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Volume Nro. 1, Dienstag, den 1. Januar 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

Nro. i 
i8'i« 
D e r 
Dienstag, 
Freimüthige 
oder 
den i. Januar. 
Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser. 
Die Reise in daö Lager. 
„Kinderchen, gehabt Euch wohl, und seyd recht 
vergnügt," sagte der alte Ober,Forstmeister, und 
reichte die Hand Reihe herum in den Wagen hin, 
ein, „und Ihnen (Reu ,» mir «mdm») gnade 
Gott, wenn Sie einem meiner Mädels ein Haar 
krümmen lassen." Die Braunen zogen an, der 
Alte prallte zurück, um seine Fußzehen zu gewah 
ren, und wir flogen zum Hofe hinaus. 
„So bin ich denn nun," hob ich gravitätisch 
von meinem Rücksitz zu den drei, im Fond« gegen 
mir über sitzenden, hübschen Fräuleins an, „so 
bin ich denn nun Ihr wohlbestallter Oder-Hof 
meister, und befehle Ihnen vor allen Dingen, 
Respekt vor mir zu haben. Blinder Gehorsam 
ist die erste Pflicht eines gutartigen Zöglings, 
und daher gebiete ich, daß man mir flugs und 
fröhlich einen Kuß gebe, mit welchem feierlichen 
Actu denn unsere lustige Reise zum Lager eröff 
net seyn möge." 
Meine drei niedlichen Gegenübers sahen sich 
einander an, keine wollte den Anfang machen; 
Endlich versprachen sie zu gehorchen, aber unter 
einer einzigen Bedingung. — Und diese lautet? 
„Daß Sie sich im Lager um uns gar nicht 
bekümmern, daß Sie uns gewähren lassen, wie 
wir wollen. Tante Polangen ist ja da; sie har 
uns alle als Kinder bei sich gehabt und groß ge 
zogen, sie wird uns also auch ohne Sie schon un 
ter ihre Flügel nehmen." 
Ich willigte um so lieber in den Vorschlag, 
denn die beständige Führung dreier liebenswürdi 
ger Mädchen wäre mir, im Gedränge des Lager- 
tumults, ohnehin sehr lästig geworden. 
Meine kleinen Gegnerinnen hielten dafür 
auch redlich Wort. Eine kam nach der andern 
herüber auf meinen Rücksitz, sehte sich ein Weil 
chen neben mir, und zahlte mit ihren schönen Lip 
pen die aufgelegte Contribution. 
Vier Jahre war ich fast täglich im Hause 
des Ober-Forstmeisters; aber schöner hatten mir 
die drei Mädchen nie geschienen, als heute. 
Rosalia, die älteste, ein Ideal einer üppigen 
Blondine. Zn ihrem große» blauen Auge lag ein 
Himmel voll Liebe. Ihr blendend weißer Hals, 
ihr schöner runder Arm, die Ueberfülle ihres Bu 
sens, mußten jeden Erdensohn aus der Fassung 
bringen. Heute sollte die schwarze Enveloppe alle 
diese Zauberreize bergen. Aber bald lüftete sich 
hier eine Falte, bald fächelte dort der Wind die 
schwarze weiche Hülle weg, und überall blendete
	        
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