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Volume Nro. 111, Dienstag, den 4. Juny 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

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tung aberward zurückgetrieben, und er selbst blieb 
mir einem Freunde und einem Sklaven Gefange 
ner in der Christen Händen. Ale er hierauf vor 
den Präfekt geführt wurde, vergaß er, seiner 
Würde sich erinnernd, die gegenwärtige Lage, in 
die ihn seine Kühnheit und sein Ungestüm verseht 
hatten; ein stolzes Benehmen und eine entschloe' 
sene Sprache verriethen an ihm gar bald des Ka 
lifen Feldherrn, und schon hatte ein christlicher 
Soldat die Streitaxt aufgehoben, um dem toll 
kühnen Gefangenen den Todeestrcich zu versehen, 
als noch die Geistesgegenwart seines Sklaven ihm 
das Leben rettete. Dieser gab seinem Herrn au 
genblicklich eine Ohrfeige; mit dem Befehl in har 
tem Ton: in Gegenwart seiner Vorgesetzten zu 
schweigen. Der schnellgläubige Christ ward da 
durch getäuscht, nahm den Vorschlag zu einem 
Vertrage an, und die Gefangenen wurden, in Hoff 
nung, daß eine besondre Gesandschaft eintreffen 
sollte, entlassen. Diese so wohl angebrachte Ohr 
feige rettete dem Oberfeldherrn das Leben, und 
machte ihn bald darauf zum Sieger über die 
Hauptstadt; Alexandrien gieng an die Saracenen 
640 den aasten December über. 
ssBittmtera. R a a b e. 
Tagesbegebenheiten. 
Miszellen. 
Annigunha Müzleunn, ,z Ja« alt, eineö Tagelöhners rochier, 
»nftel noch einet außerehelichen Schwängerung in den Wahn, »er 
Teufel werde sie holen. Bald arrere ihr Wahnsinn in Tobsucht 
aus. Armuth, schlechte Nahrung, Mißhandlungen aller Art vol 
lendeten ihre schreckliche Lage; sie entlief von Zeit >» Zeit aus iy- 
r>r Heimath, zerriß ihre Kleider und irrte Tag und Nacht, bei 
Wegen und Schnee, in den Wäld-rn herum, immer rufend: „Dort 
isi er, jetzt holt tr michSie wurde endlich eingesperrt. Zn die, 
sem Zustande, und hSehst abgezehrt, fand sie der würdige Priester 
und Ortspfarrer, Dominikus Mer, >u FreyenfelS, Landgerichts 
Hollfeld im Mainkreise, beim Antritt seiner PfarrNelle. Theilneh, 
mend erforschte er die Leidensgeschichte dieser Unglücklichen, lieh 
ihr die Ketten abnehmen, und suchte durch paffende Vorstellungen 
auf ihr beängstigtes Gemüth >u wirken. Aber kaum entfesselt, ent. 
floh sie durchs Fenster. Man suchte nun ihre Sinnlichkeit durch 
einige Leckerbiffen ,u gewinnen. UN» sie in eine menschliche Lage 
,u »ersetzen. Der würdige Priester blieb nicht bei tönenden Trost- 
gründen stehen, sondern »ersah die Unglückliche täglich von seinem 
Tische mit Speisen, reichte ihr ,«eckmäßige Spielwerke, und be 
fahl, sie mit Liebe, Schonung und Sanftmuth ,u behandeln. 
Durch kleine Geschenke, die ihre weibliche Eitelkeit rcge machten, 
gtwöhnte sie sich so sehr an ihren Pfarr:r, daß sie ihm sogar in 
seine Wohnung folgte, und ansing, an häuslichen Arbeiten Theil 
zunehmen. Zhre Aufmerksamkeit auf sich, und auf Gegenstände 
außer ihr, gab täglich schönere Hoffnung ,nr Genesung, sie »ahm 
Vernunftgründe an, kehrte allmählig ,u ihrer sonst gewohnten Be 
schäftigung im Nähen und Stricken inrück, und nährt nun mit 
ihrer Handarbeit ihre alte arme Mutter und eine kranke Schwester. 
— Ein schreckliches Ereigniß hat sich fn dem Steinkohlenberg 
werk deß Thal s St. Lambert bei Lüttich zugetragen. Folgendes 
sind die traurigen Umstände davon: Als am assten April, um 
7 Uhr Abends, die Nachkarb-il-r in die Geube fuhren, gingen 
zwei von ihnen voraus, um die brennbare Luft ,n vertreiben; der 
Feuerwächter, der sich am Eingang der Auffahrt befand, enftün- 
»ete dieselbe mit seinem Lichte. Dieser giftige Dunst, aus der 
Lustart erieugt, welche sich aus den Gewässern entwickelt, die die 
ehemaligen Gänge derDergader von Mal-Garnie ausfüllen, nahm 
ohne Zw.ifil alle leeren Räume ein; denn der Knall war so heftig, 
daß er ,n gleicher Zelt und allenthalben verspürt, daß der größte 
Theil der Arbeiten verschüttet, und der Schacht ierstört wurde. 
Die Folgen dieses traurigen Vorfalls sind, daß von 5i Menschen, 
welche sich gerade in dem Schacht befanden, 3; plötzlich geiödret 
und ts mehr oder weniger verwundet wurdtn. Ein tinzigtr 
(Baptisie Mottard) entging dem allgemeinen Unglück. Dieser 
Mann und ein gewisser Croneck, der nur eine leichte Wunde er 
halten harte, harten den Muth, nochmals in den Schacht hinun 
ter zu steigen, um diejenigen ihrer tlnglückSgefäkrten, welche sie 
noch ins Leden zurück zu bringen hoffeeu, ;t> reiten. Die Aufopfe 
rung dieser deiden braven Arbeiter blieb nicht ohne Erfolg, ,m» 
sie trugen dajii bei, 17 mehr oder weniger verwundete Menschen 
zu retten. 
— Der Besitzer der Bäder von Tivoli in Paris will die B«. 
metknng gemacht haben,Ddaß das grüne, noch nicht alte Hol, eine 
größere Hitze gebe, als das dürre. ES wäre der Mühe werth, diese 
Bemerkung durch weitere Erfahrungen zu begründen. 
— Am gern May ereignete sich ein unglücklicher Vorfall in der 
Gemeinde Kruft, KantonS Andernach. Don 7 Arbeitern, weiche 
mit der Niederreißung der ehemaligen probsteilichen Gebäude be 
schäftigt waren, wurden 6 von einem lusammen stürzenden Stücke 
Mauer begraben. Einer blieb wde auf dem Platze; die 5 andern 
sin» mehr oder weniger schwer verwundet. 
— Vor z- Jahren starb die Tochrer deS damaligen Ritterguts 
besitzers zu DörflaS, eine« HauptmannS «on RöirenbachS, an den 
Kmderblairern in einem Alter von 6,1/2 Jahren. Sie stand drei 
volle Tage auf dem Dretre, nnd wurde dann in das zu dem Rit, 
tersitz Dörflas gehörige Erbbegribniß zu Cbrispeadors begraben. 
Bor einigen Wochen stirbt der gegenwärtige Besitzer dieses Dorfes, 
und wie man die vermauerte Gruft ,n seiner Beerdigung öffner, 
waS in den versioffenen 3- Jahren nicht geschehen war, sinder 
man den Sarg jenes KindeS umgeworfen und.an das Luftloch ge 
schoben, da« Gerippe deS «indes aber nicht weit davon in einem 
Winkel zusammen geneigt. Wahrscheiniiich, da der Deckel noch 
am Orte, wo der Sarg beigesetzt war, lag, hat die Arme den um 
gekehrten Sarg an das Luftloch geschoben, um darauf zu treten, 
und eher durch dieses Loch mit ihrem Flehen um Rettung gehört 
zu werden. Die Wahrheit dieftr Geschichte wird verbürgt.
	        
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