Agrarförderung müsse es deswegen eine Umschichtung geben, fordert Hopf: weg von reinen Flächenprämien, hin zur Förderung von Maßnahmen, die bestimmten Tier- und Pflanzenarten zugutekommen, wie dem Anlegen blühender Ackerrandstreifen. Auch Hansjürgens kritisiert, dass durch die intensive Agrarwirtschaft bestimmte Ökosystem- und Regulierungsleistungen wie auch biologische Vielfalt verloren gehen. „Dazu kommen die schädlichen Wirkungen aufs Grundwasser und die Gewässerhaushalte. Das wird in der deutschen und europäischen Agrarpolitik bisher viel zu wenig berücksichtigt.“ Welchen ökonomischen Wert Ackerrandstreifen gerade an Gewässern aber nun konkret haben, da musste das TEEBTeam doch intensiv nach Daten suchen. Fündig wurde man bei einer niedersächsischen Studie: „Der Nutzen eines fünf Meter breiten Gewässerrandstreifens, der nicht bewirtschaftet und gedüngt werden darf, ist fast doppelt so hoch wie die Kosten für Pflegemaßnahmen und Einkommensverzicht“, fasst der TEEB-Chef die Ergebnisse zusammen. Er zumindest ist sich sicher: Würde dieses ökonomische Argument in der Politik berücksichtigt, könnte das die Agrarwirtschaft ökologischer machen. Da der Schutz der Fläche dem Bauern selbst nichts einbringt und es sich hier um einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen handelt, müssten die Ackerrandstreifen belohnt werden. Das TEEB-Konzept reiht sich in die Idee ein, dass sich viele Umwelt-Probleme leichter lösen ließen, wenn die Preise die ökologische Wahrheit sagten. Hansjürgens sieht allerdings auch das mit Skepsis. Einen „wahren“ Preis, meint er, werde es in dem Sinne nicht geben. Dieser hänge immer auch von gesellschaftlichen Bewertungen ab, die man den Naturgütern gebe. „Wenn wir den Verlust von Ökosystemleistungen beklagen, ist allein schon das eine gesellschaftliche Bewertung. Auch hinter einem CO2-Preis steht letztlich eine ethische Bewertung“, sagt Hansjürgens – was wiederum für die Begrenztheit der ökonomischen Betrachtung von Natur spricht. Apropos CO2-Preis: Zuletzt haben sich die TEEB-Experten intensiv die Diskussionen um eine CO2-Bepreisung angesehen, das Ganze nachgerechnet und kommen jetzt auf eine Spannbreite von 80 bis 120 Euro, die der Ausstoß einer Tonne CO2 kosten müsste, will man wirklich alle Schadenskosten abbilden. Das ist mindestens das 20-Fache des derzeitigen Börsenpreises. Ob dieses „Zusatzargument“ die Entscheider beim kommenden Klimagipfel in Paris beeindruckt? F reiwillige Abkommen und der Emissionshandel sind der falsche Weg in die grüne Ökonomie“, erklärte der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz im Juni auf dem „ Klimaforschungskongress in Paris. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank plädiert für cross-border taxes, eine grenzüberschreitende Besteuerung von CO2. Damit ist er jedoch ziemlich allein. Unter der Hand glaubt niemand daran: Eine internationale CO2-Steuer zu fordern sei zwar löblich, ihre politischen Chancen seien jedoch gleich null, meinen die meisten Klimapolitiker. Ein Grund dafür ist, dass sich mit dem KyotoProtokoll ein marktbasiertes Klimaschutzinstrument durchgesetzt hat: der Emissionshandel. Bisher gibt es weltweit 17 marktbasierte Klimaschutzsysteme, die den Gesamtausstoß an Treibhausgasen für bestimmte Sektoren deckeln, den Besitz von Zertifikaten für den Ausstoß von Treibhausgasen vorschreiben und den Teilnehmern erlauben, diese Rechte frei zu handeln. Foto: Señor Codo | flickr.com Te x t: J Ö RG S TAU D E D RWE SCHWÄCHELT, KOMMUNEN ZWEIFELN EXPORTSCHLAGER EMISSIONSHANDEL DAS UNSCHÄTZBARE SCHÄTZEN LERNEN er Wolf erobert Deutschland, von Ost nach West. Auch wenn hier und da ein Schaf gerissen wird, steigert der Wolf das Naturkapital Deutschlands, könnte man meinen. Für Professor Bernd Hansjürgens, Studienleiter des Projekts „Naturkapital Deutschland“, ist der Wiedereinzug des grauen Räubers eher ein Beispiel, an dem man die Begrenztheit einer ökonomischen Betrachtung ablesen kann. Die Ausbreitung des Wolfs zeige, sagt Hansjürgens, dass Naturgebiete heute besser vernetzt sind und es Rückzugsräume gibt. Davon einen ökonomischen Nutzen abschätzen zu wollen greife viel zu kurz. „Gerade beim Wolf lassen sich keine Zahlen ableiten.“ Der Umweltökonom wehrt sich dagegen, der heimgekehrten Art eine „ökonomische Perspektive überzustülpen“. Genau darin besteht aber eigentlich das „Geschäft“, um das es bei Hansjürgens‘ TEEB-Projekt geht. TEEB ist die Abkürzung für „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“. Dieses internationale Vorhaben, das in einer ersten Phase von 2007 bis 2010 lief, wollte den Wert der Natur sichtbar machen. Der deutsche Ableger nennt sich auch „TEEB DE“ und befindet sich mittlerweile in der dritten Phase. „Natur ist eigentlich immer unschätzbar wertvoll“, betont TEEB-Chef Hansjürgens. Anders gesagt: Der Verlust ist in Geld eigentlich nicht zu messen, wenn eine Art ausstirbt. Dennoch passiert das nahezu täglich. Fast 28 Prozent der Wirbeltierarten in Deutschland – Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien – sind in ihrem Bestand gefährdet, warnt der jüngste Artenschutzbericht des Bundesamts für Naturschutz. Auch für Till Hopf vom Naturschutzbund Nabu ist es ein „trauriger Fakt“, dass der Wert der Natur bisher in vielen Entscheidungsprozessen „nur unzureichend berücksichtigt wird“. TEEB könne dazu beitragen, diesen Aspekt stärker einzubeziehen. Das Projekt, erläutert TEEB-Chef Hansjürgens weiter, ziele dabei Berlin, Freiburg, Karlsruhe, Konstanz, Stuttgart und weiteren Städten gegründet. Wahlweise werden Städte, heimische Universitäten oder alle beide aufgefordert, Investitionen in fossile Energien zu stoppen. Foto: Bernhard Kils | Wikimedia Commons M ünster in Westfalen will sein Geld künftig ethisch korrekt einsetzen. Das heißt im Slang von DivestAktivisten: Raus mit der Kohle aus der Kohle! Geht es nach der Mehrheit der Kommunalpolitiker, soll die Stadt ihre Mittel aus klimaschädlichen Finanzgeschäften abziehen und in vertretbare Geldanlagen stecken. Dazu fasste der Stadtrat Anfang des Jahres einen Beschluss. Während die Forderungen der sogenannten Divestment-Bewegung in den USA schon populär geworden sind, steckt die Bewegung hierzulande noch in den Kinderschuhen. „Kohle ist immer der erste Schritt für ein Divestment“, erläutert Melanie Mattauch von der internationalen Klimabewegung 350.org. Eine der großen Städte, die kürzlich in Europa aus der Kohlefinanzierung ausgestiegen sind, war das norwegische Oslo. „Auch die Norweger wissen, dass ihr Öl nicht in alle Ewigkeit reicht, deshalb gibt es gerade eine große Debatte über das Anlegen von öffentlichen Geldern“, meint Mattauch. 350.org will mit der weltweiten DivestmentKampagne Stiftungen, Universitäten und öffentliche Einrichtungen davon überzeugen, der fossilen Energiegewinnung den Geldhahn zuzudrehen, und damit deren Finanzierungsgrundlage schwächen. Erste Initiativen für den Ausstieg aus den fossilen Beteiligungen haben sich in Aachen, Eingesparte CO 2 -Emissionen sind seit zehn Jahren eine Ware und werden an den Börsen der Welt gehandelt. „Cap and Trade“ gibt es heute auch in Staaten, die nicht an der zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls bis 2020 teilnehmen, darunter Japan und Bundesstaaten in den USA und Kanada. Für 2017 hat China angekündigt, einen landesweiten Emissionshandel einzuführen – in einigen chinesischen Städten und Provinzen wird schon länger mit CO2-Zertifikaten gehandelt. Die Organisation International Carbon Action Partnership (ICAP) vergleicht Emissionshandelssysteme und deren Funktionsweisen. Angesichts der Vielfalt an Systemen glaubt ICAP jedoch nicht, dass sich ein globaler Kohlendioxidmarkt als harmonisches Gesamtwerk entwickeln wird, wie es Politiker und Analysten in den 1990er und frühen 2000er Jahren erwartet hatten. Ein solcher Markt werde vielmehr auf der Vielzahl unterschiedlicher Systeme aufbauen. So unterscheiden sich die Systeme in ihrer Reichweite. Zum Beispiel Neuseeland: Hier müssen sich neben Kraftwerken und Industriebetrieben auch der Verkehrssektor, die Abfallwirtschaft und die Forstwirtschaft mit Emissionsrechten eindecken. Dagegen umfasst die seit 2009 bestehende US-amerikanische Regional Greenhouse Gas Initiative (RGGI), an der neun Ostküstenstaaten teilnehmen, nur den Kraftwerkssektor. Unterschiedlich ist darüber hinaus, welche Treibhausgase durch die Emissionshandelssysteme reguliert werden. Hier reichen die Systeme aus Neuseeland, Kalifornien und Québec am weitesten: Sie erfassen sie nicht nur Kohlendioxid (CO2), sondern auch Lachgas (N2O), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) und Methan (CH4) sowie Fluorkohlenwasserstoffe (HFC) und Schwefelhexafluorid (SF6). Europa reguliert über den Emissionshandel neben Kohlendioxid nur noch Lachgas sowie perfluorierte Kohlenwasserstoffe. OHNE VERKNAPPUNG KEIN KLIMASCHUTZ Nur wenn die Zertifikate knapp genug sind, ist ihr Preis so hoch, dass es für Unternehmen einen Anreiz gibt, in Klimaschutz zu investieren. Doch gerade das Europäische Emissionshandelssystem ETS krankt seit Jahren an einer massiven Überausstattung mit Emissionsrechten. Die Schieflage ist so groß, dass auch die 900 Millionen Zertifikate, die kürzlich durch das sogenannte Backloading vom Markt genommen wurden, den Preis kaum belebten. Hinzu kamen mehrere große Betrugsfälle bei den im Emissionshandel erlaubten sogenannten flexiblen Kyoto-Mechanismen – sie heißen „Joint Implementation“ und „Clean Development Mechanism“ (CDM). Die Skandale zeigen, dass es noch viel zu viele Schlupflöcher im System gibt. Ohne einen hohen CO2-Preis wird der Markt aber den Klimaschutz nicht voranbringen. Dass es keine CO2-Steuer gibt, verdankt die Welt ausgerechnet dem vielfach ausgezeichneten Klimaschützer Al Gore. Der stoppte 1997 als US-Vizepräsident im Auftrag seines Chefs Bill Clinton die Debatte um eine CO2-Steuer bei den internationalen Klimaverhandlungen und zwang so die anderen UN-Staaten auf den Emissionshandels-Weg. Und das – Ironie der Geschichte –, obwohl die USA drei Jahre später unter Präsident George W. Bush aus dem Kyoto-Protokoll ausstiegen. movum.info Foto: Heinrich-Böll-Stiftung | flickr.com Ausgabe 8 An den finanziellen Zusagen für arme, vom Klimawandel betroffene Länder könnte sich die Zukunft der Klimadiplomatie entscheiden. Te x t: N I C K R E I M E R E s geht um eine Billion US-Dollar. Auf der Klimakonferenz 2010 im mexikanischen Cancún sagten die Industriestaaten den Entwicklungsländern zu, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar aus dem Norden in den Süden zu überweisen. Quasi eine Art Ablasshandel: Weil 80 Prozent aller Treibhausgase in der Atmosphäre aus den Schloten und Auspuffrohren der Industriestaaten stammen, sind sie es auch, die die Hauptschuld an der fortschreitenden Erderwärmung tragen. Leidtragend sind aber oftmals die Staaten des Südens. Die Flut 2010 in Pakistan oder die in Thailand 2011, Tropenstürme wie „Sandy“ 2012 auf Haiti oder „Haiyan“ 2014 auf den Philippinen, Hitzewellen wie in Afrika oder dieses Jahr in Indien mit tausenden Toten – viele der Entwicklungsländer liegen in geografischen Hotspots des Klimawandels. Gleichzeitig fehlt ihnen oft Know-how und Kapital, um sich an veränderte Wetterbedingungen anzupassen oder eingetretene Schäden zu beheben. „Gambia hat vor einigen Jahren 20 Millionen Dollar investiert, um die Strände zu befestigen, weil sie wichtig für den Tourismus sind“, sagt beispielsweise Gambias Umweltminister Pa Ousman Jarju. Wegen des steigenden Meeresspiegels habe sich das Meer den Sand aber wieder zurückgeholt. „Nach wenigen Jahren Erosion sind teilweise nur noch drei Meter übrig geblieben“, so der Minister. Jetzt fehlt Geld und technologisches Wissen, um dem Landfraß des Meeres Einhalt zu gebieten. Selbst Gambias Hauptstadt Banjul ist stark bedroht. Vor allem aber fehlte eine durchgreifende Idee, wie das zugesagte Geld aufgebracht werden könnte. Eine Steuer auf den internationalen Luftverkehr wurde genauso ins Gespräch gebracht wie eine Finanztransaktionssteuer – Stichwort Tobin Tax – oder eine Besteuerung des Schiffsdiesels. Allerdings sind vor allem in den USA, Russland und China die Vorbehalte gegen internationale Steuern groß und diese deshalb kaum durchsetzbar. „OHNE GELD KEIN NEUER KLIMAVERTRAG“ Foto: ninara | flickr.com Die Armen der Welt trifft der Klimawandel zuerst ... Foto: Kuster & Wildhaber Photography | flickr.com DEM GUTEN WILLEN FOLGEN KEINE TATEN ... mit mehr extremen Wetterereignissen wie Dürren... Die Idee der Klimadiplomaten war deshalb: Die 100 Milliarden jährlich aus den Industriestaaten würden den globalen Süden in die Lage versetzen, sich an die Folgen der Erderwärmung anzupassen. Um dem guten Willen nach der Klimakonferenz in Mexiko Taten folgen zu lassen, billigten die Industriestaaten für die Jahre 2010, 2011 und 2012 jährlich zehn Milliarden Dollar zu, was unter dem Begriff „Fast Start Finance“ in die Klimapolitik einging. Der Vorschlag war, dass der Betrag für den „Schulden-Abbau“ der Industriestaaten gegenüber den Entwicklungsländern in den Folgejahren Jahr für Jahr so weit aufgestockt wird, bis er 2020 die 100-Milliarden-Dollar-Marke erreicht. Doch statt mehr Geld floss in den folgenden Jahren weniger aus dem Norden. Einerseits waren die Europäer mit ihrer Euro-Rettung beschäftigt. Andererseits fehlten Institutionen und Regeln, wie die gewaltige Summe ausgeschüttet werden sollte. ... deren Folgen die Nahrungsmittelversorgung vieler Bauern bedrohen. Sie wandern schließlich in die Städte ab. Foto: Padmanaba01 | flickr.com Mittlerweile gibt es zwar mit dem in Südkorea verwalteten „Green Climate Fund“ der Vereinten Nationen eine funktionierende Infrastruktur, um die zugesagten Mittel auszureichen. Wenige Wochen vor Beginn des Paris-Gipfels ist aber weiter völlig unklar, wie dieses Geld zusammenkommen soll. Letztes Jahr gab es in Berlin eine Geber-Konferenz, auf der zehn Milliarden Dollar zugesagt wurden. Allerdings steht das Geld nicht jährlich, sondern in summa bis 2020 zur Verfügung. Eine riesige Lücke zwischen Versprechen und Realität. Für die Entwicklungsländer ist bei den Verhandlungen für den neuen Weltklimavertrag die Finanzfrage deshalb entscheidend. „Ohne Geld wird es keinen neuen Vertrag geben“, hat auch Frankreichs Staatspräsident François Hollande erkannt, der als Gastgeber eine Klimagipfel-Pleite wie 2009 in Kopenhagen unbedingt vermeiden will. Angestrebt für den Weltklimavertrag wird eine Laufzeit von zehn Jahren. Bei 100 Milliarden Dollar jährlich geht es also um nicht weniger als eine ganze Billion. Bei genauer Betrachtung kommen die Industrieländer mit den zugesagten 100 Milliarden Dollar im Jahr aber ziemlich gut weg. Die Entwicklungsorganisation ONE hatte für 2013 ermittelt, dass die durchschnittliche Entwicklungshilfe der Industriestaaten bei nur noch 0,29 Prozent der Wirtschaftsleistung anstelle der zugesagten 0,7 Prozent lag. 0,29 Prozent waren 132 Milliarden US-Dollar. Es geht bei den 100 Milliarden also nicht einmal um drei Tausendstel des nationalen Einkommens der reichen Staaten. Es gibt auch Ideen, wie die Finanzzusagen in den Vertragstext eingearbeitet werden könnten. „Die Industriestaaten könnten eine Art Quorum in den Vertrag einbauen, der sich etwa an der Finanzierung der UNO orientiert“, sagt Sven Harmeling von der Entwicklungsorganisation Care. Die Schwierigkeit ist nämlich, dass Finanzfragen von den Finanzministern und den Parlamenten entschieden werden – und zwar in jeder Legislatur neu, sodass langfristige Zusagen gar nicht so einfach sind. Bei der UNO ist das anders, sie finanziert sich hauptsächlich aus den Beiträgen ihrer Mitgliedsstaaten. 15 EINE POLICE GEGEN HUNGER Klimarisiko-Versicherungen sollen Millionen Kleinbauern in Entwicklungsländern helfen, Dürren oder Hochwasser zu überstehen. Nichtregierungsorganisationen haben dafür Lob und Kritik. Te x t: J OAC H I M W I L L E U N D J Ö RG S TAU D E E DIE 100-MILLIARDEN-DOLLAR-FRAGE PRAXIS s geht um die Armenhäuser dieser Welt, um Staaten wie Äthiopien am Horn von Afrika, den Himalaya-Staat Nepal oder die pazifische Inselrepublik Vanuatu. Diese Länder leiden schon heute unter dem Klimawandel. Sie besitzen nicht die finanziellen Mittel, um die Folgen von häufiger auftretenden Dürren, Überschwemmungen und Wirbelstürmen zu beherrschen oder sie wenigstens abzumildern. Nun wird eine neue Idee verfolgt, um die Länder „katastrophenfester“ zu machen. Öffentlich geförderte Klimarisiko-Versicherungen sollen diesen Staaten oder besonders gefährdeten Gruppen – etwa den Bauern in den betroffenen Regionen – in schwierigen Lagen Finanzhilfen zukommen lassen. Die Staats- und Regierungschefs der G7Industriestaaten haben im Juni auf ihrem Gipfel in Elmau beschlossen, dieses innovative Konzept voranzubringen. Modelle für die Klimaversicherungen gibt es bereits. Am bekanntesten ist die „African Risk Capacity“ (ARC), eine Dürreversicherung, die mit deutsch-britischer Unterstützung aufgebaut wurde. Afrikanische Länder können sich damit gegen die Folgen von Ernteausfällen aufgrund von Trockenheit schützen. Tatsächlich wurden im vergangenen Februar an drei Staaten in der Sahel-Zone – Mauretanien, Niger und Senegal – Kompensationen aus den ARC-Mitteln ausgezahlt. Mit den 25 Millionen US-Dollar konnte über einer Million Menschen nach einer starken Dürreperiode mit Nahrung geholfen werden, und eine halbe Million Nutztiere wurden vor dem Tod bewahrt, weil die Bauen dank der Zahlungen in der Lage waren, schnell Futter für sie zu kaufen. Der Anstoß, dieses Konzept auszuweiten, kam im Vorfeld des Elmau-Treffens von der Bundesregierung. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte dazu: „Gerade die Ärmsten tragen am wenigsten zum Klimawandel bei, aber sie leiden am meisten und können am wenigsten vorsorgen.“ Die G7 müssten hier Verantwortung übernehmen. Bislang sind rund 100 Millionen Menschen weltweit gegen Klimarisiken versichert. Bis 2020 soll deren Zahl auf 500 Millionen erhöht werden, so das Ziel der G7-Initiative. Deutschland will dafür 150 Millionen Euro bereitstellen.  Bei den Umwelt- und Entwicklungsorganisationen gibt es zu dem Versicherungsprojekt viel Zustimmung, aber auch Kritik. „Die Klimarisiko-Versicherungen sind wichtig, um die sozialen und ökologischen Folgen des Klimawandels zu bekämpfen“, meint Jan Kowalzig, Klimaexperte von Oxfam. Allerdings müssten sie richtig konzipiert sein. Die Versicherungsprämien müssten durch die Industrieländer heruntersubventioniert werden, um möglichst vielen den Zugang zu ermöglichen. Wenn sich nur reiche Bauern eine Klimapolice leisten könnten, stünden arme Menschen trotzdem als Verlierer da, warnt Kowalzig. Umstritten ist bei den NGOs, dass die neuen Klimapolicen von der privaten Versicherungsindustrie, also Konzernen wie der Allianz, angeboten werden sollen. Attac-Experte Alexis Foto: M. M. Padmanaba | flickr.com PRAXIS 14 Gegen Hunger und Durst versichert – bislang prof itieren nur wenige Menschen von Klimaversicherungen. Passadakis kritisiert, das G7-Konzept laufe auf eine Subventionierung der Konzerne hinaus. „Letztlich werden hier Steuermittel privatisiert.“ Er glaubt, dass die Versicherungen auch über einen öffentlichen Fonds angeboten werden könnten. „Da könnten aber keine bei den Privaten üblichen Managergehälter gezahlt werden.“  Die Klimaexpertin Sabine Minninger vom evangelischen Entwicklungsdienst Brot für die Welt glaubt, dass die neuen Versicherungen eine große Chance für die Armen sind. Dass die Konzerne sich hier allerdings nicht aus reiner Nächstenliebe engagieren, liegt auch für sie auf der Hand: „Sie wollen neue Märkte erschließen.“ Der Markt sei jedoch begrenzt. Minninger ist sich sicher: „Die Konzerne werden nichts versichern, woran sie pleitegehen können.“ Bei Polkappen, Alpengletschern, Wüsten und versinkenden Inselstaaten werde „keine Versicherung je auch nur einen Finger rühren“. PRAXIS 16 Ausgabe 8 movum.info PRAXIS 17 GRÜNE ANLAGEN-FONDS MIT FRACKING UND KINDERARBEIT Der Markt der nachhaltigen Investitionen wächst – doch sind nur die wenigsten wirklich öko und sozial. Entwicklungsorganisationen haben ethische Kriterien entwickelt, um Investitionen zu bewerten. Te x t: S U SA N N E G Ö T Z E G ibt man heute sein Geld in die Hände konventioneller Banken, Versicherungen oder gar Investmentfonds, kann man nie sicher sein, ob es in der Welt nicht Schaden anrichtet. Denn das sauer verdiente Geld soll ja für einen „arbeiten“ und dabei Rendite abwerfen. Was mit dem Geld geschieht, wenn es für uns Profit „erwirtschaftet“, wissen viele nicht oder wollen es auch gar nicht wissen. Aber das ändert sich gerade. Noch sind derartige Investments zwar Ausnahmen – doch die Nachfrage ist in den letzten Jahren rasant gestiegen. Im Jahr 2001 lag der Anteil der sogenannten ethisch-ökologischen Fonds noch bei 0,7 Prozent. Damals gab es deutschlandweit weniger als 50 Fonds, die zusammen rund 2,4 Milliarden Euro investiert hatten. Heute sieht das schon ganz anders aus. 2013 haben laut dem Sustainable Business Institute (SBI) in Oestrich bei Wiesbaden 383 als nachhaltig registrierte Fonds insgesamt rund 40 Milliarden Euro investiert. nichts, um dem Wildwuchs bei ethischen Investments zu begegnen.“ Brendel ist sich sicher, dass nur gesetzlich verbindliche Mindeststandards das Greenwashing in der Branche stoppen können. Mittlerweile haben sich sogar private Bewertungsagenturen gegründet, die Produkten und Unternehmen ein Zeugnis ausstellen. Ähnlich wie beim EU-Biosiegel soll so eine Mindest-Sicherheitsgarantie für Anleger geschaffen werden. BEST PRACTICE: EIN FONDS MIT STRENGEN KRITERIEN Foto: Simon Fraser University | flickr.com DER AUFSTIEG DER GRÜNEN BANKEN Während die traditionellen Geldhäuser seit der Finanz- und Bankenkrise an Vertrauen eingebüßt haben, boomen Öko-Banken in Deutschland. Um neue Kunden müssen sie sich nicht sorgen, auch weil die Hürden für einen Wechsel immer mehr abgebaut wurden. Te x t: B E N JA M I N VO N B R AC K E L A ls Julia Manzke vor ein paar Jahren nach Berlin zog, stellte sich für sie die Frage, zu welcher Bank sie nun gehen sollte. Da nahm sie einfach die um die Ecke: die Dresdner Bank. Die wurde später von der Commerzbank aufgekauft. „Commerzbank“ – den Namen fand Manzke, die einen Blog zur Nachhaltigkeit betreibt, unsympathisch. Und als die Finanz- und Bankenkrise kam, tauchten auf einmal lauter Fragen bei ihr auf. Was passiert da eigentlich gerade? Sie wusste es nicht und hatte auch nicht das Gefühl, dass ihre Bank es wusste. „Dann habe ich angefangen, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, erzählt die Unternehmensberaterin. Manzke recherchierte im Internet – und was sie fand, gefiel ihr nicht: „Meine Bank ist einer der Hauptfinanzgeber der Atomwirtschaft!“ Es dauerte noch ein, zwei Jahre, bis Manzke zur Triodos-Bank wechselte, einer der Handvoll grüner Banken in Deutschland, die nur in ökologische oder soziale Projekte investieren. Dass es gerade diese Bank wurde, lag an Bequemlichkeit: Mit der Kreditkarte der Bank kann sie an fast allen Geldautomaten kostenlos Geld abheben. Wie Julia Manzke entscheiden sich immer mehr Menschen für grüne Banken. Während die traditionellen Geldinstitute durch die Finanzkrise und Berichte über Zinsmanipulationen, Steuerskandale und Fehlberatung viel Vertrauen verspielt haben, boomen die nachhaltigen Geldhäuser. Um neue Kunden müssen sie kaum werben – sie kommen von selbst. RAUS AUS DER NISCHE Die Vorjahres-Bilanzen der vier großen grünen Banken können sich sämtlich sehen lassen – alle wachsen kräftig. Branchenprimus ist die GLS-Bank mit einer Bilanzsumme von über drei Milliarden Euro und 165.000 Kunden. Dahinter folgen die Umweltbank mit 2,5 Milliarden Euro und knapp 115.000 Kunden sowie die Ethikbank mit über 310.000 Euro und 50.000 Kunden. Erst 8.000 Kunden in Deutschland hat die niederländische Bank Triodos, die europaweit ihre Bilanzsumme 2013 um fast ein Viertel auf über sechs Milliarden Euro steigern konnte und die 500.000er-Marke bei den Kunden gebrochen hat. Die grünen Banken haben ihre Nische verlassen und wenden sich inzwischen an die breite Masse. Sechsstellige Kundenzahlen mit Tendenz nach oben sprechen eine deutliche Sprache. Aber grüne Bank ist nicht gleich grüne Bank. Die vier Marktführer unterscheiden sich in einigen Punkten deutlich. So geht die Umweltbank einen Sonderweg. Als einzige der vier großen grünen Banken bietet sie keine Girokonten an – wer Kunde werden will, braucht ein weiteres Konto. Viele schreckt das erst mal ab, sie wollen alles unter einem Hut haben. Aber das Konzept der Zweitbank ist bei dem 1997 gegründeten Nürnberger Geldhaus durchaus gewollt: Zu jeder Zeit auf das Konto zugreifen zu können, ohne dass die Bank weiß, ob die Kunden in soziale und ökologische Projekte investieren – das habe nichts mit einer nachhaltigen Anlage zu tun. Und so investiert die Umweltbank mit den Einlagen ihrer Kunden nur in Umweltprojekte; vor allen in Solaranlagen, aber auch in die ökologische Gebäudesanierung sowie in Wind- und Wasserkraft. Über 15.000 Umweltprojekte hat die Bank schon mit insgesamt etwa zwei Milliarden Euro finanziert. „Ist das überhaupt sicher?“, kam als Frage. Dabei hätten viele Bekannte und Arbeitskollegen im Zuge der Finanz- und Bankenkrise Geld verloren. „Schlimmer kann es auch nicht kommen!“, dachte sich Manzke. Wer zu einer der Ökobanken wechselt, muss jedenfalls keine Angst um sein Geld haben. Auch die grünen Geldinstitute sind abgesichert. Die GLS-Bank etwa ist Mitglied im Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken und die Gelder der Kunden sind über den Einlagensicherungsfonds komplett abgesichert. An den KEINE ANGST UMS GELD Die anderen drei großen grünen Banken geben sich pragmatischer und haben sich breiter aufgestellt: Sie finanzieren auch soziale Projekte. Kunden der GLS-Bank, der ältesten Ökobank, können wählen, wo ihr Geld bevorzugt angelegt wird – in einem Windpark, einer Waldorfschule, einer Biomolkerei, einem Wohnprojekt für Menschen mit geistiger Behinderung oder einem Yogazentrum. Die Kunden der 1974 gegründeten Bank mit Sitz in Bochum können außerdem verfolgen, wo ihr Geld am Ende landet. In puncto Transparenz können da etwa die relativ nachhaltigen Kirchenbanken wie die Steyler Bank in Sankt Augustin bei Bonn nicht mithalten – auch nicht, was die hohen Kriterien für die Anlagen betrifft. Auch wenn es ihr vor allem um die Umwelt gehe, sagt Manzke, so sei es für sie auch in Ordnung, dass ihre Bank in soziale Projekte investiert. Wichtiger ist ihr ohnehin der Ausschluss von bestimmten Investitionsbereichen: Massentierhaltung, Atomwirtschaft, Nahrungsmittelspekulation. Als sie ihren Freunden davon erzählte, dass sie zu einer ökologischen Bank wechselt, reagierten die erst mal skeptisch: GLS-Mitarbeiter haben durch die Finanzkrise an Kundschaft gewonnen. 18.500 Geldautomaten können sie kostenlos Geld abheben. Außerdem unterhält die GLS ein kleines Filialnetz in sieben Großstädten – eine Besonderheit unter den nachhaltigen Banken. Die Ethikbank etwa bedient ihre Kunden am Telefon oder über das Internet. Während die Kunden von nachhaltigen Banken eher weniger Zinsen einstreichen können, werden ihnen, wenn sie ins Minus gehen, aber auch weniger Zinsen abkassiert, die GLS-Bank verlangt etwa 7,5 Prozent. Eines allerdings lässt einige noch vor einem Wechsel zu einer Umweltbank zurückschrecken, davon kann auch Julia Manzke aus ihrem Bekanntenkreis berichten: die relativ hohen Kontoführungsgebühren. Etwa 60 Euro muss der Besitzer eines Girokontos bei einer grünen Bank pro Jahr einrechnen, will er auch Bank- und Kreditkarte nutzen. Dafür weiß er, was mit seinem Geld passiert. VON 400 FONDS SIND ZEHN WIRKLICH „ETHISCH“ Begibt man sich in den nachhaltigen Anlagedschungel, sieht auf den ersten Blick alles sehr gerecht, sozial und umweltverträglich aus. Doch so ist es leider nicht. „Von den rund 400 am Markt angebotenen Fonds folgen nur rund zehn wirklich strengen Kriterien“, bedauert Antje Schneeweiß vom Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene in Siegburg bei Bonn. Bei allen anderen könnten ethisch fragwürdige Praktiken Wo grün draufsteht, müsste auch grün drin sein – leider kaufen die Anleger heute noch oft die Katze im Sack. in der Wertschöpfungskette wie Fracking oder Kinderarbeit nicht ausgeschlossen werden. „Die Weltwirtschaft funktioniert nicht nachhaltig – deshalb ist es auch schwer, Geld nachhaltig anzulegen“, so die Finanzexpertin. Noch mehr als bei Bioprodukten und fairem Handel gilt: Allein auf gut klingende Namen kann man sich nicht verlassen. Je nach Angebot investiert man nur ein bisschen ethisch korrekt oder sehr weitgehend – oder irgendwo dazwischen. Aber es gibt Hilfe: Neben der Anlageberatung entwickeln die Verbraucherzentralen Marktübersichten und stellen beispielsweise BestPractice-Listen zusammen. „Bei den Fonds raten wir den Anlegern immer zu schauen, in welche Firmen genau investiert wird – oft gibt es dann ein großes Staunen, wenn plötzlich BMW oder Starbucks in Nachhaltigkeitsfonds auftauchen“, erklärt Ulrike Brendel von der Verbraucherzentrale Bremen. „In der Politik tut sich seit Jahren DER SELBST GEMACHTE EURO-EXIT Teilen und Tauschen oder die Ausgabe von Regionalgeld können Leben und Wirtschaften sozialer gestalten. Der Umwelt und dem Klima hilft das auch. Te x t : S U S A N N E S C H WA R Z Z wischen dem großen Spielplatz und dem hip-teuren Café machen Graffiti graue Wände lebendig. Die kleine Bude – Aufschrift: Nachbarschaftshaus – auf dem Helmholtz-Platz im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg erscheint wie eine Bastion der Wahrhaftigkeit. Rechts schicke Eltern mit ihrem Nachwuchs, links Vielbeschäftigte in der wohlverdienten Chai-Latte-Pause. Holger Liedtke sitzt ein paar Meter abseits auf einer kleinen Mauer und lässt den Blick entlang des Nachbarschaftshauses schweifen. Er betreut das Haus heute. Manchmal sind auch andere Mitglieder des Fördervereins Helmholzplatz dran. Seit 2003 gibt es hier auch einen Tauschring, den Liedtke mitorganisiert. Ganz ohne Euros: Daria gibt Yoga-Stunden, Jakob bietet sein Smartphone zum Verleih – „bis zu zwei Wochen“. Michael will seine Monatskarte „teilen, Mareike ihr Fahrrad. „Im Prinzip ist es simpel“, meint Liedtke. „Wenn sich jemand keine eigene Waschmaschine kauft, bei anderen mitwäscht und dafür dem nächsten ab und an sein Auto leiht, dann haben wir eine Waschmaschine und ein Auto eingespart“, erklärt er. Die Produktion der Geräte verbrauche schließlich Rohstoffe und Energie – und belaste Planet und Atmosphäre mit Foto: spreebluete.de Foto: I-vista | pixelio.de Ein Beispiel für sogenannte Best Practice ist der Fairworldfonds: Die Hilfsorganisation Brot für die Welt hat 2010 zusammen mit dem Südwind-Institut Kriterien für ethische Investments entwickelt und sie an die Gründer eines Fonds weitergereicht. Dabei gründeten mehrere Organisationen wie die GLS Bank zusammen mit der Genossenschaftsbank Union Investment den Fairworldfonds. „Unsere Kriterien für nachhaltige Investments gelten als die strengsten auf dem Markt“, sagt Michael Türk, Unternehmensexperte bei Brot für die Welt. Die im Fairworldfonds angebotenen Aktien und Anleihen durchlaufen ein mehrstufiges Prüfverfahren. Dementsprechend gibt es „Ausschlusskriterien“ und „Positivkriterien“, nach denen eine Anlage oder ein Unternehmen im Fonds bewertet werden. Eine politische Kampagne zur Festschreibung sozialer und ökologischer Standards gibt es jedoch noch nicht. „Die Investoren und Anleger müssten diese Kriterien bei den Unternehmen einfordern“, meint Türk von Brot für die Welt. Die Geldmenge des neuen Regionalgeldes für Berlin soll ständig kontrolliert werden. Treibhausgasen. Damit der Tausch nicht immer nur direkt stattfinden muss, handeln die Mitglieder mit der virtuellen Währung Helmholtz-Taler. Ein paar Kilometer weiter, im Stadtteil Biesdorf, hat sich der Verein Regio Berlin noch mehr vorgenommen: eine Alternativwährung für Berlin, mit der man richtig in Geschäften einkaufen kann. „Spreeblüte“ soll das Regionalgeld heißen. Denn mit dem „normalen“ Geld gibt es ein großes Problem, wie Vereinsvorstand Theophil Wonneberger erläutert: „Währungen wie Euro, Dollar und Yen sind zum großen Teil privatwirtschaftlich organisiert – es soll Geld mit Geld gemacht werden.“ Deshalb müsse solches Geld immer mehr werden. Das führe, erklärt er, zu dem Umstand, dass die Wirtschaft ständig wachsen müsse – und der Planet und seine Ressourcen immer mehr ausgebeutet werden. „Wir wollen ‚fließendes‘ Geld schaffen, das wirklich im Umlauf ist und nicht nur auf den Finanzmärkten herumliegt“, sagt Wonneberger. Deshalb sollen auch die Mitglieder des Vereins darüber entscheiden, wie viele Spreeblüten gedruckt und nach welchen Regeln sie vergeben werden – im Zweifelsfall könnten sie auch beschließen, die Geldmenge herunterzufahren. Zinsen dürfen nicht erhoben werden, damit sich das bloße Ansammeln der Noten nicht lohnt. Noch ist die Spreeblüte allerdings Zukunftsmusik. Man sei auf der Suche nach genug Gewerbepartnern, die die Spreeblüte nutzen wollen. „Bisher sind ungefähr 50 dabei, ab 100 wollen wir loslegen“, erzählt Wonneberger. Die Tauschwut indes lässt nach. Auch wenn die Angebote beim Tauschring Helmholtzplatz vielfältig wirken – früher waren es einmal viel mehr. Das Problem hätten auch die anderen Berliner Tauschringe, berichtet Holger Liedtke. „Bei uns liegt das vielleicht an den Veränderungen im Kiez“, vermutet er. Prenzlauer Berg gilt als der Prototyp für die Gentrifizierung in Berlin: Früher ein Hort von Unangepassten, Künstlern und Hausbesetzern, ist der Stadtteil über die Jahre immer bürgerlicher, immer kommerzieller, immer „fertiger“ geworden. Heute hat es kaum noch jemand finanziell nötig, zu tauschen statt zu kaufen. „Klar haben wir auch Idealisten im Tauschring“, meint Liedtke. Vor allem habe die Gruppe aber immer Menschen angezogen, bei denen das Geld knapp ist. „Man sieht es zurzeit in Griechenland: Die Krise ist manifest und die Tauschringe schießen nur so aus dem Boden.“ ALLTAGSMY THEN, für Griechenland 2010–2014 215 316 200 Im Ausland verstecktes reicher Griechen Vermögen (ALDI) (LIDL, Kaufland) der Familie Albrecht Dieter Schwarz Vermögen Vermögen (Conti) 2014 281 34,8 5 Verteidigungshaushalt Deutschland 2010–2014 150 (D) Vermögen 54,7 (EU) 10,6 Staatsschulden Griechenland USA 2012 Externe Kosten der Kohleverbrennung in Europa pro Jahr 103 (D) Deutschland Jährliche Spenden in den USA Wahlkampfkosten Vermögen der unteren 50 % Quandt (BMW) Rettungspakete Umsatz Amazon NFO der Familie Schaeffler OV UM . I der Familien IK", WW W. M Vermögen ZPOLIT 14,5 movum.info E 8 "FIN AN 17,6 NACHRICHTEN 18 MIT GRAFIKPLAKAT ZUM THEMA AU S G A B Alle Zahlenangaben auf dieser Alle Zahlen Seite sind beziehen in Milliarden sich, wenn nicht anders Quellenangabe: Euro. angegeben, Die Quellen auf auf die Bundesrepublik PDF-Version für diese Infografik Deutschland. (www.movum.info) sind auf den jeweiligen verlinkt. Feldern in der 31 WO DIE SEID ENTZAUBERT: WIRKLICMILLIARDEN H LANDEN MOV UM Konzep tion: K AI NIEB Umsetz ERT ung: K ALISCH DESIGN .DE „Ist es nicht zu teuer, „In die Förderung die vielen erneuerbarer Flüchtlinge bei uns geflossen.“ aufzunehmen? Energien „Klimaschutz ist schon einmal nachgerechnet “ können wir viel zu viel uns nicht Geld solchen Alltagsmythen und die leisten.“ Zahlen Wir aufzuräumen. ins Verhältnis gesetzt,haben um mit Staatliche Förderung Erneuerbare 1970–2012 67 (D) Staatliche Förderung Braunkohle 1970–2012 10 (D) 87 (D) Branntweinsteuer Gewinn der aus der Fußball-WM FIFA 2014 in Deutschland pro Jahr Tabaksteuer 3,5 (D) 3,3 Allen Kindern weltweit Schulbildung ermöglichen Zuteilung CO 2 -Emissionsberechtig der ungen pro Jahr 7 (D) Energiesteuerbefrei ung des Kerosins pro Jahr Staatliche Förderung Steinkohle 1970–2012 311 (D) 8,75 Ausgaben 87 (D) 48 (WELT) 14 58,6 (D) der reichsten 4.813 Mrd. 10 % Kosten für Klimaschutz bis 2030 (D) Vermögen der reichsten 1.627 (D) 31 (D) Durch Verkehr verursachte Gesundheitskosten Umsatzsteuer 52 (D) Umweltschädliche Subventionen pro Jahr 3,8 (D) Haushalt Umweltministerium 0,1 % 85,7 (D) 800 Mrd. 84 (D) Steuereinnahmen Deutschland pro Jahr 278 (D) Kaffeesteuer Weltweite Beseitigung von Hunger 301 (D) Gesundheitsausgaben in Deutschland pro Jahr (D) 36 (D) Aufnahme von 800.000 Flüchtlingen in Deutschland Bankenrettung in Deutschland Urlaubsausgaben der Deutschen pro Jahr 27 (WELT) Gesundheitskosten der Kohleverstromung 6,3 (D) Brasiliens zur Fußball-WM 2014 2 Vermögen Energiesteuer Lohnsteuer 50 (D) Staatliche Förderung Atomenergie 1970–2012 213 (D) 6 (D) Kostenfreie Mehrwertsteuerbefr für internationale eiung Flüge pro Jahr 1 Staatsverschuldung Deutschland 2.000 (D) (D) Kosten des Klimawandels bis 2050 Briefe zur Transformation movum Subventionen erneuerbare Energien weltweit pro Jahr (WELT) 88 Atomkraft UNO startet privaten Emissionshandel Die Verringerung der Treibhausgas-Emissionen wird zur Privatsache: Die Vereinten Nationen führen einen „Emissionshandel für alle“ ein und bauen dafür den „United Nations Climate Credit Store“ auf. Über diese Internetplattform können Privatpersonen und Firmen Emissionszertifikate aus dem Clean Development Mechanism (CDM) kaufen, um so freiwillig ihre Emissionen zu kompensieren. Wer eine Reise oder seinen Fleischkonsum klimaneutral stellen möchte, kann im „Store“ die Treibhausgas-Belastung berechnen lassen und für dieselbe Menge Verschmutzungsrechte kaufen. Umweltorganisationen zweifeln aber am Nutzen vieler CDM-Projekte. „Der Konsument wird da getäuscht“, sagte die WWF-Klimaexpertin Juliette de Grandpré der Süddeutschen Zeitung. (sz.de/1.2641976) 272 (WELT) 4.717 Mrd. Subventionen fossile Energien weltweit (Welt) 9.300 Mrd. pro Jahr 4.353 Mrd. Gesundheitsausgabe n weltweit Privates Vermögen in Deutschland (D) (Welt) pro Jahr Ausgabe 8 Oktober 2015 Finanzpolitik Foto: Fossil Free Tufts „Divest for Paris“ Die weltweite Divestment-Bewegung fordert Institutionen, Einzelpersonen und Regierungen dazu auf, ihr Geld noch vor der Pariser Klimakonferenz im Dezember aus dem Geschäft mit fossilen Brennstoffen abzuziehen. Im September traf sich die Bewegung in der französischen Hauptstadt zu einem Kongress. „Wer in Paris Taten sehen will, darf nicht die fossile Energiewirtschaft bezahlen“, sagte May Boeve von der Klimaschutzorganisation 350.org, die den Kongress zusammen mit den Europäischen Grünen veranstaltete. Divestment sei schon rein wirtschaftlich geboten. Man spricht von der „Kohlenstoffblase“: Sobald die Staaten ernsthaften Klimaschutz betreiben, werden Investitionen in die Branche schnell wertlos. Das werde früher oder später auch passieren, sagte Boeve. (europeangreens.eu/divestconference) Subventionen weltweit pro Jahr Zivilgesellschaft auf Transformationskurs Die zivilgesellschaftlichen Bewegungen für ökonomische, ökologische und soziale Alternativen wollen sich gemeinsam für eine umfassende Transformationsperspektive einsetzen. Ein entsprechender Konvergenzprozess ist bereits im Gang. Das zeigte sich beim „Solikon 2015“, dem Praxiskongresses für solidarische Ökonomie im September an der TU Berlin. Eine Woche lang ging es dort um die vielfältigen Formen solidarischer Ökonomie und um konkrete Kooperationsweisen. Die Verfechter der solidarischen Ökonomie plädieren für ein Wirtschaftssystem, das auf Kooperation statt Konkurrenz beruht. Vorgeschaltet war dem Kongress eine „Wandelwoche“, um bei Projekten Ort zu erkunden, welche Varianten einer solidarischen Ökonomie schon heute funktionieren. (solikon2015.de) Foto: Fred Meyer | flickr.com Green Economy? Faire Einkommen! „Grünes Wachstum“ mit erneuerbaren Energien, mehr Effizienz und einer Dienstleistungsökonomie ist nicht das entscheidende Instrument gegen den Klimawandel. Zu dem Ergebnis kommt der Chefökonom des Schweizer Research Institute on Organic Agriculture, Ulrich Hoffmann, in einer Analyse für die UN-Organisation für Handel und Entwicklung UNCTAD. Der oft reduktionistische Green-Growth-Ansatz habe technologische, bevölkerungsdynamische und systemische Zwänge nicht im Blick und könne Scheinlösungen stärken. Die nötige Transformation beinhalte eine bessere Verteilung von Vermögen und Einkommen, eine Begrenzung der Marktmacht von Wirtschaftsakteuren und eine Kultur der Genügsamkeit. (UNCTAD/OSG/DP/2015/4) IMPRESSUM Herausgeber: Damian Ludewig, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V.; Michael Müller, Vorsitzender, NaturFreunde Deutschlands e.V. Christel Schroeder, Lutz Ribbe, EuroNatur Stiftung; Jörg Sommer, Vorstandsvorsitzender, Deutsche Umweltstiftung; Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender, BUND e.V.; Dr. Martin Held, Gesprächskreis Die Transformateure – Akteure der Großen Transformation Förderhinweis: DIESES PROJEKT WURDE GEFÖRDERT VON: Förderhinweis: Redaktion: Chefredaktion: Susanne Götze, Joachim Wille (V.i.S.d.P.) Redakteure: Matthias Bauer, Sandra Kirchner DIESES PROJEKT WURDE GEFÖRDERT VON: Debatte n zu den The men die ser Ausgabe unter: www.B riefe-zu rTransfo rmatio n.de THEORIE: „ICH HALTE NICHTS DAVON, DIE FLINTE INS KORN ZU WERFEN“ Interview mit Barbara Hendricks Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den AutorInnen. Layout Alexander Seeberg-Elverfeldt, Entwicklung; Adrien Tasic, Gestaltung; Jennifer Kalisch, Infografik Dr. Kai Niebert, Fakultät Nachhaltigkeit, Leuphana Universität Lüneburg, Konzeption Infografik Verlag: movum erscheint im GutWetter Verlag UG (haftungsbeschränkt) Marienstraße 19/20, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 24632232, www.gutwetterverlag.de, Geschäftsführer: Marco Eisenack Registergericht: Amtsgericht Charlottenburg, NR-Nr.: HRB 118470 B. Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste sowie Vervielfältigung auf Datenträgern nur nach Genehmigung des Verlages. movum erscheint als kostenlose Beilage in Kombination mit dem Wirtschaftsmagazin enorm, www.enorm-magazin.de movum liegt exklusiv, regelmäßig und kostenlos dem Wirtschaftsmagazin enorm bei, www.enorm-magazin.de. 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